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Scholz’ Mindestlohn-VorstoßÜberflüssige Mindestlohn-Kommission

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Die 14-Euro-Forderung des Kanzlers ist wohlfeil. Das Problem ist das Konstrukt der eigentlich beschließenden Kommission – es gäbe Alternativen.

Eine Kommission mit Konstruktionsfehler schlägt im vergangenen Jahr die Erhöhung des Mindestlohns um 41 Cent vor Foto: Michael Kappeler

D ie Aufregung ist mal wieder groß: Olaf Scholz hat sich doch tatsächlich dafür ausgesprochen, den Mindestlohn zunächst auf 14 Euro und dann auf 15 Euro zu erhöhen. Schade nur, dass der Bundeskanzler diese gute Idee mit seiner Rumpelkoalition weder umsetzen kann noch will. Es geht ihm wohl eher darum, seine schlechten Zustimmungswerte etwas zu verbessern. Trotzdem ist der Aufschrei der üblichen Verdächtigen laut. Aber wenn jetzt Union und FDP im Gleichklang mit den Ar­beit­ge­be­r:in­nen­ver­bän­den mal wieder zetern, die Lohnfindung sei ausschließlich eine Sache der Sozialpartner, in die sich die Politik nicht einmischen dürfe, dann ist das in gleich in mehrfacher Hinsicht unehrlich.

Erstens verschweigen sie, warum die Große Koalition 2015 überhaupt einen flächendeckend geltenden gesetzlichen Mindestlohn eingeführt hat. Das beruhte auf der Erkenntnis, dass das deutsche Sozialpartnerschaftsmodell ausgerechnet im untersten Lohnbereich nicht mehr funktioniert. Das liegt vor allem in der Schwäche der Gewerkschaften hierzulande begründet. Denn in Ländern mit starken Gewerkschaften braucht es keinen gesetzlich festgelegten Mindestlohn.

Deswegen gibt es ihn beispielsweise nicht in den nordischen Ländern, wo an die 90 Prozent der Beschäftigten in tarifgebundenen Unternehmen arbeiten. In Deutschland gilt das inzwischen nur noch für rund 50 Prozent der Beschäftigten. Wo jedoch die Kraft der Ar­beit­neh­me­r:in­nen nicht reicht, bleibt nichts anderes mehr, als dass der Gesetzgeber die Ar­beit­ge­be­r:in­nen dazu zwingt, keine ­Armutslöhne mehr zu zahlen.

Rein politische Entscheidung

Zweitens beruhte die Höhe des Mindestlohns schon bei seiner Einführung auf einer rein politischen Entscheidung – und zwar auf Kosten der betroffenen Beschäftigten. Die damals beschlossenen 8,50 Euro waren eine willkürliche Festlegung ohne schlüssige Begründung – außer der, dass damit die Ar­beit­ge­be­r:in­nen nicht allzu sehr verärgert wurden. Dabei erfüllte diese Einstiegshöhe ein wichtiges Kriterium nicht: Sie war nicht ausreichend, um eine Rente erreichen zu können, die über der Grundsicherung im Alter liegt. Der von der Ampelkoalition nach der Bundestagswahl 2021 beschlossene Sprung auf 12 Euro war das Eingeständnis, dass der Ausgangspunkt zu niedrig festgelegt worden war.

Drittens hatte die sogenannte Mindestlohnkommission von Anfang an einen schweren Konstruktionsfehler. Die paritätische Besetzung mit jeweils drei Ver­tre­te­r:in­nen der Gewerkschaften und der Ar­beit­ge­be­r:in­nen klingt zwar sozialpartnerschaftlich, ist es aber de facto nicht. Denn anders als in Tarifauseinandersetzungen fehlt der Gewerkschaftsseite jegliches Druckmittel, während die Ar­beit­ge­be­r:in­nen­sei­te über eine Blockademacht verfügt.

Das hat dazu geführt, dass die Ge­werk­schafts­ver­tre­te­r:in­nen in der Vergangenheit minimalen Erhöhungen zugestimmt haben, damit es überhaupt eine Verbesserung des Mindestlohns gibt. Als im vergangenen Jahr schließlich ihr Bauchgrimmen zu groß wurde, wurden sie einfach von den Ar­beit­ge­be­r:in­nen mit Hilfe der formal unabhängigen Kommissionspräsidentin überstimmt. Das Ergebnis war eine empörend niedrige Erhöhung um jeweils 41 Cent in diesem und im kommenden Jahr. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hätte diesen skandalösen Kommissionsvorschlag nie und nimmer akzeptieren dürfen.

Grundproblem bleibt

Genau das hat der Sozialdemokrat Heil jedoch getan. Deswegen hat es auch ­etwas Wohlfeiles, wenn sich Scholz jetzt den Forderungen von Gewerkschaften, Linkspartei, Grünen und aus den eigenen Reihen nach einer deutlich stärkeren Anhebung anschließt. Das macht es noch nicht falsch. An das Grundproblem wagt er sich allerdings nicht. „Wenn Politik und Gewerkschaften weiter die Verhandlungen zum Mindestlohn in der Presse führen, dann kann man die Mindestlohnkommission auch gleich auflösen“, hat Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger gesagt. Da hat er ausnahmsweise recht: Die Mindestlohnkommission sollte aufgelöst werden.

Stattdessen würden sich zwei Alternativen anbieten. Eine Möglichkeit wäre, einfach den gleichen Berechnungsmechanismus anzuwenden wie bei der Erhöhung der Abgeordnetendiäten. Deren Grundlage ist die durchschnittliche Lohnentwicklung, was den Abgeordneten in diesem Jahr 6 Prozent mehr bescheren wird. Warum sollte das nicht auch für Ma­lo­che­r:in­nen mit Mindestlohn gelten?

Eine andere Möglichkeit bestünde in der Umsetzung der EU-Mindestlohnrichtlinie. Demnach gelten Mindestlöhne als angemessen, wenn sie mindestens 60 Prozent des mittleren gesamtwirtschaftlichen Lohns von Vollzeitbeschäftigten entsprechen. Das wärens übrigens aktuell knapp über 14 Euro, im kommenden Jahr um die 15 Euro. Also ganz, wie es Scholz fordert, nur leider nicht umsetzt.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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27 Kommentare

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  • Scholz interessiert doch kein einziger der zum Mindestlohn arbeiten muss, er möchte nur einen höheren Mindestlohn weil der Staat der einzige ist der davon profitiert. Würde man jetzt den Mindestlohn um rund 20 % erhöhen würden auch die anderen Löhne nachziehen, dadurch höhere Lohnsteuer Einnahmen, die Preise für alle Erzeugnisse würden steigen, dadurch höhere Mehrwertsteuer einnahmen, usw.



    Man muss sich endlich von dem Irrglauben verabschieden das nur ein hoher Stundenlohn die Lösung ist, was unter dem Strich für den Arbeiter übrigbleibt ist entscheidend. Eine Steuerliche Entlastung von niedrigen und normalen Gehältern würde mehr bringen als ein höherer Stundenlohn, der durch die Abgaben verpufft.

  • Dass die "Kraft der Arbeitnehmer" nicht reicht, um sich gewerkschaftlich zu organisieren, halte ich für nicht zutreffend. Im Gegenteil kann man derzeit einen Wandel hin zum Arbeitnehmermarkt feststellen, jedenfalls in den Bereichen, wo Fachkräfte fehlen.

    Bleibt natürlich der unterste Bereich einfacher und einfachster Tätigkeiten, in denen vor allem Menschen mit geringer, oder ohne Qualifikation auf diese Jobs angewiesen sind.

    Dass die Gewerkschaften aber in diesen Schichten nicht so recht Fuß fassen, ist aber nicht allein die fehlende Kraft der Arbeitnehmer, sondern vielleicht auch der Gewerkschaften selbst? Würden diese (wieder) ein attraktives Angebot für diese Menschen darstellen, stiege vielleicht auch wieder der Organisationsgrad?

    Ich kenne einige gewerkschaftlich organisierte Menschen, die sich speziell von ver.di so gar nicht effektiv vertreten fühlen und nur aus Nostalgie Mitglied bleiben...

  • Die Berufung der Mindestlohnfindungskommission 2015, zusammengesetzt aus Arbeitnehmer-, Arbeitgebervertretern mit neutralem Kommissionspräsidenten war einzigem Grund geschuldet, die Regierungspolitik hatte nacheilend registriert, dass private, staatliche Arbeitgeberseite seit Arbeitsmarktreform Agenda 2010, H 4 Gesetzen 2003 Löhne im Niedriglohnbereich entgegen zu erwartenden BVG Urteilen verfassungswidrig willkürlich unter existenzsicherndes Niveau gedrückt hatte. Um sich die Hände in Unschuld zu waschen, dafür nicht verantwortlich gemacht werden zu können, kam es zur Berufung dieser Mindestlohnfindungskommission. Dass die Regierung damit hoheitliche Aufsichtsaufgabe der Sicherung von Verfassungskonformität in Arbeitnehmer-Arbeitgeberverhältnissen an das Belieben dieser Kommission delegierte, ist eigentlicher Skandal. Denn selbst 15 €/h entsprechen noch nicht den BVG Urteil Empfehlungen, was existenzsichernd Altersarmut verhindernden Mindestlohn entspricht, orientiert am pfändungsfreien Einkommen/Monat/Person, das alljährlich zum 1. Juli neu bestimmt wird



    , gegenwärtig sind das 1402.28 €/Monat/Person.



    Wichtig ist, dass das pfändungsfreie Einkommen in Wirklichkeit höher ist als diese Beträge. Denn der Schuldner darf von dem verbleibenden Teil des Einkommens einen weiteren Betrag behalten, der über die Höhe des zuerst ermittelten unpfändbaren Betrages im Sinne von § 850c Abs. 1 ZPO hinausgeht. Dies ergibt sich aus § 850c Abs. 2 ZPO.

    Durch Pfändungsfreigrenzen wird sichergestellt, dass verschuldete Arbeitnehmernehmer trotz Gehaltspfändung laufende Kosten Miete, Essen und Strom zahlen können. Neben Existenzsicherung sollen aber weiterhin auch gesetzliche Verpflichtungen wie Unterhaltszahlungen möglich sein.



    Pfändungsfreigrenzen richten sich nicht nur nach dem Nettolohn - entscheidend ist Anzahl an Personen, für die Unterhaltspflicht besteht. Mit diesen erhöht sich der Pfändungsfreibetrag, der wurde zuletzt 1.7.2023 nach § 850c/ZPO im Bundesgesetzblatt veröffentlicht

  • Naja, die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro war doch eher die Realisierung eines Wahlgeschenks. Genutzt hat es der Spd nichts. Und die Erhöhung um 41 Cent in diesem Jahr sind auch fast 4 Prozent.



    Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass die Erhöhung des Mindestlohns engegend kindlicher Lebensvorstellungen nicht etwa durch die Arbeitgeber, sondern von jedem von uns an der Kasse bezahlt wird, auch von den tazzis mit ihrem "Haustarif"

    • @Samvim:

      "Jeder von uns" schließt aber auch die ein, die es sich leisten können. Und wenn von der Erhöhung netto diejenigen profitieren, die es brauchen, reicht das. Hinzu kommt, dass ein erhöhter Mindestlohn auch Druck nach oben auf die darüber liegenden Löhne ausübt, sodass mehr Menschen davon profitieren als nur diejenigen, die Mindestlohn bekommen.

      Außerdem vergessen Sie, dass den 41 Cent Mindestlohnerhöhung eine zweistellige Preissteigerung gegenübersteht. Wenn man so schwache Gewerkschaften und eine so schlechte Lohnentwicklung wie in Deutschland hat, dann kann man den Mindestlohn nicht einfach als "Wahlgeschenk" abtun.

    • @Samvim:

      entgegen der hier vorgebrachten kindlichen Vorstellung trifft dies nur für einen kleinen Teil der Wirtschaft zu - dem Teil der sich in einem reinen Binnenmarkt abspielt: z.B. Frieseurbetrieben, Handwerksbetrieben, Bäckereien etc..



      Für Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen gilt dies nicht. Diese können Preise nicht einfach anheben. Bei diesen Unternehmen müssen die vorgeschlagenen 20,9% Personalkostensteigerung durch Prooduktivitätssteigerung oder Arbeitsplatzabbau oder Arbetsplatzverlagerung ins Ausland kompensiert werden.

  • Wir hatten in unserer Firma bereits 2010 entschieden, niemandem weniger als die 15€/h zu bezahlen. Wenn wir das nicht schaffen, dann ist unser Geschäftsmodell wohl nicht tragfähig. Das war unsere Überzeugung.



    Was konkret mit den Firmen passieren würde, die das nicht können oder nur so tun, da denke ich oft drüber nach.



    Hat der Chef weniger, verschwindet die Firma, gibt's bestimmte Angebote nicht mehr, werden Preise steigen....? Usw. Mich würde da mal eine wissenschaftliche Untersuchung interessieren: was wäre wenn?



    Leider sachlich in unserer heutigen Zeit schwer zu diskutieren. Zu viel Eigeninteresse, ist so mein Feeling.

    • @Tom Farmer:

      Ich sehe das auch so ähnlich. Und es klingt vielleicht absurd als sozialistisch ausgerichtete Person das zu sagen, aber ich habe mir die Aussagen der FDP zum Vorbild genommen. Der Markt regelt. Ich habe also etwas in Volkswirtschaftsbüchern gestöbert und mir wurde klar, dass die Idee das der Markt sich selbst reguliert rein theoretisch gut klingt. (Wäre da nicht das Prinzip des Kapitalismus was am Ende immer auf Unterdrückung und Ausbeutung basiert und wir als Gesellschaft halt gegen Ausbeutung und Unterdrückung sind und für allgemeine Menschenrechte.) Aber selbst wenn man sagt, dass sich das selbst regulieren soll wie die FDP, dann muss die FDP das aber auch zulassen. Wenn du dein Produkt nicht ohne Sklaverei zu einem für Verbraucher angemessenen Preis verkaufen kannst, tja dann braucht es das Produkt vielleicht nicht? Wenn du deinen Leuten keinen angemessenen Lohn zahlen kannst und keiner für dich arbeiten will deswegen - tja dann ist deine Geschäftsführung wohl nicht so gut wie gedacht. Wenn man nur durch Subventionen durch kommt, dann ist da wohl was faul! (Zumal wenn man dann aber Aktieninhabern Gewinne ausschüttet.)



      Wenn dein System nur mit Kinderarbeit und Ausbeutung funktioniert, dann funktioniert es gar nicht. Und normalerweise müsste die FDP die erste sein, die sich dann dafür stark macht, dass diese Firmen dann weg reguliert werden, weil Markt soll ja regeln...

  • Meine angestellte Friseuse war heute gleich wieder bedient, „Müssen wir die Preise noch weiter hochschrauben, aber der Kanzler kennt ja nichtmal den Benzinpreis, weil er chauffiert wird.“ Erfrischend.

  • Wie wäre es, wenn der Arbeitsminister als Präsident bei einem unentschieden die entscheidende Stimme hat?

    • @Kartöfellchen:

      Das wird das Problem nicht lösen. Mein Verdacht wäre, dass der im Zweifel mit den Wirtschaftsvertretern stimmen würde.

    • @Kartöfellchen:

      So eine Regelung gilt dann dauerhaft. Kurzum: Was wäre dann mit Ihrem Vorschlag, wenn eine CDU FDP Regierung regiert mit einem ehemaligen Arbeitgeberpräsident als zuständigen Minister?

  • Der einzige Grund, warum der vergessliche Olaf die Mindestlohndebatte anfeuert, ist der anstehende Bundestagswahlkampf. Es hat ja schon einmal geklappt, waum es also nicht noch einmal probieren.



    Was er dabei aber nicht bedenkt: Der Mindestlohn wird nicht von der Bundesregierung bezahlt, sondern von Unternehmern. Und gerade die kleinen Firmen geraten durch willkührlich angehobene Mindestlöhne massiv unter Druck.



    Aber das ist der Politikerkaste mit fünfstelligem Monatseinkommen egal.

    • @Dirk Osygus:

      Wenn ich ein Projekt plane, dann überdenke ich alle Punkte....Kosten im Normalfall, im besten und schlimmsten Fall plus Plan B....Das sollte man mindestens von Firmengründern verlangen können , faire Löhne hat man einzuplanen unter Berücksichtigung eben de Normalfalls und der angenommenen Extreme....

    • @Dirk Osygus:

      "Und gerade die kleinen Firmen geraten durch willkührlich angehobene Mindestlöhne massiv unter Druck."

      Und da ist es wieder. Das tot gerittene Pferd, mit dem schon gegen die Einführung des Mindestlohnes polemisiert wurde. Schon damals wurden katastrophale Auswirkungen auf kleine Unternehmen prophezeit. Nichts davon ist eingetreten.

      Und nebenbei. Ein Geschäftsmodell, das darauf beruht, Löhne zu zahlen, die nicht auskömmlich sind, ist kein tragfähiges Modell, sondern blanke Ausbeutung.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Sie haben recht, bei Einführung des Mindestlohns wurde viel dagegen polemisiert, was dann am Ende nicht eingetreten ist. Es darf aber nicht vergessen werden, dass zur Einführung des Mindestlohns die Wirtsachft gebrummt hat und damit viel absorbiert wurde. Dies ist derzeit keineswegs der Fall, so dass eine Erhöhung auf 15€ ziemlich wahrscheinlich einigen Unternehmen das Leben kosten wird.

        Sie schreiben "...Ein Geschäftsmodell, das darauf beruht, Löhne zu zahlen, die nicht auskömmlich sind, ist kein tragfähiges Modell...". Darauf möchte ich Ihnen sagen, es gibt überhaupt kein Geschäftsmodell, dass gegründet wurde, um Löhne zu zahlen. Löhne sind einfach ein Mittel zum Zweck, nicht mehr und nicht weniger. Wenn man Ihre Argumentation zugrunde legt, würde es viele Unternehmen nicht geben, die sich nur entwickeln konnten, weil sie eben nicht von Anfang an mit hohen Kosten stranguliert wurden und sich so auf dem Markt etablieren konnten.

    • @Dirk Osygus:

      Wenn kleine Firmen nicht in der Lage sind, den dort arbeitenden Menschen einen Lohn zu zahlen, der vor Altersarmut schützt, läuft was im Unternehmen falsch.

      • @Piratenpunk:

        Zweifelsohne. Aber was soll z.B. ein Friseurbetrieb in einem Armutsviertel tun? Den höheren Lohn über die Preise weiter reichen funktioniert nicht. Also das Geschäft aufgeben? Wer frisiert dort dann die Menschen?

    • @Dirk Osygus:

      Sofern ein Gewerbe nur funktioniert, wenn man den Beschäftigten Löhne zahlen darf, die selbst nach 40 Jahren Beschäftigung keine Rente oberhalb der Grundsicherung einbringen, weil die Kunden offensichtlich auch auf das "Angebot" verzichten können und darum höhere Preise nicht akzeptieren, dann sollte man es einstellen. Es wird nicht wirklich benötigt. Bestes aktuelles Beispiel sind die (Fahrrad-)Lieferdienste. Das dient/diente (nicht für alle, aber für viele) lediglich der eigenen Bequemlichkeit auf Kosten anderer, solange man es sich leisten kann/konnte. Für das, was die Menschen wirklich benötigen, kann man auch angemessene(!) Preise fordern und das Personal angemessen bezahlen. Es geht nicht um "willkührlich angehobene Mindestlöhne".

  • Die Mindestlohnrichtlinie enspricht aber ziemlich genau dem jetzigen Mindestlohn?



    43.750€ ist das Mediangehalt in D. Bei 30 Urlaubstagen und 40 Wochenstunden wären das 2080 Stunden im Jahr. 42.750€ / 2080 x 0,6 = 12,62€.

    12,41 ist übrigens der zweithöchste Mindestlohn der EU und wegen der paritätischen Finanzierung über Lohn des Sozialsystems in den Lohnkosten fast auf dem Niveau der regionalen Schweizer Mindestlöhns.

    • @Wombat:

      Wie kommen Sie auf 2080 Arbeitsstunden?

      52 Wochen * 40 Stunden = 2080 Stunden

      in Ihrer Rechnung ist der Urlaub nicht abgezogen...



      52 Wochen * 40 Stunden - 30 Tage * 8 Stunden = 1840 Stunden

      Zieht man dann noch feste Feiertage (Karfreitag, Ostermontag, Pfingstmontag, Christi Himmelfahrt,...) ab so landet man bei 1808 gearbeiteten Stunden...

      macht man dann ihre Rechnung mit diesen 1808 Stunden (die frei bewegliche Feiertage nicht berücksichtigt) so erhält man



      42750€ / 1808h * 0,6 = 14,19 €/h

      da ist ein kleines Delta zu 12,62€

      just my two cents...

    • @Wombat:

      "Bei 30 Urlaubstagen und 40 Wochenstunden wären das 2080 Stunden im Jahr."

      --> Glatt verrechnet. 40 Stunden * 52 Wochen = 2.080 Arbeitsstunden/Jahr. Davon ist der Urlaub abzuziehen. Nach Bundesurlaubsgesetz hat jeder 24 Tage Mindesturlaub. 24 Tage * 8 Stunden = 192 Stunden Urlaub.

      2.080 - 192 = 1.888 Jahresarbeitsstunden. Dann kommt man auf einen Stundenlohn nach der Mindestlohnrichtlinie von entweder 13,31 Euro oder 13,90 Euro. Die Mindestlohnrichtlinie lässt nämlich zwei Berechnungsmöglichkeiten offen:

      Entweder 60 % des Medianlohns oder 50 % des Durchschnittslohns:

      Median ist 43.750/1.888 * 0,6 = 13,90.



      Durchschnitt ist 50.250/1.888 * 0,5 = 13,31.

  • Aus der reinen Symol- und Klientelpolitik ist mittlerweile eine Klamaukpolitik geworden.



    Die Regierung nähert sich immer weiter einem Kasperletheater, in dem die Kinder laut gröhlen sobald das Krokodil den Kopf über den Bühnenrand streckt.

  • Das Problem an der Umsetzung der EU-Mindestlohnrichtlinie ist, dass hierdurch automatisch eine Lohnspirale in Gang gesetzt wird. Steigt der Mindestlohn, steigt bei unveränderten anderen Löhnen auch der Durchschnittslohn und damit steigt wieder der Mindestlohn. Damit führt die Steigerung des Mindestlohnes zur Steigerung des Mindestlohnes. Ein durchschnittlicher Lohn ist als Ausgangsbasis vollkommen ungeeignet.

    Alternativvorschlag: Es bleibt bei der Komission, kann sie sich nicht einigen, steigt der Mindestlohn automatisch um die durchschnittliche Lohnentwicklung.

    • @DiMa:

      Erstens sieht die Mindestlohnrichtlinie 50% des Durchschnittlohnes ODER 60% des Medianlohnes vor. Mit dem Medianlohn erledigt sich das Problem.

      Zweitens ist das Lohnniveau in Deutschland sowieso zu niedrig, eine Spirale nach oben wäre durchaus im Sinne des Produktivitätswachstums und der Binnennachfrage wünschenswert.

      Drittens stiege der Durchschnittslohn auch nicht automatisch, sondern nur ceteris paribus. Langfristig könnte nämlich auch einfach die Lohnspreizung abnehmen, die Folge wäre weniger Einkommensungleichheit. Auch nicht falsch.

    • @DiMa:

      Lehnen sie als Gutverdiener ihre Lohnerhöhungen wegen der Lohnspirale ab?

  • Wenn die Praesidentin tatsaechlich nur formal unabhaengig ist, dazu waere eine Erlaeuterung hilfreich gewesen, warum repariert man das nicht erstmal? Das fehlende Druckmittel der Arbeitnehmerseite ist tatsaechlich ein Konstruktionsfehler. Die Inflation koennte ein Richtwert sein. Aber wenn eine Regierung morgen den CO2-Preis verzehnfacht, wuerde die Inflation steigen und die Unternehmen muessten doppelt zahlen, wenn sie keine Preiserhoehungen weitergeben koennen. Ein Orientierung am Durchschnitt ist auch nicht immer gut. Schliesslich erwirtschaftet Person X nicht mehr, weil Fussballspieler Y mehr verdient.



    Der erste Gedanke ist natuerlich, besser zuviel als zu wenig, und das stimmt natuerlich. Nur wenn zuviel bedeutet, dass der Lohn auf Null faellt, weil der Job ins Ausland verlagert wird, hilft es keinem.



    Die Politik muss sich auf jeden Fall raushalten. Ob es einen Mindestlohn gibt, ist sicher eine politische Entscheidung und am Anfang musste man mit irgendwas anfangen. Aber auf Dauer darf die Politik nicht die Hoehe des Mindeslohns bestimmen. Die Versuchung durch Fantasiewerte im Wahlkampf Stimmen zu fangen ist einfach viel zu gross.