Pestizidverbote und mehr Artenvielfalt: Bauern gegen EU-Naturschutzpläne

Pestizidverbote in Schutzgebieten vernichteten Höfe, so Verbandschef Rukwied. Mehr Flächen für Artenvielfalt zu reservieren gefährde die Ernährung.

Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands, spricht auf dem Deutschen Bauerntag

Deutscher Bauerntag 2023: Präsident Rukwied kritisiert den Verordnungsvorschlag der EU-Kommission Foto: Guido Kirchner/dpa

Berlin taz | Der Deutsche Bauernverband lehnt die zentralen Naturschutzvorhaben der EU-Kommission ab. Zwar habe die Behörde die „sensiblen Gebiete“ verkleinert, in denen künftig Pestizide verboten sein sollen, sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied zum Auftakt der Mitgliederversammlung seiner Organisation am Mittwoch in Münster. „Aber ihr Ansatz ist vom Grund her falsch, mit einem Verbot in gewissen Regionen den Pflanzenschutzmittel-Einsatz zu reduzieren“, fuhr der Landwirt fort. Denn ein Verbot wäre „existenzvernichtend“ für die betroffenen Höfe. Besser sei es, etwa durch Digitalisierung Pestizide einzusparen. Die Landwirtschaft gilt als ein Hauptverursacher des Artensterbens.

Auch an der von der EU-Kommission vorgeschlagenen „Verordnung über die Wiederherstellung der Natur“ ließ Rukwied kein gutes Haar. Denn sie bedeutet dem Bauernverbandschef zufolge: „Naturwiederherstellung auf 10 Prozent der Fläche – im Sinne Brüssels Herausnahme der Fläche aus der Produktion.“

„Das können wir uns schon aus Ernährungssicherungsgründen nicht leisten“, sagte Rukwied in seiner Rede. Solche Vorschriften seien auch der „schlechtere Weg“, um die Artenvielfalt zu erhöhen. „Unser Ansatz ist kooperativer Naturschutz“, so Rukwied. Er verwies auf das „Franz“-Projekt, bei dem Demonstrationsbetriebe Lösungen zeigen. Landwirte würden zum Beispiel gern Blühstreifen säen. Die Bauern könnten und wollten da mehr unternehmen – aber unter einer Bedingung: „Das muss dann auch honoriert werden, mit entsprechenden öffentlichen Mitteln.“

Martin Hofstetter, Agraringenieur der Umweltorganisation Greenpeace, warf Rukwied daraufhin eine „bewusste Fehlinterpretation“ des Verordnungsentwurfs zur Wiederherstellung der Natur vor. In diesem stehe nicht, dass die Agrarflächen stillgelegt werden müssten. Tatsächlich findet sich in dem Dokument nur die Formulierung, dass die Kommission die künftig nötigen Wiederherstellungspläne der Mitgliedsländer prüft auf „ihre Angemessenheit im Hinblick auf die Erfüllung … des Ziels, bis 2030 mindestens 10 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche mit Landschaftselementen mit großer biologischer Vielfalt zu gestalten.“ Wie dieses Ziel erreicht werde – etwa durch Wiesen, die selten geschnitten und gedüngt werden, oder Feldgehölze – bleibe offen, sagte Hofstetter der taz.

Noch mehr Geld trotz hoher Agrarsubventionen?

Er kritisierte auch, dass Rukwied trotz milliardenschwerer Agrarsubventionen nur zu mehr Umweltschutz bereit sei, wenn der Staat dafür extra bezahle. „Auch andere Branchen leben damit, dass zum Beispiel im Verkehrsbereich Abgasnormen verschärft werden. Wenn die Landwirtschaft nun mal nachweislich zum Rückgang der Artenvielfalt beiträgt, dann muss man da ordnungsrechtlich nachschärfen.“ Die von Rukwied gelobten Blühstreifen seien gerade stark zurückgegangen. Und am Modellprojekt Franz nähmen nur verschwindend wenige Betriebe teil. „Das ist alles nicht nachhaltig“, so Hofstetter.

Umweltschützer werfen Rukwied vor, die EU-Pläne zur Renaturierung falsch darzustellen

Die EU-Naturschutzvorhaben würden auch nicht die Ernährungssicherheit gefährden. „Wir sind Getreideexporteur. Wir haben eine Überproduktion an bestimmten Produkten, zum Beispiel Fleisch und Getreide“, sagte der Umweltschützer. Um die Weltmärkte zu entlasten, sei es effizienter, weniger Fleisch zu essen und zu produzieren. Denn bei der Erzeugung tierischer Lebensmittel gingen pflanzliche Kalorien für die menschliche Ernährung verloren.

Zur Reduktion der Tierzahlen sagte Rukwied jedoch nichts. Er forderte, das geplante staatliche Tierhaltungslogo, das zunächst mit unverarbeitetem Schweinefleisch im Einzelhandel starten soll, schnell zu erweitern. Wurst, die Sauenhaltung und Kantinen etwa müssten aufgenommen werden, so Rukwied. Auch eine Herkunftskennzeichnung müsse bald eingeführt werden.

Bundesagrarminister Cem Özdemir war Rukwied da schon weitgehend entgegengekommen. „Noch in diesem Jahr geht es weiter mit Gastronomie, mit den Ferkeln und dann Schritt für Schritt auf alle Nutztierarten und alle Vertriebswege der Tierhaltung“, sagte der Grünen-Politiker im Deutschlandfunk.

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