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Verbot des „Compact“-MagazinsAntifaschismus als Spektakel

Nicholas Potter
Kommentar von Nicholas Potter

Das Verbot des rechtsradikalen Kampfblatts „Compact“ ist in der Sache richtig. Doch die Inszenierung durch Innenministerin Faeser wirft Fragen auf.

Verbieten macht bei Nazis Sinn – denn das mögen sie gar nicht. Über die Inszenierung lässt sich diskutieren Foto: Sven Kaeuler/dpa

A ls Jürgen Elsässer im Bademantel am Dienstagmorgen seine Haustür in Falkensee aufmacht, wird er nicht nur von vermummten Einsatzkräften der Polizei begrüßt – sondern auch von Pressevertreter*innen. Ein freier Fotograf hält den Moment fest. Die Welt, dpa und RBB sind schnell vor Ort. Um 06:29 erscheint ein Beitrag zum Verbot des rechtsextremen Compact-Magazins, dessen Chefredakteur Elsässer ist, bei Spiegel Online. Es folgen kurz danach eigene Beiträge mit Hintergründen auf tagesschau.de, in der FAZ – und auch auf der Webseite der taz.

Für Nancy Faesers (SPD) Bundesinnenministerium ist das ein großer PR-Erfolg: Die Bilder der Razzia gehen in den deutschen sozialen Medien prompt viral. Das Compact-Verbot war am Dienstag das Thema des Tages: Seit Jahren verbreitet das Magazin anti­semitische Verschwörungsmythen, Russlandpropaganda und Hetze gegen Minderheiten. Es war das Sprachrohr des rechten Rands schlechthin.

Einige Medienhäuser hatten etwas dazu vorbereitet, denn der Schritt kam nicht als Überraschung: Sie wurden vorab informiert. Und auch manch freier Fotograf. Ein offenes Geheimnis also. Wusste nur Elsässer nicht, dass sein rechtsextremes Kampfblatt hoch- und auseinandergenommen werden wird? Schwer zu glauben.

Nicht zum ersten Mal sucht Faeser eine mediale Bühne für Razzien oder Verbote. Auch als am frühen Morgen des 7. Dezembers 2022 der Reichsbürger Heinrich XIII. Prinz Reuß von Spezial­kräften der Polizei abgeführt wurde, weil er einen Staatsstreich vor Weihnachten geplant haben soll, warteten Fo­to­gra­f*in­nen und Fernsehteams vor seiner Tür. Die Razzia gegen die „Patriotische Union“, wie sich die Gruppierung nennt, war eine der größten aller Zeiten in Deutschland. Und als Faeser das Neonazi-Netzwerk „Hammerskins“ im September 2023 verbot, wussten nicht wenige Jour­na­lis­t*in­nen vorher Bescheid und lieferten gleich Bilder, Videos und Texte der Aktion mit.

Nicht jede Durchsuchung verläuft friedlich

Doch so wird Innenpolitik zur bloßen Inszenierung. Und die Praxis wirft einige Fragen auf. Erstens sind offene Geheimnisse keine. Und nicht jede Redaktion hat ein dezidiert kritisches Verhältnis zu Compact. Am Tag des Hammerskin-Verbots zum Beispiel schrieb ein Neonazi in seinem Telegram­kanal: „Diese Woche könnt Faeser sich vielleicht noch mal feiern lassen. Warten wir ab“ – mit Zwinkersmiley (Fehler im Original). Eine Woche später wurde dann tatsächlich die neonazistische „Artgemeinschaft“ verboten. Eine große Überraschung war das also zumindest für manche in der Szene nicht. Das ist gefährlich: Denn nicht jede Durchsuchung in der rechts­extremen Szene verläuft friedlich.

Und zweitens: Der Kampf gegen Rechtsextremismus braucht keine Symbolpolitik, sondern – neben einer starken Zivilgesellschaft – konsequente Ermittlungen und rechtsstaatliche Härte. Doch genau das passiert viel zu selten: Die Hammerskins gab es in Deutschland seit den Neunzigern, Compact seit 2010. Seit Jahren warnen antifaschistische und zivilgesellschaftliche Organisationen vor beiden.

Stattdessen kursieren nun Bilder von Elsässer im Bademantel: Der Möchtegern-Oppositionelle, verfolgt in seiner Privatsphäre. Und diese Bilder stärken den rechtsaußen kultivierten Opfermythos: Dass nämlich gleichgeschaltete Systemmedien, die Lügenpresse eben, Hand in Hand arbeiteten mit dem linksgrünversifften Staat, gegen die armen Nazis. Rechtsextreme vom Identitären Martin Sellner bis zum Neonazi Tommy Frenck solidarisieren sich mit dem Compact-Chef auf Telegram. Aus Elsässer wird so ein Märtyrer der rechtsextremen Szene. Trotz der Wichtig­keit des Verbots: Das kommt ihm gelegen.

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Nicholas Potter
Redakteur
Nicholas Potter ist Redakteur bei taz zwei. Der britische Journalist schreibt über Medien und Gesellschaft, Neonazis und Nahost, Antisemitismus und Rassismus. Er ist Herausgeber des Buches "Judenhass Underground: Antisemitismus in emanzipatorischen Subkulturen und Bewegungen", 2023 im Verlag Hentrich & Hentrich erschienen. Er studierte in London und Berlin.
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22 Kommentare

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  • Die Bundesinnenministerin hat den Kampf gegen Rechtsextremismus seit Beginn Ihrer Amtszeit als Zielsetzung ausgegeben.



    Das arbeitet sie ab. Das ist auch nötig, da die rechte, undemokratische Szene gegen die Demokratie arbeitet und die Bundesinnenministerin für den Schutz unserer Demokratie eintritt.



    Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass Rechte in den sozialen Medien aktiver sind, als die demokratischen Parteien, oder die Regierung.



    Es ist sinnvoll, das Vorgehen der Polizei gegen Rechts zu dokumentieren. Die freien Medien sind eine Stütze unserer Demokratie. Zusätzlich ist es naturgemäß auch im Interesse der Pressehäuser, informiert zu werden um informieren zu können



    Wer für den Schutz der Demokratie eintritt, sollte derartige Verbote begrüßen.



    Allerdings benötigen solche Maßnahmen auch entsprechende Vorbereitung, um nicht zu verpuffen.



    Die Tatsache, dass bekannt war, dass es rechte Aktivitäten gibt, reicht eben nicht so einfach für ein Verbot aus.



    Es wundert mich, dass in einer Zeitung, die sich selbst als links bezeichnet, dieses konsequente Vorgehen der Bundesinnenministerin kritisiert wird.



    Ich freue mich hingegen über diese Tatsache und



    jegliches Vorgehen gegen Rechts!

  • Dieser Kommentar regt zum Nachdenken an. So muss Debatte, Diskurs sein. Danke.

  • Politik ist Inszenierung, die Mehrheit der Journalisten ebenso gefangen von der Macht der Bilder. Dazu passt das klassische Bild des Staatsmanns der ein armes Kind Lesen lehrt, statt eine Schild zu bauen. Es ist billiger (und gibt schönere Bilder) Compact abzuwickeln, statt antifaschistische Initiativen zu unterstützen, die Geld dringend nötig hätten.

  • jaja, Compact, immer deren digitale Unterschriftenaktionen, das nervte schon ...

    Scherz. - Immer schade, wenn eigentlich kluge Menschen sich für tumben Rassismus einspannen und für ausländische Despoten.

  • Ich denke, Ministerin Faeser wird die Rechtsabteilung nicht fahrlässig für PR einsetzen, um sich dann wegen eines Rohrkrepierers rechtfertigen zu müssen. Bei den Reichsnazi-Terroristen um den wirren Prinzen laufen jetzt die Prozesse. Die Gerichte hätten nirgendwo die Anklage zugelassen, wenn sie nicht stichhaltig wäre. Bei dem Elsässer-Laden wird das auch so sein. Der Verfassungsschutz unter Haldenwang liefert klare Belege. Die Beobachtung von AbgrundFD wurde bisher von allen Instanzen für richtig befunden. Also liefert Frau Faeser in zwei Jahren mehr als die Merkel-Minister in in sechzehn Jahren. Gut so.



    Kubicki mit seinem Angriff auf die Ministerin des Koalitionspartners SPD ist natürlich typisch für das dürftige Ego seiner Kleinpartei.

  • Vielleicht kann man von Nancy Faeser nicht mehr erwarten, als medial inszenierte Polizeiaktionen.

    Ich sage es mal so, besser als gar nichts.

    Alles was Nazis schadet, ist gut.

    • @Jim Hawkins:

      Die Frage ist, ob es ihnen schadet.

      Der GAU wäre es, wenn das Verbot schlecht begründet ist und nachträglich vom Gericht gekippt wird.

      Das Narrativ, die waren Demokratiefeinde säßen in der Ampel, braucht niemand in einer Form, die mit Belege unterfüttert werden kann.

      Die Nazis der 30er haben die Demokratie verachtet. Da wäre es egal gewesen.

      Die AfD nimmt für sich in Anspruch, eine demokratische Partei zu sein.

      Die sieht es als Selbstentlarvung ihrer Gegner an.

      Auch wenn das Verbot gerichtsfest ist:



      Zuviel Inszenierung evoziert Zweifel an der Glaubwürdigkeit.

      Das spaltet die Zivilgesellschaft.

    • @Jim Hawkins:

      So absolut würde ich es nicht ausdrücken, aber aus guten Gründen haben wir eine wehrhafte Demokratie, die gegen Völkerhass auch Instrumente hat.

      Klären wird es wohl der Rechtsweg der Gerichte.

      Frau Faeser wirkt auf mich wirksamer und entspannter, seit sie nicht mehr auch noch in Hessen kandidieren muss. Sie hat da eine große Aufgabe vor sich, nach langer Zeit mit rechten Nagetieren in hohen Staatspositionen, die ihre Gesinnungsgenossen mehr decken als die Verfassung schützen wollten.

  • Es mag sein, dass die Inszenierung Fragen aufwirft. Bei mi

  • „Der Kampf gegen Rechtsextremismus braucht keine Symbolpolitik, sondern – neben einer starken Zivilgesellschaft – konsequente Ermittlungen und rechtsstaatliche Härte.“

    Der Kampf gegen Rechtsextremismus braucht vor allen Dingen Geld. Es ist typisch für diese Regierung, dass man bei wichtigen Initiativen, die gegen Rechtsextremismus kämpfen, den Rotstift ansetzt, und das mit symbolpolitischen Maßnahmen zu kompensieren versucht.

  • Ich verstehe in allen Fällen überhaupt nicht, warum die Presse vorab informiert wird. Warum sollte man das tun?

    • @Ansgar Reb:

      Vielleicht unter anderem, weil man ohnehin nicht davon ausgeht, es geheim halten zu können. Und bevor nur die Gesinnungsgenossen der Durchsuchten Bescheid wissen, will man lieber die komplette Presse hinter sich wissen.

    • @Ansgar Reb:

      Da sollte evtl. jetzt ein Zeichen gesetzt werden, was sich aus Sicht der Strafverfolgung gehört und was nicht. Was eben nicht "normal" ist, sondern rechtsextrem-rassistisch. Vielleicht.



      Um vor allem aber die Berichterstattung nicht jenen eifrigen Jürgens selbst zu überlassen. Vermute ich mal.

    • @Ansgar Reb:

      Vermutlich, weil man staatliches Durchgreifen auch medial inszenieren will...

      • @O.F.:

        je mehr Leute es vorher wissen, desto wahrscheinlicher ist, dass es auch die erfahren, die es nicht wissen sollten.

  • Die Bundesinnenministerin kann gar nicht genug unterstützt werden, im Kampf gegen die Feinde der Menschheit! Außerdem kann die SPD so wirklich punkten!

    • @amigo:

      Was für ein Glück, dass wir den Rechtsextremstreichler Maaßen und seine Kumpanen nicht mehr an den Hebeln haben. Da wuchs viel Unkraut.

  • Ein Verbot, besonders von Medien, ist in einer Demokratie das allerletzte Mittel. Glaube kaum, dass dies vor Gericht Bestand haben wird.

    • @Ernie:

      Das Problem ist, dass sich solche Verfahren in die Länge ziehen können, weshalb das Risiko groß ist, dass der Kläger scheitert und am Ende doch vor einem Scherbenhaufen steht. Und auch damit sendet man ein Signal, das weit über den konkreten Fall hinausgeht. Ich verstehe ja, dass es vielen schwer fällt, sich ausgerechnet mit diesem ekelhaften Elsässer zu solidarisieren, aber hier steht einfach mehr auf dem Spiel.

  • Ob das in der Sache richtig ist muss sich noch erweisen. Der Deutsche Journalistenverband Zb. hält es für falsch das man eine GmbH nach dem Vereinsrecht verbietet. Ebenfalls der Verfasungsrechtler David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Auch gehört Herr Kubicki FDP Abgeordneter und Rechtsanwalt zu den Skeptikern die Bedenken haben das ein Gericht das Verbot widerruft.

    • @Martin Sauer:

      Es gibt einen Präzedenzfall, auf den Christian Rath im weiter unten verlinkten Beitrag leider nicht eingegangen ist: linksunten wurde zur Vereinigung erklärt und mit dieser Begründung linksunten_indymedia_de abgeschaltet (kein Link, könnte als Unterstützung gewertet werden, siehe RDL).

      Das wurde nicht bis zum Ende geklärt, da für die Klagebefugnis sich der Verein erst (implizit) konstituiert haben müsste. Als Nichtmitglieder (bzw. weil die Existenz des verbotenen Vereins bestritten wurde) fehlt ihnen die Klagebefugnis -> wo kein Kläger ...

    • @Martin Sauer:

      Und vollkommen zurecht; in der taz ist ja heute auch ein Artikel erschienen, der das rechtliche Prozedere erklärt und mir wird Angst und Bange, wenn ich das lese:



      taz.de/Rechtliche-...t-Verbot/!6021030/



      Wenn man sich auf den Umweg über das Vereinsrecht einlässt, können Ministerien auf Zuruf des Geheimsdienstes ohne jedes vorangehende (!) Gerichtsurteil aufgrund recht allgemeiner Anschuldigungen Medien dicht machen - die dann darauf hoffen können, Jahre später mit einer Klage gegen dieses Vorgehen Erfolg zu haben.



      Natürlich sind Rechtsextreme wie Elsässer eine Gefahr für die Demokratie; das zunehmend selbstherrlich-autoritäre Agieren einiger Ministerien ist allerdings nicht weniger beklemmend. Man verteidigt die Demokratie nicht, indem man wie in einer Bananenrepublik auf Feindesjagt geht.