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Baerbock will zur UNTraumjob mit Geschmäckle

Grünen-Politikerin und noch Außenministerin Annalena Baerbock zieht es für einen UN-Posten nach New York. Harsche Kritik kommt vor allem von Männern.

Annalena Baerbock kennt sich aus: Hier spricht sie bei der 79. Generaldebatte der UN-Vollversammlung im Februar 2025 Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Das Geheimnis um Annalena Baerbocks neuen Job ist gelüftet. Die Grünen-Politikerin, die noch wenige Wochen das Amt der Außenministerin innehaben wird, soll Präsidentin der UN-Generalversammlung in New York werden. Laut Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte sich das Kabinett „auch im Einvernehmen mit der künftigen potenziellen Bundesregierung darauf verständigt, Frau Baerbock zu nominieren“.

Pikant an der Nominierung: Eigentlich war eine andere Frau für den Posten vorgesehen – die Topdiplomatin Helga Schmid, eine 64-Jährige mit beeindruckendem Lebenslauf. Sie hat die Atomvereinbarung mit dem Iran maßgeblich verhandelt, war Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes und zuletzt an der Spitze der OSZE. Im Juli 2024 wurde sie von der Bundesregierung für das Amt nominiert, das nun Baerbock bekommen soll.

Diese hatte erst vor Kurzem bekannt gegeben, auf ein Spitzenamt bei den Grünen zu verzichten, und somit den Weg für Katharina Dröge und Britta Haßelmann als alte und neue Fraktionsspitze freigemacht. Ihre Begründung damals: Mehr Zeit für die Familie.

Jetzt aber soll es also nach New York gehen. Im Mai will Baerbock ihr Programm vorstellen, im Juni folgt die Wahl. Im September ist Dienstantritt. Als Präsidentin der Generalversammlung hat sie das zweitwichtigste Amt bei den Vereinten Nationen inne – nach dem UN-Generalsekretär. Dieser Posten wird von António Guterres besetzt.

Ex-Top-Diplomat kritisiert eher undiplomatisch

Baerbocks Job wird es sein, Sitzungen der Generalversammlung zu leiten. Sie muss im Vorfeld Mehrheiten organisieren, um Entscheidungen sichtbar zu machen. Das Votum ist zwar nicht bindend, aber doch eine Art globaler Seismograf, der zeigt, wie die Stimmung gegenüber Kriegs- und Krisenlagen ist. Bestes Beispiel ist die Haltung zur Ukraine oder im Nahostkonflikt.

Baerbock wäre die erste Frau, die nach ihrem Amt als Außenministerin in diesen UN-Topjob wechselt. Überhaupt waren erst fünf Frauen Präsidentin der Generalversammlung. Und es ist ein gewaltiges politisches Zeichen aus Europa pro multilateraler Weltordnung. Hoffnung scheint es auch zu geben, dass sich mit dieser Kandidatin die Chancen Deutschlands auf einen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat verbessern.

Kritik an der Nominierung kam prompt. Und zwar von einem illustren, aber ernstzunehmenden Boys Club. Für den ehemaligen Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, ist die Nominierung eine „Unverschämtheit“ und Baerbock gar ein „Auslaufmodell“, wie er im Tagesspiegel schimpfte. Auch Ex-Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sähe lieber Schmid als Baerbock auf dem Topposten. Erstere soll nun einen Interimsposten in der Leitung der Münchner Sicherheitskonferenz füllen.

Nach einem Jahr ist für Baerbock der Spaß in New York dann wieder vorbei. Und die Grünen-Politikerin wohl erneut auf Jobsuche.

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5 Kommentare

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  • Der "Boys Club" hält eine andere Frau für geeigneter. Ich suche die ganze Zeit nach Sexismus in diesem Votum, aber finde ihn nicht! Ich muss wohl einfach weiter suchen ...

  • Anna-Lena Baerbock hat mehr Rückgrat und klar demokratische Haltung, als alle ihre Kritiker zusammen. Sie ist die Richtige.

  • Die Sexismuskarte zieht nicht recht, wenn die Männer eine andere Frau wollen. Die ganzen Hinweise, das Baerbock eine Frau ist, sind daher irrelevant. Mit Begriffen wie „Boys Club“ setzt man sich selbst dem Vorwurf des Sexismus aus.

    Wo liegt der sachliche Grund, jemanden der bereits nominiert ist, zurückzuziehen und durch AB zu ersetzen? Keiner nennt ihn. Als wird es auch keinen geben.

  • Nun ja, wenn man seine Position nutzt um eine offenbar besser qualifizierte Person bei der Ernennung zu übergehen, kann man das schon unverschämt nennen. Das sich ein "Boys-Club" meldet, finde ich im Kontext, dass beide Kandidatinnen sind, höchstens am Rande nennenswert, bestimmt nicht im Titel. So hält es nur als Clickbait her.

  • "Nach einem Jahr ist für Baerbock der Spaß in New York dann wieder vorbei. Und die Grünen-Politikerin wohl erneut auf Jobsuche."



    Ich hoffe, Fr. Baerbock ist sich entgegen dieser Einschätzung dem Ernst ihres "Jobs" wohlbewusst, egal, wie sie da rangekommen ist.



    Und wenn es jetzt schon so prima für sie geklappt hat, mache ich mir auch um ihr weiteres berufliches Fortkommen keine Sorgen.