Strittiger Gesetzentwurf: Nancy Faeser bricht ein

Das Bundeskriminalamt soll nach den Vorstellungen der Bundesinnenministerin künftig heimlich Wohnungen durchsuchen können.

Nur keine Hemmungen: Bundesinnenministerin Faeser Foto: Boris Roessler/dpa

BERLIN taz | Innenministerin Nancy Faeser (SPD) will dem Bundeskriminalamt (BKA) das Einbrechen in Wohnungen erlauben, um sie heimlich durchsuchen zu können oder um Spähsoftware auf Computern und Smartphones zu installieren. Das geht aus dem Gesetzentwurf zur Änderung des BKA-Gesetzes hervor, der bisher vor allem wegen der geplanten Befugnis zur biometrischen Gesichtserkennung anhand von Fotos diskutiert wurde.

Voraussetzung ist, dass ein Anschlag des internationalen Terrorismus geplant ist.

Normalerweise erfolgen Wohnungsdurchsuchungen offen. Dem Wohnungsinhaber wird der Durchsuchungsbeschluss übergeben und er*­sie kann bei der Durchsuchung seiner Räume anwesend sein. Ist der Wohnungsinhabende nicht anzutreffen, sind andere Personen als Zeugen beizuziehen, zum Beispiel Angehörige oder Nachbarn. So ist es für die Strafverfolgung seit Jahrzehnten in der Strafprozessordnung geregelt. Auch für Durchsuchungen zur Gefahrenabwehr steht in den Polizeigesetzen der Länder dasselbe. Der Verfassungsschutz darf ohnehin keine Wohnungen durchsuchen.

Den alten Grundsatz der offenen Wohnungsdurchsuchung will Innenministerin Faeser nun aber teilweise aufgeben. In ihrem Gesetzentwurf sieht sie vor, dass das BKA die Durchsuchung von Wohnungen auch „verdeckt durchführen“ kann. Voraussetzung ist, dass mutmaßlich ein Anschlag des internationalen Terrorismus geplant ist, der den Staat, das Leben oder die Freiheit von Bürgern oder Sachen von allgemeinem Interesse bedroht.

Seit einer Grundgesetzänderung 2009 hat das BKA die Kompetenz für die Abwehr der Gefahren des „internationalen Terrorismus“. Praktisch relevant ist dabei vor allem die Verhütung von islamistischen Anschlägen.

Ultima Ratio

Vermutlich wäre die Freigabe von heimlichen Durchsuchungen – wenn Bundesregierung und Bundestag zustimmen – nicht verfassungswidrig. Das Grundgesetz macht keine Vorgaben, dass Durchsuchungen offen erfolgen müssen. Der Bundestag kann von der bisherigen Rechtstradition also abweichen. Der Gesetzentwurf sieht die heimliche Durchsuchung als letztes Mittel („Ultima Ratio“) vor und verlangt eine richterliche Genehmigung im Einzelfall.

Ziel einer heimlichen Durchsuchung könne auch sein, so der Gesetzentwurf, mögliche „Tatmittel“ auszutauschen oder unbrauchbar zu machen. Das erinnert an die islamistische „Sauerlandgruppe“, die ab 2007 Autobombenanschläge plante. Hier hatte die Polizei rechtzeitig den Inhalt der gehorteten Chemikalienfässer durch eine ungefährliche Lösung ausgetauscht.

Neben der heimlichen Durchsuchung will Faeser dem BKA auch das heimliche Betreten von Wohnungen erlauben, um Spähsoftware (sogenannte Staatstrojaner) auf Computern und Smartphones zu installieren. Die Spähsoftware kann entweder den Inhalt der Festplatte an die Polizei verschicken (sogenannte Online-Durchsuchung) oder verschlüsselte Nachrichten und Gespräche überwachen, indem sie den Inhalt vor der Verschlüsselung im Gerät abgreift (Quellen-Telekommunikationsüberwachung, Quellen-TKÜ).

Bisher gelingt der Polizei die Installation von Trojanern häufig nicht (wenn sie überhaupt bereits eine passende Software für die stetig weiterentwickelten Geräte zur Verfügung hat). Oft werden zum Beispiel E-Mails mit manipulierten Anhängen zugesandt, die Sicherheitslücken auf den Geräten ausnutzen sollen. Die „technisch sicherste und schnellste Möglichkeit“, einen Trojaner zu installieren, ist laut Faeser aber, wenn man das Gerät in Händen hat. Hierzu soll das BKA künftig mit Dietrich oder Stemmeisen heimlich in die Wohnung eindringen können. Bei dieser Befugnis liegt kein Tabubruch vor. In Mecklenburg-Vorpommern wurde dies bereits 2020 der Polizei zur Gefahrenabwehr erlaubt.

Das Bundesjustizministerium plant keine entsprechenden Änderungen für die Strafprozessordnung. Zu den Plänen wollte sich das Ministerium zunächst nicht äußern.

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