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Studien zur Erhitzung des Ozeans3,6 Milliarden Atombomben ins Meer

Der Treibhauseffekt gibt viel Wärme in die Meere ab. Dadurch erhitzen sie sich so stark wie noch nie, zeigen neue Daten. Das hat weitreichende Folgen.

Die Erhitzung der Meere hat weitreichende Folgen für das Ökosystem Foto: Cavan Images/imago

Worum geht’s?

71 Prozent der Erde sind mit Wasser bedeckt. Die Meere haben einen maßgeblichen Einfluss auf das Klima. Leider gelangt Wärme viel einfacher in die Ozeane als beispielsweise in Sand oder Ton. Nach Erhebung des Weltklimarats IPCC haben die Weltmeere in den vergangenen Jahrzehnten 93 Prozent der Wärmeenergie aufgenommen, die durch den menschengemachten Treibhauseffekt zusätzlich in die Erdatmosphäre gelangt. Anfang Mai dieses Jahres hat die Universität Maine Messdaten veröffentlicht, nach denen sich die Weltmeere auf eine neue Rekordtemperatur erhitzt haben: 21,1 Grad Celsius waren das Anfang April im globalen Durchschnitt. Seit den 50er Jahren werden die Temperaturen der Meere gemessen. Der bisherige Rekord von 21 Grad war im Jahr 2016. Damals heizte das Wetterphänomen El Niño den Pazifik zusätzlich auf. Dieses Mal steht El Niño noch bevor. Die Weltwetterorganisation stufte die Wahrscheinlichkeit für El Niño für dieses Jahr auf 70 Prozent hoch.

Die Studie

Ein Team von chinesischen und US-amerikanischen Forschern wertete in einer neuen Studie, die in dem Fachjournal Advances in Atmospheric Sciences erschienen ist, die Wärmespeicherung der Meere aus. Dafür nahmen sie Messdaten von Satelliten, Messbojen, Schiffen und anderen Quellen und erfassten die Temperatur der Ozeane bis in 2.000 Metern Tiefe. Demnach nahmen die Weltmeere 2022 etwa 10 Zettajoule Energie auf. Diese Energiemenge entspricht hundertmal der weltweiten Stromerzeugung. „Steigende Wassertemperaturen beschleunigen den Energieaustausch zwischen Ozean und Atmosphäre“, erklärte Studienautor Lijing Cheng von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. „Dadurch erhöht sich die Luftfeuchtigkeit und das verändert global die Muster der Niederschläge und des Wetters.“ In einer früheren Studie hatte Lijing Cheng mit einem Team ermittelt, wie viel Energie die Ozeane bis 2019 insgesamt aufgenommen haben: 228 Zettajoule. Um diese unvorstellbare Energiemenge begreifbar zu machen, verglichen die Forscher diese mit Atombomben. „Über die letzten 25 Jahre haben wir Menschen den Meeren die Wärme von 3,6 Milliarden Hiroshima-Bomben zugeführt“, sagte Cheng. Das entspricht etwa 4 Hiroshima-Bomben pro Sekunde. Ein Vierteljahrhundert lang.

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Was bringt’s?

Dass das nicht ohne Folgen bleibt, ist gut erforscht. Der Weltklimarat IPCC erwartet beispielsweise, dass bei einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 1,5 Grad zwischen 70 bis 90 Prozent aller Korallen weltweit abgestorben sind. Bei 2 Grad Temperaturanstieg sind gar 99 Prozent vernichtet, auch die Kaltwasserkorallen. Korallenlose Meere hätten weitreichende Folgen für das Ökosystem. Viele maritime Nahrungsketten beginnen hier, ein Massensterben droht, das direkte Auswirkungen auch auf die Menschheit haben wird: Für jeden zehnten Mensch ist Fisch die wichtigste Proteinquelle.

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12 Kommentare

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  • Bereits 1965 warnten US-Wissenschaftler vor den Folgen steigender CO2-Emissionen für das Klima. - Die Mehrheit derer, die für die meisten CO2-Emissionen verantwortlich sind, hat sich für suicide by fossil wealth entschieden.

  • 3,6 Milliarden Atombomben...



    Würde man die zünden, brauchte Niemand mehr über 2,5grd wärmeres Klima Irgendwann in 50 Jahren gegenüber Irgendwann zum Ende der Kleinen Eiszeit diskutieren.



    Bitte laßt die Kirche im Dorf !



    Bekanntlich hätte schon die Zündung der Kernwaffen, die im Kalten Krieg gehortet wurden, locker die gesamte Erde zerstört.

    • @Matthias Berger:

      Der Vergleich bezieht sich auf die reine Energiemente gemessen in Joule. Die Unbewohnbarkeit der Erde in Folge eines globalen oder interkontinentalen Atomkriegs wäre aber kein Ergebnis der Sprengwirkung der Atomwaffen, sondern von strahlendem Fallout und nuklearem Winter.



      Globale Temperaturanomalien durch die Kleine Eiszeit waren nur "vom Ende des 16. Jahrhunderts bis in das letzte Drittel des 17. Jahrhunderts" feststellbar.



      Ihr Versuch zu unterstellen die Klimakatastrophe sei leidiglich das Artefakt eines falsch gewählten Referenzzeitpunkts trägt also nicht. Das Ende der Kleinen Eiszeit war eben deshalb das Ende weil sich die Temperaturen wieder normalisiert hatten. Aber selbst wenn man einen falschen Referenzzeitpunkt unterstellen würde, wäre eine Abschwächung der Erwärmung und schließlich eine Stabilieserung zu erwarten, tatsächlich aber haben wir es mit einer sich beschleunigenden Erwärmung zu tun die zudem signifikant mit den globalen Emissionen korreliert.



      de.wikipedia.org/wiki/Kleine_Eiszeit



      de.wikipedia.org/w...uren-Vergleich.png

    • @Matthias Berger:

      Richtig!



      Lasst uns endlich richtig Gas geben!



      Mindestgeschwindigkeit auf allen Autobahnen v. 130 km/h!

    • @Matthias Berger:

      Mir kommt es auch so vor, als hätte sich da jemand verzettalt. Aber 3,6 Millionen Hiroshima-Bomben würden die Kirchen auch nicht in den Dörfern lassen.

      • @0 Substanz:

        Nö, verzettalt hab ich mich, die 3,6 Milliarden stimmen schon.



        In der Hoffnung, daß mich niemand der Relativierung von Kriegsverbrechen beschuldigt: wir als Spezies sind wirkungsvollere Zerstörer als einige Individuen die Kriege und Kriegsverbrechen zu verantworten haben.

  • Es macht mich unfassbar traurig, mir eine Erde ohne Korallen vorzustellen. Es geht nicht nur darum, was das für Menschen bedeuten würde. Mit welchem Recht zerstören wir denn nicht-menschliches Leben auf diesem Planeten? Ich habe den Eindruck, die Menschheit war noch nie so lebensfeindlich wie heute.

  • Der Vergleich mit den Atombomben ist zwar etwas plakativ...vergegenwärtigt aber einen Aspekt, den offenbar viele noch nicht verstanden haben:

    -> wenn wir die Erde durch unser Tun erwärmen, heißt das auch, dass wir eine gigantische Menge an Energie in Atmosphäre, Erdoberfläche und Meere freisetzen..

    Und das bedeutet dann eben nicht nur, dass die Tempetaturen in unseren Breitengraden etwas kuscheliger werden - es bedeutet dass mit der Zunahme an Energie auch eine dramatische Steigerung in der geophysikalischen DYNAMIK einher geht...mit Wechselwirkungen, die z.T. unberechenbar und oft sehr Zerstörerisch ausfallen werden.

    (Um im Bild zu bleiben).. könnte man also sagen: das Klima wird nicht bloß wärmer...es wird auch EXPLOSIVER...

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Das erschreckende und doch bercchtigte Bild zur Verdeutlichung für die Menge der zugeführten Wärme weist in die Richtung, was "am Ende" von der Schöpfung auf der Erde - nicht - übrig bleiben könnte.

  • Danke! Ein wirklich schöner bildhafter Vergleich, das mit den Atombomben.

  • Das ist ja nun die Summe aller letzten Jahrzehnte und den Klimawandel gibts auch erst seit 3 Jahren. Was haben eigtlich Wissenschaftler in den 70/80 iger Jahre geschrieben und gewarnt. Hat man damals auch einfach ignoriert. Geht leider heutzutage nicht mehr. Fliegen und Fahren trotzdem weiter...gegen die WAND mit 190 KM/ sec.

    • @HAHABerlin:

      Naja, ein Crash miut Ansage halt. Was für die unvermeidliche Haftungsfrage ja auch nicht ganz unerheblich sein wird.