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Aufwachsen in OstdeutschlandWir Wendekinder

Essay von Paula Irmschler

Die Schriftstellerin Paula Irmschler ist 1989 in Dresden geboren. Angesichts der Landtagswahlen reflektiert sie, wann sie zur Ostdeutschen wurde.

Ein Ostexport aus Magdeburg, nach Deutschland und in die Welt: die Band Tokio Hotel Foto: Achenbach u. Pacini / VISUM

I n meinem Kopf ist ein Podium. Darauf sitzen Dirk Oschmann, Ilko-Sascha Kowalczuk und der andere, jemand von der Zeit im Osten, jemand von der Zeit im Westen und eine Schriftstellerin, sie ist Wendekind. Eva Schulz moderiert. Sie diskutieren, was mit dem Osten los ist, mit unserer Demokratie, wie wir wieder miteinander reden können. Wieder. Miteinander. Reden. Das ist das Ziel. Auch das Publikum soll dazu mal was sagen. Das Podium in meinem Kopf soll nur ein Anfang sein, ein Gesprächsangebot. Wir müssen miteinander reden, und zwar wieder. Alle. Wie früher oder wie später.

Ich bin total leer und voll, voll mit Ost, West, Ostwestostwest, aber eigentlich sind es nur diese beiden Wörter, die kleben bleiben, sie sind leer an Inhalten oder zu voll, sodass man nicht mehr durchsieht. Umso mehr ich mich mit dem Thema (oder dem Mythos? oder dem Klischee? oder dem Problem?) „Ost“ beschäftige, umso mehr zerfällt es zu Staub. Es wurde bis zur Unkenntlichkeit zerlabert. Was ist Osten, was ist Westen, wo ist oben und wo unten? Wer sind wir, und wer seid ihr, und warum?

Paula Irmschler

ist bekannt für den Chemnitzroman „Super­busen“ (2020). Ihr neues Buch „Alles immer wegen damals“ (dtv) spielt zwischen Leipzig, Köln und Hamburg.

Wir hießen damals einfach nur Kinder

Als wir Wendekinder aufgewachsen sind, hießen wir einfach nur Kinder, ganz langweilig. Vor unserer Geburt soll irgendwas gewesen sein, worüber keiner viel gesprochen hat: die DDR. Wir hatten noch ihre Eierbecher und ihre Liegen im Hort und ihren Gerhard Schöne – für uns waren es normale Becher und Liegen und Lieder, auch alles langweilig. Alles, was man über die DDR hörte, war raunen, irgendwas daran war traurig und schlecht, aber das war früher. Dabei war es ja eigentlich nur ein, zwei, drei, vier, fünf und dann 15 und schließlich 20 Jahre her.

2014 ist zum Beispiel zehn Jahre her, und ich weiß noch genau, welches Getränk ich in dem Jahr gern gesüppelt habe: Booster Energy. Die DDR aber war schon immer ewig lang her, und das war gut. Wie unsere Eltern drauf waren, ob besonders traurig, erleichtert, einsam, frei, arbeitslos, profitierend, dafür, dagegen, das sollen wir heute gewusst oder gespürt haben, aber hat es uns interessiert? Es war alles normal.

In den Nullern war die DDR hundert Jahre her. Wir ­rasierten uns, schmierten Labellos auf un­sere Münder, wollten berühmt werden, träumten von der Ferne. Der Ort, an dem unsere El­tern lebten: ein Witz. Viele Witze.

Olli Geißen, Henry Maske, die Prinzen, Nena, alle sagten vor der Kamera was über diesen Tag, an dem die Mauer fiel. Plakate, Trabis, Jubeln, endlich war’s vorbei, küssende Pärchen in Jeans, immer wieder. Das Land, in dem wir jetzt lebten, war unseres, sollte, durfte unseres sein, wir mussten uns nur mehr Mühe geben. Der Westen war das Geilste für uns, da wollten wir hin. Der Westen war: Comedy aus Köln, Musik aus London und Filme aus New York. Mühe geben!

Aus dem Fernsehen erfuhren wir, dass unser Dialekt peinlich, unsexy und dumm ist, wir hässliche Frisuren und bescheuerte Namen haben, dass wir arm und dick, dass wir Müll sind, aber immerhin im Fernsehen. Mühe geben, es winkt die Einheit. De Randfichten aus dem Erzgebirge und Tokio Hotel aus Magdeburg waren gerade weit oben in den Charts, als Hartz IV anlief.

In den Zehnern war die DDR dann aber gerade erst gewesen. Jetzt waren im Westen alle frustriert und traurig, mit der Geduld war es vorbei. Hat es immer noch nicht geklappt, sind wir immer noch nicht ein Land? Was ist denn jetzt noch? Ossibücher, Ossibücher, Ossibücher, Talkshows, Podien, Dokus, Konzerte. Es wurde sogar mal hingefahren. Was ist der Osten, was hat der Westen verpasst, ignoriert? Jetzt nach dem 20-jährigen Jubiläum, jetzt zum 25-jährigen, jetzt zum 30-jährigen noch mal die Jeans-Knutschenden.

Die 2020er: Wir sind erwachsen und ab und an im Westen, wir kennen Menschen dort, es durchmischt sich. Leute haben Berufe hüben wie drüben, studieren, oder man kennt sich aus dem Internet. Wir fahren meistens hin, sie lassen sich besuchen, wir haben ja was aufzuholen. Wir stellen im Westen fest, dass wir Ossis sind. Dass was anders ist. Aber was? Dass die Menschen in der Heimat griesgrämiger sind. Aber wir sagen: ehrlicher. Und: Die Hamburger sind ja auch nicht gerade zugänglich.

Du bist wie die Menschen bei mir zu Hause, sagen wir zu einer Liebe, die einfach macht, statt zu labern, und normal vulgär spricht – wie man selbst. Du wirst mich nie verstehen, zu einer anderen, die unfreundlich zu Dienst­leis­te­r*in­nen ist und sich ständig Geld von den Eltern pumpt. Wir versuchen auszuloten, was wirklich als ostdeutsch und westdeutsch gelten kann, kommen immer wieder an Grenzen, treffen auf Widersprüche, verwerfen Gewissheiten.

Wir erarbeiten uns das Land der Eltern

Wir sind 30, 40 Jahre alt und erarbeiten uns das Land unserer Eltern, das es nicht mehr gibt, hören das meiste zum ersten Mal. Wir finden manches gut, Ostalgie nennt man das, anderes sehr schlecht. Es war schließlich ein Unrechtsstaat. Wir erfahren Sachen über den Rest Ostdeutschlands, den wir zum großen Teil genauso wenig kennen wie Westdeutsche. Wir staunen über Dörfer im Erzgebirge, über das Thüringer Hinterland, den Alltag in Rostock und Brandenburg. In den kultigen und sepia­farbenen Filmen über den Osten geht es immer um Ostberlin.

Wir streiten mit Freunden und Genoss*innen. Wir sind mittlerweile links und wissen: So hätte es nie gewesen sein dürfen, aber so wie im Westen doch bitte auch nicht, im verschissenen Kapitalismus. So nicht und so nicht und so nicht. Aber wie denn?

Mal wieder Wahlen, mal wieder Podien. Wie es sein soll, darum geht es nicht. Es geht um Mentalität, Freiheit, Meinung, all die großen Begriffe. Dann wieder das Kleine. Klöße, Simson, Frauen durften arbeiten. In Dokus werden Städte erklärt, als lägen sie in einem fernen Land: Jena liegt dort rechts, in Chemnitz steht der Nischel, Görlitz ist an der Grenze. Wann sind wir endlich geeint? Wenn wir wissen, wo was liegt? Ein Volk, ob Eisenach oder Wuppertal.

Der dumme Ossi rafft’s nur wieder nicht, ihm muss irgendwas beigebracht werden? Nein. Es ist völlig klar, wofür die AfD steht

Die Mauer dazwischen, die in den Köpfen, muss weg. Debattenwahnsinn. Ostdeutsche können mit der Freiheit nicht umgehen, Ostdeutsche sehnen sich nach Autorität, Ostdeutsche werden „geothert“, Ostdeutsche sind wieder stolz, noch ein Aspekt und noch einer. Redak­tio­nen aus Westdeutschland suchen händeringend nach Ostdeutschen, die die rechte Wahl der Ostdeutschen kommentieren. Kennt ihr einen?, fragen sie in der Redak­tions­chatgruppe – Ja, ich kenne einen, ich schick dir den Kontakt.

Alles soll ein großes Geheimnis, ein Gefühl und ganz kompliziert bleiben – um sich ja nicht mit dem Wesentlichen beschäftigen zu müssen. Am Rande, aber nur da, geht es mal darum: um Ungleichheiten in Bezug auf Wohnen, Arbeit, Einkommen, Gesundheit, Verkehr, Teilhabe – sprich um die im Osten stärker, aber nicht nur exklusiv dort vorhandene Strukturarmut, in der rechte Ideologien am besten gedeihen können

Themen, über die Westdeutsche und Londoner und New Yorker auch reden können, über die man Verbindungen herstellen und solidarisch sein kann, über die man gemeinsame Kämpfe ableiten kann. Gerade mit Menschen, denen viel zu lange jeder Organisationsversuch kaputt gemacht wurde. Das geht alles ohne das aufgeblasene Gerede, das sich nur noch um sich selbst dreht.

Und natürlich muss man die Sorgen armer Leute ernst nehmen. Aber Leute, die rechts wählen, ebenso – und zwar als das, was sie sind: rechts. Der dumme Ossi rafft’s nur wieder nicht, ihm muss irgendwas beigebracht werden? Nein. Es ist völlig klar, wofür die AfD steht und dass sie nicht an der Seite von Ausgebeuteten steht. Wer sie wählt, will auf ihrer Seite sein und nach unten treten.

Das ist eine Entscheidung, die man trifft (und beim nächsten Mal auch wieder anders treffen kann). Es ist einfach so: Menschen sind arm und abgehängt, und manche von ihnen sind rechts. Gegen beides hilft linke, antikapitalistische, antifaschistische Politik.

Das aber wie gesagt nur mal so am Rande. In der Mitte geht es weiter mit den Podien, den großen Begriffen und Köpfen, den Reportagen in den Mediatheken und den Erklärtexten, schließlich gibt es eine neue Generation – sie fährt gern Simse, hört Techno und steht auf ostdeutsche Rezepte. Wie ticken die denn nun wieder?

Wir sind noch lange nicht ­fertig, es ist noch lange nicht ­alles erzählt, und der Westen kann nur versuchen zu verstehen. Viel Glück dabei. Im Anschluss spielen noch BAP und Krumbiegel ein Konzert für die Demokratie.

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36 Kommentare

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  • Gegen beides hilft linke, antikapitalistische, antifaschistische Politik? Ja genau, es lebe der Sozialismus. Deswegen ist die Linke auch so erfolgreich.

  • Ich denke, es ist zusätzlich auch ein Generationending. Vielleicht auch was mit Geschlechtern. Ich, Mitte 40, gebürtig aus der Stadt mit dem Marx-Kopp, konnte als Typ weder was mit der Boyband aus Magdeburg (oder Silbermondschlager aus der Lausitz) anfangen (wäre auch so gewesen, wenn aus Koblenz oder Mannheim), noch mit dem ersten Roman der Autorin, den ich ziemlich eigenartig, unauthentisch und vor allem schlecht geschrieben fand. Das ging mir mit dem Roman Ellbogen überhaupt nicht so, obwohl mich mit der Autorin noch weitaus weniger verbindet als mit dieser hier. Dass ich aus dem Osten komme, hat man mir jedoch immer irgendwie sehr deutlich gezeigt, egal ob 1992 (da war ich 11), 1998 (17), 2006 (25), 2014 (33) oder jetzt. "Und, schön AfD/BSW gewählt?" - Nee, aber halt auch nicht CDU, SPD und den ganzen anderen Kram. Literarisch auch eher bei Irvine Welsh. Lustiger, trauriger, und generell besser als was einem von hierzulande alles anzudrehen versucht wird. Clemens Meyer? Och.... nö.

  • Wir müssen auch alle durch den Monsun.

  • Danke für diesen super Text.

  • Danke für den Artikel, der eine Generation aus Ostdeutschland beschreibt, zu der ich keinen Kontakt habe.



    Ist einerseits eine Altersfrage, andererseits reise und arbeite ich nicht mehr im Osten.



    Das hat viel mit der politischen Entwicklung zu tun.



    Richtig wird gesagt, dass Wer "afd" wählt, weiß, dass er/sie rechtsextrem wählt. Das ist durch Umfragen belegt. Daher wissen wir allerdings auch, dass die rund 30% "afd" durch nahezu alle Altersschichten reichen.



    Das ist besorgniserregend und derzeit noch ein deutlicher Unterschied zu westdeutschen Wahlergebnissen.



    Was ist an Ursachenforschung falsch?



    Welche Antworten liefert der Text?



    "Linke, antikapitalistische, antifaschistische Politik" hilft gegen Rechts?



    Das wage ich zu bezweifeln.



    Die "unabhängige Linke" ist so schwach, wie die Linke als Partei. Linke Splittergruppen sind verfeindet wie nie, ganz entsprechend ihrer derzeitigen Bedeutungslosigkeit.



    Wer zu dieser Zeit gegen Rechts aktiv sein will, muss Brücken bauen, statt Gräben zu ziehen.



    Leider macht dieser Artikel Letzteres.



    Aber es sind ja nicht einmal die Begriffe klar .



    Das Wort "Demokratie" findet sich einmal, ironisch konnotiert.



    Wo soll da eine gemeinsame Basis sein?

  • Sehr guter Text, danke :-)



    Im Satz "Wie es sein soll, darum geht es nicht" ist auf den Punkt gebracht, was Politik schon sehr lange vernachlässigt: Die Frage 'Wie wollen wir leben? Wie soll die Gesellschaft organisiert sein?'.



    Stattdessen geht es um Identität, Ab- und Ausgrenzung, Schuldzuweisung etc., vor allem aber um das Ego; letztlich sämtlich unreifer Kinderkram auf höchsten Ebenen, der medial häufig unreflektiert in jedes Wohnzimmer getragen wird, wo dann Nachrichten 'konsumiert' werden und sich darüber echauffiert wird, anstatt sich halbwegs ernsthaft auseinandergesetzt...



    Nochmal: Danke für den reflektieren, unaufgeregten Text!!

    • @HopeDrone:

      "Stattdessen geht es um Identität, Ab- und Ausgrenzung, Schuldzuweisung etc."



      das sind genau die Symptome, die Gesellschaft aufweisen, in denen es ökonomisch enger wird. Verteilungskämpfe, suchen Schuldige. Es wird nicht analysiert, es wird ein Schuldenbock gesucht...

  • Ein wunderbarer Artikel. Wie treffend! Und: Ossi-Wessi... Das vernebelt den Blick für bessere Perspektiven. Es geht doch im Kern immer um Oben vs. Unten, Macht vs. Stimmvieh, Geld und Wohlstand vs. sich abrackernde "kleine Leute", im Westen wie im Osten, im Kapitalismus wie im Sozialismus, in den Industrienationen wie im globalen Süden.

    "Als wir Wendekinder aufgewachsen sind... ...alles, was man über die DDR hörte, war raunen, irgendwas daran war traurig und schlecht, aber das war früher. Dabei war es ja eigentlich nur ein, zwei, drei, vier, fünf und dann 15 und schließlich 20 Jahre her."

    Genauso haben wir heutigen Boomer das im Westen als Nachkriegskinder auch empfunden Man tausche dafür in dem Zitat Wendekinder mit Nachkriegskinder, DDR mit 3. Reich, Eierbecher usw. mi



    t Übrigbleibseln der Ostvertriebenen und Ausgebombten, heimatverklärende Ponyhoffilme, Fernsehteportagen gesprochen mit der selben zackigen Stimme, wie die Wochenschauberichte von der Front.

    Wir sollten gemeinsam für eine gerechtere Gemeinschaft arbeiten, für Austausch, Zusammenarbeit und Mitbestimmung für alle und nicht wieder den Faschisten, in Ost und West, mit ihren Heilsversprechungen auf den Leim gehen.

    • @WessiBoomer:in:

      Für Mitbestimmung für alle hat die Linke aber gerade kein glaubwürdiges Narrativ, weil sie sich in Partikularidentitäten verirrt hat.

      Die linken Parteien - Grüne und Linkspartei - sind Akademikerparteien geworden.

      Die SPD weiß nicht, wo sie hin will.

      Eine gerechtere Gemeinschaft und Mitbestimmung verspricht auch die AfD.

      Wenn man den AfD-Fans zuhört, sind das für sie wichtige Punkte.

      Frau Irmschler hat ja recht: die jetzigen AfD-Wähler haben früher mal andere Parteien gewählt und tun das vielleicht bei der nächsten Wahl wieder.

      • @rero:

        Björn Höcke hat gesagt, dass er nur eine Wahl gewinnen muss...

        • @aujau:

          Tja, nun hat er eine Wahl gewonnen, nützt ihm aber trotzdem nichts.

          So ist das Leben.

  • "Gegen beides hilft linke, antikapitalistische, antifaschistische Politik."



    Mittelständische Unternehmen, Familienunternehmen und auch der BDI, also alles Kapitalisten in Reinform, haben kürzlich, drastisch und mehrfach vor dem Faschismus, rechtem Extremismus (im Gewand der AfD) gewarnt.



    Also jetzt wieder die alte Brühe Kapitalismus=Faschismus u.s.w. aufzukochen, bringt niemanden außer eventuell die Autorin auch nur einen Millimeter weiter. Mit einem Kommunistischen Manifest 17.0 oder so holt man die AfD-Wähler nicht in die Demokratie zurück (oder erstmal hinein).

    • @Vigoleis:

      Mit meinem Kommunistischen Manifest 2025 sollten die AfD-Wähler zurückholbar sein.



      Zum Beispiel von Migranten wegreflektieren auf die wahren Übeltäter, die die gemeinen Arbeiter ausbeutet. Turbokapitalisten zum Feindbild erklären. Gerne such populistisch, weil manche schwere Wörter nicht verstehen.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Ach lieber Troll, was täten wir bloß ohne Sie! Dann warten wir mal ab, bis Sie mit Ihrem Manifest ab kommendem Jahr die AfD-Wähler massenweise in zeitgemäße Kommunist:innen verwandeln...

        • @Volker Scheunert:

          Vorausgesetzt, die Zeichenbegrenzung in der taz wird aufgehoben. Sonst könnte ich nichts posten. 15 Punkte, die das Grundgesetz so revolutioneren werden, dass es dieses ersetzen kann.

          Zum Beispiel sollen Menschen sanktioniert werden dürfen, wenn diese gegen Artikel 1, GG verstoßen. Die Bürger werden sich nach einer gewissen Zeit schon fügen. So, dass der Verstoß in Zukunft gesellschaftlich so verächtend ist, wie Kindesmissbrauch oder Mord.

          Aber ich werde es nicht "Grünes Buch" nennen, wie Gaddafi, der alte Lügner. Ich werde das Manifest "Das Grundgesetz" nennen.

    • @Vigoleis:

      Nicht wahr? War doch mal eine überraschende Pointe! Der Antikapitalismus wird uns retten... Woraus das folgen soll, bleibt ein Geheimnis dieser Elegie. Für mich, der noch viel weiter im Osten aufgewachsen ist, stellt sich diese ostdeutsche — hier elegische, andernorts mal krawallige mal kratzbürstige — Befindlichkeitsauslotung echt ein Rätsel. Wie eine Wiedereroberungsexpedition zu etwas, was nie so war, wie es nun wiedererobert werden will.

  • "Es ist völlig klar, wofür die AfD steht und dass sie nicht an der Seite von Ausgebeuteten steht. Wer sie wählt, will auf ihrer Seite sein und nach unten treten."



    Genau. Es hat nämlich nichts mit Ost und West zu tun und mit Oben und Unten, sondern nur damit, an was man glauben will oder nicht. Rassismus, Faschismus und Sozialdarwinismus - diese Mischng ist in Wirklichkeit eine Religion: "Ich bin ein Gesalbter, weil ich weiß und deutsch bin". Sie hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Ich glaube etwas anderes als die AfD-Wähler, und wenn sie mich existentiell bekriegen wollen, wird es wohl in einer Art Bürgerkrieg enden. Punkt.

    • @hedele:

      Das halte ich auch für den zentralen Satz. - Beschreibend, aber nicht erklärend, oder?



      Eine Folge der nicht aufgearbeiteten Doppeldiktatur, wie eine andere Kommentatorin neulich hier meinte?

  • Dankeschön für die kurzweilige Innenansicht.



    Die Ansichten im Pendant des Westens sind mir von den eigenen Kindern bekannt. Ich sehe keine unüberbrückbaren Gegensätze, aber Gesprächs-/ Besuchsbedarf.



    /



    "...Tokio Hotel aus Magdeburg waren gerade weit oben in den Charts, als Hartz IV anlief."



    Wir hörten damals auch, Generationen übergreifend, viel von den "Prinzen", die kamen ebenfalls aus einer sich wandelnden Zeit und schossen in die Höhe, Texte mit Esprit, ein guter Nachhall noch jetzt.



    /



    www.lvz.de/kultur/...NOBQIO36PH5OE.html

  • Sauerländer, Franke, Württemberger, Thüringer, Mecklenburger, ... Oder Weltbürger. Alle haben das Recht auf ihre Identität.

    Nur bitte nicht Arschloch sein.

  • "Es ist einfach so: Menschen sind arm und abgehängt, und manche von ihnen sind rechts. Gegen beides hilft linke, antikapitalistische, antifaschistische Politik."



    Dankeschön Frau Irmschler!



    Beste Grüße aus dem Osten 😁

  • Das Zeitempfinden - die DDR war in den Nullern ewig her, in den 10ern gerade erst verschwunden - lässt sich leicht aus dem Zeitempfinden des Alters einer Person erklären. Auf junge Menschen wirken zehn Jahre viel länger als für ältere. Ich kann mich auch daran erinnern, dass 1999 die DDR wie Historie wirkte. Heute empfinde ich 9 Jahre so, als seien es 3 oder 4 Jahre gewesen und obwohl die Wiedervereinigung über 30 Jahre her ist, erscheint es mir ganz normal, dass sich in dieser „kurzen“ Zeit die Unterschiede zwischen Ost und West erhalten haben. Vielleicht liegt das Wiederaufkommen der Debatten über Ossis und Wessis also auch daran, dass viele, die damals Kinder waren, heute in den Medien, Wissenschaft und Literatur dominanter werden und gleichzeitig die DDR gerade wegen der verstrichenen Zeit als zeitlich näher empfinden.

    • @Suryo:

      Vielleicht liegt es vor allem daran, dass es keine Wiedervereinigung sondern ein Anschluss war! Sehr viele ehemalige DDR Bürger wollten bei aller Liebe für volle Schaufenster und grosse Reisen einen wichtigen Teil, nämlich ihr gelebtes Leben anerkannt bekommen. Aber dazu war und ist die herrschende öffentliche Meinung nicht bereit.

      • @Peter Herrmann:

        Vor und an jedem 3. Oktober seit gefühlt 1990 werden die „Lebensleistungen“ der Ostdeutschen angesprochen, und zwar immer mit einem „nicht anerkannte“ davor…

      • @Peter Herrmann:

        "Vielleicht liegt es vor allem daran, dass es keine Wiedervereinigung sondern ein Anschluss war!"

        Vollkommen richtig, wobei dies genau so von einer Mehrheit aus dem Osten lautstark gefordert wurde.



        Diejenigen, die das nicht so wollten wurden im Osten mit dem Ruf nach der D-Mark übertönt und im Westen als Vaterlandsverräter beschimpft.

        Es war eine Situation, für die es keine Vorlage gab und viele Entscheidungen von damals haben Folgen gehabt, die so nicht absehbar waren.

        "Sehr viele ehemalige DDR Bürger wollten bei aller Liebe für volle Schaufenster und grosse Reisen einen wichtigen Teil, nämlich ihr gelebtes Leben anerkannt bekommen. Aber dazu war und ist die herrschende öffentliche Meinung nicht bereit."

        Vielleicht liegt das daran, dass viele lange Zeit ihr Leben selbst nicht anerkannt haben, weil sie sich zu sehr an den Idealen des Westens orientiert haben.

        • @Xanyd:

          Die Geschichte mit den *Vaterlandsverrätern" würde mich interessieren, das habe ich wohl verpasst, die Vokabel passt so überhaupt nicht in die 80er!



          Was Ihre Behauptung betrifft, dass es "Entscheidungen gab, deren Folgen nicht absehbar waren", möchte ich an Folgendes erinnern:



          Helmut Kohl versprach "blühende Landschaften", hinterließ allerdings eine zerstörte Industrie und Millionen Arbeitslose.



          Oskar Lafontaine, damals noch SPD, hingegen, prognostizierte, dass eine Angleichung Ost/West mindestens 20 Jahre dauern würde.



          Ihre schlechte "Prognose" betraf also nur die CDU.

        • @Xanyd:

          Du meinst, daß es schwierig ist, Leuten für ne nachträglich gestrickte Geschichte ihres Lebens als gemeinsame Idendität im Speziellen, Allgemeinen und Besonderen bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit Respekt zu zollen?

  • Toller Text, spannend.

  • Endlich mal ein lesbarer und nachvollziehbarer Text zum Thema. Punkt dafür. Und dann im Detail wieder die Rechtsaußen Normalisierung: Faschisten wählen - eine "Entscheidung die man beim nächsten Mal anders treffen kann".



    Da stolpert das Lesen. Kann man eben nicht. Dann ist ein Höcke an der Macht und wird sowohl SED-Methoden als auch den modernen Werkzeugkasten benutzen, daß er da bleibt. Daß das geht beweist die CSU seit 60 Jahren. Nur werden es Faschisten so nett nicht machen. Sie brauchen Hassgruppen, Sündenböcke.



    Dann nützt es nichts mehr, diese "Entscheidung anders zu treffen."



    Warum werden all die aufgezählten Unterschiede im Text immer in die Ost West Form gegossen? Wer mit demselben Ansatz zwischen Norddeutschland und Süddeutschland vergleicht, kommt auf ähnliche Unterschiede. Demnach lieben Süddeutsche eher autokratische Verhältnisse, wechseln den "Landesvater" allenfalls aus Altersgründen. Für keinen Hamburger Oberbürgermeister käme einem das Wort in den Sinn.



    Und ärmer ist man im Flachland auch. Wegen Arbeitslosigkeit, Strukturwandel undundund.



    Aber niemand zieht m. W. deshalb ein Grenzlinie horizontal durch Land und Köpfe.

    • @Monomi:

      "Landesvater" ergibt in Stadtstaaten nur sehr begrenzt einen Sinn - und einen "Hamburger Oberbürgermeister" gibt es nicht...

    • @Monomi:

      "Aber niemand zieht m. W. deshalb ein Grenzlinie horizontal durch Land und Köpfe."



      Weil zwischen Nord und Süd nie so ein identitätsgefährdender Bruch stattgefunden hat, wie die Wende einer war, sondern sich diese Unterschiede "organisch entwickelt" haben. Sonst hätte es eine ähnliche Entwicklung auch da in ähnlichem Tempo gegeben - mit grosser Wahrscheinlichkeit.

      • @Wolkensprung:

        Das Lustige daran ist, dass der Osten, zumindest die Lautstarken darunter, diesen "identitaetsgefaehrdenden Bruch" unbedingt gewollt hat, und ich werde das Gefühl nicht los, dass diejenigen, die damals lauthals "Helmut, rette uns" und "Wenn die D-Mark nicht zu uns kommt, kommen wir zu ihr" gebrüllt haben, dieselben sind, die sich jetzt am lautesten über Asylanten und "arrogante Wessis" beklagen...

        • @Volker Scheunert:

          "Helmut, rette uns" und "Wenn die D-Mark nicht zu uns kommt, kommen wir zu ihr" gebrüllt haben, dieselben sind, die sich jetzt am lautesten über Asylanten und "arrogante Wessis" beklagen..."

          So was ähnliches hat Biermann letztens auch gefaselt. Nur das die meisten, die jetzt diese AFFEN FÜR D-MARK gewählt haben damals noch an Muttis Rockzipfel hingen oder noch als Quark im Schaufenster lagen.

          • @Thomas Böttcher:

            An folgende Generationen weitergegebene "Familientradition" schließe ich explizit nicht aus.

        • @Volker Scheunert:

          Eine extrem spannende These. Mein Bauchgefühl sagt ähnliches, wenn ich den Bekanntenkreis meiner Eltern, die Eltern meiner Freunde etc. anschaue. Weiß jemand, ob diese These mal wissenschaftlich geprüft wurde?

  • "Wer sie (afd) wählt, will auf ihrer Seite sein und nach unten treten."



    das ist es!