piwik no script img

Klimasubventionen für UnternehmenFörderung mit Haken

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Habecks Milliardensubventionen für grüne Produktion sind sinnvoll. Aber es fehlt eine Bilanz, wie viel Ökostrom Deutschland produzieren kann.

Mit Milliardensubventionen will Robert Habeck klimafreundliche Produktion in Unternehmen fördern Foto: Michael Kappeler/dpa

G rundsätzlich macht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck alles richtig mit seinem Milliardenprogramm: Die deutsche Industrie kann nur auf grüne Grundstoffe umstellen, wenn der Staat die Extrakosten ersetzt. Sonst würden die Firmen ihre internationale Konkurrenzfähigkeit verlieren. Richtig ist auch, nur Unternehmen zu fördern, die mit Ökostrom produzieren. Es wäre ja wenig sinnvoll für den Klimaschutz, fossiles Gas oder Öl durch fossilen Strom zu ersetzen, der etwa aus Kohlekraftwerken stammt.

Trotzdem hat Habecks Plan einen großen Haken: Bisher fehlt eine Bilanz, wie viel Ökostrom sich zu welchen Kosten in Deutschland insgesamt produzieren lässt. Dabei wäre auch einzurechnen, was es kostet, grünen Strom langfristig zwischenzuspeichern, um gegen Flauten und Dunkelheit gewappnet zu sein. Eine solche Bilanz wäre wichtig, um eine Art Bäumchen-Wechsle-dich-Spiel zu vermeiden, wenn der Ökostrom nicht für alle Interessenten reicht und knapp bleibt. In einem­­ solchen Fall würde zwar die subventionierte Indus­trie mit Ökostrom produzieren, dafür würden aber viele E-Autos und Wärmepumpen mit fossilem Strom laufen. Diese Variante wäre sehr teuer – und würde fürs Klima nichts bringen.

Dieses unschöne Szenario ist nicht unwahrscheinlich, denn die Flächen in Deutschland dürften nicht reichen, um genug Ökostrom für Industrie, Heizung und Verkehr zu produzieren. Deswegen ist Habeck bereits nach Namibia gereist, um dort ein Projekt für grünen Wasserstoff zu besichtigen, der dann als Ammoniak nach Deutschland importiert werden soll. Das ist kostspielig. Viel billiger wäre es, den Sonnen- und Windstrom direkt vor Ort in Namibia zu nutzen.

Die unbequeme Wahrheit ist, dass es wahrscheinlich am effizientesten wäre, einen Teil der energieintensiven Industrien in Deutschland auszulagern – in sonnen- oder windreiche Länder wie Namibia. Aber das ist derzeit politisch völlig undenkbar. Also wird jetzt erst einmal die heimische Industrie subventioniert.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • Ein Bäumchen-Wechsle-dich-Spiel innerhalb Deutschlands wie bei vielen Grünstromverträgen würde fürs Klima nichts bringen, fände aber auch nicht statt, wenn der Grüne Wasserstoff im sonnigeren Ausland erzeugt würde und nur zu Zeiten, in denen kein fossiler Strom im Netz ist.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Schönes Foto...



    Der Robert eilt zum Eiertanz,



    in der Hand die Wind-Bilanz.



    (War dada nicht was mit Insolvanz?)



    www.youtube.com/watch?v=z-y1Ul27WzI



    "Das ist ja keine klassische Insolvenz"

  • Hat Herr Habeck in seinem Ministerium eine Geldpresse stehen ???



    Umbau der Industrie, kein Problem, wird finanziell abgefangen, Umbau der Heizungen, kein Problem, wird finanziell abgefangen. Wenn er nicht selber das Geld druckt, wo bitte soll es herkommen ??? Und jetzt bitte nicht wieder die alte Leier es von den " Reichen " zu holen.

  • Also auch noch Deindustrialisierung zusätzlich zu Verzicht, Verboten und Rationierung. Cool, cool.

  • Wenn ich immer wieder lesen muß "...es rechnet sich nicht..." dann zweifele ich jedesmal an der Einsicht jener Verfasser. Ist es denn so schwer zu verstehen, daß jetzt unser Geld in die Transformationen fließen muß, die die Erderwärmung unter 2° C Erhöhung halten?

    Die monetäre Rendite können, ja müssen wir vergessen. Oder meint jemand, bei über 40° C im Schatten mit dem Zählen gewonnenen Geldes davon kommen zu können?

    Wer nicht glauben Will: Ein Blick auf ein handelsübliches Fieberthermometer mag da Aufschluß geben. Ab 41° C verabschieden sich die Eiweiße.

    So, da nich für.

  • Da habe ich Habeck deutlich mehr zugetraut,erschreckend mit welcher Naivität und Kurzsichtigkeit hier offensichtlich ein wichtiges Thema angepackt wird.

  • Importrekord für kolumbianischer Kohle

    "Der Import von kolumbianischer Steinkohle in Deutschland ist stark gestiegen. " www.zdf.de/nachric...utschland-100.html

    Und das, obwohl die Menschenrechte beim Kohleabbau dort fragwürdig sind.



    Da frage ich mich schon, ob für die Grünen nicht gilt, was man uns abverlangt.



    Wie war das nochmals mit dem Lieferkettengesetz, werter Herr Habeck - ach so gilt für Sie nicht.

  • Robert H. greift nach Strohhalmen. Kein Konzept für die Wirtschaft, keine Forschung, keine Vorausplanung die weiter als gestern geht. Er kanns halt nicht und seine NGO Spezis und Verwandte könnens auch nicht. Da befindet er sich mit Olaf, Annalena, Steffi, und wie sie alle heissen auf einer Linie. Leider weiss keiner wo die Linie hingeht...

  • """



    Die unbequeme Wahrheit ist, dass es wahrscheinlich am effizientesten wäre, einen Teil der energieintensiven Industrien in Deutschland auszulagern, in sonnen- oder windreiche Länder wie Namibia. Aber das ist derzeit politisch völlig undenkbar.



    """

    Das regelt der Markt von ganz alleine Fr. Herrmann. Besser die Politik da einfach komplett rauslassen. Dann wird auch das Undenkbare möglich.

    • @Shaftoe:

      Das regelt der Markt von ganz alleine - sofern der ökologische Rucksack von Importprodukten mitgezählt wird und der CO2-Preis ausreichend ansteigt.

      So lange das nicht der Fall ist, sind ein paar Anschubprojekte förderwürdig, mit denen Erfahrungen und Zeit gewonnen können.

  • Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass der Strompreis ab 2030 nicht deutlich guenstiger wird, wie immer versprochen. Dafuer steigt die Nachfrage zu sehr.

    Und auch wenn Sonne und Wind kostenlos sind, die Erzeugung von Strom ist es nicht und der notwendige Ausbau der Stromnetze und die Speicherung des Stroms erst recht nicht. Wir haben ca 50% Strom aus Sonne und Wind. Daenemark mehr als 60% - ist es reiner Zufall, dass genau in diesen beiden Laendern der Strompreis am hoechsten ist?

    Ich sags mal so: Unter diesen Bedingungen wird sich eine Waermepumpe inklusive Sanierungskosten nicht in 2030 rentieren und auch nicht in 2040. Folgendes wird passieren:



    Ab dem Zeitpunkt des europaeischen Emmissionshandels wird der CO2-Preis erstmal sinken. Und in den folgenden Jahren auch nicht in dem Umfang steigen wie es noetig waere, aus rein politischen Gruenden - schliesslich kann die EU ja nicht die industrielle Basis in grossen Teils Ost- und Suedosteuropas lahmlegen.



    Und selbst wenn der CO2-Preis irgenwann bei 200 Euro ist - es rechnet sich nicht.

    Das hat mit der Waermepumpe an sich wenig zu tun. In Norwegen, Island oder Frankreich klappt das hervorragend - aber wir haben weder ausreichend Wasserkraft, Geothermie oder Kernkraft.



    Letztere ist selbst im Vorzeigeland der Erneuerbaren wieder im Gespraech. Europa schaut auf Deutschland und sieht, wie man es nicht macht und steuert gegen.

    • @elektrozwerg:

      Ich sag’s mal so: ein Auto verliert jeden Monat so 500€ an Wert, Benzin kostet immer mehr und es gibt kein gefährlicher Verkehrsmittel (außer Motorrad).



      Und dennoch fahren alle Auto. Manchmal macht man Dinge die sich nicht „rentieren“.



      Klar wird das alles Geld kosten, aber das hätte man sich halt in den letzten 100 Jahren überlegen sollen, in denen man die Natur kostenlos ausgebeutet hat.



      Ach übrigens: bei uns hat es seit 20 Tagen keinen mm Niederschlag mehr gegeben. Im wichtigsten Kulturmonat des Jahres! Darum geht’s nämlich eigentlich und nicht um die persönlichen Emotionen zur Wärmepumpe.



      Noch als letztes: dank Wassermangel importiert Frankreich jedes Jahr Strom aus Deutschland weil es seine AKWs nicht kühlen kann…

      • @MichaelK:

        Wichtiger Hinweis zum Niederschlag im Mai. Wenn ich auf die Prognose der nächsten Wochen für Nordost schau, ist der einzige wasserfluss in meinen Augen zu sehen. Mit der Salzplörre kann die Landschaft aber auch nichts anfangen. Wie hoffnungsfroh war ich noch im April das es ein gutes Jahr wird , es scheint ich hatte mich geirrt. Das Niederschlag im Mai der wohl wichtigste für eine fruchtbare Natur ist wusste früher jedes Kind.



        Das traurige ist das das Thema Wasser in der Lokalpolitik und beim aktiven Handeln von uns Menschen vor Ort, weiter unterbelichtet ist, obwohl hier Handel vor Ort sehr effektiv sein kann.



        Das fängt beim weglassen der ständigen Toilettenspülung an , oder noch besser beim umstieg auf die pinkelflasche und Nutzung des verdünnten Urins als Dünger im Garten oder sonstwo.

  • " ... Sonst würden die Firmen ihre internationale Konkurrenzfähigkeit verlieren. ..."



    Ich lese immer nur dieses Postulat - aber niemals irgendwelche Zahlen die das rechtfertigen oder wenigstens stützen würden.

    Mich erinnert das mittlerweile an das alte "Wenn du nicht ... , dann kommst du in die Hölle"

    Und wir wissen alle, welches der alleinige Zweck dieses alten Postulates ist und war.

    • @Bolzkopf:

      Das ist leider kleines betriebswirtschaftliches 1x1. Energieintensive Bereiche wie eie Stahlproduktion, Glasproduktion, Teile der chemischen Industrie werden schon seit Jahren über Subventionen ihrer Energiepreise unterstützt und sind trotzdem noch immer teurer als in anderen Ländern. In den USA kostet Strom 1/3, in Russland 1/6 und wenn Sie kurz "Strompreise internationaler Vergleich" googeln, finden Sie weitere Angaben.



      Das Dünger z.B. nicht mehr in D, sondern in der UKR oder RU hergestellt wird, hat uns der Krieg vor Augen geführt.



      Ein Bekannter arbeitet für ein internationales Unternehmen, welches u.a. Farbstoffe herstellt. Erst wurde die Produktion von D nach ES verlagert, inzwischen sitzt sie in den USA und MEX. Er hat mir schon vor Jahren eine Deindustrialisierung D prognostiziert. "Wir verkaufen eine Einheit des Produkts X für 30 USD, in den USA kostet uns der Kostentreiber Energie 10 USD, in MEX 15, in D 50 USD". So einfach ist das.



      Jetzt könnte man sagen, was soll's, sollen die anderen doch die Basics produzieren, wir konzentrieren ihn aus Premium, bei dem nicht der Energiepreis, sondern das Know-How im Vordergrund steht. Aber auch da wird die Luft dünner und viele Unternehmen haben F&E und Produktion aus Synergieeffekten gerne zusammen, sprich es handelt sich potentiell um einen Dominostein.

      • @Martin Eugenio Restrepo:

        1x1 soso ... sie wissen sicher auch, dass das kleine 1x1 unendlich viele Aspekte ausblendet (unendlich im wahrsten Sinne des Wortes).

        Denn das kleine 1x1 unterschlägt nicht nur rationale Zahlen (und zwar unendlich viele) sondern auch irrationale Zahlen (und zwar unendlich unendlich viele)

        Aber um es kurz zu machen:



        Die Frage ist doch, welchen Wissenshorizont man den BWL'ern vermittelt bzw. vermitteln will.

        • @Bolzkopf:

          Sie bezweifelten das Argument des Verlust der internationalen Konkurrenzfähigkeit der Autorn. Ich habe Ihnen diverse Branchen und Beispiele genannt, welche dies unterstützen.



          Sie dürfen nun ersatzweise gerne philosophieren, das wird die Abwanderung Teile der deutschen Industrie nicht verhindern, denn nur eine Minderheit ist willens und/oder fähig das Doppelte oder Dreifache für ein Produkt zu zahlen, nur um sich moralisch überlegen zu fühlen.