Nancy Faesers politische Zukunft: Innenministerin auf Abruf
Nancy Faeser ist nach ihrer unnötigen Kandidatur in Hessen angeschlagen. Gerade braucht es aber eine Ministerin mit Standing. Sie sollte gehen.
S olidarität ist ein hohes Gut der SPD. Es ist deshalb sympathisch, dass sich Kanzler Olaf Scholz jetzt schützend vor Innenministerin Nancy Faeser stellt, obwohl sie als Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl in Hessen krachend gescheitert ist. Die Rücktrittsforderungen aus der Union werden die sozialdemokratischen Reihen zunächst erst recht schließen. Doch das ist nur akute Notwehr. Alles spricht dafür, dass Faeser nicht mehr lang im Amt bleibt. Und das wäre auch nicht gut.
Faeser hat keinen Schicksalsschlag erlitten, weil sie gezwungen wurde, gegen einen übermächtigen Gegner anzutreten. Nein, sie hat sich die Kandidatur in Hessen selbst ausgesucht. Offenbar glaubte sie, den blassen CDU-Ministerpräsidenten Boris Rhein durch die Kraft ihrer Persönlichkeit schlagen zu können. Das war ein krasser Fehler, der sich nun bitter rächt. Nicht nur für Faeser. Mit ihrem monatelangen Teilzeitjob als Wahlkämpferin mitten in bundespolitischen Krisen hat sie der Ampel schwer geschadet.
Ganz egal, was man vom Innenministerium inhaltlich erwartet: Seine Führung ist angesichts des wachsenden Drucks von rechts selbst als Fulltime-Job extrem schwierig. Wer das überzeugend schaffen will, muss sich voll darauf konzentrieren, statt sich eine weitere Herausforderung zu suchen und sich wegzubewerben. Es war kein Wunder, dass die Hessen Faesers unnötiges Doppelspiel hart bestraften. Es war vorhersehbar. Warnungen gab es genug, ein Anruf bei Norbert Röttgen hätte genügt, der nach seiner Pleite in NRW auch als Umweltminister flog.
Es ist nett, dass Scholz nicht so schnell und knallhart reagiert wie Angela Merkel damals. Aber knapp 15 Prozent für Faeser, fast 20 Punkte hinter der CDU, sind ein klares Misstrauensvotum. Dabei bräuchte eine Innenministerin gerade jetzt ein besonders gutes Standing, um im Gegenwind von rechts Haltung zu bewahren. Kaum denkbar, dass Faeser das noch schafft. Wahrscheinlicher ist, dass die SPD bald einen Vorwand findet, um sie abzulösen. Die immer noch ungeklärten Umstände der Entlassung des Cybersicherheits-Chefs Schönbohm bieten sich an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?