BSW in Thüringen auf Koalitionskurs: Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
In Thüringen lässt sich das Bündnis Sahra Wagenknecht auf Koalitionsverhandlungen ein. Kritik aus dem Bund kommt auch von Wagenknechts Gefolgsleuten.
In Thüringen wie in Brandenburg und Sachsen kann eine Regierung ohne die AfD nur mit dem BSW gebildet werden: das gibt Sahra Wagenknecht eine Schlüsselrolle. Die BSW-Gründerin hatte es zur Bedingung für Koalitionen gemacht, dass diese sich gegen Militärhilfe an die Ukraine und die Stationierung von US-Raketen aussprechen müssten. In Brandenburg und Thüringen einigten sich die Parteien auf Bekenntnisse zu mehr Friedensinitiativen. In Brandenburg findet sich in der Präambel auch eine Formulierung, dass man die vom Kanzler gewünschte Stationierung von US-Raketen kritisch sehe. In Thüringen fehlt diese.
Die außenpolitischen Vereinbarungen mit dem BSW in Thüringen und Brandenburg sind parteiübergreifend auf scharfe Kritik gestoßen. „Die praktische Relevanz dieser Vereinbarungen geht zum Glück gegen null, aber für die wichtige Debatte um Frieden und Sicherheit ist es verantwortungslos, wie viel CDU und SPD Sahra Wagenknecht nachgegeben haben“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Agnieszka Brugger, der Agentur Reuters. Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), übte Kritik. Ebenso Frank Sarfeld (CDU), der jede Zusammenarbeit seiner Partei mit dem BSW ablehnt und für einen Unvereinbarkeitsbeschluss wirbt.
Alle gegen den Thüringer Kompromiss
Kritik kommt aber auch von Sahra Wagenknecht selbst. Die Parteichefin hatte zuvor den Thüringer Kompromiss des BSW bereits am Montag deutlich kritisiert und von einem „Fehler“ gesprochen. Er falle weit hinter eine in Brandenburg gefundene Einigung zurück.
Auch andere Bundespolitiker der Partei gingen den Thüringer Landesverband hart an. Ihre thüringischen Parteikollegen seien auf dem besten Weg, „das BSW zu einer Partei zu machen, von der es nicht noch eine braucht“, schrieben die parlamentarische Geschäftsführerin Jessica Tatti und der Bundesschatzmeister Ralph Suikat in einem Gastbeitrag, der am Dienstag bei t-online erschien. Tatti und Suikat fehlt vor allem die klare Absage an mögliche Stützpunkte für US-Mittelstreckenraketen.
„Wo sind unsere zentralen Forderungen geblieben?“, fragen sie, und folgern: Dies lasse „für mögliche Verhandlungen über landespolitische Fragen nichts Gutes erwarten“. Das sei „definitiv nicht das, wofür man all die Anstrengungen und harten Konflikte auf dem Weg aus der ehemaligen Partei bis zur Gründung des BSW auf sich genommen hat“.
„Wir sind keine willfährigen Mehrheitsbeschaffer“, so Tatti und Suikat: „Wenn wir in eine Regierung gehen, dann für die Bürger und die Inhalte des BSW.“
Corona-Aufarbeitung und andere Prinzipien
Der BSW-Europaabgeordnete Friedrich Pürner, ein Mediziner, kritisiert auch die Passagen, die von der Aufarbeitung der Coronazeit handeln. Gegenüber der Berliner Zeitung forderte er sogar, die Verhandlungen mit CDU und SPD abzubrechen. „Wir als neue politische Kraft haben es versäumt, unsere Akzente in diesem Papier zu setzen“, sagte er. Der Unternehmer Oliver Jeschonnek, einer der beiden BSW-Landeschefs in Hessen, und Alexander King, einer der beiden BSW-Vorsitzenden in Berlin King, gingen auf Distanz zum Thüringer Landesverband. „Womöglich bieten die weiteren Verhandlungen ja Raum, um mehr auf die Friedensfrage einzugehen“, sagte King der Berliner Zeitung.
Die Diskussion wirkt von beiden Seiten wie dogmatische Prinzipienreiterei. Denn in Thüringen dürfen ohnehin gar keine US-Raketen stationiert werden – das verbietet der Zwei-plus-Vier-Vertrag, der seit 1990 gilt.
Unklar ist, welche Folgen der offene Krach für das noch junge Bündnis Sahra Wagenknecht haben wird. Bedroht er den Frieden in der bislang sehr homogen wirkenden Partei und das Verhältnis zwischen Wagenknecht und ihren beiden Thüringer Landeschefs, Katja Wolf und Steffen Schütz?
Katja Wolf hatte bei der Vorstellung des Sondierungspapiers am Montag gesagt, Zustimmung von der Bundesspitze sei „rein formal nicht vorgesehen“. Formal ist das richtig.
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