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Klimabilanz 2023Deutschlands CO₂-Ausstoß gesunken

Der Rückgang klimaschädlicher Emissionen lag zum Teil an der schwachen Wirtschaft. Dennoch blickt die Regierung optimistisch auf die Klimaziele 2030.

Gut für die Klimabilanz: Der Ausbau der Windkraft kommt voran, wie hier in Biberach in Baden Württemberg im November 2023 Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Berlin taz | Der Ausstoß von Treibhausgasen, die die Erde aufheizen, ist in Deutschland 2023 deutlich zurückgegangen. Das ergibt die jährliche Emissionsbilanz des Umweltbundesamts, die die Behörde am Freitagmorgen vorgestellt hat. Insgesamt wurden danach 673 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Rückgang von knapp über zehn Prozent.

Ist die Klimaschutzlücke, die die Große Koalition ihrer Nachwelt hinterlassen hat, damit geschlossen? Die Bundesregierung ist optimistisch: „Wir sind auf Kurs“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei der Vorstellung der Daten.

Das Umweltbundesamt hat in seinen Berechnungen nicht nur zurückgeschaut, sondern auch nach vorne. Im Jahr 2030 dürfte Deutschland seine Emissionen demnach gegenüber 1990 um 64 Prozent gesenkt haben. Nur ein Prozentpunkt mehr müsste es sein, um die Vorgaben des deutschem Klimaschutzgesetzes zu erfüllen. Im Jahr 2045 will Deutschland klimaneutral sein, also praktisch keine Emissionen mehr verursachen – oder nur noch solche Mengen, wie man sie der Atmosphäre etwa durch Wälder oder auf technologischem Wege auch wieder entziehen kann.

„Mit Ausbruch des Kriegs gegen die Ukraine hatten viele die Sorge, dass wir eine Renaissance der Kohle und anderer fossiler Energieträger sehen werden“, sagte Dirk Messner, Chef des Umweltbundesamts. „Wir wissen heute, dass das nicht passiert ist. Das liegt vor allem am sehr erfolgreichen Ausbau der erneuerbaren Energien.“

Zu viele Autos

Nur: In dem Ausblick auf 2030 ist beispielsweise noch nicht eingerechnet, dass im Zuge der Haushaltskrise Ende vergangenen Jahres rund 60 Milliarden Euro aus dem sogenannten Klima- und Transformationsfonds gestrichen wurden. Der ist die Geldquelle für zahlreiche Klimaschutz-Projekte der Ampel-Regierung. Habeck erwartet dennoch keinen großen Effekt auf die Klimabilanz. Man habe vor allem an Stellen gespart, die sich auf die Emissionen nicht so stark auswirken würden.

Ein genauerer Blick auf die Zahlen von 2023 offenbart auch Schwachstellen auf dem Kurs in die Zukunft – vor allem für die Zeit nach 2030. Von einem „Sorgenkind“ sprach Messner etwa in Bezug auf den Verkehr. Die CO2-Grenzen, die das deutsche Klimaschutzgesetz der Fortbewegung von Menschen und Gütern setzt, wurden im vergangenen Jahr erneut deutlich gesprengt.

Das liegt vor allem an den vielen Autos: Der Pkw-Verkehr hat sogar leicht zugenommen. Weil die allermeisten Autos immer noch mit Benzin und Diesel fahren, ist das fürs Klima eine schlechte Nachricht. In der Gesamtschau konnte das dieses Jahr ausgeglichen werden, weil es in anderen Bereichen besser gelaufen ist als erwartet, der Strom ist zum Beispiel grüner geworden.

Die Emissionen der Kraftwerke gingen so mit 20 Prozent besonders deutlich zurück. Der Energiesektor ist für den Klimaschutz der wichtigste. Der Ausbau von Wind- und vor allem Solarenergie hat wieder Schwung aufgenommen und vielfach durch Kohlekraftwerke erzeugte Energie verdrängt. Dabei half allerdings auch der um fast vier Prozent geringere Stromverbrauch. Zudem importierte Deutschland im vergangenen Jahr seit langem erstmals mehr Strom aus dem Ausland als es exportierte, was günstig für die Klimabilanz ist. Ein Grund dafür war, dass die französischen Atomkraftwerke 2023 wieder mehr produzierten als 2022, als zahlreiche Meiler wegen Reparaturen vom Netz genommen wurden.

Wirtschaftsflaute gut fürs Klima

Auch die Industrie war CO2-ärmer als es das Klimaschutzgesetz von ihr verlangt – allerdings vor allem wegen der schwächelnden Wirtschaft nach Corona-Pandemie und Energiekrise. Es wurde also nicht wirklich klimafreundlicher produziert, sondern in erster Linie weniger.

Deutschlands Gebäude sind zudem weiter zu klimaschädlich, obwohl wegen des milden Wetters und der hohen Energiepreise wenig geheizt wurde. Das hat durchaus zu einem Rückgang der Emissionen geführt, aber eben nicht genug. Der Knackpunkt ist hier der Heizungsaustausch: Immer noch sind zu viele Heizungen fossil betrieben. Vor allem geht es dabei um Gas als Energieträger, aber auch Öl oder – vor allem per Fernwärme geliefert – Kohle spielen eine Rolle.

Kli­ma­schüt­ze­r*in­nen teilen Habecks positive Sicht auf die Dinge deshalb nur teilweise. „Es ist gut, dass das Klimaziel 2030 in Reichweite rückt, doch müssen wir im Blick haben, dass viele dieser Einsparungen auf die schwache Wirtschaft und Verhaltensänderungen infolge der fossilen Energiekrise, des Ukrainekrieges und der Coronakrise zurückgehen“, sagte Stefanie Langkamp von der Klima-Allianz. „Insbesondere beim Verkehr sehen wir keinen Plan, wie es uns gelingen soll, die Emissionen bis 2045 auf null zu senken.“

Langkamp kritisierte das FDP-geführte Verkehrsministerium. „Das ist das Ergebnis der Verweigerungspolitik insbesondere von Verkehrsminister Volker Wissing“, so die Expertin. „Der Minister versagt den Menschen eine günstige, sichere und klimafreundliche Mobilität und setzt lieber auf Autobahnbau. In Zeiten einer eskalierenden Klimakrise ist das völlig verantwortungslos.“

So sieht es auch der Deutsche Naturschutzring (DNR): „Wieder hat insbesondere der Verkehrssektor das Klimaziel um 13 Millionen Tonnen CO2 klar verfehlt. Die massive Klimalücke im Verkehrssektor ist das logische Ergebnis einer Politik, die Technikgläubigkeit und fossilen Lobbyismus über Wissenschaft und Rationalität stellt“, sagte DNR-Präsident Kai Niebert.

Ein großer Teil der erzielten Minderung sei „konjunktur- und preisbedingt und bleibt ein vorübergehender Effekt, wenn jetzt nicht effektiv nachgesteuert wird“, kritisierte auch BUND-Vorsitzender Olaf Bandt. Der Handlungsdruck für die Bundesregierung sei weiterhin groß. Im Verkehrssektor fehlten „schnell wirksame Maßnahmen wie ein Tempolimit gänzlich“. Der Gebäudesektor erreiche trotz der Einsparungen der Bür­ge­r*in­nen und einem milden Winter „die Ziele nicht, heute wie 2030“.

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13 Kommentare

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  • Und was ändert das jetzt genau am weltweiten Klimawandel und seinen Folgen? Wahrscheinlich gar nichts, sonst würde die Bundesregierung es ja stolz verkünden.

  • Wenn der Wind weht und die Sonne scheint bringen wir den Strom nicht mehr unter...

    Die Entschädigungszahlungen die an die Produzenten für nicht abgenommenen Strom bezahlt werden haben inzwischen eine Milliarde €/Jahr überschritten.

    Tendenz steigend je weiter Wind und Sonne ausgebaut wird.

    Ähnlich wie die EEG Umlage gehört das dringend neu geregelt.



    Überkapazitäten gehören nicht vergütet sondern genutzt.

    Aber anstatt Speicherkonzepte und Wasserstoff aus Deutschland voranzubringen kassieren E.ON und Co lieber für die ungenutzte Kapazität, die sie bereitstellen und bauen die Netze weiter aus, was die Situation auf Jahre nicht ändert, dafür aber immer höhere Netzentgelte bringt.

    Bei den Kosten für den Ausbau werden aktuell immer neue Mondpreise aufgerufen. Da wird seit neuestem von 500 Mrd. Kosten fabuliert und der Energiebedarf soll um 40% steigen, damit das auch alles seinen Sinn hat.

    1 km Erdkabel kostet zwischen 8 und 12 Millionen. Für den Südlink werden 700km gebaut und nehmen wir mal die 10 Mille im Schnitt dann kommen da 7 Mrd. € zusammen. Das ist schon arg viel... aber nicht genug, da muss dann halt mal wieder die Digitalisierung als Kostentreiber herhalten.



    "Wir brauchen intelligente Netze..."



    Herr gib doch dem L*eo.n* Birnbaum Hirn...

    Für den Südlink war der Fertigstellungstermin übrigens in 2022. Wäre das was geworden, dann wären die Gebühren für die Überkapazitäten nicht so hoch, aber wie das halt so ist hat die letzte (oder vorletzte) Regierung das alles nicht gebacken bekommen und deswegen war der Baubeginn auch nicht 2016 und das Bauende wird auch die nächste Regierung nicht erleben, wenn die nicht langsam einen Zahn zulegen...

    Manchmal wünsch ich mir Amnesie... Einfach das Elend vergessen und ohne Hintergedanken die teure Stromrechnung bezahlen...



    Aber zum Glück brummt der Wechselrichter jetzt wieder... und Vattenfall sei Dank komme ich doch noch an den Atomstrom und subventioniere keinen Kohlestrom mehr quer. (Oder doch???)

    Gruß vom Mondlicht

  • Der Bundesrechnungshof sieht das ein bisschen kritischer als Habeck:



    "Die Energiewende im Bereich Strom ist von herausragender Bedeutung für den Klimaschutz. Jedoch hinkt die Bundesregierung ihren Zielen beim Ausbau erneuerbarer Energien sowie hinreichend gesicherter, steuerbarer Kraftwerksleistung hinterher. Die Versorgungssicherheit ist gefährdet, der Strom ist teuer und Auswirkungen der Energiewende auf Landschaft, Natur und Umwelt kann die Bundesregierung nicht umfassend bewerten. Dies birgt erhebliche Risiken für den Wirtschaftsstandort Deutschland sowie die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung." [1]



    [1] www.bundesrechnung...ublicationFile&v=4

  • "Das hat durchaus zu einem Rückgang der Emissionen geführt, aber eben nicht genug. Der Knackpunkt ist hier der Heizungsaustausch: Immer noch sind zu viele Heizungen fossil betrieben."

    Der Knackpunkt fürs Klima ist die fehlende oder schlechte Wärmedämmung im Bestand und nicht der Heizungstausch!!!

    Erst muß der hohe Verbrauch runter.

    Eine klimafreundliche Wärmepumpe ist ohne Sanierung und Wärmedämmung eine sinnlose und sehr teure Investition.

    Gruß vom Mondlicht

  • Deutschland wird seine jährliche Ressourcen, also CO2, das die Natur im Jahr aufnehmen kann, ungefähr im Mai aufgebraucht haben. Zur Klimaneutralität ist es also noch ein weiter Weg.

    Habecks Darstellungen unterschlagen, neben den im Artikel benannten, die Klimakosten des US-Fraking-Gases. Auch die gezahlten Höchstpreise für Flüssiggas zwang ärmere Länder zum Umstieg auf Kohle (etwa Dokumentarfilm über Pakistan).

    Aufgrund der extrem hohen Energiepreise war für das Klima positiv, dass die Armen, die überwiegend keinen Inflationsausgleich erhielten (!), wenig heizen konnten, während Hausbesitzer aus Furcht Solaranlagen orderten.

    Insgesamt bedürfte es der Klarstellung, ob solch Klimapolitik dem Klima tatsächlich dient, oder diese Lobeshymnen Mensch, Natur, sozialer Marktwirtschaft und Demokratie nicht gerecht werden.

  • Warum so pessimistisch? Warum sollten die Zulassungszahlen für PKW künftig weiter steigen, wenn die Zahl der Berufstätigen immer weiter sinken wird? Und wer sich heute kein zweites oder drittes Auto leisten kann, wird das auch morgen nicht können. Der Anstieg der Neuzulassungen ist auch damit zu erklären, dass ein Fahrzeug (z.B. aus der Ukraine) mit ausländischer Zulassung nach einem Jahr in Deutschland zugelassen werden muss.

  • Französischer Atomstrom gut (fürs Klima) - Deutscher Atomstrom schlecht (fürs Klima).

    • @Hubertus Behr:

      @Hubertus,



      weil AKWs extrem träge sind und nicht flexible an den Strombedarf angepasst werden können. Und damit 'verstopfen' sie die Leitung und zwingen Erneuerbare Quellen zur Abschalötung (und damit Ausgleichszahlungen).

      Und davon abgesehen ist der Austieg aus der Atomkraft nicht uni-kausal. Atomkraft ist die teuerste Energiequelle bei Vollkostenrechnung, die Entsorgung des Mülls und Rückbau stellen gravierende Probleme dar und über Havariefälle müssen wir ja nicht sprechen.

    • @Hubertus Behr:

      Frankreichs Konzept hat wenig Zukunft.

      Wenn die Flüsse sich im Hochsommer wieder erhitzen und die Wasserstände sinken, dann hat Frankreich ein ernsthaftes Problem mit Atomkraft, weil sie fehlender Kühlung wegen abschalten müssen. Das ist ihnen nun schon mehrfach so ergangen, wird aber immer drastischer.



      Merkwürdig, dass AKW-Befürworter das immer gerne unter den Teppich kehren.

      • @Rudi Hamm:

        Ich wollte nur einen Teil des TAZ-Artikels wiedergeben und finde



        Politik/Bewertungen widersprüchlich,



        die die Nutzung französischen Atomstroms in D. akzeptieren, Atomstrom aus D. aber ablehnen.



        Und Sie beschreiben die Problematik



        französischer A-Meiler ja korrekt.

        • @Hubertus Behr:

          Ja, Politik und Bewertung sind widersprüchlich. Mein Kommentar war nur eine Ergänzung, keine Kritik an ihrem treffenden Kommentar.

  • Wen wunderst?



    Die Industrie verlagert immer mehr Energie-aufwändige Produktion ins Ausland, die Bürger drehen die Heizung zurück, weil sie es sich kaum noch leisten können. Viele fahren weniger, weil die Spritpreise nur einen Weg kennen, nach oben. Der Konsum ist zurück gegangen, die Wirtschaft stagniert, es wird weniger gebaut, also wird auch viel weniger Zement hergestellt, eine sehr CO2-lastige Sache.



    Sich dann hinstellen und sagen "Deutschlands CO₂-Ausstoß gesunken" ist keine Leistung, sondern einfach nur ein Resultat der aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen.

  • Nicht zu vergessen: der Atomstrom aus Südschweden der bei der Durchleitung durch Dänemark nach Deutschland (von uns) ein grünes Label bekommt. Das Dumme ist nämlich: wenn in Nordeutschland kein Wind weht, weht auch in Dänemark kein Wind. Auf diese Zusammenhänge wieß neulich der Chef des größten dänischen Netzbetreibers hin.