Berliner Mietendeckel: Das richtige Signal
Über den geleakten Entwurf der Berliner Senatorin Lompscher schäumt die Lokalpresse. Dabei macht die Politikerin bloß ihren Job: linke Politik.
M an soll das Gewicht politischer Maßnahmen ja nicht nur anhand der Reaktionen ihrer Gegner*innen messen. Ein starkes Indiz dafür, dass Katrin Lompscher, linke Berliner Senatorin für Stadtentwicklung, sich auf dem richtigen Weg befindet, ist das ihr entgegenschlagende Gekeife aber allemal. Denn kaum macht eine linke Politikerin linke Politik, also das, wofür sie mutmaßlich in ihr Amt gewählt wurde, fletscht das scheue Reh Rendite sogleich die Zähne.
Ein Arbeitspapier aus dem Haus der Senatorin zum geplanten Mietendeckel macht die Runde und die Lokalpresse hyperventiliert: „Die Linken zünden Berlin an“, kreischt die Morgenpost, man könnte fast meinen, es sei Mai 1945 – oder mindestens 1987, als am Tag der Arbeit in Kreuzberg der Bolle-Supermarkt in Flammen stand. Die B.Z. sagt immerhin schon in der Überschrift, was das Thema ist. „Dieser Mietendeckel ist nichts anderes als Enteignung“, heißt es da. Auch Tagesspiegel und Berliner Zeitung entdecken ihr Herz für Kleinvermieter*innen und andere sozial Benachteiligte. Worum es aber wirklich geht, merkt die ortsfremde FAZ in empathischer Nüchternheit an: Die Aktien von Immobilienkonzernen sinken.
Inwieweit Lompschers Idee zu einem Mietendeckel, der so drastisch in den Markt eingreifen würde, dass selbst Bestandsmieten abgesenkt werden müssten, wirklich Gesetz wird, ist dabei völlig offen. Schließlich gibt es ja noch zwei Koalitionspartner, und selbst in der Linkspartei ist keineswegs garantiert, dass nicht die einen oder anderen noch Angst vor der eigenen Courage bekommen. Das Signal aber ist gesetzt.
Ob von ihr selber so gewollt oder nicht, eine Woche vor den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg demonstriert die Berliner Senatorin ein Maß an politischer Entschlossenheit, das nicht nur in der Wohnungspolitik seit Jahren fehlt. In Potsdam oder Dresden dürfte diese Botschaft, dass die Linkspartei, einmal gewählt, auch Ernst macht, durchaus nicht die schlechteste sein.
Botschaft mit Drohpotenzial
Perspektivisch noch viel wichtiger als kurzfristig wirksame tatsächliche Mietendeckelung oder gar -absenkung ist dabei das Drohpotenzial von Lompschers Botschaft: dass die immer weiter steigende Renditeerwartung bei Immobilienspekulationen durch einen ordnenden staatlichen Eingriff empfindlich gekappt werden könnte. Lompscher macht deutlich, dass es in der Metropole eben nicht darum geht, einen für Investor*innen (ob groß oder klein) attraktiven Immobilienmarkt zu schaffen, sondern bezahlbaren Wohnraum für Menschen.
Und nein, da gibt es keinen Ausgleich ohne harte Regulierung, denn Profitinteresse und Anspruch auf Daseinsvorsorge sind schlicht unversöhnliche Gegensätze. Das Kräfteverhältnis zwischen beiden Polen wurde dabei immer wieder aufs Neue für Jahrzehnte im Voraus zugunsten der Immobilienlobby justiert. Warum sollte linke Politik diesen Zustand nicht versuchen zu ändern?
Die Durchschlagskraft einer angedrohten Regulierung, die die bisher alles bestimmende Profitlogik angreift, wird sich zwar erst mittel- und langfristig beurteilen lassen. Auf jeden Fall aber dreht sie schon heute an einem größeren Rad als die misslungene Mietpreisbremse oder kommunale Vorkaufsrechte bei überteuerten Immobilien. Nicht zuletzt deshalb, weil sie im besten Sinne rücksichtslos die Interessen des vermeintlich gottgegebenen Marktes ignoriert. Da ginge selbstverständlich mehr, eine Jakobinermütze aber trägt die Senatorin ganz sicher nicht, auch wenn die ihr bisweilen angedichtet wird.
Man kann natürlich unterschiedlicher Ansicht darüber sein, ob es prinzipiell legitim ist, Profit aus dem Eigentum an Grund und Boden zu schlagen. Katrin Lompscher will in dieser Angelegenheit ganz offensichtlich da eine Grenze ziehen, wo das Grundbedürfnis auf angemessenen und bezahlbaren Wohnraum nicht mehr befriedigt wird. Die Senatorin nutzt deshalb jetzt die ihr zur Verfügung stehenden Mittel, um das Kräfteverhältnis in dieser Arena auf längere Sicht entsprechend ihren Überzeugungen zu beeinflussen. Und das muss ihr erst mal jemand nachmachen.
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