piwik no script img

Aufrüstungsdebatten in EuropaNicht zu Ende gedacht

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Auch wenn sich die Europäer nicht auf Trump verlassen wollen: Sie können ihre Militärausgaben nicht erhöhen, ohne den inneren Frieden zu gefährden.

Wo soll das Geld für Waffen bloß herkommen? Kampfjets beim Nato-Manöver Air Defender 2023 Foto: Kevin Hackert/imago

E s ist ein Satz, der sich derzeit offenbar sehr einfach sagen lässt: Europa darf sich nicht mehr auf den militärischen Schutz der USA verlassen und muss seine Sicherheit in die eigenen Hände nehmen. Wer will da widersprechen nach den jüngsten Äußerungen von Donald Trump? Er würde europäische Staaten, die zu wenig für die Nato zahlen, nicht vor einem russischen Angriff schützen, sagte Trump.

Vor 15 Jahren – als der damalige US-Präsident Barack Obama begann, von den europäischen Nato-Verbündeten eine Erhöhung ihrer Verteidigungsanstrengungen zu fordern, weil die USA sich schon damals vom strategisch unbedeutender gewordenen Europa Richtung Asien umorientieren wollten – gab es noch eine Diskrepanz:

Zwar stimmten die europäischen Regierungen 2014 auf dem Nato-Gipfel in Wales widerwillig zu, ihre Verteidigungsausgaben künftig an eine Zielmarke von 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts heranzuführen, aber eigentlich hatte niemand wirklich vor, das in absehbarer Zeit auch zu tun. Zumal in den europäischen Gesellschaften trotz der ein halbes Jahr zuvor erfolgten Annexion der Krim durch Russland nicht das Gefühl vorherrschte, tatsächlich einer realen Bedrohung durch Russland ausgesetzt zu sein, die eine Priorisierung des Militärischen rechtfertigen oder erforderlich machen würde.

Das hat sich durch den ­russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine geändert. Aber so leicht sich das politische Personal damit tut, das Credo von der Souveränisierung euro­päi­scher Sicherheits- und Verteidigungspolitik in die Welt zu blasen, so wenig wird thematisiert, was das eigentlich für Konsequenzen hätte.

Mal ernsthaft: Stolz hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in dieser Woche verkündet, dass schon 18 Staaten das 2-Prozent-Ziel erfüllten. Aber von selbstständiger Verteidigungsfähigkeit sind wir weiterhin Lichtjahre entfernt. Um das also zu erreichen, brauchte es massive Ausgabensteigerungen, die jene der vergangenen Jahre vollkommen in den Schatten stellen würden.

Selbst wenn durch intensive Kooperation und europäische Arbeits- und Aufgabenteilung maximale Effizienz erreicht werden könnte, sprechen wir dann nicht mehr von 2, sondern vermutlich von 5 oder gar 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die dafür ausgegeben werden müssten. Und das über einen Zeitraum von mindestens zehn bis fünfzehn Jahren.

Leider hat alles seinen Preis

Dieses Geld muss irgendwo herkommen, entweder durch drastische Steuererhöhungen oder Einsparungen oder, wahrscheinlicher, durch eine Kombination aus beidem. Die Einschnitte, die die Ampelregierung in den vergangenen Monaten verkündet hat, um ein paar Milliarden Euro einzusparen, sind Peanuts dagegen – und schon die haben eine Welle von Bauernprotesten ausgelöst, wie man sie in Deutschland so noch nicht gesehen hat.

Der Versuch, Deutschland und Europa gegen Bedrohungen von ­außen sicherer zu machen – und dazu gehören dann neben Militär auch der Schutz kritischer Infrastruktur, Katastrophenschutz, Cyberabwehr und anderes mehr –, kann insofern im schlechtesten Fall zu gesellschaftlichen Verwerfungen führen, die den Fortbestand der liberalen Demokratien westlicher Prägung akuter gefährden als die imperialistischen Pläne Wladimir Putins.

Denn die grundlegenden Aufgaben und Investitionsbedarfe des 21. Jahrhunderts haben sich auch durch den russischen Angriffskrieg nicht verändert: die Transformation hin zu Klimaneutralität einschließlich der Gestaltung des damit einhergehenden wirtschaftlichen Strukturwandels; die Anpassung an jene Folgen des Klimawandels, die gar nicht mehr zu verhindern sind; der Umgang mit demografischem Wandel und weltweit zunehmenden Migrationsbewegungen; das Schaffen besserer Schul- und Berufsbildung. Das alles braucht Geld, und zwar ebenfalls viel mehr, als derzeit dafür ausgegeben wird.

Wenn all diese Bedarfe in den nächsten Jahren in scharfe Konkurrenz gebracht werden mit dem Aufbau militärischer Kapazitäten, wird es noch schwieriger, gesellschaftlichen Konsens herzustellen. Der Aufstieg rechtsextremer Parteien ist das sichtbarste Symptom dafür, dass dieser ohnehin schon massiv bröckelt.

Ja, die Bedrohung durch Russland ist real geworden, etwas, was nach dem Ende der Blockkonfrontation nicht mehr möglich schien. Sie braucht Antworten, womöglich auch militärische. Aber wer jetzt postuliert, Europa müsse sich militärisch auf Augenhöhe mit den USA bringen, um unabhängig handlungsfähig zu werden, ohne zu benennen, wie die dadurch entstehenden Probleme gelöst werden sollen, macht es sich zu einfach.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
Mehr zum Thema

40 Kommentare

 / 
  • Es macht sich aber auch zu einfach, wer Aufrüstung in Europa pauschal ablehnt und dabei mit der Vergangenheit argumentiert.

    Der Begriff Zweitenwende fiel mir selbst wenige Minuten nach dem Angriff Russlands ein und nutzte ihn Stunden später bei einem Vortrag. (Es ärgert mich, dass Scholz ihn für sich reklamiert ;-))

    Zeitenwende, der Begriff, drängt sich bei der Ungeheuerlichkeit Putins auf. Niemand sollte sich aber anmaßen, diesen Begriff bis heute vollkommen ausbuchstabiert zu haben.

    In meinem Leben ist der Überfall Russlands auf die Ukraine die dritte Zeitenwende - und niemand, auch politisch denkenden Menschen, haben die Entwicklungen vorhergesehen.



    Das erste Mal war der Mauerfall 1989, das zweite Mal 9/11 auf die Twin-Türme in New York 2001. Insbesondere 9/11 war ein Anschlag auf unsere Freiheit, in dessen Zuge weltweit in Demokratien Freiheitsrechte abgebaut wurden. Und die Zivilgesellschaft verstand es nicht, geschockt wie sie war, das Spannungsverhältnis Freiheit und Sicherheit zu definieren. Wo blieb der Aufstand gegen Guantanomo? Wo blieb der Aufstand gegen den Islamismus? Wo verteidigte man demokratische Stimmen im globalen Süden?

    Ich fürchte sehr stark, dass es dieses Mal wieder ähnlich ist. Man hält am liebgewonnenen Bild eines zivilen Russlands fest und kritisiert lieber die eigene Haustüre. Man unterliegt aber dem false bias, dass zivilgesellschaftliche Muster in Autokratien nichts gelten.

    Das ist mir zu viel Naivität. Da sind mit die Strack-Zimmermanns dieser Welt allemal lieber.

  • Wenns ums Geld geht: Vermögenssteuer! Diese wurde 1997 abgeschafft und bisher nicht wieder eingeführt. Laut Studien könnte sie beim damals niedrigen Satz von 1% ca 20 Milliarden Euro pro Jahr für den öffentlichen Haushalt einbringen. Das die gesellschaftliche Gruppe mit den größten Möglichkeiten aktuell NICHTS beiträgt zu gleich aber einen besonders großen Teil der Klimazerstörung vorantreibt ist ohnehin ein UNDING. Die erneuten Kürzungen am unteren Ende der Einkommen sind eine inzwischen vielen aufstoßenden Steuerungerechtigkeit, leider gelingt es wie auch in anderen geschichtlichen Perioden nun abermals rechtsextremen Parteien berechtigte Wut auf "die da oben" auf "die da ganz unten" umzuleiten wohlwissend, dass es nicht Geflüchtete sind die neu nach Deutschland kommen, die am wenigsten beitragen, sondern eben jene die aktuell inbesondere von der FDP vertreten werden: Superreiche und letzte Eigner von besonders Kapitalstarken Unternehmen. Dass SPD und Grüne bei der Schonung des reichsten Drittels mitmachen, statt die Koalition beim ständigen Bruch des Koalitionsvertrags von Seiten der FDP platzen zu lassen ist leider auch ein Grund dafür, dass sich immer mehr gesellschaftliche Gruppen von "mittigen" Parteien abwenden, die statt für die Zukunft Deutschlands zu regieren heillos zerstritten sind, ganz offensichtlich nur ihre eigene Klientel bedienen ("Bananenrepublik") oder wenn überhaupt gemeinsam sich stets auf die Schonung der Vermögenden einigen und sämtliche Lasten auf den mittleren und untersten Einkommen abladen. Wenn die Vermögenssteuer nicht bald kommt, bricht der gesellschaftliche Konsens mit weiteren Einsparungen bzw. Auswirkungen bei eh schon stark belasteten Gruppen ziemlich plötzlich, eventuell schon bei der nächsten Wahl zusammen. Man kann da auch vom selbstverschuldeten Untergang der Demokratie reden. Leider wird das Ergebnis auch wieder die Falschen treffen, die Vermögenden können in ihre Villen sonstwo ausweichen, wenns hier zum Zusammenbruch kommt.

    • @Nina Janovich:

      Das Linke-Parteiprogramm geht hier am Thema vorbei. Abgesehen davon, dass 20 Mrd. pro Jahr extra die Unterfinanzierung fortschreiben würde.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Ja, die Bedrohung durch Russland ist real geworden, etwas, was nach dem Ende der Blockkonfrontation nicht mehr möglich schien. Sie braucht Antworten, womöglich auch militärische.“



    Eine Antwort: Kriege müssen grüner werden. [/sarkasmus off]

  • Jetzt hätte ich aber doch gerne gewusst, welche Lösung dem Redakteur denn vorschwebt. Wie Sahra nur zu wissen, was man nicht will, wird real nicht reichen.

  • Da schreibt Einer, der offenbar auch nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine immer noch glaubt, sowas könne aus Prinzip nur Anderen passieren. Nochmal zum Mitschreiben: Sich nicht auf die USA verlassen zu können heißt auch, Sich nicht auf die ABSCHRECKUNGSWIRKUNG des US-Beistands verlassen zu können. Trotz allem eingefleischten Antiamerikanismus scheint dieser Gedanke bei den europäischen Linken noch schwerer einzusickern als bei tendenziellen Transatlantikern.

    Wenn es irgendwas gibt, was uns der russische Überfall auf die Ukraine gezeigt hat, dann dass militärische Bedrohungen gnadenlos zuschlagen, wenn man mit der Vorbereitung wartet, bis sie "akut" werden. Mit Krieg ist es ähnlich wie mit dem Klimawandel (weshalb wir den natürlich AUCH nicht aus den Augen verlieren dürfen): Wartest Du ab, bis er Dir ins Gesicht springt, hast Du verloren - und zwar ALLES. Dann hilft kein schönes Sozialsystem, keine gelungene Migrations- und Integrationspolitik, und auch dass die Bahn endlich mal pünktlich fahren KÖNNTE, ist dann egal.

    • @Normalo:

      Sie bringen die Grundproblematik des verstellten Blickes bei der europäischen Linken auf den Punkt. Der Antiamerikanismus der Linken ist genau so unterkomplex wie die Xenophobie der Rechten.

      Es ist umso peinlicher, als die Linke sich immer das Mäntelchen des kritischen Denkens umhängt, den Schritt aus der Komfortzochne des Antiamerikanismus aber nicht bereit ist zu gehen.

      Transatlantiker waren da immer schon realistischer, ohne die wirtschaftliche Konkurrenzsituation zu den USA zu übersehen, bei aller Wirtschaftsspionage zum Freund aus Übersee.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Normalo:

      Dann müssen wir wohl damit rechnen, dass der große Dealmaker als künftiger Präsident der USA nach dem Motto handelt: „Wenn du deinen Feind nicht besiegen kannst, verbünde dich mit ihm.“.



      „Der Westen“ hat es nicht geschafft, die imperialistische Sowjetunion zu besiegen. Nach 1992 wurde die Möglichkeit, eine friedliche Konversion des zerfallenden Staatenbundes zu unterstützen, nicht genutzt. Man entschloss sich stattdessen auf Ausbeutung der Ressourcen des Riesenreichs zu setzen. (Chodorkowski lässt grüßen).. Außerdem bestand das Risiko, dass den USA ihr größtes Feindbild verloren gehen könnte, was die Rüstungsindustrie arg getroffen hätte. Ja, die Gefahr, dass der Dealmaker Trump sich mit dem Erzfeind verbündet, ist real.



      Ist diese Analyse schon „linker Antiamerikanismus“?

      • @95820 (Profil gelöscht):

        Mit einem Wort: Ja.

        Zum Einen hat "der Westen" die Sowjetunion sehr wohl besiegt, nur halt im Wesentlichen nicht mit tatsächlich abgefeuerten Waffen sondern mit Geld, das in militärische Potenziale gesteckt wurde. Letztlich hat der Ostblock in dem Versuch dabei mitzuhalten seine Mangelwirtschaft endgültig kaputtgemacht. Die Politik Gorbatschows war mindestens gleichermaßen aus der Not wie aus der Menschlichkeit geboren. Zum Zweiten war Russland durch seinen Reichtum an Bodenschätzen nie so abhängig von Hilfe von außen, als dass es darüber in eine dauerhafte Friedensordnung hätte "gesteuert" werden können. Chodorkowski & Co. sind keine Amerikaner. Und Wladimir Putin ist auch nicht erst vor ein paar Jahren auf die Idee gekommen, dass der einzig für ihn akzeptable Platz Russlands in einer europäischen Gesamtordnung der Chefsessel wäre. Er hat Friedenswillen immer nur gespielt und Annäherung immer nur zu seinen Bedingungen zugelassen.

        Was die Gefahr betrifft, dass Amerika unter Trump den "leichten" Weg wählen und sich Putin zuwenden könnte - unwahrscheinlich. Trump wäre das vom reinen Opportunismus her zuzutrauen, und Putin wäre es wahrscheinlich nicht unrecht, weil er - genau wie umgekehrt Trump, aber im Gegensatz zu diesem zu Recht - glaubt, ihn in der Pfeife rauchen zu können. Die Frage wäre in dem Fall eher, ob dabei auch der Rest des US-Machtapparates, namentlich der Kongress, und China mitspielen würden. Ich denke aber eigentlich nicht, dass Trump wirklich in diese Richtung drängt. Putin ist für ihn ein Damoklesschwert, dass man über den Köpfen widerspenstiger Europäer baumeln lassen kann, aber niemand, den er sich ins politische Bett holen würde.

  • de.statista.com/st...-militaerausgaben/

    Vielleicht sollten wir schauen, was wir für unser Geld bekommen.



    Wenn ich die Nato-Staaten ohne USA zusammenrechene ist das deutlich mehr als Russland ausgibt.



    Was haben wir für das viele Geld bekommen? Was bekommen wir in Zukunft?

  • Vielleicht sollte man die Art der Waffen und der Kriegsführung im Verteidigungsfall mal überdenken, und sich mehr auf Raketen- und Drohnenabwehr und kleine leistungsfähige Systeme, kombiniert mit Cyberkriegsführung konzentrieren, die dem Gegner klar machen, dass er keinen Spass haben wird und man ihm aus der sicheren Deckung heraus das Leben schwer machen wird.



    Das setzt natürlich auch einen ausreichenden Zivilschutz voraus. Das Szenario eines sowjetischen Angriffs in der Fulda-Gap hat sowas ja bewusst ausgeblendet, da die Zivilbevölkerung in den betroffenen Gebieten eine sehr kurze Überlebenszeit gehabt hätte, da hat man den Zivilschutz drangegeben und auf den atomaren Schutzschirm gehofft.

  • Wenn man mit genausoviel Mut und Tatkraft die Vermögende zum Allgemeinwohl heranziehen würde, wie man es bei den Bürgergeld Empfängern tat ( und nebenbei noch übelst diskriminierte), tja, dann wäre das eine oder andere Verteidigungsprozentchen locker drin....Aber ohje, ich vergass, wird Ver.ögens und Erbschaftssteuer eingeführt, dann geht ja die Welt sofort unter, alles wird zerfliegen, ohne Putin, nur weil man Reiche etwas belastet, schrecklich.....

  • Putin hat eine neue Ära in der Geschichte gestartet. Die militärische Macht wird leider zunehmend spielbestimmender. Das lässt gravierende, teilweise bereits erkennbare Veränderungen im Zusammenspiel der Staaten erwarten.

    Die Sorge um unseren „Wohlstandsbauch“ ist berechtigt, aber sicher nicht relevant.

    • @alterego:

      „Wohlstandsbauch"

      Viele haben diesen Bauch gar nicht mehr in Deutschland. Und die Gefahr, dass Putin früher oder später in Berlin steht ist ziemlich abwegig.

  • Vielen Dank für Ihren Kommentar, Herr Pickert!

    "die den Fortbestand der liberalen Demokratien westlicher Prägung akuter gefährden als die imperialistischen Pläne Wladimir Putins."

    Dem kann man nur zustimmen! Man muss sich nur die jetzige Lage in Deutschland anschauen. Es.gibt schon jetzt sehr besorgniserregende Tendenzen. Und wenn es eine noch extremere poltik geben würde um mehr Rüstungsausgaben zu ermöglichen, würde die AFD und andere extreme Parteien noch mehr davon profitieren.







    "selbstständiger Verteidigungsfähigkeit"

    Die Frage ist auch was man darunter definiert. Wollen wir wir eine Grossmacht werden? Natürlich nutzen jetzt viele militärische Experten die Gunst der Stunde. Militärische Experten sind ja verständlicherweise immer für Aufrüstung.



    Wenn es jedoch nur darum geht in der Lage zu sein sich militärisch vor Russland verteidigen, dann reichen 2 Prozent aus!

  • Ich stimme der Analyse zu.

    Problematisch ist, dass sich die Menschen, nicht nur in der EU, über die letzten 30, 40 Jahre an die Friedensdividende (weniger Ausgaben für das Militär, mehr für Soziales) und an günstige Produkte und damit niedrige Inflationsraten durch die Globalisierung (v.a. durch die niedrigen Produktionskosten in Asien, va China) gewöhnt haben.

    Die nun anstehende Transformation (ja!) wird unweigerlich mit Wohlfahrtsverlusten, Verteilungskämpfen und folglich gesellschaftlichen Spannungen einhergehen.

    • @EffeJoSiebenZwo:

      "Die nun anstehende Transformation (ja!) wird unweigerlich mit Wohlfahrtsverlusten, Verteilungskämpfen und folglich gesellschaftlichen Spannungen einhergehen."

      Es spricht viel dafür, dass es so kommen wird. Aber dann (und darum) wird die "Transformation" auch nicht so stattfinden, wie sich einige das immer noch "erträumen". Es kann nicht funktionieren.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Der Versuch, Deutschland und Europa gegen Bedrohungen von ­außen sicherer zu machen – (...), kann (..) im schlechtesten Fall zu gesellschaftlichen Verwerfungen führen, die den Fortbestand der liberalen Demokratien westlicher Prägung akuter gefährden als die imperialistischen Pläne (..) Putins.""

    ===

    Es gibt keine soziale gesellschaftliche Sicherheit bei Gefährdung der äußeren Sicherheit. Äußere Sicherheit ist die Bedingung für innere soziale Sicherheit. Wenn eine Gesellschaft es nicht mehr als verteidigungswillig empfindet so wie sie gestaltet, arbeitet und Zielvorstellungen formuliert & erreicht geht sie unter. -

    Wenn nun Frau Wagenknecht - Chrupalla die liberale Bundesrepublik & die liberale EU nicht mehr als lebenswehrt sondern als ablehnenswert empfindet - und vor allem als nicht mehr schützenswert erachtet - soll sie bitte das Gegenteil - aber bitte mit persönlicher Konsequenz - ausprobieren.

    PS. BSW und die affd waren gestern die Einzigen welche anlässlich des Todes von Nawalny nicht kondoliert haben.

    Noch Fragen wo Wagenknecht - Chrupalla und die affd hinwollen?

  • Abgesehen von Atombomben sehe ich die Gefahr für Europa nicht. Wir liefern jetzt Waffen an die Ukraine, so dass diese sich verteidigen kann und das reicht um Russland nicht gewinnen zu lassen. Wenn die europäische Union zusammen steht, frage ich mich wie es Russland möglich sein soll die EU zu überfallen. Die Militärbudgets sind gesamt wesentlich höher unsere Anzahl an Soldaten ist höher, wie soll Russland das machen, die Waffen scheinen für die Verteidigung auszureichen.



    Falls wir wirklich stark Aufrüsten wollen, warum die Ressourcen dann nicht nutzen um unliebsame Länder oder Regierungen von der Landkarte zu tilgen und dauerhaft Frieden zu schaffen.



    Ich sehe die Entwicklung mit Sorge.

  • Mit der Armee ist es wie mit der Feuerwehr: man merkt erst dann, wie wichtig sie ist, wenn es brennt. Und wohl dem, der dann eine hat.

    Der geopolitische Schwerpunkt der Amis hat sich schon seit langem in Richtung Südpazifik verlagert; Europa ist für die unter ferner liefen.

    Von daher ist es eben so mit dem neuen, alten Feind Russland: sollte es zur Eskalation kommen, dann kann sich das freie Europa entweder verteidigen - oder eben untergehen.

    Und zur Verteidigung braucht es eine brauchbare Armee, und die gibt es nicht umsonst.

    Das gefällt mir zwar auch nicht, ist aber das Ergebnis der Realpolitik.

  • Unsere Militärstrukturen in Europa sind wie die zivilen staatlichen Projekte an vielen Stellen teuer und ineffizient.



    Es wäre also durchaus möglich, für gleiche Ausgaben mehr Sicherheit zu bekommen, wenn man die Verflechtungen von Bürokratie und Rüstungsindustrie zunächst zerschlagen würde, bevor man mehr Geld in ein verkrustetes System pumpt.

  • "...kann insofern im schlechtesten Fall zu gesellschaftlichen Verwerfungen führen, die den Fortbestand der liberalen Demokratien westlicher Prägung akuter gefährden als die imperialistischen Pläne Wladimir Putins."

    So siehts aus.

    Allerdings reichen der EU 2% für Rüstung. Das wären 400 Milliarden im Jahr. Wenn wir mit dieser Summe keine Verteidigung aufbauen können, ist uns nicht zu helfen.

    Das größere Problem ist, dass wir Gefahr laufen, in eine "Kanonen statt Butter" Politik zu rutschen. Zu rüsten und gleichzeitig auf einer Schuldenbremse zu bestehen, die Kürzungen bei der Bevölkerung erzwingt, ist ein Konjunkturprogramm für rechte Parteien.

  • Jetzt schreibe ich etwas, für das ich mich vor ein paar Jahren noch selber geohrfeigt hätte: Wir werden unsere Verteidigungsausgaben drastisch erhöhen müssen.



    Die Schuldenbremse muss dafür natürlich abgeschafft werden.



    Und bitte nicht vergessen, diese höheren Ausgaben werden auch die Konjunktur ankurbeln, bringt dann wieder Geld in die Staatskasse. Inflation könnte natürlich ein Problem werden, aber wäre gut für die Staatsschulden.



    Ist alles nicht einfach und macht mich nicht froh. Und ist wahrscheinlich nicht gut fürs Klima.

  • Jetzt schreibe ich etwas, für das ich mich vor ein paar Jahren noch selber geohrfeigt hätte: Wir werden unsere Verteidigungsausgaben drastisch erhöhen müssen.



    Die Schuldenbremse muss dafür natürlich abgeschafft werden.



    Und bitte nicht vergessen, diese höheren Ausgaben werden auch die Konjunktur ankurbeln, bringt dann wieder Geld in die Staatskasse. Inflation könnte natürlich ein Problem werden, aber wäre gut für die Staatsschulden.



    Ist alles nicht einfach und macht mich nicht froh. Und ist wahrscheinlich nicht gut fürs Klima.

    • @celcon52:

      Wir haben gar nicht das Wirtschaftswachstum um die Schuldenbremse abschaffen zu können.

  • Das ist ein sehr überzeugender Artikel,



    der die derzeitige Situation gut umreißt.



    Es sollte tatsächlich mal gesagt werden, dass finanzielle Mittel begrenzt sind.



    Die Regierung hat in den letzten Jahren erhebliche Mittel für die Bekämpfung der Coronapandemie und Ihrer Folgen aufgewandt.



    Es folgten erhebliche Ausgaben zur Ukraine Unterstützung, für die Aufnahme der geflüchteten UkrainerInnen und zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekriegs für Unternehmen und BürgerInnen.



    Die Steuereinnahmen sinken mit dem Nachlassen der Wirtschaftskraft.



    Es überrascht dann schon, dass immer neue Ideen aus dem Boden schießen, wofür mehr Geld ausgeben werden könnte, bzw. eine Handvoll Sondervermögen, die aufgelegt werden sollten.



    Volkswirtschaftlich betrachtet sind diese vielen Ideen nur schwer umsetzbar.



    Fehlende Rechenlust läßt sich nicht mit "die Reichen sollen meine Ideen bezahlen" rechtfertigen.



    Sparen ist unpopulär in einer Gesellschaft, die den Großteil Ihres Besitzes "auf Pump" finanziert.



    Die hohe Zahl an Privatinsolvenzen legt Zeugnis über die weit verbreitete Unfähigkeit mit dem eigenen Geld zu haushalten, ab.



    Interessant ist die parallel laufende Selbstüberschätzung, besser zu wissen, wie z.B. ein öffentlicher Haushalt funktioniert.



    Die große Mehrheit hat sich offensichtlich noch nie die Arbeit gemacht, sich mit einem öffentlichen Haushalt auseinander zu setzen.



    Die Kompetenz ist eher die eines Horst Schlämmers:



    " es muss wieder mehr werden".



    So werden Forderungen nach Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst, oder der Bahn " rückhaltlos" unterstützt.



    Klar sollen Menschen gerecht bezahlt werden.



    Es sollte aber ebenso klar sein, dass das Geld, das mehr für Löhne und Gehälter ausgegeben wird, an anderer Stelle fehlt.



    Politisch betrachtet ist eine Veränderung der Schuldenbremse mit der CDU unmöglich, da diese nur am Machtgewinn und nicht an der Volkswirtschaft interessiert ist.



    Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ist dafür ein klares Zeichen.

  • Der gesellschaftliche Konsenz bezüglich der Bedrohungslage existiert leider wirklich nicht. Ein erheblicher Teil der ostdeutschen Bürger ist vom Demokratiemodel enttäuscht und Putin eher zugeneigt als dem Westen. Sie sind außerdem rechtslastig und von der AFD begeistert. Im Westen hocken die Reste der pazifistischen Bewegung und wollen gewiss keine Aufrüstung. Alles in allem eine ideale Situation für Putin. Und der Klimawandel? Ist seit dem Heizungsgesetz bei den meisten Bürger erst mal abgehakt. Wir sind also fette Beute für Russlands Imperialismus und rechten Nationalismus. Nicht mal Auswandern bringt was, denn da wo's "gut" ist, ist es auch kaum besser.

  • Der innere Frieden ist doch schon lange dahin ,da muss man sich doch nur das erstarken der extremen Kräfte, zb AfD , ansehen.

  • Niemand hat die Absicht, die europäischen Militärausgaben auf amerikanisches Niveau anzuheben. Europa muss sich nur selbst verteidigen und nicht weltweit Macht projizieren.

  • Man darf eine ganz entscheidende Gefahr von Außen nicht unterschätzen:

    Die organisierte Kriminalität.

    Bereits jetzt gehen dem Staat durch organisierten Steuerbetrug Jahr für Jahr Milliarden Euro verloren.



    Auch den Sozialversicherungen gehen durch wohlorganisierte Schwarzarbeit Milliarden verloren.



    Und der durch Korrution entstehende wirtschaftliche Schaden ist sicher in ähnlicher Höhe anzusetzen.

    Und wenn man das in den Griff bekommt, wäre ein guter Teil der Mehrausgaben für die Verteidigung schon finanziert.

    Wenn man die marginalen Bemühungen unserer Politiker dagegen hält wird einem allerdings ganz flau.

  • Wie viel Milliarden gibt der Staat jährlich aus um Mieten niederer Einkommen zu bezuschußen?

    Wenn wir diese Subvention der Grundbesitzer durch die Endprivatisierung von Wohnraummietflächen beenden. Haben wir mehr als genug Kohle um eine starke Armee, und eine Klimaneutrale wirtschaft aufzubauen.

    Höchste Zeit hier durchzugreifen. Der Wohnungsmarkt ist ein Luxus, den sich unsere Volkswirtschaft auf lange Sicht einfach nicht mehr leisten kann.

  • Die Ökonomik muss erstmal in die deutsche Waffenproduktion einziehen. Der Leopard II nützt der Ukraine bekanntlich in der Praxis kaum, weil das arg teuer handgefeilte Schlachtfeldtraumschiff auf Ketten im ernsthaften Einsatz reparaturanfällig noch und nöcher ist. Es legt seine taktischen Vorteile in die Ketten außerplanmäßiger langwieriger Reparatur- und Wartungs-Arbeiten, zu denen die Geräte ins Baltikum in die Werkstatt verfrachtet werden müssen. Der Betrieb des Leo II ist also mehr ein Einsatz der Logistiker als einer der Panzertruppen.

    Gerade jetzt nach Einsetzen einer russischen Angriffswelle bräuchte die Ukraine vielmehr Defensivwaffen, die einfach funktional tun was sie sollen und nicht bestimmen, was das Militär machen muss anstelle von Verteidigung.

  • Stellt sich die Frage, welche Bedrohung wichtiger ist. Da ich lieber in Freiheit lebe, muss die Klimageschichte warten. Was haben wir davon, wenn wir das Klima retten, aber unter einem russischen Joch leben?

    • @Dirk Osygus:

      Also Klimawandel. Warte gefälligst, bis wir Zeit für Dich haben 😁

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Das Klima wartet nicht. Aber es wartet ERST RECHT nicht darauf, dass wir Leute wie Putin, denen das Klima dauerhaft sch...egal ist, erst dominant werden lassen und uns dann vielleicht irgendwann mal auf die ganz Gemütliche vom Hals schaffen. Es geht also erstmal darum, in der Lage zu bleiben, überhaupt politisch etwas für das Klima zu tun.

    • @Dirk Osygus:

      Das tragische ist, dass wir zwischen diesen Optionen kaum wählen können.



      Unter russischer Diktatur wird die Klimakatastrophe nicht angegangen, weder Putin noch seine Fans glauben, dass in der Richtung etwas getan werden muss.



      Verlieren wir also unsere Freiheit, verlieren wir auch den Kampf gegen das Klima.



      Setzen wir jetzt aber so sehr auf die Verteidigung der Freiheit, gerät der Kampf gegen die Klimakatastrophe ins Hintertreffen, unzählige Katastrophen werden unsere Zivilisation an den Rand ihrer Möglichkeiten bringen, oder sogar darüber hinaus.



      Unter den Voraussetzungen wird auch die Demokratie, also unsere Freiheit nicht überleben.



      Wir haben also nicht die Wahl zwischen Pest und Cholera, wir haben zwei Probleme, die sich gegenseitig verstärken.

    • @Dirk Osygus:

      Mal als Gegenfrage:



      Was haben Sie von Ihrer Freiheit, wenn wir unsere Lebensgrundlage zerstört haben?

    • @Dirk Osygus:

      " Da ich lieber in Freiheit lebe, muss die Klimageschichte warten..."

      Das Tragische ist, dass die "Klimageschichte" nicht wartet. Der fortschreitende Klimawandel findet statt, ist nichts was man "mit dem Klima" aushandeln oder diskutieren könnte.



      Wenn wir (weltweit) heute nicht handeln, werden wir uns mit Sicherheit irgendwann in einer Klimakatastrophe mit verheerenden Folgen wiederfinden.

      Das Gefühl der Bedrohung durch Russland ist angesichts des Überfalls auf die Ukraine auch real.



      Allerdings gibt es da unterschiedliche auch längerfristige Handlungsoptionen.

      Ganz gewiss müssen sich die Europäischen Staaten darüber Gedanken machen, wie sie sich militärisch - von den USA unabhängiger - neu aufstellen. Das ist angesichts der unterschiedlichen Stärke und Interessenlagen ein notwendiger aber längerfristiger Prozess.

      Eine ganz andere Frage ist, wie die tatsächliche Bedrohungssituation aktuell einzuschätzen ist.



      Da gibt es sicher unterschiedliche Einschätzungen.

      Tatsache ist, dass es dem Russischen Militär nicht gelungen ist, die gesamte Ukraine zu überrennen und zu besetzen.

      Wenn das nicht gelungen ist, halte ich es für geradezu aberwitzig so zu tun, als stünde "der Russe" schon kurz vor Berlin, nachdem er "mal eben" Polen, die Baltischen Staaten und Moldawien besiegt bzw. besetzt hat.

      Um das auch noch anzusprechen:



      Die genannten Länder mit Hilfe von Nuklear-Raketen aus der Ferne "einfach auszulöschen" gäbe auch keinen Sinn.



      Selbst wenn man annähme, die Länder würden (trotz des existierenden Schutzes durch die Nato) besetzt, wäre Russland wohl kaum in der Lage die Besetzung aufrecht zu erhalten und hätte ständige Kleinkriege durch den Widerstand auszuhalten.

      Fazit: mal etwas Drama und Panik aus der Debatte raushalten und überlegen, welche Sicherheitsstruktur den Frieden in Europa erhalten bzw. herstellen kann.

    • @Dirk Osygus:

      So simpel ist die Sache und der Punkt des Autors nicht. Es stimmt aber das alles unwichtig wird wenn Putin es schafft unsere Gesellschaften soweit zu destabilisieren so dass sich sein Einfluss über Marionetten wie die Afd ohnehin hier auswirkt. Vielleicht ist es auch schon zu spät weil der Westen 20 Jahre gepennt hat.

    • @Dirk Osygus:

      Wenn das Klima kippt, ist das russische Joch das kleinere Problem. Global würde Chaos ausbrechen. Klimaflüchtlinge, Missernten und bewaffnete Konflikte im Kampf um Ressourcen währen die Folge. Freiheit stelle ich mir anders vor.