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Koranverbrennungen in SchwedenIst das noch Meinungsfreiheit oder Hetze?

Der dänisch-schwedische Rechtsextreme Rasmus Paludan hat öffentlich mehrere Korane verbrannt. Die Anklage in Malmö fordert nun eine Haftstrafe.

Rasmus Paludan verbrennt am Freitag, den 27. Januar 2023, eine Kopie des Korans vor der türkischen Botschaft in Kopenhagen Foto: Kristian Tuxen Ladegaard Berg/imago

Härnosand taz | Wo ist die Grenze der Meinungsfreiheit in Schweden? Sollte es eine geben? Für den dänisch-schwedischen Rechtsextremen Rasmus Paludan war es immer wieder legal möglich, öffentlich den Koran zu verbrennen und sich abfällig über den Islam zu äußern – Ostern 2022 gar in einer Art Tournee in mehreren schwedischen Städten. Jetzt entscheidet ein Gericht, ob er dabei Grenzen überschritten hat.

Die Anklage wirft dem Gründer der rassistischen Partei Stram Kurs Hetze gegen eine Bevölkerungsgruppe in zwei Fällen und Beleidigung in einem Fall vor. Zwei Tage stand Paludan nun in Malmö vor Gericht – aus Sicherheitsgründen zugeschaltet aus einem geheimgehaltenen anderen Gerichtsgebäude.

Zur Beweisführung diente der Staatsanwaltschaft unter anderem ein Video, das den Angeklagten bei einem Auftritt in Malmö im September 2022 zeigt. Darin bezeichnet er bestimmte Bevölkerungsgruppen als gewalttätiger und weniger intelligent als andere. Außerdem ist zu sehen, wie er einem Mann immer wieder über ein Megafon den Satz „Go home to Africa“ vorspielte und ihm zurief, er werde nie in Schweden zu Hause sein. Dieser konkrete Fall wird als Beleidigung verhandelt.

Ähnlich dem deutschen Gesetz gegen Volksverhetzung stellt Schwedens Gesetzgebung öffentliche Hetze oder Hassreden gegen eine nationale, ethnische, religiöse oder sexuelle Minderheit unter Strafe.

Koranverbrennung keine Kritik, sondern Hass

Der Staatsanwalt stellte in seinem Plädoyer das öffentliche Verbrennen des Korans als Mittel einer Art von Kritik grundsätzlich infrage. Er zog einen Vergleich zu Bücherverbrennungen durch Nationalsozialisten in Deutschland – es sei dabei nicht um inhaltliche Kritik gegangen, sondern um den Hass gegen Teile der Bevölkerung.

Auch mit Blick auf die Ziele der Partei Stram Kurs richteten Paludans Aktionen sich eindeutig gegen Muslime als Gruppe und nicht gegen den Islam als Idee, argumentierte der Staatsanwalt laut dem schwedischen Fernsehsender SVT. Ähnlich hätten es bereits dänische Gerichte bewertet. Paludans Partei fordere eine „ethnischen Säuberung“, sie wolle explizit gewisse Bevölkerungsgruppen nicht mehr im Land haben. „Das ist keine religionsphilosophische Diskussion“, so der Ankläger.

Seine Schlussfolgerung: Paludan sei, nachdem er in Dänemark bereits 2019 und 2020 für vergleichbare Taten verurteilt wurde, Wiederholungstäter. Wegen Missachtung des Gerichts sehe er deshalb keine Alternative zu einer Gefängnisstrafe. Er forderte ein Strafmaß von acht bis neun Monaten Haft.

Die Verteidigung hingegen beharrte darauf: Es seien genehmigte Auftritte gewesen, aus deren Anmeldung klar hervorgegangen sei, worum es dabei gehen würde, „unter anderem Koranverbrennung und Islam-Kritik.“ Die Anklage habe die Äußerungen in ihrem Sinne uminterpretiert und die Klage sei abzuweisen.

Koranverbrennung sehen viele als Provokation

Über die Auslegung der Meinungsfreiheit in diesem Kontext wird in Schweden schon lange diskutiert. Auch unter Menschen, die nicht selbst von der Hetze betroffen sind, lehnen viele Koranverbrennungen als reine Provokation ab.

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Nach gewaltsamen Ausschreitungen rund um Paludans Auftritte 2022 verbot die Polizei eine Zeit lang weitere angekündigte Aktionen mit der Begründung, sie gefährdeten die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Das wurde wiederum regelmäßig von Gerichten als Einschränkung des Demonstrationsrechts für ungültig erklärt.

„Legal, aber nicht angemessen. Eine absichtliche Provokation“, sagte Ministerpräsident Ulf Kristersson im vergangenen Sommer zu einer Koranverbrennung in Stockholm. Welcher Argumentation das Gericht folgt, entscheidet sich in den kommenden Wochen. Am 5. November soll das Urteil verkündet werden.

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18 Kommentare

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  • Da einige Kommentare von völlig falschen Voraussetzungen hinsichtlich der Strafbarkeit einer öffentlichen Koranverbrennung und damit einher der Verunglimpfung einer Religion ausgehen, möchte ich darauf hinweisen, dass dieses auch hierzulande eine Straftat nach § 166 StGB darstellt. Ein kurzer Auszug aus dem Paragraphen "Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen"

    (1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.



    (2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

    Von der in einem Kommentar zitierten, öffentlichen Verbrennung einer Bibel am Brandenburger Tor würde ich daher abraten.

  • Bei Böhmermann würde das unter Satire laufen.

  • Absolut lächerlich.



    Gegenbeispiel: Wer käme auf die Idee eine Haftstrafe zu fordern wenn jemand eine Bibel vor dem Brandenburger Tor verbrennen würde... 🤷‍♂️



    Die Springer Presse würde sich echauffieren, die AfD toben - aber eine Haftstrafe fordern? Keiner. Eben.



    Und das zurecht. Meinungsfreiheit heißt andere Meinungen zu dulden, sie zu ertragen. Das ist Toleranz.



    Natürlich soll das Verbrennen provozieren. Was denn sonst? Das ist das Ziel einer jeden Demo zu provozieren, Aufsehen erregen. Und genau dafür haben wir die Meinungsfreiheit in Europa.

  • den ganzen Koran verbrennen, halte ich für eine zu umfassende Religionsverachtung bzgl. einer ganzen Gruppe. Die unnötig ist, und zu Widerspruch führen muss. Viel klüger wäre es für einen beginnenden Diskurs, allein 5-6 Seiten mit einschlägigen Gewaltversen aus Bibel und Koran evtl. zu verbrennen(?), besser jedoch: immer noch lesbar durchzustreichen und zu kommentieren. Auch, um die angebl. "hl Unantastbarkeit" der Bücher grundsätzlich in Frage zu stellen. Hier wären die Gewaltverse aus 5. Mose 12, 29 - 32; 2. Mose 22, 17 bzw. Sure 2, Vers 191-193; Sure 4 Vers 76; sowie Sure 9, Vers 5 die geeignetsten "Kandidaten".

  • Religionen sind Ideologien mit einer metaphysischen Konzeption, mehr nicht.



    Keine Ideologie ist schützenswert, sie können auch nicht geschützt werden, sie sind Gedankenkonstrukte. Auch dass einige Ideologien für einige Menschen besondere Bedeutung haben, ändert daran nichts.

    Da sie für etliche Menschen den Rahmen des Weltverständnisses und des eigenen Handels vorgeben, ist es äußerst wichtig sie kritisch zu analysieren und zu hinterfragen.

    Ebenso steht es jedem Menschen frei, Ideologien als fehlerhaft, oder falsch zu bezeichnen und sie abzulehnen. Wie sich diese Ablehnung darstellt, ist eine andere Sache und auch da sollte alles, was im Rahmen geltender Gesetze geschieht, möglich sein.



    Wer also ein Buch verbrennen möchte, sollte es erworben haben.

    All das ist ein entscheidender Teil der Meinungsfreiheit einer Demokratie. Wer das nicht akzeptieren kann, will keine Demokratie, die sich ja gerade durch Meinungsvielfalt auszeichnet.



    Ein Staat, der einer Ideologie einen besonderen Status verleiht, oder sie vor Kritik und Ablehnung schützt, kann kein demokratischer Rechtsstaat sein.

  • Es ist nur Papier was da verbrannt wird. Der Mensch kann jederzeit unendlich viele neue Korane drucken. Wenn jemand Bibeln verbrennt oder Versandhauskataloge interessiert das auch keinen. Natürlich ist die politische Meinung dieses Mannes mehr als fragwürdig aber er verbrennt nur Papier. Warum sollte man ihm durch den religiösen Bezug so eine Macht geben? Aber die Öffentlichkeit hat die Aktion wieder nicht verstanden und durch ihr Fehlverhalten sogar noch Werbung für diesen Rassisten gemacht. Man hätte ihn am besten wegen Brandstiftung und gefährdung der Sicherheit sofort einsperren sollen.

  • Wenn ich ein Buch (!) gekauft habe darf ich damit machen was ich will. Auch in ein Feuer werfen.



    Solange ich damit keinem Schade ist das meine Sache.

    Wie man hier nun eine Gefängnisstrafe fordern kann ist mir einfach unverständlich.

  • Meine Rechtsauffassung hierzu:

    Ein Buch besteht aus Papier und Papier brennt. Bücher werden durch das geschriebene Wort mit Inhalt gefüllt. Genauso wie ein Modekatalog , oder ein Werbeplakat einen Inhalt hat.

    Die Einen halten Herr der Ringe für ein Meisterwerk, manche lesen gerne Schopenhauer oder Adorno und andere blättern einfach durch das Reisemagazin, bevor es im Altpapier landet.

    Ich gehe stark davon aus, daß auch Menschen die Fans der Harry Potter Bücher sind, sich in ihrer Lebenswelt angegriffen fühlen, wenn diese Bücher in der Öffentlichkeit verbrannt würden.

    Deshalb strebt aber niemand ein Gerichtsverfahren an oder will Menschen umbringen weil das Buch seines Lieblingsautors irgendwo auf dieser Welt für Schund gehalten wird.

    Nun handelt es sich beim Koran, bei der Bibel, der Rigveda, der Pali-Kanon, der Tora aber um Schriften von organisierten Glaubensgemeinschaften.



    Hier stellt sich für mich als Atheist nicht die Frage, wer diese Bücher verbrennt, sondern warum diesen Bücher eine größere Bedeutung beigemessen werden soll?

    Nicht "Gott" wird beleidigt ( für den es keinen Beweis gibt) , sondern die Gläubigen fühlen sich beleidigt. Das ist ein Unterschied!

    • @R. Mc'Novgorod:

      "Nicht "Gott" wird beleidigt ( für den es keinen Beweis gibt) , sondern die Gläubigen fühlen sich beleidigt. Das ist ein Unterschied!"

      Na, da wollen wir mal inständig hoffen, dass nicht demnächst jemand Ihre Kriterien auf die Werke von Einstein, Wegener, Newton, Darwin, Watson, Crick etc. pp. anwendet, und verbrennt.



      So ziemlich nichts von dem, was diese Leute geschrieben haben, ist nämlich bewiesen. Und dann kann das ja weg, gell?

  • Das ist doch absolut lächerlich, was kommt als nächstes 10 Jahre Gefängnis wenn jemand eine Fahne verbrennt?

    • @Lars Sommer:

      Das beschädigen oder verbrennen ausländischer Flaggen ist in Deutschland seit ein paar Jahren eine Straftat. Würden sie es auch so locker sehen wenn Muslime öffentlich eine Tora verbrennen würden und dabei Hetze verbreiten?

  • Na ja wegen Koranverbrennung etwas übertrieben, wie wäre es bei der öffentlichen Verbrennung einer Bibel ?



    Ich denke da wäre man deutlich entspannter.

  • Hoffentlich setzt sich die Staatsanwaltschaft durch. Die öffentliche Koranverbrennung ist durchaus vergleichbar mit den Nazi-Ritualen. Und wieso sollte die Beleidigung einer ganzen Religion auch durch solche Provokationen nicht geahndet werden? Da hat der schwedische Gesetzgeber dringenden Nachholbedoarf. Schließlich sind die Folgen dieser bösartigen Willkür weltweit spürbar, wenn sich beleidigte Muslime und Muslima wutentbrannt verhalten. Es wäre interessant, die Reaktion in "christlichen" Gesellschaften zu erleben, wenn irgdwer das Kruzifx oder die Bibel verbrennt - mit ähnlichen Kommentaren wie dieser Faschist und seine Kumpane.

    • @Perkele:

      Das finde ich in diesem Zusammenhang absolut falsch bemessen, denn Christen haben sich zumindest in Deutschland schon lange an Provokationen und Beleidigungen gewöhnt. Seit den Rolling Stones gibt es antichristliche Anspielungen in der Pop und Rockmusik und das tausendfach. Da kräht doch kein Hahn mehr danach.



      Kleiner Tipp: Zählen sie gerne mal die umgedrehten Pentagramme und Kreuze auf dem Wacken-Festival, oder lesen Sie mal das Titanic-Satiremagazin.

      Das war mal anders und dessen bin ich mir als Atheist durchaus bewusst. Das kann sich auch wieder ändern, wenn man den Religionen wieder mehr Recht zuspricht, als anderen Menschen.

      Deshalb ist es wichtig, das diese Gesellschaft in ihrer Rechtsprechung säkular bleibt.

      Das dies nicht immer angenehm für Gläubige ist, daß ist natürlich auch klar. Solange es aber keinen Beweis für die Existenz eines Gottes gibt, sind religiöse Schriften nicht als wichtiger einzuordnen als jedes andere Buch

    • @Perkele:

      Ja, dann vermuten Sie doch mal! Hier wird nichts Vergleichbares passieren.suchen Sie doch mal den Artikel zu Sancta raus

    • @Perkele:

      Ah, jetzt sind also mögliche Folgen durch sich beleidigt fühlende Muslime höher zu gewichten als das Recht, öffentlich eine Religionsgemeinschaft zu kritisieren? Und nach welchen Kriterien sich eine Religionsgemeinschaft "beleidigt fühlt", entscheiden dann auch die Betroffenen? Mal eine Karikatur, dann ein öffentlich verschmähtes Buch, was kommt als nächstes? Ein böser Blick auf eine Moschee?

      Mir persönlich ist es total egal ob jemand religiöse Symbole oder mein Lieblingsbuch öffentlich verbrennt und verspottet. Religionen werden m.E. viel zu wichtig genommen und sollten keinerlei Unterstützung durch den Staat genießen. Wer religiös es soll es sein muss aber damit klarkommen wenn es Menschen gibt die dies als Spinnerei abtun und entsprechend öffentlich machen.

    • @Perkele:

      Dann denken wir es doch mal zu Ende: Wer eine Bibel oder ein Kruzifix verbrennt, muss in den Knast? Das mag den feuchten Träumen christlicher Fundis entsprechen, ich fände es absurd.

    • @Perkele:

      Ich sage nur: Andres Serrano, "Piss Christ", 1987. Der Mann lebt noch, wurde zu nichts verurteilt, viele katholische Würdenträger waren natürlich angemifft, aber selbst dort gab es Verständnis bis hin zu positiver Rezeption. Ja, er hat sogar den PAPST 2023 getroffen und wurde von ihm gesegnet und erhielt ein "Thumbs up".

      Kurzum: Beleidigen kann man nur lebende Menschen. Aus dem besonderen Schutz irgendwelcher Glaubenssysteme sollten wir endlich herausgewachsen sein.