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Habecks Plan für die CO₂-SpeicherungLegitimation für Nonsens-Emissionen

Susanne Schwarz
Kommentar von Susanne Schwarz

Die Bundesregierung hat ihren Plan für die CCS-Technik vorgestellt. Auch Emissionen von Gaskraftwerken sollen gespeichert werden dürfen. Das ist Quatsch.

Silos in einem Zementwerk am Rhein Foto: wolfgang cezanne/imago

L eider mit Hintertüren: Die Bundesregierung packt endlich die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid an. Das gefährliche Treibhausgas soll also teilweise gesammelt und zum Beispiel unterirdisch gelagert werden, statt in der Atmosphäre die Temperatur hochzutreiben.

Das ist überfällig, schließlich hat sich die Erde durch die erhöhte Konzentration schon extrem aufgeheizt. Die vergangenen zwölf Monate lagen weltweit sogar schon über der gefürchteten 1,5-Grad-Marke. Noch ist das nicht unbedingt von Dauer, aber das ist wahrscheinlich nur noch eine Frage der (nicht mehr fernen) Zeit. Jetzt schon sind zahlreiche tödliche Hitzewellen, Starkregenfälle und andere extreme Wetterereignisse nachweislich darauf zurückzuführen.

Das wissen wir – aber leider nicht, wie wir manche der verursachenden Emissionen loswerden. Zum Beispiel bei der Herstellung von Zement: Die ist nicht nur klimaschädlich, weil sie viel Energie erfordert. Durch den chemischen Prozess selbst entsteht CO2, selbst wenn das gesamte Zementwerk mit Ökostrom läuft.

Nun kann und sollte man deshalb probieren, schlicht weniger Zement zu nutzen: Wo möglich, auf andere Baustoffe wie Holz setzen, alte Baustoffe recyceln und vor allem lieber Altbauten sanieren, statt ständig neu zu bauen. Eine gewisse Menge an neuem Zement werden wir aber doch noch brauchen. Für solche eingegrenzten Fälle, in denen wir uns wirklich nicht anders zu helfen wissen, brauchen wir dringend Carbon Capture and Storage, also CCS, wie die Abscheidung und Speicherung von CO2 gemeinhin abgekürzt wird.

Nur leider will die Bundesregierung CCS auch in anderen Fällen erlauben: nämlich bei Gaskraftwerken. Die Gaslobby wirbt auch schon lange für CCS. Umweltverbände und bisher auch die Grünen haben das aus guten Gründen abgelehnt.

Kapazitäten für Nonsens-­Emissionen zu verschwenden, weil die fossile Industrie die Energiewende verweigert, ist keine gute Idee

CCS ist teuer und vergleichsweise wenig erprobt. Es wird schwierig genug, die Technologie ausreichend zu etablieren – neben ökonomischen Gründen spielt dabei auch eine Rolle, dass viele Bür­ge­r*in­nen die geplante CO2-Lagerung unter der Nordsee ablehnen. Kapazitäten für Nonsens-­Emissionen zu verschwenden, weil die fossile Industrie die Energiewende verweigert, ist deshalb keine gute Idee.

Die gute Nachricht: Es besteht eine Chance, dass sich Kraftwerksbetreiber gar nicht so sehr für CCS interessieren. Auch sie kennen schließlich die Kosten. Und staatliche Förderung soll es für solche Fälle nicht geben. Trotzdem ermöglicht es die Regelung der Gasindustrie mindestens, sich mit einer angeblich klimafreundlichen Zukunft zu schmücken – und so die klimaschädliche Gegen­wart in die Länge zu ziehen.

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Susanne Schwarz
Leiterin wirtschaft+umwelt
Jahrgang 1991, leitet das Ressort Wirtschaft + Umwelt und schreibt dort vor allem über die Klimakrise. Hat ansonsten das Online-Magazin klimareporter° mitgegründet.
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27 Kommentare

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  • Ich finde das richtig interessant.

    Das bedeutet dann also, dass ein Verbrennerfahrzeug künftig das CO2 nicht mehr imitiert, sondern sammelt und beim nächsten Tanken an der Tankstelle abliefert, damit es dann künftig von dem Mineralölkonzernen eingesammelt und in Tiefengestein gepresst werden kann.

    Also liefert dann ein Fahrzeug mit 60 L Tank künftig die 140 kg bzw. 160 kg CO2 (bei einem Diesel) welche nach der Verbrennung entstanden sind beim Tankvorgang mit ab. Da bin ich echt gespannt wie das praktisch von statten geht und wie lange dann künftig so ein Tankvorgang dauern mag!

    Klingt im ersten Moment wie verarsche, aber ich bin mir sicher alle Beteiligten sind hier total seriös. Also genau wie bei E-Fuels ...

    Aber der Ansatz ist ein anderer, es sollen ja zentrale CCS Anlagen werden. Die Kosten für diesen Spaß sind im übrigen bei 120 € bis 150 € pro Tonne. Ich vermute, da hat der Anlagenbetreiber noch nicht mal Gewinn gemacht. Der Endverbraucher darf durchaus eher von 200 € pro Tonne ausgehen. Und die Mwst. kommt auch noch oben drauf.

    Pro Liter Benzin kämen also 56 ct bzw. pro Liter Diesel kämen 63 ct oben drauf.

    Ich bin sehr für diese Lösung und die stringende Umsetzung. Bessere Werbung fürs E-Auto gibt es überhaupt nicht und mit jedem weiteren E-Auto wird der Spaß für die Verbrenner noch teurer, die Fixkosten der Großanlagen wollen schließlich getragen werden!

  • @ELMA

    Absolut.

    Artikel dazu gibt es allerdings nicht wenige.

    Inner taz:



    taz.de/CO2-Ausstos...ndeswehr/!5627003/



    ORF:



    orf.at/stories/3128002/



    The Guardian:



    www.theguardian.co...ine-climate-change

  • ich fände auch weniger Panzer und Kriegsmaschinerie einen guten Ansatz zum CO2 sparen - Krieg, also das Versagen von Politik - ist sehr Klimaschädlich und wird einfach nicht thematisiert.. ich freu mich auf einen Artikel dazu 🙇🏼‍♂️ danke

    • @elma:

      Gute Idee.

  • @STROLCH

    Nö. Ich kann es nur nicht ab, wenn mit unwissenschaftlichen Hokuspokus Marketing gemacht wird. Das passiert hier.

  • @GERALD MÜLLER

    "... etwa 2000 Stunden pro Jahr..."

    Hm.

    "There are 2–10 dunkelflaute events per year.[10] Most of these events occur from October to February; typically 50 to 150 hours per year, a single event usually lasts up to 24 hours." [1].

    Hm. Wäre jetzt interessant zu wissen, wo Sie diese Zahl her haben (das wäre knapp 1/4 des Jahres!).

    [1] en.wikipedia.org/wiki/Dunkelflaute

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Die Masse könnt ihr nur durch Masse zwingen.." (Goethe - Faust I)



    Die Schäden des Kapitalismus' lassen sich nur durch kapitalistische Großtechnik beheben. Das schafft Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze. [/sarkasmus off]

  • "Quatsch" insinuiert, dass die Lösung des Problems die CO2 Speicherung sei. Das ist Quatsch.

  • Es wäre gut, wenn hier der Fachartikel auch mal Rechnungen aufstellt um zu Vergleichen.



    Was mir in der Debatte fehlt, sind belastbare Zahlen.



    Nur zwei Beispiele:



    Bei Gaskraftwerken: wie hoch ist der ernergieaufand zur Verpressung im Vergleich zu abgegeben kWh? Hier kann die Verpressung rein faktisch kontraproduktiv sein. Es würde mehr Gas verfeuert.



    Beispiel Holz:



    Wieviel Tonnen Holz werden für 400.000 Neubauwohnungen pro Jahr gebraucht? Welche Fläche müsste dafür gerodet werden? Und wieviel macht das dann konkret an Co2 Einsparung aus.



    Leider belässt es der Artikel auf allgeminplätzen.

  • 4G
    42798 (Profil gelöscht)

    Es sollte gelten, den Ausstoß des Klimagases zu vermindern, und nicht, das Problem per kosten- und energieintensiver, unsicherer Einlagerung den kommenden Generationen zu übermachen.

    Schon die früheren Berichte des Weltklimarats betonten vor allem die »Herausforderungen und Risiken« (2014), und auch in den neueren Berichten wird konstatiert, dass der »Einsatz von CDR für mehrere hundert Gigatonnen CO2 (…) vielfältigen Einschränkungen bezüglich Machbarkeit und Nachhaltigkeit« (2018) unterliegt. Schon 2001 wurde auch auf »zahlreiche ethische, rechtliche und Gerechtigkeitsprobleme« verwiesen, und im Bericht von 2007 gelten viele »Geoengineering-Optionen« als »spekulativ, unbewiesen«, und sie »bergen das Risiko unbekannter Nebeneffekte«

    Nun soll uns der "technologische Fortschritt" wieder mal retten, ohne dass wir etwas an unserem Wirtschaftssystem und unserer Lebensweise ändern müssten. Es gilt für Letzteres einzutreten und nicht fürTechnologien, mit ihren Risiken und Nebenwirkungen - zumal dieGesellschaft dazu noch gar nicht gefragt wurde.

  • "...CCS auch in anderen Fällen erlauben: nämlich bei Gaskraftwerken."



    "CCS ist teuer..."



    Na, da werden die Strompreise aber sinken. Gute Nachrichten für Wärmepumpenheizer :-)

    • @sollndas:

      Im Gegenteil. Gaskraftwerke sind integrale Bestandteile der Energiewende und müssen daher bezahlt werden. Die erzeugen nämlich Strom wenn keine Sonne scheint und kein Wind weht, etwas 2000 Stunden pro Jahr.



      Dazu kommt natürlich dass bei der Produktion von Solarzellen und Windenergieanlagen auch CO2 enststeht (ich sage nur: 4000 Tonnen Beton für das Fundament einer WKA..), also werden auch die teurer...

      • @Gerald Müller:

        Äh, ich hatte da wohl ein [/sark] vergessen. Mit Bitte um Entschuldigung :-)

  • Mit einem für alle offen stehenden Konzept zur speicherung können wir ein Preisschild an die Emission hängen, das dem Schaden auch gerecht wird.



    Die jetzigen paar Groschen für eine Tonne emittiertes CO2 entsprechen ja nicht mal ansatzweise der Realität.



    Lasst die Industrie ein Pipelinenetz aufbauen und dann regelt es tatsächlich mal der Markt.



    Wer sein CO2 nicht in der Nordsee verklappen lassen kann, muss es behalten. Ausstoß künftig rigoros verbieten.



    Ach, die Nordsee hat nicht genug Kapazität für alle? Dann werden die Preise wohl gewaltig in die Höhe gehen.

    PS: Dass die Speicherung in gebundener Form zu geschehen hat, sollte man sicherheitshalber ins Gesetz reinschreiben. Niemand will eine Gasblase unter dem Meeresboden.

    • @Herma Huhn:

      "Mit einem für alle offen stehenden Konzept zur speicherung können wir ein Preisschild an die Emission hängen, das dem Schaden auch gerecht wird." That's it. Lasst die Emission einer Tonne CO2 soviel kosten, wie die günstigste verfügbare Methode zur CCS. Win-win Situation.

  • Ergänzung: die Fossilien machen jetzt viel Lärm um "Transition" und "low carbon". Im wesentlichen geht es ihnen darum, davon abzulenken, dass wir den Fossilienverbrauch *jetzt* reduzieren müssen -- die wollen so lange wie möglich so weiter machen wie bisher. Hier [1] eine sehr gute Illustration.

    Und schaut her -- CCS ist eine der Kinderrasseln, mit denen besonders Saudi Aramco wedelt, um diesen Lärm zu machen.

    Nicht viel anders, nur etwas subtiler als Trumps "Clean Coal".

    [1] www.theguardian.co...-jobs-greenwashing

  • dabei auch eine Rolle, dass viele Bür­ge­r*in­nen die geplante CO2-Lagerung unter der Nordsee ablehnen.

    Was heißt Viele? 1%, 10%, 51%, 90%?

    Ehrlich gesagt bezweifle ich das es mehr als5-10% sind Die Nordsee ist für die meisten Menschen weit weg. Und die Technik bedeutet nichts ändern zu müssen. Zumindest die Hoffnung darauf. Und letztendlich: ohne solche Technik bekommt man das CO2 Problem weltweit nicht gelöst.

  • Quatsch ist doch die ganze Erzählung vom 'grünen Wachstum', denn (i) sind die Kosten für einen Umbau auf nachhaltige Technologien so teuer, dass sie unter den Bedingungen marktwirtschaftlichen Wettbewerbs mehr als nur ein ökonomischer Nachteil sind und (ii) würde bereits durch den 'ökologischen' Umbau der Bedarf an Energie und Naturressourcen für mehrere stark steigen, der Klimawandel sich beschleunigen und das Problem der Begrenztheit von (Natur-)Ressourcen mittel- bis langfristig nur verlagert werden. Nach gegenwärtigem Wissensstand gib es nur zwei Wege, die zum Ziel klimaneutralen Wirtschaftens führen können: Sofort und dauerhaft runter mit den Emissionen und Wiederherstellung der natürlichen CO2‑Speicherspeicher. Das und eine nachhaltige Wirtschaftsweise kriegen wir nur hin, wenn wir uns vom herrschenden Wirtschaftsmodell, mit stetem Wachstum und dauerhaftem Wohlstand verabschieden. Da sehe ich aber schwarz (auch bei Grün): Marktwirtschaftliches Handeln orientiert sich am Profit und die Politik braucht eine profitable Wirtschaft, um hinter einem funktionierenden Wohlstandsversprechen zu verstecken, dass diese Demokratie eher Herrschaft als Mitbestimmung organisert.

  • Viele Wege ein Ziel, schreiben sie richtig. CCS ist ein Mosaikstein von vielen, dessen Beitrag genutzt werden sollte, bis preiswertere Verfahren ihm den Rang ablaufen. Wir können das Geld nur einmal ausgeben und sollten uns keiner Technologie von vorneherein verweigern.

  • "Das ist Quatsch."



    Nein, das ist Neu-Grün, wie Frackinggas und Verlängerung der Kohlekraft auch.



    Grün heute ist eben nicht mehr das Grün von früher.

    • @Rudi Hamm:

      Es ist eher Gelb-Grün.

  • Danke, Frau Schwarz.

    Es gibt sicher die Grenzfälle, an denen CCS sinnvoll sein mag. Ihr Beispiel mit dem Zement. Wobei jede Alternative dazu vorzuziehen wäre.

    Im Moment wird das leider vor allem von der Gaslobby als Technologiefee herumgereicht. Wir brauchen endlich harte Wissenschaft, nicht magisches Denken.

    • @tomás zerolo:

      Ohne solche Techniken in der Praxis zu testen, wird es keine Weiterentwicklung in der Wissenschaft geben. Ehrlich gesagt verstehe ich die Aufregung nicht. Entweder funktioniert es halbwegs Kostengünstig (was einen geringen Energieeinsatz voraussetzt). Dann ist es doch super. Oder es funktioniert nicht. Dann macht man einen Haken dran.

      Ich habe den Eindruck, dass viele taz Autoren und Forumsteilnehmer sich mehr vor einem Erfolg der Technik fürchten als einem Misserfolg.

      • @Strolch:

        Wird doch@großmaßstäblicher testen:



        www.nzz.ch/wirtsch...esungen-ld.1738730



        Verklappen inner Nordsee ist halt auch ned der Stein der Weisen; das Hauptaugenmerk möge dann schon auf Vermeidung von Expositionen liegen, anstatt da den neuen heißen Scheiß für ein "Weiter so!" drauszupropagieren.

  • Es ist doch komplett egal wo das CO2 herkommt das wieder gespeichert wird, wir müssen für weniger CO2 in der Atmosphäre sorgen, ob durch CCS, durch weniger CO2-Ausstoß oder neue Wälder, das Ergebnis ist das gleiche.

  • "Auch Emissionen von Gaskraftwerken sollen gespeichert werden dürfen. Das ist Quatsch." so isses. Energetisch ist es absoluter Unsinn. Die Kosten liegen bei 70 bis 250 Euro pro Tonne, wobei dann noch die CO2 Kosten die bei der Herstellung der Energie für die Speicherung entstehen dazugezählt werden müssen. Seufz.

    Verpressung? Ich möchte an die Katastrophe am Nyos - See in Kamerun erinnern. Das ist nocht notwendigerweise ungefährlich, siehe en.wikipedia.org/w...Lake_Nyos_disaster

    Ich werde das Gefühl nicht los dass Habeck nach Strohhalmen greift, weil ihm das Wasser bis zum Hals steht.

    • @Gerald Müller:

      "Energetisch ist es absoluter Unsinn." stimmt nicht so ganz. Die CO2-Konzentration am "Auspuff" einer Gasturbine ist tausende Male höher als in der Atmosphäre. Das lässt sich deutlich billiger abscheiden. Ähnliches gilt für Zementwerke.

      Bedenken gibt es in einer ganz anderen Richtung: Gaskraftwerken werden uns dann als "klimaneutral" verkauft. Und sie werden als Vorwand genommen, keine besseren Lösungen für die sogenannte Dunkelflaute zu suchen.

      Die Katastrophe am Lake Nyos war ein Naturphänomen. Sehr nützlich: So zeigt uns die Natur, wie man es nicht machen sollte.