Autofahren in Kriegszeiten: Kein Öl für Blut
AutofahrerInnen spülen viel Geld in Putins Kriegskasse. Es ist höchste Zeit, dass Autofahren endlich unattraktiv gemacht wird.
D iese Woche verbreitete Robert Habeck ein prägnantes Wort: „Komforteinschränkungen“. Ein Embargo gegen russische Energie würde nicht nur den persönlichen Komfort einschränken, sondern gesamtwirtschaftliche Schäden nach sich ziehen. Mit dem Komfort lieferte der Minister ein wichtiges Stichwort, das er leider nicht weiter vertiefte: Durch ein Embargo ginge der gewohnte Energieverbrauch gezwungenermaßen zurück. Aber einmal umgedreht gedacht: Hiesiger Verzicht, ganz ohne Embargo, würde Putins Imperialismus empfindlich treffen – zumindest würde er ein deutliches Zeichen setzen.
Reden wir über Erdöl, das in der Debatte ums Gas ein bisschen in den Hintergrund gerückt ist. Knapp 30 Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland geht für den Verkehr drauf – ein großer Teil davon für Autos mit Verbrennungsmotor. Das Hauptursprungsland von Erdöl (ein Drittel) ist Russland. Jeder Autofahrer und jede Autofahrerin finanziert also derzeit Putins Krieg mit.
Konsum-Entscheidungen werden von der Mehrheit – man kann es bedauern, aber es ist so – nicht nach moralischen Kriterien getroffen, das hat schon der geringe Effekt der Klimabewegung auf das Autofahren gezeigt. Es kann sein, dass der eine oder andere Autofahrer bei gleich zwei Schuldfragen – ich zerstöre das Klima und finanziere einen Krieg in Europa mit – ins Grübeln kommt, aber das reicht nicht.
Es ist Zeit, noch mal eine Grundsatzdebatte zu führen und die Anti-Auto-Bewegung aus der Öko-Ecke zu holen: Warum muss man eigentlich 1,3 Tonnen Stahl und Plastik persönlich besitzen, um sich scheinbar alternativlos komfortabel fortzubewegen?
Warum gibt es das merkwürdige Gewohnheitsrecht, diesen 1,3 Tonnen schweren Stahl- und Plastikhaufen kostenfrei auf öffentlichem Boden abzustellen? Versuchen Sie mal, Sperrmüll auf einem Parkplatz kurzzeitig abzustellen, ohne dass innerhalb von 10 Minuten ein Nachbar fragend einschreitet.
Geld sollte kein Problem sein
Der Staat muss den Autoverkehr endlich richtig unattraktiv machen: Verbot von Verbrenner-Autos in Innenstädten, mit Ausnahmen für Händler und gebrechliche Menschen. Und auf dem Land und in Kleinstädten ist, so wie in den Großstädten, ein großflächiger, dicht getakteter öffentlicher Personennahverkehr nötig (und nebenbei ein besserer Begriff dafür): Sammeltaxis, viel mehr elektrisch betriebene Busse und Bahnen.
Die Finanzierung? Wenn der Bund mal eben 100 Milliarden Euro an Krediten für die Bundeswehr aufnimmt, sollte Geld kein Problem sein. Und bitte nicht die alleinerziehende Krankenschwester aus dem Hunsrück bemühen, die ja dringend ihren Nissan Micra für die Arbeit braucht. Sie würde zu denen gehören, die von einem guten, öffentlich finanzierten Verkehrssystem am meisten profitieren, weil sie für ihr Auto bislang überdurchschnittlich viel von ihren Einkommen abzwacken muss.
Im Zweiten Golfkrieg 1991 war das Motto auf den Demos: kein Blut für Öl. Der aktuelle Slogan sollte lauten: kein Öl für Blut.
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