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Historiker über Israels ZukunftEinen Ausweg suchen

Der israelische Historiker Moshe Zimmermann über Wege aus dem Krieg in Gaza und den falschen Vorwurf, Zionismus sei Kolonialismus.

In Zukunft zwei Staaten? Blick auf die Landschaft bei Jerusalem, im Vordergrund ein palästinensischer Ort Foto: Pond5/imago
Interview von Chris Schinke

wochentaz: Sie bezeichnen sich selbst als einen leidenschaftlichen Vertreter der Zweistaatenlösung. Hand aufs Herz, sehen Sie dazu nach dem 7. 10. tatsächlich eine Chance?

Moshe Zimmermann: Sämtliche Alternativen zur Zweistaatenlösung sind weniger kons­truktiv, oder auch katastrophal. Es geht jetzt um die Umsetzung in die Praxis. Und wir müssen über den Preis sprechen.

Im Interview: Moshe Zimmermann

ist ein israelischer Historiker und emerierter Professor für Neuere Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem.

Der könnte sich als zu hoch herausstellen. Könnte eine Absichtserklärung zur Zweistaatenlösung in der jetzigen Zeit nicht als Belohnung für den 7. Oktober und die Taten der Hamas verstanden werden?

Es wäre eine Belohnung für Israel!

Wollen Sie das näher erörtern?

Ich formuliere es mit Absicht provokativ. Die Begründung, es sei eine Belohnung, wird von denen ins Feld geführt, denen daran gelegen ist, die Zweistaatenlösung zu verhindern. Israel muss aber aus dieser Sackgasse raus. Daher sage ich, es wäre eine Belohnung für unser Land, wenn wir uns in Richtung Verhandlungen und Verständigung mit den Palästinensern bewegen.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Friedenshindernisse?

Das Buch

Moshe Zimmermann: „Niemals Frieden? Israel am Scheideweg“. Propyläen Verlag, Berlin 2024, 192 Seiten, 16 Euro

Auf Seite der Palästinenser gibt es eine große Gruppe – wie groß sie tatsächlich ist, weiß ich nicht –, die aus Prinzip gegen einen Frieden mit Israel ist. Auch die Netanjahu-Regierung lehnt eine Verständigung mit den Palästinensern prinzipiell ab. Die Begründung lautet stets, die Palästinenser seien unzuverlässig. Und mit dem Feind könne man keine Vereinbarung erreichen. Das ist die Argumentation der aktuellen Regierung, die aus meiner Sicht aber nur ein Vorwand ist. Mehr noch. Die israelische Politik hat sich bemüht, die palästinensische Führung zwischen Westbank und Gaza zu spalten. Nach dem Prinzip divide et impera hat man hier jedoch nicht das impera erreicht, sondern einen Stillstand herbeigeführt.

Im Buch geben Sie das Jahr 1977 als entscheidenden Wendepunkt an. Warum?

Bis zum Jahr 1977 wurde das Land von einer Koalition regiert, bei der die Führungsrolle der Arbeiterpartei zukam. Ab 1977 sind es die nationalistische Likud-Partei und ihre Alliierten, die das Land regieren. Die Arbeiterpartei war grundlegend anders eingestellt bei den Themen Sicherheit und der Rolle der Palästinenser. Eine Unterbrechung fand 1992 mit der Wahl Jitzchak Rabins zum Regierungschef statt. In Form des Osloer Abkommens schien eine Alternative da – Frieden mit den Palästinensern. Seit der Ermordung Rabins sind wir back to square one.

Sie schreiben in Ihrem Buch, der Grundkonflikt habe sich zwischen Palästinensern und Israelis seit drei Jahrzehnten nicht verändert. Doch lässt sich die Rolle, die der Iran in jüngster Zeit spielt, nicht ausblenden.

Iran spielt in diesem Konflikt bereits seit 1979 eine Rolle. Mit Khomeini begann eine neue Phase in der Beziehung zwischen Israelis und Palästinensern. Strukturell aber bleibt die Auseinandersetzung unverändert. Netanjahu setzt auf Abschreckung gegen die atomare Bewaffnung des Iran. Das ist meines Erachtens eine Fehleinschätzung der Situation. Weil die eigentliche Gefahr nicht das Atomprogramm des Iran ist, sondern die Fähigkeit, durch Handlanger Israel angreifen zu können.

Ziel des Irans und seiner Handlanger ist aber nicht die Herbeiführung eines Palästinenserstaates, sondern die Auslöschung Israels.

Das ist die Sichtweise, die einer Korrektur bedarf. Dass Hisbollah und Hamas Israel zerstören wollen, ist hinlänglich bekannt, das gehört zu deren Ideologie und Weltanschauung. Der Iran jedoch überlegt, ob er tatsächlich bereit ist, für eine israelische Niederlage seine Interessen, seine Sicherheit, seine Existenz aufzuopfern. Das geschieht unter dem Eindruck der Drohungen der Amerikaner. Zum Glück haben sich die USA nach dem 7. Oktober klar positioniert. Das Wort „don’t“, das Präsident Biden ausgesprochen hat, hat uns bislang den großangelegten Zweifrontenkrieg erspart.

Schwenken wir nach Deutschland und die hiesige Betrachtung des Konflikts. Sie kritisieren die deutsche Staatsräson und bezeichnen sie als „hohlen Slogan“. Was erscheint Ihnen so hohl?

Das Fehlen von Inhalten ist das Problem und macht die Benutzung dieser Formel hohl oder zu einer Floskel. Wenn die Leute darunter verstehen, dass wir bedingungslos hinter Israel stehen, was auch immer Israel tut, ist das natürlich falsch. Israel kann eine schlechte Regierung haben und eine falsche Politik machen. Dahinter muss man nicht automatisch stehen.

Sie schreiben auch, Deutschland solle im Konflikt mehr Druck auf Israel ausüben. Wäre das eine angemessene Rolle für Nachfahren der NS-Täter?

Gerade deshalb. Als Erben der Täter muss man aus der Geschichte etwas lernen. Da versteht es sich, nicht an der Seite von Rassisten zu stehen.

Jedoch auch nicht an der Seite von Antisemiten. Momentan erleben wir allenthalben israelbezogenen Antisemitismus. Den wollen Sie insbesondere bei der BDS-Bewegung jedoch nicht erkennen. Warum nicht?

Wenn man israelische Waren boykottiert, weil sie aus den besetzten Gebieten stammen, ist dies nicht per se antisemitisch.

Wo aber fängt Ihrer Ansicht nach der Antisemitismus an?

Dann, wenn die alten Vorurteile gegen Juden die Grundlage für die Kritik an Israel werden; wenn die Begründung für den Boykott lautet, Juden versuchen die Welt zu beherrschen. Oder wenn man Israel auslöschen möchte. Ich beschäftige mich seit fast 50 Jahren mit Antisemitismus und seinen Erscheinungsformen. Glauben Sie mir, ich erkenne ihn, wo ich ihm begegne.

Sie üben im Buch – für einige sicher überraschend – Kritik an der postkolonialen Lesart des Konflikts. Was sehen Sie als problematisch an?

Der Zionismus entstand nicht als Kolonialbewegung. Er war national motiviert. Ihm zugrunde liegt der Wunsch von Juden, sich als Nation zu definieren. Dieser Wunsch ist legitim. Die Auswanderer nach Palästina waren – wie ich im Buch betone – keine Gesandten eines europäischen Imperiums, sondern sie waren Verfolgte und Vertriebene, die gezwungen waren, Europa zu verlassen. Das ist eine Situation, die man nicht eine typisch kolonialistische nennen kann, und deswegen ist diese pauschale postkoloniale Betrachtung des Zionismus im Nahen Osten oder Israel mindestens undifferenziert und im Endeffekt auch unfair. Der Kampf der zionistischen Bewegung gegen die englische Mandatsmacht war sogar ein Kampf gegen Kolonialismus. Die postkoloniale Leseart der Siedlungsbewegung im Westjordanland seit 1967 halte ich, im Gegensatz, für berechtigt.

Hat der Wunsch nach einer konsequenten Trennung in Israel und Palästina seit dem 7. Oktober wieder zugenommen?

Absolut. Zuletzt war das Thema unter der Netanjahu-Regierung auf der einen und der Hamas auf der anderen Seite begraben. Auch auf der internationalen Bühne akzeptierte man die Erzählung von der Nichtrealisierbarkeit. Seit dem 7. Oktober erinnert man sich aber wieder daran, dass es ohne die Zweistaatenlösung keinen akzeptablen Ausweg gibt. Die Zerschlagung der Hamas kann nicht das „Endziel“ sein. Daher müssen wir in Israel einen Schritt in eine andere Richtung machen.

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30 Kommentare

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  • " Jedoch auch nicht an der Seite von Antisemiten. Momentan erleben wir allenthalben israelbezogenen Antisemitismus. Den wollen Sie insbesondere bei der BDS-Bewegung jedoch nicht erkennen. Warum nicht?

    Wenn man israelische Waren boykottiert, weil sie aus den besetzten Gebieten stammen, ist dies nicht per se antisemitisch."

    Das ist Schöngerede. Die BDS-Aufrufe richten sich nicht gegen Waren aus den besetzten Gebieten (die auch in der EU gesondert gekennzeichnet werden müssen), sondern gegen generell alle Waren aus Israel, alle Künstler:innen, Wissenschaftler:innen, Aktivist:innen und Politiker:innen inklusive Moshe Zimmermann selbst.



    Die Hamas steht ganz oben auf der Liste der Erstunterzeichner und was die Hamas unter "Besatzung" versteht ist ganz klar - die Existenz des israelischen Staates schlechthin.



    Nur Waren aus den besetzten Gebieten zu boykottieren, ist nicht BDS.

    • @Hannes Schreiter:

      Dass alle Waren aus Israel gemeint sind, alle Künstler:innen, Wissenschaftler:innen, Aktivist:innen und Politiker:innen inklusive ihm selbst, auch alle Linken und Regierungskritiker:innen versteht Herr Zimmermann nicht.



      Darum stimmt es halt nicht, dass er Antisemitismus erkennen würde.



      Und dass die "Erben der Täter" aus der Geschichte das von ihm Gewünschte zu lernen hätten, ist ebenso abenteuerlich.

    • @Hannes Schreiter:

      Auch dann hat ein Boycott nichts mit Antisemitismus zu tun. Es geht darum, Druck auf Israel (Staat und Gesellschaft) auszuüben, damit es die Unterdrückung der Palästinenser beendet.

      • @Francesco:

        Mit dem Argument hätte man auch vor dem 7.10. die Palästinensische Gesellschaft und Regierung boykottieren müssen, da offener Judenhass, keine Anerkennung von Israel als Staat, und Gewalt gegen Zivilisten. Das macht keinen Sinn auf israelischer Seite in Kunst & Wissenschaft ausgerechnet diejenigen zu boykottieren, die sich für eine Zweistaatenlösung einsetzen. Und BDS trägt zur Dämonisierung Israels bei ohne Lösungen anzubieten.

        • @Karla Columna:

          Ich habe doch gar nicht gesagt, dass man Israel boykottieren müsse. Sondern nur, dass der Boykott-Aufruf von BDS gerechtfertigt und nicht antisemitisch ist.



          Die PLO und die Palästinensische Autonomie anerkennen übrigens Israel als Staat durchaus. Was die Palästinenser wohl überwiegend nicht anerkennen, ist, dass die jüdische Gemeinschaft in Israel 1948 hat das Recht gehabt habe, einen jüdischen Staat zu gründen. Denn damit würden sie indirekt die Rechtmäßigkeit der Vertreibung arabischer Palästinenser und die Verweigerung der Rückkehr anerkennen. Sie würden ihr eigenes Selbstbestimmungsrecht leugnen.

          • @Francesco:

            Sie haben recht, PLO und Autonomiebehörde haben Israel im Zuge des Osloer Friedensprozess anerkannt.

            Israel hat 1948 die Chance, nach dem UN Teilungsplan seine Unabhängigkeit zu erklären, genutzt, die arabisch-Palästinensische Seite entschied sich für Krieg, den sie verlor.

            Die BDS Forderung nach der Rückkehr aller nach 1948 geflohenen oder vertriebenen Palästinenser ist weder gerechtfertigt noch gerecht. Es mussten in Folge so gut wie alle Juden aus den arabischen Staaten vor Verfolgung fliehen und wurden von Israel aufgenommen. Das widerspricht dem „Siedler-Kolonialismus“-Narrativ der BDS und wird daher nicht erwähnt.

            Antisemitisch an den BDS Boykottaufrufen ist, dass nur Israel die komplette Schuld zugeschrieben wird. Israel wird zum Paria-Staat oder wie der Historiker Léon Poliakov es formuliert: Israel wird zum Juden unter den Staaten. Die Forderungsliste des BDS würde im Grunde zu einer kompletten Vernichtung von Israel als Staat führen.

            Frage: Warum überzeugen Sie die Forderungen des BDS?

  • "weil sie nicht akzeptieren wollten das andere Staaten über die Zukunft des Landes und deren Bevölkerung entscheiden sollte und sie es als Unrecht empfanden."

    Und sie haben genau das bekommen. Der Teilungsplan wurdeverabschiedet, aber niemals umgesetzt. GB zog seine Truppen ab, die hiesige Bevölkerung und die arabischen Staaten haben die Aufteilung des Gebietes unter sich ausgemacht, ohne das andere Staaten sich nenneswert eingemischt hätten.

    • @Socrates:

      Andere Staaten: die Mitgliedsstaaten der UNO.

  • Zimmermann ist wie immer klug und argumentativ unterwegs. Die Rolle der Linken in Israel idealisiert er dabei leider schon. Die hatten 10 Jahre für den Rückzug aus fremdem Gebiet und nutzten es nicht, womit sie den Rutsch zu rechter Unbarmherzigkeit auch im Denken förderten.

  • Danke für dieses Interview.

  • Warum ist es für Sie "Whataboutism", wenn die UN Kriegsverbrechen dokumentiert, die in diesem Konflikt verübt werden? Und Warum sollte aus Ihrer Sicht, die UN nur in Einbahnstraße über Kriegsverbrechen berichten?

    Die Vorwürfe in Richtung israelsches Militär sind recht umfangreich. Die UN spricht wohl von hunderten Fällen (NYT vom 3. März). Zu den genannten Vorwürfen gehören: geschlagen, entkleidet, beraubt, sexuell missbraucht – auch Tote soll es gegeben haben. Der UN-Bericht stützt sich auf mehr als 100 Interviews mit freigelassenen Palästineser:innen. Auch israelische und palästinensische Rechtsgruppen hatten darüber bereits unabhängig von der UN berichtet. Die NYT hat mit dem mittlerweile wieder freigelassenen Palästinenser Fadi Bakr gesprochen, der von schweren Schlägen auf seine Genitalien sprach, von so lauter Musik, die sein Ohr bluten ließ und noch einiges mehr.

    Die Diskussionen, die ich auf SocialMedia, aber auch unter Journalist:innen, verfolgt habe, drehten sich eher um die Frage, ob die Hamas GEZIELT sexuelle Gewalt als Waffe eingesetzt hat – ob es also „von oben“ angeordnet wurde, Frauen zu vergewaltigen. Bei der NYT vertritt der Pulitzer-Preisträger Jeffrey Gettleman diese These. Zu seinem Times-Artikel gibt es einen spannenden & kritischen Hintergrundartikel in The Intercept.

    Einen bewegenden Bericht über Chen-Almog-Goldstein und ihre drei Kinder finden Sie im Guardian, (ihre Familie wurde von der Hamas überfallen, ihr Mann und ihre älteste Tochter dabei erschossen. Sie und ihre drei verbliebenen Kinder wurden als Geiseln genommen und dann beim Austausch freigelassen). Hier: www.theguardian.co...-captivity-in-gaza

    • @L&A_Weiler1989:

      Mein Kommentar war als Antwort auf Karla Columna gedacht

      • @L&A_Weiler1989:

        Leider wurde eine längere Antwort auf Ihre Frage an mich irgendwie nicht angenommen oder nicht richtig hochgeladen. Es gibt aber zu dem TAZ Artikel über den UN Bericht zu sexualisierter Gewalt durch die Hamas eine längere Diskussion unter den Leser: innen, bei der ich auch noch mal auf die Frage nach dem Whataboutism eingehe.

        Ich finde es schwierig, dass die sexualisierte Gewalt der Hamas gegen Israelinnen in ihrem Ausmaß nicht analysiert und diskutiert wird, ohne sofort auf die Verdachtsfälle von sexuell konnotierter Gewalt gegen palästinensische Häftlinge zu verweisen. Nicht falsch verstehen, ich bin unbedingt dafür, dass diese Fälle aufgeklärt und geahndet werden. Aber das Ausmaß der Brutalität und Gewalt am 7. Oktober wurde



        in vielen Kreisen viel zu schnell geleugnet und vom Tisch gewischt und sollte deshalb in seiner Bedeutung wahrgenommen und verstanden werden. Dieses Bemühen erkenne ich bei vielen Menschen nicht mal ansatzweise.

        The Intercept Berichte zum Nahostkonflikt sind sehr einseitig. Deren „Enthüllungen“, auf die nun so gerne hingewiesen wird, um den NYT Artikel zu diskreditieren, widerspricht die NYT. Das war zumindest mein letzter Stand. Wobei, unabhängig von diesem Artikel in derNYT genügend Beweise und eben der UN Bericht jetzt auch da sind.

        Die Frage ist doch, warum es so wichtig ist, einerseits die sexualisierte Gewalt an Israelinnen zu leugnen oder herunter zu spielen, obwohl die Hamas am 7. Oktober und in den Tagen danach munter brutalste Videos gepostet hat, die das Geschehen ja auch dokumentiert haben. Was aber wiederum zb in Linken und feministischen Zusammenhängen nicht zu einer Solidarisierung mit israelischen Frauen geführt hat. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

  • Danke für das Interview. Und bitte mehr solche Interviews mit Menschen, die in der Lage sind, differenziert zu denken und wirkliche - keine selbst ernannten - Experten für den Nahostkonflikt sind. Ein bisschen gefehlt hat für mich trotzdem der Blick auf die doch eher vage palästinensische Bereitschaft, eine Zukunftsperspektive mit der Zweistaatenlösung gesellschaftlich zu akzeptieren

    Das Interview hat meine Stimmung trotzdem wieder etwas gehoben, denn als erstes hatte ich heute Morgen die Artikel in der SZ und der NYT über den UN Bericht, der besagt, dass „es berechtigten Grund zur Annahme gebe“, es habe sexuelle Gewalt durch die Hamas am 7.10. stattgefunden und es eben so berechtigten Verdacht gibt, dass an Geiseln weiterhin sexuelle Gewalt ausgeübt durch die Hamas würde.

    Es wäre allerdings nicht die UN, wenn nicht gleich auf einen nicht näher erläutert hin Verdacht hingewiesen würde, dass es auch Übergriffe auf palästinensische Häftlinge gegeben haben soll. Hier wird allerdings nicht differenziert, in welchem Ausmaß und in welcher Weise. Aber Whataboutism scheint der UN und dem UNWRA sehr wichtig zu sein. Es hat ja auch lange genug gedauert, bis die sexuelle Gewalt der Hamas gegen Israelis nun wenigstens anerkannt wird.

    Allen denjenigen, die gerne die UN zitieren, wenn es darum geht, Israel mit allen möglichen Code Words zu dämonisieren, kann man nun wenigstens diesen UN Bericht vor die Nase halten.

    In den sozialen Medien ist es immer wieder erschreckend, wie sehr die sexualisierte Gewalt der Hamas geleugnet wird. Bis hin zu Verschwörungstheorien oder glattem Abstreiten , dass dies überhaupt möglich wäre. Ich finde es immer wieder entsetzlich und kann auch nicht verstehen, dass von feministischer, queerer und linker Seite so wenig Solidarität mit den israelischen Opfern da ist.

    • @Karla Columna:

      Meines Erachtens ging es der UN um die Dringlichkeit, der 7. Oktober ist passiert und muss aufgearbeitet werden. Das sie sich dafür Zeit gelassen haben um möglichst genau zu arbeiten macht demnach Sinn. Anders sieht es bei der Verteidigung aus, die immer noch anhält und man noch was ändern kann.

      • @Littleneo:

        Es gibt schon sehr lange ein Ungleichgewicht von unzähligen UN Resolutionen gegen Israel und dem fehlenden Entsetzen über die Gewaltorgie der Hamas am 7.10. Das ist wirklich sehr offensichtlich.

        Ein ähnliches Ungleichgewicht gibt es aber auch bei der (berechtigten) Kritik an israelischer Besatzungspolitik und ihrem Vorgehen in Gaza und der Verurteilung des Vorgehens Hamas, die nicht nur Israelinnen brutalste sexuelle Gewalt antat, sondern auch den Palästinensern Gewalt antut, denn durch ihre Taten hat sie ihnen diesen weiteren Krieg eingebrockt hat. Sie wussten, was passieren würde.

        Es widerstrebt meinem Gerechtigkeitssinn, wenn die Hamas nicht nur nicht zur Verantwortung gezogen wird, sondern auch noch als Widerstandskämpfer gefeiert werden. Das sind sie nicht. Sie sind islamistische Terroristen.

  • Dass es vernünftige Leute in Israel gibt, habe ich nicht bezweifelt. Es gibt ja auch die entsprechenden Demonstrationen.

    Endlich liest man einen solchen auch mal, sogar einen Experten. Nicht, dass ich immer einen Experten bräuchte, aber er wird eher gehört als ein Laie.

  • Danke für das Interview. Es ist schön endlich auch mal kritische Stimmen auf israelischer Seite zu hören. Aber auch eine differenzierte Stimme auch das ist in den letzten Monaten nicht selbstverständlich gewesen. Ich würde mir wünschen, das unsere Regierung auch Israelis und jüdischen Menschen Gehör verleiht, die ihre Regierung, sehr kritisch sehen und die auch das Vorgehen der Regierung in Gaza teils aufs schärfste kritisieren. Man kämpft nicht gegen Antisemitismus wenn man nur dem Teil der Betroffenen zuhört, welche den eigenen Narrativ bestätigen.



    " Als Erben der Täter muss man aus der Geschichte etwas lernen. Da versteht es sich, nicht an der Seite von Rassisten zu stehen." Ich könnte es nicht besser sagen. Es wird Zeit das wir Deutschen tatsächlich aus unserer Geschichte lernen und die Sache differenzierter betrachten und auch einen Freund zur Verantwortung ziehen wenn er sich falsch verhält oder Gesetze bricht. Ich würde mir auch wünschen das die Geschichte des Nahostkonflikt stärker Einzug in den Schulen finden würde- differenziert gelehrt, denn die letzten Wochen haben gezeigt, dass viele Leute kaum etwas von den Hintergründen wissen.

    • @Momo Bar:

      Danke für den Kommentar und vor allem auch für das vorausgehende Interview mit Moshe Zimmermann.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Die Auswanderer nach Palästina waren – wie ich im Buch betone – keine Gesandten eines europäischen Imperiums, sondern sie waren Verfolgte und Vertriebene, die gezwungen waren, Europa zu verlassen.""

    ===

    Flucht und Vertreibung der Juden aus den arabischen Ländern waren nahezu total. Von den fast 900.000 in arabischen Ländern vor 1948 lebenden Juden sind heute



    ===



    ===



    nur wenige Tausend übriggeblieben.



    ===



    ====



    Doch außerhalb Israels findet dieses Thema in gegenwärtigen Debatten zum Nahen und Mittleren Osten nur selten (eher keine) Erwähnung.

    www.bpb.de/themen/...abischen-laendern/

    2.. Nach der Shoah in Europa kamen je nach Quellenangabe maximal 140.000 Juden aus Europa - 60.000 JUDEN schafften die Flucht nach Palästina bevor die Shoah stattfand.

    Diese Feststellung der Realität ist wesentlich - für eine machbare Friedenslösung im Nahen Osten.

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Dieses Kapitel der Geschichte ist auch komplizierter, als es den Anschein hat.

      Und der Prozess ist auch nicht überall so homogen, daß es überhaupt unter einem Titel genannt werden kann. So ist die Auswanderung der algerischen Juden bei der algerischen Unabhängigkeit in keiner Weise mit etwa der Situation im Irak nach Ende des britischen Mandats zu vergleichen.

      Man muß daran erinnern, verbockt haben es vor allem die Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien, sowie auch der nazideutsche Einfluß während des zweiten Weltkrieges in manchen Ländern.

      • 0G
        06438 (Profil gelöscht)
        @Deutschfranzose:

        ""Und der Prozess ist auch nicht überall so homogen, daß es überhaupt unter einem Titel genannt werden kann.""



        ==



        Algerien ist ein Sonderfall - weil nachweisbar die antisemitische Diskriminierung eindeutig von der damaligen Kolonialmacht ausging. Nichtsdestotrotz hat dieser von der Kolonialmacht angestiftete Antisemitismus in Algerien keinen Widerstand in der Bevölkerung hervorgerufen als die Nachbarn, die seit Jahrhunderten ansässigen Juden, immer stärker durch die diskrminierende Gesetzgebung Algeriens unter Druck gerieten.

        Die Prozesse in den arabischen Ländern über einen sich verstärkenden Antisemitismus bis zur Vertreibung und Flucht sind im Detail unterschiedlich inszeniert und organisiert worden.

        Der gemeinsame Titel: War das Ergebnis - die Vertreibung von knapp 900.000 Juden aus arabischen Ländern.

        Bei der Feststellung der geschichtlichen Tatsachen geht es nicht um Schuldverteilung sondern um die Frage der Verantwortung aller Länder in der Region Lösungen des Palästinakonfliktes zu entwickeln der seit 76 Jahren in beständiger Regelmässigkeit die gesamte Region verwüstet.

        Warum ist Israel das einzige Land welches militärisch gegen eine Terrororganisation vorgeht? Kein arabisches Land mit Ausnahme des iranisch infiltrierten Libanon duldet die Terrororganisation Hamas im eigenen Land - Beispiel siehe Ägypten.

        Was es braucht neben Gaza und Westjordanland ist eine Heimstatt für 6 Millionen Palästinenser. Das ist der Elephant im Raum an den sich scheinbar niemand heran traut.

        • @06438 (Profil gelöscht):

          In Algerien hat die Kolonialmacht vor allem die Muslime diskriminiert. Im Gegensatz zu diesen bekamen algerischen Juden die frz. Staatsbürgerschaft. Dementsprechend wurden sie beim Kampf um die Unabhängigkeit als Teil der Kolonialmacht betrachtet. Die meisten algerischen Juden sind deshalb auch nicht nach Israel, sondern nach Frankreich ausgewandert.

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Aber auch sie vergessen den Teil der Geschichte die zu dieser Vertreibung geführt hat berechtigt oder nicht, sie ist nicht aus einem Vakuum entstanden. Viele arabische Staaten standen unter britischem Protektorat seit dem 1. Weltkrieg oder die Briten hatten ein Völkerbundmandat. Das allein empfanden viele Araber als inakzeptabel zumal gerade Palästinenser mit den Briten gegen das Osmanische Reich gekämpft hat. Als dann 1948 der Teilungsplan von Palästina vorgelegt wurde, stimmten alle arabischen Staaten dagegen auch weil sie nicht akzeptieren wollten das andere Staaten über die Zukunft des Landes und deren Bevölkerung entscheiden sollte und sie es als Unrecht empfanden. Im übrigen können sie in der geschichte auch nachlesen, das der Teilungsplan fast abgelehnt wurde weil nicht nur die arabischen Staaten dagegen waren. Und hätten sie in dem Teil Palästinas gelebt, der Israel wurde hätten sie diese Entscheidung vermutlich auch nicht gut gefunden. Zumal die Palestinenser nicht verantwortlich für die Vertreibung und Ermordung von Millionen von Juden waren, welche ja den Teilungsplan erst wieder auf den Tisch gebracht hatte. Christen, Juden und Araber haben zumindest in Palästina Jahrhunderte lang relativ friedlich zusammengelebt. Teilungsplan wurde verabschiedet, Israel gegründet, Krieg der arabischen Staaten dagegen und über 700.000 Palestinenser aus Israel in der Nakba vertrieben und zig tausende getötet. Erst in der Folge dieser Ereignisse fand die Vertreibung der Juden aus den arabischen Ländern statt bei der Zionisten auch eine Rolle spielten.

      • @Momo Bar:

        "weil sie nicht akzeptieren wollten das andere Staaten über die Zukunft des Landes und deren Bevölkerung entscheiden sollte und sie es als Unrecht empfanden."

        Und sie haben genau das bekommen. Der Teilungsplan wurdeverabschiedet, aber niemals umgesetzt. GB zog seine Truppen ab, die hiesige Bevölkerung und die arabischen Staaten haben die Aufteilung des Gebietes unter sich ausgemacht, ohne das andere Staaten sich nenneswert eingemischt hätten.

      • 0G
        06438 (Profil gelöscht)
        @Momo Bar:

        """Als dann 1948 der Teilungsplan von Palästina vorgelegt wurde, stimmten alle arabischen Staaten dagegen auch weil sie nicht akzeptieren wollten das andere Staaten über die Zukunft des Landes und deren Bevölkerung entscheiden sollte und sie es als Unrecht empfanden. ""

        ==

        Bitte vielmals um Entschuldigung das ich Teile der Geschichte nach Ihren Aussagen vergessen habe.

        1.. Der Völkerbund erteilte 1922 Britannien das Mandat für Palästina .



        Zu diesem Zeitpunkt umfasste Palästina alle Gebiete, aus denen später (1948) der Staat Israel hervorgehen sollte -- außerdem den Gazastreifen, Westjordanland, Teile der Golanhöhen sowie das Königreich Trans-Jordanien.

        Laut Zensus vom Oktober 1922 bestand die Bevölkerung Palästinas aus



        757.182 Menschen, davon waren 590.890 Muslime,



        83.794 Juden,



        73.024 Christen



        und 7.028 Drusen.

        Aus diesen Daten geht hervor das Juden, Christen & Drusen schon immer Bewohner Palästinas waren -- neben der Mehrheit der Muslime.

        Warum sprechen sie diesen Minderheiten ihr Recht auf Heimat in Palästina - (aus dem 1948 Israel gegründet wurde) -- ab?

        2.. Siehe Geschichte der Juden im Irak - als Beispiel der Vertreibung der Juden aus allen arabischen Staaten - -- entgegen Ihren Aussagen bereits weit vor 1948.



        de.wikipedia.org/w..._Judentums_im_Irak

        Diese Vertreibungen die nicht nur mit Diskrminierung sondern auch mit Pogromen einher gingen waren Unrecht.

        Geschichte hilft Entwicklungen zu verstehen - wobei bislang sämtliche Kriege der arabischen Nachbarstaaten gegen Israel in der Diskussion ausgeblendet wurden - genauso wie die Kriege der Terrororganisation Hamas seit 2005 gegen Israel.

        Nichts von diesen geschichtlichen Ereignissen rechtfertigen den Zivilationsbruch vom 7. Oktober. -

      • @Momo Bar:

        @MOMO BAR: Erstaunlich, wie hier die Vertreibung hunderttausender Menschen (gemeint sind jüdische Menschen) mit zweifelhaften Argumenten relativiert wird. Fakt ist: Im Mandatsgebiet Palästina lebten in den 40er Jahren Menschen unterschiedlicher Nationalität, die beide (Araber und Juden) Anspruch auf das Gebiet erhoben. Welche bessere Möglichkeit hätte es damals gegeben, als einen unparteiischen Dritten (die UNO) einen Lösungsvorschlag machen zu lassen? Mir fällt keiner ein. Sie schreiben dann verständnisvoll, dass "die arabischen Staaten" nicht akzeptieren wollten, dass andere Staaten (also die UNO) über die Zukunft des Landes (Palästina) entscheiden sollten. Bitte behalten Sie im Hinterkopf, dass nicht "die arabischen Staaten" unzufrieden waren, sondern nur die jeweilige Herrscherclique, die ganz eigene Ziele verfolgte. Oder glauben Sie im Ernst, dass es denen um das Schicksal der palästinensischen Araber ging? Sie unterschlagen auch, dass ein relevanter Teil des britischen Mandatsgebiets Jordanien zugeschlagen wurde. Und bitte hören Sie auf mit dem Holocaust als einzigem Grund für die Entstehung des Staates Israel zu argumentieren. Die zionistische Bewegung entstand schon Ende des 19. Jahrhunderts und Juden hatten - wie alle anderen Völker der Welt - das gleiche "Recht" auf einen eigenen Nationalstaat wie alle anderen. Oder sind Sie auch für die Wiederherstellung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, weil die Nationalstaatsbildung 1871 illegitim war?

        • @Plewka Jürgen:

          Jordanien gehörte nur aus technischen Gründen zum Mandat Palästina. Die Bestimmungen zur Heimstatt für das jüdische Volk galten nur für den Teil westlich des Jordans.

  • Ufff, das hat mal gutgetan.

  • Danke, das war sehr spannend und ich empfinde die Sichtweise von Moshe Zimmermann als gleichzeitig differenziert (z.B. hinsichtlich des Themas Kolonialismus) und positiv (sein Festhalten an einer politischen Lösung, die den Palästinenser*innen und den Israelis gerecht wird.