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Pressefreiheit in DeutschlandAbstieg um fünf Plätze

Im Pressefreiheits-Ranking von Reporter ohne Grenzen rutscht Deutschland auf Rang 21 ab. Hauptproblem sind mehr Angriffe auf Medienschaffende.

Gefährlicher Einsatz für Journalist*innen: Demo von „Querdenkern“ in Berlin im Juli 2022 Foto: Stefan Boness

Berlin taz | Krisen, Kriege und die anhaltende Ausbreitung des Autoritarismus haben dazu geführt, dass die Lage der Pressefreiheit laut der NGO Reporter ohne Grenzen (ROG) 2022 so „instabil war wie seit Langem nicht“. Einer anlässlich des Welttags der Pressefreiheit am 3. Mai veröffentlichten Rangliste von ROG zufolge ist die Situation in 31 Ländern „sehr ernst“, in 42 „schwierig“, in 55 gibt es „erkennbare Probleme“, und in 52 ist die Lage „gut“ oder „zufriedenstellend“.

Deutschland belegt Rang 21. Grund für den Abstieg um fünf Plätze im Vergleich zum Vorjahr ist unter anderem die wachsende Zahl der Angriffe auf Journalist:innen: Mit 103 physischen Angriffen auf Medienschaffende dokumentiert ROG den höchsten Stand seit Beginn der Zählung im Jahr 2015. Im Kalenderjahr 2021 hatte es 80 Angriffe gegeben, 2020 waren es 65. „Viele Regierungen und gesellschaftliche Gruppen versuchen, kritische Berichterstattung zu unterbinden“, sagte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske.

Erschreckend sei, dass die Zahl der Übergriffe in Deutschland auf ein Rekordhoch gestiegen ist. „Demokratische Regierungen müssen Medien in ihren eigenen Ländern unterstützen, den Druck auf autoritäre Regime erhöhen und auch Exilmedien stärken. Desinformation darf nicht die Oberhand behalten.“

Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Frank Überall, schlug am Dienstag eine zentrale Koordinierung von Schutzmaßnahmen für bedrohte Medienschaffende in Deutschland vor. Nach Angaben von Überall hatte das Bundeskriminalamt gegenüber dem DJV erklärt, „keine erhöhte Gefährdungsrelevanz“ für diejenigen Medienschaffenden zu erkennen, deren Namen auf „Feindeslisten“ bei Razzien im rechten Reichsbürger-Milieu gefunden worden seien. „Was muss eigentlich noch passieren, bis die Sicherheitskräfte erkennen, dass Journalistinnen und Journalisten im Visier der Rechtsextremisten sind?“, fragte Überall.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat Medienschaffenden die Unterstützung der Bundesregierung gegen Einschüchterungsversuche zugesagt. „Wir sehen leider auch in Deutschland, dass versucht wird, die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten zu behindern“, erklärte Buschmann am Dienstag zum Tag der Pressefreiheit. „Das dürfen wir nicht zulassen.“

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35 Kommentare

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  • Ich finde es problematischer, dass der Merkur damals die Enthüllungen im Hause Springer aus Furcht vor Vergeltungsmaßnahmen nicht veröffentlichen wollte. Diese Art von Presseeinschränkungen machen mir mehr Angst. Oder das verschwinden von unabhängigen Medienhäusern.

  • Die Ukraine hat sich um 27 Punkte verbessert.

  • Interessant wie sehr sich die Verhältnisse unterscheiden: 103 Angriffe im Jahr auf Medienschaffende sind eine große Internationale Meldung. 103 Angriffe auf Rettungskräfte nicht. Und 103 Angriffe auf Polizisten nennt man in Kreuzköln einen ruhigen Nachmittag...



    Offenbar sind einige Menschen wichtiger als andere (wer Übertreibungen findet darf sie natürlich behalten)

  • Da der Artikel den Kontext nicht nennt hier ein paar weitere Informationen.

    "Die meisten der Angriffe (52 von 80) ereigneten sich bei Protesten des „Querdenken”-Spektrums gegen Corona-Maßnahmen, an denen regelmäßig gewaltbereite Neonazis und extrem rechte Gruppen teilnahmen. "

    ... schreiben Reporter ohne Grenzen. Demgegenüber stand das Jammern der Querdenker über angebliche Polizeigewalt ( www.welt.de/politi...Polizeigewalt.html ) sowie konkrete Drohungen an Polizisten gerichtet ( taz.de/Querdenkeri...-Polizei/!5824420/ )

  • Danke an alle Journalist♥innen.* *Außgeschlossen derjeniger, die unter dem Deckmantel der Pressefreiheit politische Propaganda von Dritten kopieren, bewusst oder unbewusst Halb- und Unwahrheiten verbreiten, Werbung machen und verkaufen, Clickbaiting und Boulevardjournalismus betreiben - und natürlich alle, die mit einem Heiligenschein ihre Hörner kaschieren.



    Vielen lieben Dank!

  • Polizist:innen gibt es ja offenbar genug.



    Vor allen Dingen bei Demos.



    Also: Wo haben die ihre Augen ?

    Mein Vertrauen is die Politik ist so tief erschüttert, dass es mich nicht wundern würde wenn die lieben Politiker:innen garnichts dagegen haben, wenn über Demos und Aufstände Nichts berichtet wird.

    Und Buschmanns Lippenbekenntnisse sind genau das: Leere Worthülsen.

    Bleibt die Frage ist: Was tut die Polizei eigendlich ?



    Genau: Rechte schützen.

    • @Bolzkopf:

      Mit denen können se sich zusammentun. Die haben zu Coronazeiten "#Polizeigewalt" als Hashtag gekapert.

      • @Rudolf Fissner:

        Das verstehe ich nicht.



        Mit wem zusammentun ?



        Wer hat den Hashtag gekapert ?

        • @Bolzkopf:

          Sie haben sich doch sicherlich zuvor bei ROG über die Details und den Kontext der Aussagen informiert und nicht gedankenlos ihr Anti-Polizeigedöns runter geschrieben?

  • Angriffe auf Journalisten ist ein selbst gemachtes Problem. Angriffe auf Polizisten gehört ( für manche ) zum guten Ton, Angriffe auf Sanitäter und Feuerwehr wird stillschweigend toleriert. Um so weiter die Hemmschwelle sinkt, weil die Täter eigentlich nichts zu befürchten haben, kommen halt auch andere Personengruppen in gefährliche Lagen.

    • @Günter Witte:

      An alle die hier geantwortet haben : satteln wir das Pferd mal von hinten auf !! Würden Personen, welche Polizisten, Feuerwehr oder Sanitäter angreifen, wissen das ihnen erhebliche Strafen drohen würden sie es sich auch überlegen Journalisten anzugreifen !!!

    • @Günter Witte:

      Wie genau haben die Journalisten dieses Problem selbst erzeugt?

    • @Günter Witte:

      Wieviele Menschen kennen sie denn, die Polizisten angreifen weil das zum "guten Ton" gehört und wieviele Menschen kennen sie die Sanis attackieren weil da ja auch niemand Einwände gegen hat? Und wieviele Polizisten haben sie selbt schon verdroschen weil das ja nunmal gesellschaftlicher Usus ist?

      • @Ingo Bernable:

        Da muss ich dem Günter Witte mal beipflichten. Man muss niemanden kennen der Sicherheitskräfte, Feuerwehr und Sanitäter angreift. Es langt schon die Berichterstattung aus Berlin wenns um Demos, gleich welcher Art, geht. Es gehört auch meiner Meinung nach zum Guten Ton mancher um unseren Staat madig zu machen. Gerade in den politischen Randgebieten rechts wie auch links.

        • @Der Cleo Patra:

          Diese Berichte gibt es, richtig. Das ist aber etwas völlig anderes als die These, dass diese Gewalt allgemein toleriert würde oder gar 'zum guten Ton' gehören würde. Dass Gewalt gegen Vollstreckungsbeamte in der Breite der Gesellschaft absolut gar nicht toleriert wird kann man doch schon allein an den Empörungswellen sehen die diesen Berichten jedes Mal folgen.



          Abgesehen davon, sollte man sie mE aber auch ohnehin etwas kritischer betrachten, statt sich der allgemeinen Empörung unreflektiert anzuschließen, immerhin scheint eine angeblich immmer weiter zunehmende und entgrenzte Gewalt, selbst gegen Sanis und Feuerwehr bei einem allgemeinen Trend zu immer weniger Gewaltdelikten und einer immer niedrigeren Toleranzschwelle gegenüber Gewalt eher unplausibel. Man sollte also durchaus auch schon mal nachfragen ob die Zunahme nicht doch letztlich eher auf ein verändertes Anzeigeverhalten oder niedrigschwelligere Kriterien zurückgeht.

        • @Der Cleo Patra:

          Also selbst Schuld. Klingt nach rechter antidemokratischer Meinung.

    • @Günter Witte:

      Angriffe der ehemaligen "Sicherheitskräfte" gegen die Bürger die sie eigentlich schützen sollten!!! Von daher sollten Sie bitte Ihr Gedankenspektrum erweitern.

    • @Günter Witte:

      Angriffe auf Journalisten sind kein "selbstgemachtes Problem", sondern ein Ausdruck der schlichten Tatsache, dass mancher - vor allem im Osten - mit anderen Meinungen absolut nicht klarkommt. Von Fakten (z.b. einer "Diktatorin", die freiwillig in Rente geht) mal gar nicht zu reden

      Aber nach erst der braunen und dann der roten Diktatur hatte man sich so schön daran gewöhnt, dass andere das Denken übernehmen, als das plötzlich wieder selbstständig passieren sollte, waren - und sind - viele "drieben" völlig überfordert. Und haben ihre "Fähigkeiten" putzigerweise an die Nachkommen weitergegeben

      • @Kaboom:

        Drittes Reich und DDR gleichsetzen ist erst mal generell sehr nah dran an der Verharmlosung des Dritten Reichs. Solche Geschmacklosigkeiten sollte man sich bitteschön einfach schenken.

        Was viele im Westen auch nicht wahrhaben wollen ist die Nähe zwischen ostdeutschen Rechtsextremen und westdeutschen bürgerlich-konservativen Kreisen. Uwe Tellkamp ist ja nicht der einzige Rechte dort, der in der DDR "Regime-Gegner" war. Faschismus und Anti-Kommunismus haben eine größere Schnittmenge, als Sie sich eingestehen möchten. Nach der Wende brach da hervor, was vorher gewaltsam (in dem Fall zu Recht) unter Verschluss gehalten wurde.

        Wer das Nazi-Problem im Osten unvoreingenommen betrachtet, sieht eben auch, wie weit es als Teil der westdeutschen Übernahme der DDR wachsen konnte, von den ökonomischen Verheerungen der Treuhand, die den fruchtbaren Boden bereitete über den Zustrom westdeutscher NPD-Kader und anderer Extremisten aus den alten Ländern über das systematische, ostentative Wegschauen von Kohl, Biedenkopf und Co. bei der Ausbreitung der Nazi-Banden und ihren Gewalt-Exzessen, mit denen die praktische Landnahme rechtsextremer Subkultur in der Provinz erfolgte. Oder gucken Sie sich an, wie der Neuzuschnitt der Wahlkreise in Sachsen nach dem Vorbild amerikanischen Gerrymanderings erst die Vormachtstellung der Union sicherte, dann aber während der Merkel-Jahre und den Wählerwanderung von "Mitte" Rechts bis Rechtsaußen zu den heutigen AfD-Hochburgen führte. Was halt passiert, wenn man sich alles so zurechtlegt, dass linke Stimmen möglichst wenig zählen.

        Wer die Nazis im Osten erklären will, muss nicht die SED in den Blick nehmen, sondern die CDU. Das mag heilige Kühe der westdeutschen Mythologie schlachten, aber das ist eh überfällig. Hufeisen-Theorie und ähnlicher Unfug werden uns nicht helfen gegen die AfD. Der Feind steht rechts, nicht rechts aber auch links. Behalten wir doch bitte das im Blick, was jetzt zählt, Nazis bekämpfen.

      • @Kaboom:

        Ich denke nicht, dass es speziell ein "Ost-Problem" mit der Meinungsfreiheit ist. Dort ist nur das generelle Gefühl des Abgehängtseins verbreiteter und damit die Bereitschaft, Erzählungen von "alternativen Fakten" zu übernehmen, die sie zu unschuldigen Opfern böser Machenschaften erklären. Aber das ist nicht neu.

        Neu ist, dass sich das häufiger in Aggression gegen Journalisten auswirkt, und das resultiert nach meinem Empfinden vor allem aus Internet-Blasen in denen solche Menschen eine Echokammer haben. Da findet eine von objektiver Medienberichterstattung unbeeiflusste gegenseitige Bestärkung in der Überzeugung statt, dass Andersdenkende mit ihren "alternativen Fakten" zum Einen richtig liegen und zum Anderen medial absichtlich untergebuttert und dämonisiert werden - und ihnen das ein Recht zur Gegenwehr gibt.

        Will sagen: Wut über das eigene Schicksal und ein grundsätzliches Problem mit Leuten, die einem die wohlfeilen Sündeböcke (Migranten, "die da oben", "die Reichen" etc.) nicht zugestehen wollen, gab es in gewissen Zahlen immer schon. Neu ist das kommunikationsbasierte Wir-Gefühl der Betroffenen, das sie motiviert, dafür zivilisatorische Grenzen zu überschreiten, den "Feind" offen anzugreifen.

        • @Normalo:

          Natürlich ist es primär ein "Ost-Problem". 2/3 der Angriffe auf Journalisten passierten im Osten

          www.reporter-ohne-...ste/rangliste-2023

          • @Kaboom:

            Dass es mehr Angriffe im Osten gibt, habe ich nirgends abgetritten. Mir ging es um die unterstellten Beweggründe, also besagtes ""Ost-Problem" mit der Meinungsfreiheit": Da sehe ich andere Gründe im Vordergrund, die freilich AUCH im Osten gehäuft relevant sein dürften (aber eben NICHT gleich einen anerzogenen Kriegsfuß mit wesentlichen Elementen der FDGO unterstellen).

            • @Normalo:

              Ok, anderes Beispiel. Wenn ich mich recht erinnere, ist es bei öffentlichen Terminen demokratischer Politiker im Osten (zu Wahlkampfzeiten aber auch während der Legislatur) inzwischen Standard, dass Leute "hau ab" brüllen.



              Also ich interpretiere das so, dass diese Leute nicht wollen, dass Politiker von Parteien, die andere Positionen vertreten als die von ihnen präferierten, nicht eben diese Positionen/Meinungen vertreten. Ist AFAIK ebenfalls weitestehend ein Ost-Phänomen.



              Wenn Sie kein Muster sehen, das all diese (und es gibt noch diverse andere) Indizien unter genau das "Dach" bringt, das ich nannte, .... nuja ...

      • @Kaboom:

        Diese Denkweise ist nicht ganz falsch, aber stark vereinfacht. Bei vielen "Ossis" ist es doch so, dass sich in der eigenen oder familären Erfahrung ergeben hat, dass die Demokratie für einen selbst nicht das brachte, was man sich so erhoffte. Ergo ist man enttäuscht und rennt nun anderen hinterher, die wie alles versprechen.

        Einen Mangel an eigener Kritikfähigkeit sehe ich aber auch, halte diesen aber für kein "ostdeutsches" Phänomen. Es ist eher das viel weiter verbreitete Phänomen, immer irgendwo "mitmachen" zu wollen, statt selber zu denken.

        • @Bunte Kuh:

          Toleranz gegenüber anderen Meinungen hat IMO zunächst mal mit Demokratie wenig bis gar nichts zu tun. Hat etwas mit dem jeweiligen Weltbild, der Erziehung und dem kulturellen Hintergrund zu tun.

          • @Kaboom:

            Divergierende Meinungen sind das Wesen und der maßgebliche Existenzgrund der Demokratie. Wer sie nicht tolerieren kann, kann auch mit Demokratie wenig anfangen und umgekehrt (sprich: wer mit Demokratie nichts anfangen kann, hat in aller Regel vor allem ein Problem damit, dass die auch andere Meinungen als seine gelten lässt).

      • @Kaboom:

        Das ist aber schön einfach.



        Wer hätte das gedacht.

        • @rollef:

          Das ist nicht "einfach", das sind Fakten.

          • 6G
            677755 (Profil gelöscht)
            @Kaboom:

            Und Fakt ist auch das Solingen,Mölln und Hanau in Westdeutschland liegen..Schon vergessen?Aber pflegen Sie ruhig Ihre Vorurteile.Das Sie dabei kein Deut besser sind als die Leute die Sie kritisieren ist übrigens auch ein Fakt.

            • @677755 (Profil gelöscht):

              Die Wahlergebnisse der Blaunen im Osten sind öffentlich zugänglich. 2/3 der Angriffe auf Journalisten finden im Osten statt. Über 50% der ausländerfeindlichen Gewalttaten finden im Osten statt. DAS ist Fakt.

              Entsprechend handelt es sich keineswegs um Vorurteile, sondern um gut begründete Urteile