Entführte im Gazastreifen: Nur Diplomatie kann sie retten

Die Geiseln im Gazastreifen können nur auf internationale Vermittlung und Verhandlungen hoffen. Eine gewaltsame Befreiung wird es kaum geben.

Fahrzeug mit offenen Türen und vielen verstreuten Gegenständen auf einer Straße.

Von der Hamas überfallene israelische Pkws beim Kibbuz Kfar Aza an der Grenze zu Gaza, 10. Oktober Foto: Ronen Zvulun/reuters

Bombardierungen, einstürzende Häuser, Menschen, die sich während eines Raketenalarms in Sicherheit bringen, sind nichts Neues im Nahen Osten. Doch Entführungen vor laufender Kamera hat es in Israel noch nicht gegeben. Es sind gruselige Bilder und es könnte noch schlimmer kommen. Die islamistische Hamas droht bereits mit der Ermordung der sich in ihren Händen befindenden Entführten – wieder vor laufender Kamera. Der Gedanke an den „Islamischen Staat“ drängt sich auf.

100, vermutlich sogar 150 Menschen sind von der Hamas verschleppt worden. Kinder und Alte, Frauen und Männer, ZivilistInnen und SoldatInnen befinden sich seit Tagen in den Händen der Terroristen. Wie sie dort behandelt werden, mag man sich kaum vorstellen. Die Entführten so unbeschadet und so schnell wie möglich aus dem Gazastreifen zu befreien, darum muss es jetzt gehen.

Wenig hilfreich ist deshalb, die Streichung von Geldern auch für humanitäre Projekte ins Spiel zu bringen. Wenig hilfreich ist auch das ständige Mantra, auf der Seite von Israel zu stehen. Natürlich tun wir das. Doch will man sich als potenzieller Vermittler nicht selbst disqualifizieren, muss man vielleicht nicht permanent darüber reden.

Deutschland wäre gerade wegen seiner engen Beziehung zu Israel durchaus ein Kandidat, schließlich gelang es dem Bundesnachrichtendienst im Jahr 2004, einen Gefangenenaustausch und die Befreiung des entführten Israelis Elhanan Tenenboim aus den Händen der libanesisch-schiitischen Hisbollah voranzutreiben. Und Deutschland hat das unmittelbare Interesse, eigene Landsleute zu retten, die sich offenbar unter den Entführten befinden.

Die einzige Alternative zu Verhandlungen ist ein absolutes Blutbad im Gazastreifen und vermutlich der Tod der Menschen, deren Hoffnung der internationalen Diplomatie gilt. Es muss nicht Deutschland oder nicht allein Deutschland sein. Ägypten hat einen mehr oder weniger guten Draht zur Hamas, und nach der von Israel verhängten Blockade ist der Gazastreifen auf den Nachbarn mehr denn je angewiesen.

Wobei klar ist, dass Ägypten kaum Ersatz liefern kann für den ausbleibenden israelischen Strom, das Wasser und die Nahrungsmittel für die rund zwei Millionen Menschen im Gazastreifen. Sich gegenüber Israel starkzumachen gegen ein Aushungern der palästinensischen Bevölkerung wäre auch ein Signal an die Hamas, dass die Solidarität Deutschlands mit Israel doch irgendwo an ihre Grenzen stößt.

Und dass nicht, wie es der israelische Botschafter in Berlin, Ron Prosor, erwartet, die Unterstützung andauert, egal zu welchen Maßnahmen man sich in Jerusalem entscheidet.

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1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.

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