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Bildungsreferentin über Antifeminismus„Gefährliches Weltbild“

Maiken Schiele vom Dissens e.V. sieht Antifeminismus als Kernbestandteil von extrem rechtem Denken. Das Problem werde bislang verharmlost.

So hätten's die Rechten gerne: Familie vom alten Schlag, aufgenommen 1876 in Kanada
Alina Götz
Interview von Alina Götz

taz: Frau Schiele, sind alle rechtsextremen Parteien auch antifeministisch?

Maiken Schiele: Ja, Antifeminismus ist Kernbestandteil von extrem rechtem Denken. Die ganz konkrete Vorstellung der Welt oder auch wie eine Bevölkerung aufgebaut sein sollte, enthält antifeministische Züge: Es gibt zwei Geschlechter, die Familie ist die Keimzelle der Nation und sichert den Fortbestand des vermeintlich „homogenen“ Volkes. Frauen sind da, um Kinder zu kriegen.

Was genau verstehen Sie unter Antifeminismus?

Antifeminismus ist eine Ideologie, die ausgehend von verschiedenen Ak­teu­r*in­nen in organisierter Form beziehungsweise mit einer politischen Agenda gegen feministische Errungenschaften und die Auspluralisierung sexueller, geschlechtlicher und familialer Lebensformen vorgeht.

Wie zeigt sich Antifeminismus in der AfD?

privat
Im Interview: Maiken Schiele

31, Soziologin, Bildungs­referentin bei Dissens e. V., Berlin.

Im Programm für die Europawahl 2024 bekennt sich die Partei klar zur traditionellen Familie: Mann und Frau, verheiratet, viele Kinder. Das wird als Leitbild in die Gesellschaft getragen. Andere Lebensformen werden zwar toleriert, aber nicht gleichgestellt.

Da wäre auch noch die Rhetorik der Partei zum Gendern.

Beim Thema „Gendern“ wird bei der AfD gern der Begriff der „Gender-Ideologie“ benutzt, um alle Forderungen, die mit Gender assoziiert werden, zu verunglimpfen und lächerlich zu machen. Das Gendern in der Sprache dient der AfD zufolge zum Durchsetzen dieser angeblichen Ideologie.

Was kann diese Rhetorik bewirken?

Die Diskussion

Diskussion zur Europawahl, 4. 6., 18 Uhr, Sitzungssaal IG Metall, Postkamp 12, Hannover. Anmeldung erbeten: merle.mangels@dgb.de

Der Begriff „Gender“ ist ja sehr abstrakt. Ursprünglich meint der Begriff einfach, dass Geschlecht immer auch eine soziale Komponente hat. Er wird in dieser Rhetorik aber bewusst sinnentleert. Das ermöglicht den Rechten, abstrak­te Bedrohungsszenarien rund um den Begriff zu konstruieren, die in der Bevölkerung sehr anschlussfähig sind.

Auch Esmeralda Rizzi aus Italien wird berichten …

Die rechte Partei von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, Fratelli d’Italia, hat das Familienbild betreffend ein ähnliches Programm. In Italien wird dazu stark gegen gleichgeschlechtliche Paare vorgegangen. Laut einer Verordnung des Innenministers soll die Staatsanwaltschaft Geburtsurkunden anfechten von Kindern mit gleichgeschlechtlichen Eltern. Das hat erhebliche Folgen für den nicht leiblichen Elternteil, der das Kind dann beispielsweise nur noch mit einer Vollmacht aus der Schule abholen darf. Im ­April wurde zudem das Recht auf Abtreibung massiv angegangen.

Wie hält es die AfD mit dem Thema?

Familienpolitik ist gleich Bevölkerungspolitik. Nicht Zugewanderte sollen die demografische Krise der sinkenden Geburtenrate lösen, sondern Deutschland soll das selber schaffen. Deswegen wollen sie Anreize für junge Paare schaffen, eine Familie zu gründen. Schwangerschaftsabbrüche stehen diesem Vorhaben natürlich diametral entgegen. Die AfD will diese nur noch mit kriminologischen oder medizinischen Indikationen erlauben.

Nun ist Europawahl. Was bedeutet das für Sie?

Ich mache mir Sorgen über die Auswirkungen eines möglichen Rechtsrucks im EU-Parlament. Antifeminismus wird noch zu wenig thematisiert, zum Teil auch verharmlost. Er ist aber gefährlich, weil er ein Weltbild vorgibt, das Menschen nicht die gleichen Rechte einräumt und einigen ihre Existenz abspricht.

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10 Kommentare

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  • „Familienpolitik ist gleich Bevölkerungspolitik. Nicht Zugewanderte sollen die demografische Krise der sinkenden Geburtenrate lösen, sondern Deutschland soll das selber schaffen. Deswegen wollen sie Anreize für junge Paare schaffen, eine Familie zu gründen.“

    In welcher Denkwelt ist es sinnvoll, Geburtenrückgang durch Zuwanderung auszugleichen? Unter der — faktisch nicht haltbaren — Annahme, es würden tatsächlich netto taugliche Menschen einwandern, würde man diese dann ihrer Heimat entziehen. In jeder Hinsicht nur absurd.

    • @In aller Ruhe:

      " Netto taugliche Menschen". Gehts noch ne Nummer Abwertender?

    • @In aller Ruhe:

      Auf Grundlage eines freiheitlich orientierten Menschenbildes (das gewissen Parteien natürlich nicht so richtig schmeckt) ist es wenig relevant, ob ein Mensch seinem Land "tauglich" wäre, wenn er dort nicht mehr wohnen WILL. Ob man ihn in seinem gewünschten Einwanderungsland "gebrauchen kann" - oder ob das überhaupt eine Anforderung sein sollte, um ihm die Einwanderung zu gestatten -, ist eine andere Fragestellung. Man sollte beides nicht vermischen.

    • @In aller Ruhe:

      Unterscheiden wir zwischen Menschen?



      Bezeichnen wir manche als automatisch tauglich und die anderen nicht?



      Es gibt genügend Menschen auf dem Globus, vielleicht haben Sie nicht alle einen stumpfblonden Seitenscheitel.

      Wenn Sie nur meinten, dass das Absaugen ausgebildeter Kräfte auf Kosten deren Länder erfolgt: Ja. Wenn das Ihr Punkt ist, holen wir Menschen, die wir ausbilden.

      • @Janix:

        „Unterscheiden wir zwischen Menschen?“

        Selbstverständlich. Gefiele Ihnen ein ungebremster Zuzug putintreuer Russen? Wir bestimmen, wer bleiben darf, ganz einfach. Es gibt kein Jedermannrecht auf Einreise.

  • Gegen die universal grundsätzlich gleichen Rechte aller Menschen zu sein, ist ein Rezept für persönliches Scheitern, egal bei welcher Diskriminierung oder Abwertung, ob nach Geschlecht, Hautfarbe, Geldbeutel, Orientierung oder was auch immer.



    Immer weniger würden das auch noch mitmachen. Im Idealfall löst der Darwin Award das also.

  • Ein sehr steile These, daß Gruppen, die ein anderes Bild von Familie haben, als "Gefährlich" bezeichnet werden. Es mag sein, daß Parteien rechts von der FDP hier andere Vorstellungen haben, aber dies ist keine Gefahr, sondern eine legitime Vorstellung vom Zusammenleben. Und da Frauen das Wahlrecht wie die Männer ausüben dürfen, kann hierüber eine Willensbildung erfolgen.

  • Möglicherweise sind rechte Ideologen oft auch antifeministisch. Wobei die Frage ist, ob der heutige Feminismus mit dem ursprünglichen Begriff noch viel gemein hat.

    Und die ernst gemeinte Frage: Wann ist man denn "antifeministisch"? Auch schon dann, wenn man für rechtliche und gleiche Chancen betreffende Gleichstellung ist, aber radikale Forderungen nach Ergebnisgleichheit ablehnt? Ist das dann am Besten auch gleich "rechts"?

  • "antifeministische Züge: Es gibt zwei Geschlechter"



    Beim Feminismus geht es um die Gleichstellung/Rechte der Frauen. Ob jemand zwei oder mehr Geschlechter akzeptiert, ist dafür irrelevant.



    "die Familie ist die Keimzelle der Nation und sichert den Fortbestand"



    Die mit Abstand größte Anzahl an Geburten stammt aus einem Familienmodell. Kann man gut oder schlecht finden, ist aber so. Und durch den steigenden Anteil an Menschen aus traditionellen Kulturen dürfte die Tendenz hier eher steigen.



    Und ja, momentan ist es noch so, dass nur biologische Frauen Nachwuchs gebären können.



    Klar kann man das alles abstreiten, aber wen juckt es: Demografie regelt...

  • "Die ganz konkrete Vorstellung der Welt oder auch wie eine Bevölkerung aufgebaut sein sollte, enthält antifeministische Züge: Es gibt zwei Geschlechter ..."

    Bei "es gibt zwei Geschlechter" bin ich hängen geblieben. Ist genau das nicht der Konflikt zwischen den Feministinnen und den Vertretern des Transsexualismus? Vertreten nicht gerade Feministinnen am vehementesten das Konzept der biologischen Frau und Mann?

    Und auch darüber hinaus ist das Konzept der biologischen Geschlechter ein gesamtgesellschaftliches und auch wissenschaftlich anerkanntes Konzept, dass man so nicht einfach per Rede den Rechten zuordnen kann.

    Wenn "soziales Geschlecht" gemeint ist, bitte dies dann auch schreiben!