piwik no script img

EU-RenaturierungsgesetzIn Trump-Manier gegen von der Leyen

EVP-Chef Weber will das Naturschutzgesetz verhindern – dabei ist es Teil des Green Deals der eigenen Kommissionspräsidentin. Und nun?

Protest in Straßburg: Umweltaktivisten um Greta Thunberg (rechts) am Dienstag vor dem Parlament Foto: Jean-Francois Badias/ap

Brüssel/Straßburg taz | Es war das Vorspiel für den großen Showdown. Einen Tag vor der entscheidenden Abstimmung über das europäische Renaturierungsgesetz am Mittwoch lieferten sich die Klimaaktivistin Greta Thunberg und deutsche Bauern ein Wortgefecht vor den Mauern des Straßburger Europarlaments. „Unsere Botschaft an die Politiker lautet, sich für die Natur und die Menschen statt für Profit und Gier zu entscheiden“, rief die Schwedin. „Wer hat denn bisher die Natur erhalten?“ fragten die Landwirte, die mit Traktoren den Zugang blockierten. „Wir Bauern“. Allein an diesem Julitag war deren Protest lauter als der Appell der Umweltschützer.

Mehr Lärm macht auch die Europäische Volkspartei (EVP). Die größte Fraktion im Europaparlament, die vom deutschen CSU-Politiker Manfred Weber geführt wird, ist auf Crashkurs gegangen. Sie will das Renaturierungsgesetz, das auf einen Entwurf von Kommissionspräsidentin und Webers Parteifreundin Ursula von der Leyen zurückgeht, endgültig zu Fall bringen. In drei Ausschüssen ist der Text, der als zentrale Säule im europäischen Green Deal gilt, schon gescheitert. Bei der letzten Abstimmung im Umweltausschuss Ende Juni war es mit 44 zu 44 Stimmen denkbar knapp. Weber soll nachgeholfen haben, indem er Befürworter des Entwurfs einschüchterte und von der Abstimmung fernhielt.

Alles Unsinn, erklärte der EVP-Chef am Dienstag in Straßburg. Der Druck gehe nicht von ihm, sondern von EU-Klimakommissar Frans Timmermans aus. Der Sozialdemokrat aus den Niederlanden weigere sich, einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen, und übergehe damit die Rechte des Europaparlaments. Schließlich sei es völlig normal, eine schlechte Vorlage zurückzuweisen. Ähnlich klingt es bei der FDP. „Wir fordern einen neuen, funktionierenden Gesetzentwurf“, sagt der deutsche Liberale Andreas Glück. Das Gesetz sei „dilettantisch“, echter Naturschutz funktioniere nur mit den Landnutzern. Deshalb müsse die EU-Kommission ihren Text überarbeiten.

Wie es ausgeht? Selbst erfahrene Abgeordnete wetten nicht

Das klingt fast wie in Berlin, wo die Opposition und die FDP eine Neuvorlage des Heizungsgesetzes der Ampel erzwungen haben. Doch Brüssel ist nicht Berlin. Das Initiativrecht für EU-Gesetze liegt bei der Europäischen Kommission, nicht beim Parlament. Zudem wurde der Green Deal bisher von einer ganz großen Koalition von ganz links bis gemäßigt rechts getragen.

Dass die EVP nun ausschert, halten viele EU-Abgeordnete für ein plumpes Wahlkampfmanöver. Dass Weber sogar bereit scheint, mit der AfD und anderen Rechtsextremen gemeinsame Sache zu machen, sorgt für Empörung. Weber agiere so populistisch wie der frühere US-Präsident Donald Trump, schimpft der Chef des Umweltausschusses, Pascal Canfin von den französischen Liberalen.

Canfin und seine Renew-Fraktion, aber auch Grüne, Sozialdemokraten und Linke wollen Weber stoppen und den „Green Deal“ retten. Sie setzen auf eine „konstruktive Koalition“, die die EVP beim finalen Votum am Mittwoch im Plenum überstimmen soll. „Im Plenum, wo Abgeordnete nicht einfach ausgetauscht werden können, wird sich zeigen, wie vereint die EVP hinter dem Rechtskurs von CSU-Mann Manfred Weber steht“, sagt Delara Burkhardt von der SPD. Ähnlich argumentiert Jutta Paulus von den Grünen, die Webers „Kreuzzug gegen den Green Deal“ stoppen will.

Allerdings gibt es ein Problem: Das Europaparlament konnte sich bisher nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Bei der Abstimmung am Mittwoch geht es daher zunächst um die Frage, ob der Gesetzentwurf abgelehnt und an die Kommission zurücküberwiesen werden soll. Erst wenn die Gegner scheitern, kommen die Befürworter zum Zuge – allerdings auf einer wackligen Grundlage.

Dann soll es um die Ratsposition gehen – also um den von den 27 EU-Staaten ergänzten Gesetzentwurf der Kommission. Die Parlamentarier müssen aber auch noch über 136 Änderungsanträge entscheiden – und das alles in eineinhalb Stunden. Kann das gut gehen? Selbst erfahrene Parlamentarier wollen keine Wetten wagen, wie die Abstimmung am Mittwoch ausgeht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

36 Kommentare

 / 
  • Super! Dann kann Niedersachsen ja nun endlich deutlich den Mund aufmachen und sagen, das NS die Küstenautobahn A20 nicht mehr will.

  • Wenn man mit Google-Earth in Kontinente reinzoomt, dann sollte eigentlich klar sein, dass dieser Planet verkauft ist. Sehr schön ist Nordamerika. Nichts natürliches, außer abermillionen Claims. Der Zug ist leider abgefahren außer die Menschheit halbiert, viertelt, achtelt sich selbst (friedlich und freiwillig)... und kommt vom Kapitalismus weg. Will keiner bzw. viel zu wenige! -> der Zug ist abgefahren

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Es hat bis hierher geklappt ! :-)



    Und jetzt?



    Was bedeutet "Verhandlucngen mit dem Mitgliedstaaten"?

  • Früher gab es mehr Büsche, Bäume, Hecken an den Feldrändern, die Blühstreifen waren breiter, es wuchsen mehr Kräuter am Wegesrand, es gab viel mehr Lebensraum für Insekten, Vögel und Kleinstlebewesen.....das ist alles dem Profit und der Optimierung zum Opfer gefallen, abgesehen davon, dass immer mehr Landwirte ihre Flächen verkaufen um dort Wohn- oder Industriegebiete entstehen zu lassen, also wo genau wurde hier Kulturlandschaft erhalten und von wem?

  • CSU gegen CDU. Interessant

    • @Heidi Schneider:

      Wenig überraschend. Die CSU war, ist und bleibt eine Partei, die maßgeblich durch die bayerische Landbevölkerung getragen wird. Sie sieht sich daher naturgemäß (nett gesagt) als Verbündeter der bayerischen Bauern (pointiert gesagt) als deren parlamentarischer Arm.

      Die CDU ist eher die Industriepartei des Rheinlandes und Württembergs als eine Landwirtschaftspartei (obschon sie natürlich auch einen großen bäuerlichen Flügel hat). Frau von der Leyen kommt eben gerade aus dem bildungsbürgerlich-konservativen und gerade nicht (wie Herr Weber) aus dem bäuerlich-konservativen Teil der Union.

      • @Kriebs:

        "... als Verbündeter der bayerischen Bauern (pointiert gesagt) als deren parlamentarischer Arm."

        Pointiert ist nur dass Bauern 2% der Bevölkerung ausmachen.

        Das da "drei Bauern von der Gülletankstelle" die Union unterwandert haben, ist wohl eher eine Verschwörungstheorie.

        Es ist wohl eher so, dass die CSU fast 50% der bayrischem Wähler repräsentiert.

        • @Rudolf Fissner:

          Es geht nicht darum, wen der einzelne CSU Abgeordnete genau repräsentiert. Da ist die Antwort des Grundgesetzes klar: Jeder Abgeordnete repräsentiert die gesamte Bevölkerung.

          Es geht um die politische Agenda und die ist bei der CSU deutlich agrarischer geprägt, als die der CDU.

          Eben weil Bayern auf dem Land eine starke bäuerliche Prägung hat und die CSU deren Befindlichkeiten und Forderungen (schon aus Angst vor den Freien Wählern, die einen niederbayerischen Landwirt an der Spitze haben) deutlich mehr vertritt, als die Schwester CDU.

  • Man wird in dem Artikel zwar auf ziemlich emotionale Wiese darüber aufgeklärt, wie trumpkesk es ist, gegen dieses Gesetz zu sein, nur leider nicht, worum es in dem Gesetz überhaupt geht - außer "irgendwas mit Naturschutz". Schade.

  • Wir sollen uns alle klar darüber werden dass wir in einer Kultur-, nicht einer Naturlandschaft leben.



    Diejenigen eng einzubeziehen, die diese Kulturlandschaft erhalten, kann doch nur Sinn machen.

    • @Stefan Amerein:

      Was soll dieses Gerede von wegen die Landwirte/Forstwirtschaft/Jäger erhalten die Natur eigentlich heißen? Geht's der denn schlechter ohne Pestizide, Holzeinschlag und Bleimunition?

    • @Stefan Amerein:

      Das ist Quark. Von wegen "Kultur" ...



      Die Landschaftsnutzer (früher nannte man sie Bauern) haben gefälligst MIT der Natur zu arbeiten und nicht dagegen - mit ihren viel zu großen schweren Maschinen und den giftigen Helferlein aus der Petrochemie. Deren Lobby gehört gezielt zerstört.

    • @Stefan Amerein:

      Das Problem ist nicht wirklich, daß eine Kulturlandschaft existiert, sondern daß immer mehr "Kultur" in die Landschaft gebracht wird und wurde. Im Interesse einer Optimierung für immer größere Maschinen wurden die bearbeiteten Flächen immer größer uud entscheidende Elemente wie Feldraine und Feldgehölze entfernt. Das ist nicht nur eine Verringerung von Lebensräumen für diverse Arten, sondern es ist auch das Entfernen eines natürlichen Erosionsschutzes. Bei der derzeitgen Entwicklung wundert man sich dann aber, wenn der halbe Acker entweder weggeweht oder aber auf die nächste Straße gespült wird.

      • @Wurstfinger Joe:

        Das jeden Tag ( also 365 X im Jahr ) über 50 Hektar für Industrie und Wohnraum zerstört werden hat natürlich keine negativen Auswirkung auf unsere Landschaft und Tierwelt. Aber würde man das anerkennen währen ja alle schuld und nicht nur die "bösen" Landwirte.

      • @Wurstfinger Joe:

        Das zu einem und dann Abend wir in Deutschland über 70% der Moore entwässert. Dies müßte dringend rückgängig gemacht werden um die Kohlenstoff Bindung wieder herzustellen. Statt dessen wird weiter Moor entwässert wie z.B. für die A20. Das ist mindestens genauso schlimm wie das abholzen der letzten Regenwälder für das sich alle Parteien in Deutschland angeblich einsetzen. Aber das ist ja auch einfacher, als sich in Deutschland um Naturschutz zu kümmern. Und natürlich könnten wir mehr wirkliche naturflächen ausweisen.

  • 4G
    48798 (Profil gelöscht)

    Leider sind wir in Deutschland und Europa diesen obszönen Machtmenschen scheinbar schutzlos ausgeliefert.



    Sie sorgen dafür, das weiter mit Öl und Gas geheizt wird, weiter mit Benzin und Diesel gefahren wird und weiterhin unsere Welt mit Künstdünger, Gülle und Ackergiften zerstört wird.

    Das nennt sich dann Demokratie.



    In Wirklichkeit hat das Volk hier leider garnichts zu sagen und darf lediglich die Folgen dieser destruktiven Lobbypolitik ausbaden.



    Wie unlängst im Ahrtal.

    • @48798 (Profil gelöscht):

      Wie wahr! Und von den rechten Spinnern werden diese lobbyierten Machtmenschen als Freiheitsbewahrer gefeiert

    • @48798 (Profil gelöscht):

      Wie wahr! Und von den rechten Spinnern werden diese lobbyierten Machtmenschen als Freiheitsbewahrer gefeiert

    • @48798 (Profil gelöscht):

      Naja, Weber wurde gewählt (jedenfalls war er Spitzenkandidat), von der Layen ist es trotz katastrophaler Leistungen als Verteidungsministerin mit freundlicher Unterstützung durch Frau Merkel geworden. Da stellt sich die Frage, wer hier der Machtmensch ist.

      • @Heidi Schneider:

        Das ist hier kein "interessantes" Spiel. Hier wird über ein gutes Stück Leben unseres Planeten gerichtet. Das sollte gewußt sein.

  • Dieses Gesetz ist nichts anderes als eine kalte Enteignung. Landwirten gehört zwar noch der Boden nur wird ihnen diktiert was sie darauf nicht mehr erzeugen dürfen. Genauso gut könnte man 10% der Wohnungen stilllegen, sie dürfen zwar die Miete dafür zahlen, dürfen sie aber nicht nutzen.

    • @Günter Witte:

      Hab mich neulich mit Landwirten unterhalten und letztendlich stammt mittlerweile bis zu 40% der Einnahmen rein aus Subventionen. Dann finde ich schon dass ein Mitspracherecht des Subventionsgebers bestehen kann und nicht Dinge passieren sollen die Umwelt und der Gesellschaft mehr Schaden als Nutzen.

      • @Opossum:

        Sie haben vollkommen recht das es eine Schande ist das unsere Landwirte auf Ausgleichszahlungen angewiesen sind, anstatt faire Preise für ihre Produkte zu erhalten. Aber mit dieser Politik verfolgt man zwei Ziele : billiges, hochwertiges Essen für die Bevölkerung und die Landwirte sind abhängig und müssen tun was verlangt wird.

    • @Günter Witte:

      Nur weil einem der Boden gehört darf man doch nicht machen was man will. Ich kann ja auch nicht ne Dampfmaschine im Garten aufstellen. Der Umweltschutz wird in der Regel ja auch gut vergütet.

      • @Gunnar Grannis:

        Solange es freiwillige Leistungen waren wurde dafür eine Erstattung bezahlt, wenn es verpflichtend ist gibt es nichts mehr, im Gegenteil bekommt man Sanktionen bei Verstößen.

  • ... und nun starten wir ein "Self-Xperience"-Projekt für technologie offene Politiker*innen: Als erster Kandidat darf Manfred Weber daran teilnehmen. Für ein paar Wochen darf er selbst ausprobieren, wie es ist, im Sommer ohne Rückzugsmöglichkeiten vor der Hitze, ohne Dach über dem Kopf auf dem Acker zu leben. Baden kann er in einem der Drainage-Kanäle, so sie denn noch "Wasser" führen. Diese würden ihm auch als Trink-Quelle dienen. Für die besondere Würze und Nährstoffe sorgen gratis Agrarindustrie und Bäuer*innen in Form von Gülle und Pestizide. Wenn er das Projekt, sagen wir 4 Wochen durchzieht, dürfte er dann über das Naturschutzgesetz abstimmen. Da wird er doch sicher nichts dagegen haben, oder?

  • Die CDU/CSU haben den Wahlkampf



    der Trumpschen Republikaner/Teaparty



    übernommen. War doch in den USA erfolgreich. Nun gibt es hier die Blaupause!!



    Das läßt nichts gutes für unsere Gesellschaft vermuten. Auch die sogenannte "Brandmauer" ist bereits nur noch Pappmasche....

    • @KielerSprotte:

      Ja, so sieht es aus. Gruß aus dem Saarland !

  • Ich sag's ja immer: die Berührungsängste der Konservativen mit den Populisten sind lediglich strategisch.

    Brandmauer? Mal so, mal so -- wie's gerade passt.

    Es wär nicht das erste Mal, dass diese Bande vor lauter Gier nach Macht und Geld die ganze Bude in Brand steckt,nicht wahr?

    Danach sind die Krokodilstränen gross und es heisst "wir haben nicht gewusst".

    Pfui Deibel.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    "Wir" Landwirte haben die Natur erhalten.



    Danke, und wo habt "Ihr" sie versteckt?

  • Da macht V.d.L. einmal was richtig dann ist ihr Parteifreund wieder dagegen.

  • "Natur erhalten" durch immer großflächiger Landwirtschaft mit weniger Menschen und mehr und größere Maschinen in überdüngten Monokulturen während die Humusschichten mit der Wind wegfliegen.



    Ich denke hier werden die Begriffe "Profit" und "Natur" irgenwie verwischt.

    • @Nilsson Samuelsson:

      Nicht nur hier. Bei CDSUFDP ist Profit das Leitmotiv, alles (!) andere hat sich unterzuordnen. Alles!

    • @Nilsson Samuelsson:

      Ach, das "Natur erhalten" ist doch wieder so ein Werbeslogan in der Art von "Fleisch ist ein Stück Lebensqualität".

      Klingt fluffig, aber bei mehr als nur oberflächlicher Betrachtung ist es einfach nur Schwachsinn.

      Aber hey, Konservative ziehen halt überwiegend dumme Menschen an, die belogen werden *wollen*, weil sie selbst nicht ehrlich sind, und sich auch nicht vorstellen können, dass es jemand anderes ist.

  • Ja ja, früher war alles schöner, besser und schwärzer.



    Nichts ist schlimmer als die CDU/CSU im Wahlkampfmodus.

    • 6G
      652797 (Profil gelöscht)
      @Axel Schäfer:

      Klar, die Grünen in Regierungsmodus. Die machen CDU Politik und werden heilig gesprochen.