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Hisbollah-Angriffe auf IsraelNetanjahu will zurückschlagen

Israels Regierung erwägt ernsthaft einen größeren Angriff auf die Hisbollah im Libanon. Das Raketenfeuer der Miliz hatte großflächige Brände verursacht.

Ein Waldbrand nach einem Raketenangriff durch die Hisbollah im israelischen Kiryat Shmona am 3. Juni Foto: Ayal Margolin/reuters

Die Videos, die aus dem hohen Norden Israels in den sozialen Medien geteilt werden, zeigen dichten Rauch, meterhohe Flammen, sprühende Funken, die Silhouetten feuerfangender Bäume. 48 Stunden lang brannte es nahe Kirjat Schmona, einer Kleinstadt am äußersten Nordzipfel Israels. Der Auslöser: Raketenfeuer der Hisbollah aus dem Libanon, der gerade einmal zwei Kilometer entfernt liegt.

Dutzende Geschosse feuerte die iranisch-unterstützte Miliz am Wochenende auf Israel. Durch die Trockenheit im Land – in vielen Regionen kletterten die Temperaturen jüngst auf weit über 30 Grad – lösten sie Brände aus. Insgesamt sollen etwa 10.000 Dunnam, knapp 10 Quadratkilometer, betroffen sein.

Erst am Dienstagmorgen konnten die Feuer größtenteils unter Kontrolle gebracht werden – bis prompt ein weiterer Raketenangriff aus dem Libanon wieder Feuer auslöste. Elf Menschen wurden leicht verletzt. Dass es nicht mehr waren, liegt auch daran, dass die gesamte Region bereits seit vergangenem Oktober evakuiert ist – wegen der Angriffe der Hisbollah.

Mögliche Invasion in den Libanon?

Man sei zu einer „extrem mächtigen“ Reaktion auf die Attacken der Hisbollah bereit, erklärte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei einem Besuch der Region am Mittwoch. Zuvor hatte Armeechef Herzi Halevi erklärt, man sei nahe daran, eine Entscheidung zu treffen, wie man mit der Hisbollah umgehen wolle.

Ob es eine Invasion in den Libanon geben wird, ist schon seit Oktober eine wiederkehrende Frage – die nun, da die Angriffe der Hisbollah immer weiter zunehmen – drängender wird. Das Militär sei bereit, so Halevi.

Nach acht Monaten Krieg in Gaza, um die Hamas zu zerstören, sind die Erfolge dünn

Wer denke, dass man Israel Schaden zufügen könne und damit davonkomme, liege falsch, erklärte Netanjahu bei seinem Besuch. Schadi Challul, ein arabischsprachiger Christ aus der nördlichen Region Galiläa, der lange im Militär diente und sich für eine Integration der christlichen Minderheit in die israelische Gesellschaft einsetzt, betont hingegen: Die Hisbollah komme eben doch davon.

Die Regierung fordert er auf: „Rettet, was von der Region noch übrig ist.“ Jeden Tag eskaliere die Situation weiter – „ein Krieg ist unausweichlich“. Oppositionsführer Jair Lapid schrieb auf X: „Die Regierung hat keinen Plan für den Tag danach in Gaza, keinen Plan für die Rückkehr der Bewohner in den Norden, kein Management, keine Strategie“.

Internationaler diplomatischer Druck auf Israel steigt

Nach acht Monaten Krieg in Gaza – angetreten unter der Prämisse, die Hamas zu zerstören und die über 200 israelischen Geiseln zu befreien – sind die Erfolge dünn: Nur drei Geiseln konnten vom Militär im Laufe der Zeit befreit werden. Und die Truppen kämpfen immer wieder an denselben Orten gegen die Hamas – Orten, die zuvor bereits als geräumt galten, etwa in Chan Junis in Zentralgaza.

Für die palästinensischen Zivilisten in Gaza hat die Kriegsführung Israels außerdem katastrophale Folgen: Hilfsorganisationen warnen vor Krankheiten und Hunger, vor mangelnder medizinischer Versorgung in den wenigen verbliebenen Krankenhäusern. Das lässt auch den internationalen diplomatischen Druck auf Israel steigen.

Wie genau sie die Hamas denn nun besiegen will – und wie ein Post-Hamas-Gaza aussehen könnte –, vermag Netanjahu bis heute nicht zu beantworten. Vor etwa zwei Wochen hatte Benny Gantz, Minister im Kriegskabinett, ihm ein Ultimatum gestellt: Sechs wichtige strategische Punkte solle Netanjahu klären, darunter, wie eine Rückkehr in den Norden aussehen solle. Das Ultimatum läuft am 8. Juni aus.

Sollte Netanjahu es verstreichen lassen, stiege Gantz aus dem Kriegskabinett aus. Zurück blieben rechte Hardliner wie der Minister für Innere Sicherheit, Itamar Ben Gvir. Laut der Times of Israel betonte er am Dienstag, es sei Zeit, dass der ganze Libanon brenne.

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19 Kommentare

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  • Es ist absurd, von denen die (völkerrechtswidrig!) angegriffen werden zu erwarten, dass sie Opfer in den eigenen Reihen in Kauf nehmen, um Opfer unter den Menschen zu vermeiden, unter/hinter denen sich die Angreifer verstecken. Solange die lebensbedrohliche Angriffssituation besteht, zählt primär der Schutz der Menschen in den eigenen Reihen.

  • "Israels Regierung erwägt ernsthaft einen größeren Angriff auf die Hisbollah im Libanon. Das Raketenfeuer der Miliz hatte großflächige Brände verursacht."



    Was ist die Alternative? Einfach weitermachen lassen? Fände ich jetzt irgendwie auch nicht so toll.

    • @Encantado:

      Zur Erinnerung ein Angriff Israels auf das Gebiet des Libanons das von der Hisbollah im Süden genutzt wird ist laut UN Sicherheitsrat bereits erlaubt.

      Das liegt daran, dass weder Libanon die Resolution umgesetzt hat die Hisbollah von dort zu entfernen/zu entwaffnen/unter staatliche Kontrolle zu stellen, noch die internationale Gemeinschaft Blauhelme hingestellt hat welche dies für den libanesischen Staat übernehmen und damit verhindern, dass Angriffe von Libanon Grund u.a. durch Raketen, Infiltration ins Land usw. auf Menschen in Israel erfolgen.

  • Was bitteschön haben nicht erreichte Ziele in Gaza mit den Attacken der Hizbollah zu tun?



    Und wie soll ein Staat denn reagieren wenn er permanent unter Raketenbeschuss steht? Es gibt anscheinend keine Macht in der Region welche Einfluss auf die Hizbollah nehmen könnte. Also bleibt es an Israel die Angriffe zu unterbinden. Wie auch schon in der Vergangenheit sind die Israelis auf sich allein gestellt.

    In letzter Zeit ist die Berichterstattung in den Medien ziemlich einseitig zu ungunsten Israels ausgefallen. Kritik ist angebracht und in Teilen auch berechtigt. Nur: Israel hat niemanden angegriffen sondern sich verteidigt gemäß selbstauferlegten Maßstäben. Über die Verhältnismäßigkeit dieser Maßstäbe kann man streiten, über alles andere nicht!

  • "Für die palästinensischen Zivilisten in Gaza hat die Kriegsführung Israels außerdem katastrophale Folgen: Hilfsorganisationen warnen vor Krankheiten und Hunger ..."



    Dabei nicht zu vergessen: Der Befreiung von nur 3 israelischen Geiseln stehen in der israelischen Bilanz ca. 36.000 getötete Palästinenser im Gazastreifen und 500 im Westjordanland gegenüber - weit überwiegend unschuldige Zivilisten. Das ist noch unaussprechlich viel schlimmer, als nur "katastrophal". Und auch laut der seit langem anhaltenden Kritik seitens der Angehörigen der Geiseln lässt das Vorgehen von Netanjahu und seinen rechtsextremen Verbündeten nicht erkennen, dass dabei die Befreiung der Geiseln überhaupt Priorität habe.



    Welch unermesslicher Hass für die Zukunft wird hier gesät und letztlich den radikalsten Fanatikern von Hamas und Hisbollah in die Hände gespielt, statt verständigungsbereite palästinensische Politiker durch Entgegenkommen zu fördern.

    • @Lichtenhofer:

      Seltsame Art der Buchführung haben Sie…

      Wenn Zivilisten als vermeidbare Opfer eines Kriegsverbrechens umkommen, dann gehen sie offenkundig auf das Konto desjenigen, der es verübt.



      Zivilisten als Schutzschilde zu missbrauchen („die Benutzung der Anwesenheit einer Zivilperson oder einer anderen geschützten Person, um Kampfhandlungen von gewissen Punkten, Gebieten oder Streitkräften fernzuhalten“), also Kampfeinheiten, Waffenlager, usw. absichtlich inmitten Zivilisten unterzubringen, ist ein Kriegsverbrechen.

      Zivilisten die dem zum Opfer fallen sind folglich jenem anzulasten, der sie zu diesen Zweck missbraucht. Zivile Gebäude ebenso.

      In der isr. Bilanz stehen 3 befreiten Geiseln und tausenden ausgeschalteten Terroristen also einige hundert Soldaten und ein Bruchteil der getöteten Zivilisten entgegen. Die Hamas-Bilanz: Tausende Kämpfer verloren und für den Tod der Mehrheit der Zivilisten verantwortlich, und für den Großteil der Zerstörungen.

      Was jene Zivilisten angeht die nicht wegen vermeidbarer Fehler oder Kriegsverbrechen umkommen, sondern als unvermeidlich Mitbetroffene – da ließe sich prächtig streiten ob sie nicht dem anzulasten sind, der den ganzen Krieg vom Zaun gebrochen.

    • @Lichtenhofer:

      "Der Befreiung von nur 3 israelischen Geiseln stehen in der israelischen Bilanz ca. 36.000 getötete Palästinenser im Gazastreifen und 500 im Westjordanland gegenüber"



      Jetzt mal ganz emotionsfrei: das bedeutet, dass die Geiselnahme israelischer Bürgen teuer für die Geiselnehmer ist - sofern sie sich für die eigene Bevölkerung interessiert.



      Sollte diese Lektion bei der Hamas ankommen, wäre viel gewonnen. Bislang sieht's allerdings nicht danach aus, was das Ganze um so tragischer macht.

      • @Encantado:

        "... emotionsfrei ..."???



        36.000 Tote Palestinenser'innen zusätzlich zu den von der Hamas massakrierten Israelis sind keine Nummern in einem Strategiespiel, sondern getötete Individuen - jedes eine Welt für sich - verbunden mit ihren Angehörigen, Freunden, Bekannten. Deren Leben und Weltbild von diesem Leid weiterhin betroffen bleibt. Die außerdem dazu beitragen werden, dieses massenhafte Leid nicht zu vergessen, sondern es mittels Aktivitäten gegen so verstärkte kollektive Feindbilder zu verarbeiten ...



        Rundumschläge, die Unschuldige in Mithaft nehmen und massenhaft zu Opfern machen, waren noch nie ein adäquates und nachhaltiges Mittel, Täter zur Rechenschaft zu ziehen

        • @Lichtenhofer:

          ""... emotionsfrei ..."???"



          Exakt. Was an der Vokabel ist unverständlich?



          "...waren noch nie ein adäquates und nachhaltiges Mittel, Täter zur Rechenschaft zu ziehen"



          Aber eine Möglichkeit, andere von ähnlichem abzuhalten. Prinzip Abschreckung.



          Ich sage nicht, dass ich das so unbedingt gutheiße. Aber wenn Sie das einmal kühl rational betrachten (was zugegeben nicht leicht ist), werden Sie sehen, dass das - im Prinzip - eine zielführende Vorgehensweise sein kann. Da geht es eben nicht nur um Rache und Bestrafung der Täter, sondern auch darum, künftige Anschläge dieser Art weniger wahrscheinlich zu machen.

  • Iran und sein Stellvertreterkrieg.

    Jetzt darf also die Hizbollah in Aktion treten, Danach mal wieder die Huthis, Der Islamische Jihad, die Hamas, die Revolutionären Garden?

    Alles auf Kosten der Palästinenser:

    SPIEGEL: "Das palästinensische Volk brauche keine Kriege, die nicht seinem Streben nach Freiheit und Unabhängigkeit dienten, sagte Abbas »Iran will palästinensisches Blut opfern«.

    www.spiegel.de/aus...-99da-3d901c82b01c

    • @shantivanille:

      "Iran und sein Stellvertreterkrieg. (...) Alles auf Kosten der Palästinenser:"



      Es sei vermerkt, dass Israel als schlussendlicher 'Endgegner' hier ebenfalls Leidtragender ist.

      • @Encantado:

        Und Menschen in Israel, die Geiseln und jene die z.B. am 7. Oktober umgebracht / gefoltert worden sind.

        Diese erhalten von weiten Reihen der Menschen auf der Welt nach wie vor keine Anerkennung für ihr Leid. Es gibt diesen selektiven Humanismus.

  • Ich empfehle allen, die diesen Beitrag gelesen haben auch die Lektüre des quasi zeitgleich veröffentlichten taz-Beitrags "Im Schwitzkasten der Terroristen"

    taz.de/Eskalation-...n-Grenze/!6011955/

    Dann wird vieles "übersichtlicher".

  • Wie steht eigentlich das israelische Volk zu dem Treiben von Netanjahu?



    Das fehlt mir in den Berichterstattungen und ich denke das wäre wichtig.

    • @Rudi Hamm:

      Über die Demonstrationen wird doch ständig Bericht erstattet. Das ist dann aber nicht das israelische Volk, sondern ein gewisser Teil. Das israelische Volk ist in seiner Einstellung zum Krieg, zur Hamas, zur Regierung, zu Netanjahu und zu seinen rechtsextremen Regierungsmitgliedern nicht einheitlich eingestellt. Auch darüber wird ausführlich und ständig berichtet.

      • @BrendanB:

        Natürlich ist die Israelische Bevölkerung nicht einheitlich eingestellt, schließlich gibt es so etwas wie eine "Volksgemeinschaft" nicht und hat es auch noch nie gegeben.

        Die menschlicheren, aufgeklärteren und klügeren Israelis - ob innerhalb Israels oder woanders lebend - verurteilen die grundsätzliche Gewaltpolitik der rechten Isrealischen Regierungen der letzten Jahrzehnte nicht erst seit heute.

        Die Art der Kriegsführung in Gaza ist aber - um mal mit Clausewitz zu sprechen - "nur" die Fortsetzung jener Politik mit anderen Mitteln.

        Ebensowenig wie "die Juden" gibt es "die Palästinenser", "die Russen", "die Ukrainer", usw.

        Was es gibt, sind reaktionäre und progressive politische Milieus in allen Ländern und Völkern.

  • "Israels Regierung erwägt ernsthaft einen größeren Angriff auf die Hisbollah im Libanon."

    Da niemand sonst offensichtlich Willens oder in der Lage ist, die Hisbollah zu stoppen: glaubt irgendjemand ernsthaft, Israel lässt sich das noch lange gefallen?

    "Dür die palästinensischen Zivilisten in Gaza hat die Kriegsführung Israels außerdem katastrophale Folgen:"

    Ich würde ja sagen, es die Kriegsführung der Hamas. Aber nun ja, das hängt wohl vom Standpunkt ab.

    • @BrendanB:

      Glaubt jemand ernsthaft, ein größerer Angriff würde die Hisbollah stoppen?

      • @Francesco:

        "Glaubt jemand ernsthaft, ein größerer Angriff würde die Hisbollah stoppen?"



        Sie plädieren demnach für einen massiven Militärschlag?