Auswege für die Ukraine: Der Preis der Integrität

Die Bereitschaft zu Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine ist nicht sehr hoch. Aber die territoriale Integrität kostet.

Ukrainische Soldaten

Ukainische Soldaten, nachdem sie den zweitgrößten russischen Raketen- und Drohnenangriff abgewehrt haben Foto: Gleb Garanich/reuters

Nach den jüngsten Luftangriffen auf ukrainische Städte wie Kyjiw, Odessa, Charkiw, Saporischschja, den bisher heftigsten seit Kriegsbeginn, und den Gegenschlägen auf die russischen Ortschaften Belgorod, Schurawlewka, Solnzewka, Nechotejewka, mit Dutzenden von Toten auf beiden Seiten stellt sich die Frage, ob wir ein Weiter-so wollen.

Wer wie ich Dutzende Male gespürt hat, wie die Wände nach Explosionen russischer Drohnen und Raketen erzittern und einem fast das Herz stillsteht, der schämt sich dafür, dass er Russland mal geliebt und aus dieser Liebe heraus Russisch studiert hat.

Nach solchen Nächten kann man sich kaum einer klammheimlichen Freude erwehren, wenn man von Luftangriffen auf russische Ortschaften hört. Gut, dass die endlich auch mal am eigenen Leib spüren, was es heißt, nachts vor Drohnen und Raketen zu zittern, denkt man in diesen Situationen. Ich kann UkrainerInnen gut verstehen, die sagen: Wir lassen uns nicht unterkriegen, wir kämpfen so lange, bis wir die von der UNO anerkannten Grenzen wiederhaben.

Man sollte jedoch mal seine Emotionen zu Ende denken, sich auch fragen, welchen Preis, bezahlt in Menschenleben, die Durchsetzung der territorialen Gerechtigkeit hat. Ein ukrainischer Versuch, die Krim zurückzuerobern, wird sehr wahrscheinlich auch zur See stattfinden. Die Basis dieser Rückeroberung werden also die Häfen im Gebiet Odessa sein. Was dann mit Odessa passieren wird, sollte man sich besser nicht vorzustellen versuchen.

In der Ukraine sieht man, dass die militärische Unterstützung durch den Westen abnehmen wird. Die Antwort der Führung ist eine verstärkte eigene Rüstungsproduktion und eine verstärkte Mobilisierung von Wehrpflichtigen. Ex-Premierministerin Julija Tymoschenko fordert Präsident Selenskyj deshalb dazu auf, einen Plan B vorzulegen. Dieser Forderung kann man sich nur anschließen. Es muss mehr verhandelt werden: in humanitären Fragen und zunächst nur auf unteren Ebenen.

Apropos Verhandlungen: Am 3. Januar kamen 230 ukrainische Kriegsgefangene frei. Das war die größte Freilassung von Kriegsgefangenen seit Februar 2022. Verhandlungen funk­tio­nieren – manchmal.

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Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.

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