Neue Details zu Skandal-Video von Sylt: Champagner, Rolex und Rassismus

Junge Leute grölen an Pfingsten auf Sylt rassistische Parolen. Der taz liegen mehr Videos der Beteiligten vor. Sie zeigen Protz und Saufgelage.

Ein Lokal mit schicken Sonnenschirmen auf der Terrasse.

Blick auf das Lokal „Pony“ in Kampen auf Sylt Foto: Georg Wendt/dpa

BERLIN taz | Neue Details zu dem Skandalvideo von Sylt zeichnen ein genaueres Bild der Partygruppe. Ihr Gesang von ausländerfeindlichen Parolen an Pfingsten hatte für Empörung gesorgt. Der taz liegen nun weitere Urlaubsvideos der Beteiligten vor. Sie zeichnen das Bild eines Milieus, das protzt, prahlt, feiert – und wohl meint, sich auch Rassismus leisten zu können.

Ende letzter Woche war ein kurzes Video bekannt geworden, das am Pfingstsonntag im Edelclub „Pony“ in Kampen auf Sylt entstanden ist. Eine Gruppe junger Leute singt zu Gigi D’Agostinos Song „L’Amour toujours“ die Sätze „Ausländer raus, Deutschland den Deutschen.“ Ein Mann hebt dabei den rechten Arm, wippt mit der Hand und formt mit zwei Fingern einen Oberlippenbart – offensichtlich ein Hitlergruß.

Die Empörung darüber konnte kaum größer sein. In den Sozialen Medien geht es viral, schnell kursieren Namen vermeintlich Beteiligter und gegenüber Unternehmen, bei denen diese arbeiten sollen, hagelt es Aufforderungen zu Kündigungen. Einige Beteiligte wurden danach entlassen, manche entschuldigten sich. Medien berichten bundesweit.

Dass zu dem Lied „L’Amour toujours“ ausländerfeindliche Parolen gesungen werden, hat sich zu einem hässlichen Trend entwickelt. Die Nazi-Version wurde am Pfingstmontag auch auf dem Schützenfest in Löningen im Landkreis Cloppenburg gesungen sowie am Freitag auf der Bergkirchweih in Erlangen. Auch auf Sylt war über Pfingsten der rassistische Fall im Pony Club nicht der einzige. Im Luxus-Club „Rotes Kliff“ wurden ebenfalls die Parolen zu dem Song gegrölt, wie die Betreiber mitteilten.

taz-Recherchen zeigen entgrenztes Oberschicht-Milieu

Das Video aus dem Pony sorgt allerdings für besonders breite Empörung. Weil es verdeutlicht, dass rassistische Äußerungen kein Phänomen allein von saufenden Neonazis oder Dorfprolls sind – und vielleicht auch, weil sich die sogenannte Mitte heimlich entlastet fühlt: Hier grölen keine Normalverdiener, sondern Leute, die zum Klischee einer reichen Oberschicht passen.

Recherchen der taz geben nun ein noch klareres Bild von dem Milieu und der Gruppe, die da unterwegs war. Es sind Unternehmensberater, Influencer, Werber, Manager, Wirtschaftsdozenten – aus München, Coburg, Hamburg.

Die Sylt-Ausflüge scheinen Tradition zu haben. Der taz liegen zwei weitere Videos vor, die ihre Reisen auf die Insel dokumentieren, eines aus diesem Jahr, eines aus dem letzten. Beide Clips wurden direkt aus dem Netz entfernt, nachdem das Skandalvideo die Runde gemacht hatte. Der taz liegen Sicherungen vor.

Champagner in Strömen und Rolex-Vergleich

Eine Aufnahme hat die Frau, die in dem Skandalvideo in Großaufnahme zu sehen ist, bei Tiktok veröffentlicht. Es zeigt sie bei Reitausflügen, im Strandkorb vor dem Restaurant Sansibar, bei Partys auf der Terrasse des Pony Clubs und der Strandbar „Buhne 16“ in Kampen.

Der Champagner fließt in Strömen, wird verspritzt oder sich gegenseitig in den Mund gegossen. Entleerte Flaschen stapeln sich eimerweise neben den Tischen. In mehreren Szenen wiederzuerkennen: ein Mann aus München, der sich bei Instagram selbst „Fashion-Influencer“ nennt, sein Kumpel sowie eine weitere Frau – alle drei sind auch auf dem Skandalvideo zu sehen und grölen mit.

Der Fashion-Influencer hatte ein eigenes Sylt-Video auf Instagram hochgeladen, das laut einem der Mitreisenden aus 2023 stammt. In schnellen Schnitten rafft es den vergangenen Pfingsturlaub zusammen: Sie schieben bei der Anreise mit dem Flugzeug die Metallkoffer übers Rollfeld, vergleichen ihre Rolex-Uhren, kaufen Dosenpaletten im Supermarkt. Auch in diesem Video werden zahllose Champagnerflaschen geköpft – mit den Zähnen, mit dem Smartphone, mit der Kreditkarte.

Bei strahlend blauem Himmel sehen wir Drohnenaufnahmen vom Reetdachhaus und Fahrten im Cabrio. Sie tanzen auf einem Schiff, eng an eng in einem Wohnzimmer, auf der Terrasse des „Pony Clubs“. Fast immer mit dabei: eine kleine Bayern-Fahne, die die Gruppe mit an den Strand trägt oder in der Bar auf ihren Tisch stellt.

Damals ebenfalls Teil der Reisegruppe: ein Lokalpolitiker der CSU, der auch für den Landtag kandidierte. Auf Anfrage der taz distanzierte er sich von den Parolen, die er „aus tiefster Überzeugung“ ablehne, und erklärte, noch nie in seinem Leben im Pony Club oder in Kampen gewesen zu sein.

Hochschul-Dozent feiert mit und schreitet nicht ein

Nach taz-Informationen gehörte zu der Reisegruppe auch ein Mann, der Manager bei Vodafone Deutschland und Dozent an der Hochschule Coburg war. Er ist auch in dem aktuellen Skandalvideo in einem Kapuzenpullover einer Luxusmarke zu sehen, Neupreis: über 1.000 Euro. Er äußerte sich nicht auf Anfrage der taz.

Einen seiner ehemaligen Studenten, mit dem die taz sprechen konnte, überrascht es nicht, dass er auf Sylt dabei war. Der Mann sei mit Studierenden bereits öfter zu Nobel-Orten gereist, nach Ischgl oder ins P1 nach München. Als Dozent habe er immer cool rüberkommen wollen. Rassistische Sprüche habe er von ihm nie vernommen, er habe sich gar nicht politisch geäußert.

Als an Pfingsten 2024 die rassistischen Parolen gerufen werden, sieht man auf dem Video, wie er daneben steht und zur Musik wippt. Er singt nicht mit, schreitet aber auch nicht ein. Die Hochschule Coburg erklärte auf Instagram, der Sachverhalt werde untersucht und entsprechende Konsequenzen gezogen. Vodafone Deutschland schrieb in dem Netzwerk, die genannten Vorfälle würden intern vollumfänglich geprüft.

Dass es nicht immer bei Gesängen bleibt, belegt ein weiterer Vorfall von Sylt an Pfingsten nach dem Besuch der Bar „Sturmhaube“ mit anderen Beteiligten. Eine schwarze Frau beschreibt bei Instagram, wie sie erst rassistisch beleidigt und dann ins Gesicht geschlagen wurde. Handyaufnahmen zeigen, wie ein Mann im Sommerhemd sie angreift. Sie habe Anzeige erstattet, bislang aber noch „gegen unbekannt“.

Hinweis und Ergänzung: Nach der Veröffentlichung erklärte ein Sprecher der Hochschule Coburg, die besagte Person habe bereits vor den Vorfällen schon nicht mehr dem Lehrapparat der Hochschule Coburg angehört. Wir haben zudem an einer Stelle fälschlicherweise von Uni Coburg geschrieben, wo die Hochschule gemeint war. Wir haben das korrigiert.

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