Deutschland 2023 weniger klimaschädlich: Erstmal gut dank Wirtschaftsflaute

Deutschlands CO2-Emissionen sind 2023 deutlich gesunken. Das liegt allerdings nicht nur an den Erneuerbaren, sondern auch an einer Wirtschaftsflaute.

Das Braunkohlekraftwerk Lippendorf ist hinter Erdhügeln einer Ausgrabung zu sehen.

Im Jahr 2045 will Deutschland klimaneutral sein – der Weg dahin ist allerdings noch ganz schön weit Foto: Jan Woitas/dpa

Deutschland hat 2023 deutlich weniger Kohlendioxid ausgestoßen als im Vorjahr. Zu diesem Schluss ist der Thinktank Agora Energiewende in einer vorläufigen Schätzung gekommen. Um knapp 10 Prozent sind die klimaschädlichen Emissionen demnach zurückgegangen. Sie lagen im vergangenen Jahr bei 673 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Im weltweiten Vergleich gehört Deutschland damit immer noch zu den CO2-Schwergewichten, die Emissionen sind aber laut den Berechnungen auf den niedrigsten Stand seit den Fünfzigerjahren gefallen. Die ersten offiziellen Daten vom Umweltbundesamt kommen üblicherweise erst im Frühjahr.

Bundesklimaminister Robert Habeck freut sich über die Ergebnisse. „Gerade bei der Stromerzeugung sind wir auf einem sehr guten Weg: Die Kohleverstromung erreicht einen historischen Tiefstand, der Ausbau der Erneuerbaren hat dank der harten Arbeit der letzten zwei Jahre klar angezogen“, sagte der Grünen-Politiker. „Das ist sehr gut für den Klimaschutz und eine saubere und sichere Energieversorgung.“

Laut Agora ist allerdings nur ein Teil des Klimaschutz-Erfolgs auch wirklich auf politische Steuerung zurückzuführen. Etwa 15 Prozent des CO2-Rückgangs seien langfristige Einsparungen, die sich zum Beispiel aus dem Zubau erneuerbarer Energien, aus Effizienzsteigerungen und aus dem Umstieg auf CO2-ärmere Brennstoffe ergeben. Etwa die Hälfte der Emis­sions­minderungen geht der Analyse zufolge auf kurzfristige Effekte zurück – teilweise sogar auf unbeabsichtigte. Die Industrie hat zum Beispiel nicht unbedingt klimafreundlicher, sondern vor allem weniger produziert. Der Energieverbrauch war entsprechend gering, die Emissionen sanken. Verbessert sich die Wirtschaftslage wieder, könnte der Effekt dahin sein.

Genau davor warnt auch Agora Energiewende. Außerdem sei es möglich, dass sich Emissionen nur verlagern, wenn etwa manche Industrieprodukte eher im Ausland produziert werden. Sofern die Bedingungen dort nicht klimafreundlicher sind, entstünde dann schließlich dieselbe Menge an Emissionen – nur würde sie nicht in der deutschen Klimabilanz auftauchen.

„2023 war das Jahr der zwei Geschwindigkeiten beim Klimaschutz in Deutschland: Die Energiewirtschaft verzeichnete mit dem historischen Hoch bei den Erneuerbaren Energien einen klimapolitischen Erfolg, der uns näher zum 2030-Ziel bringt“, sagte Agora-Chef Simon Müller. „In der Emissionsreduktion bei der Industrie sehen wir hingegen keine nachhaltige Entwicklung. Auch die Bereiche Gebäude und Verkehr hinken beim strukturellen Klimaschutz hinterher.“

Klimaschutzziel 2030 ist noch ganz schön weit weg

Das räumt auch Robert Habeck ein. „Im Gebäudebereich greift ab diesem Jahr das Gebäudeenergiegesetz, gepaart mit der attraktiven Förderung für klimafreundliche Heizungen. Diese Investitionen werden helfen, den CO2-Ausstoß zu senken“, sagte er. „Und was den Verkehr anbetrifft, ist bekannt, dass wir ein Problem haben und hier mehr nötig ist.“ Bislang blockiert Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) etliche Maßnahmen zum Klimaschutz im Verkehr, etwa ein allgemeines Tempolimit.

Im Jahr 2045 will Deutschland klimaneutral sein, um die Erde als sicheren menschlichen Lebensraum zu erhalten. Bis 2030 sollen die Emissionen schon mal um 65 Prozent sinken. Bis zu dieser Zielmarke aus dem Klimaschutzgesetz ist noch einiges zu tun: Das von Agora Energiewende berechnete Niveau vom vergangenen Jahr entspricht erst einer Reduktion um 46 Prozent.

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