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Video von Enthauptung eines Ukrainers„Übersteigt die Taten von Butscha“

Das Video über die mutmaßliche Enthauptung eines Ukrainers sorgt für breites Entsetzen. Auch Russland verspricht eine Untersuchung des Falls.

Wolodimir Selenski, Präsident der Ukraine, äußert sich zum Video Foto: Christoph Soeder/dpa

Charkiw taz | Ein Mann liegt auf dem Boden. „Es tut weh“, sagt er – es sind seine letzten Worte. Dann trennt ihm ein Maskierter mit einem Messer den Kopf ab. Im Hintergrund sind Schreie zu hören. Ein anderer Mann sagt über Funk oder Telefon: „Jungs, wir sind bei der Arbeit … schneide schon … was, noch nie einen Kopf abgetrennt?“ Das Video zeigt die Enthauptung eines Mannes mit ukrainischen Hoheitszeichen. Die maskierten Uniformierten sind als russische Besatzungsgruppen erkennbar. Von wann das Video stammt, ist unklar. Sehr grüne Blätter im Hintergrund lassen aber vermuten, dass es eher zu sommerlicher Jahreszeit aufgenommen wurde. Seit Dienstag geistert das Video durch verschiedene Telegram-Kanäle und hat seither für breites Entsetzen gesorgt.

„Ich habe seit Jahren, vor allem aber seit dem 24. Februar 2022 viel mit Menschenrechtsverletzungen von russischen Militärs, mit Vergewaltigungen, Gewalt und Morden zu tun. Aber dieses Video hat sogar mich schockiert“, berichtet Tamila Bespala, Rechtsanwältin der Menschenrechtsgruppe Charkiw, gegenüber der taz. „Und das ist erneut ein Beweis dafür, dass wir es mit einem Genozid zu tun haben.“

Der ukrainische Präsident äußerte sich ebenfalls zu dem Video. Das sei leider kein Einzelfall, kommentierte Wolodimir Selenski. „Wir hatten das in Butscha. Wir hatten so etwas tausende Male. Wir vergessen nichts. Wir werden den Mördern nicht verzeihen.“ Auch Menschenrechtsanwältin Bespala sagt: Was in Butscha und Irpen passiert sei, sei bekannt. „Doch das Ausmaß an Vergewaltigungen und Folter, was wir aus den Orten im Gebiet Charkiw wissen, die einige Monate besetzt waren, übersteigt noch um einiges die Verbrechen von Butscha und Irpin“, sagt sie.

Kein Wunder also, dass derartige Verbrechen den Hass auf Russland und die Russen in der Ukraine weiter schüren. Die Hinrichtung zeige, so der ukrainische Journalist Denis Kasanki auf gordonua.com, dass die russischen Militärs „Abschaum der menschlichen Rasse“ seien.

Vor dem Hintergrund des Videos forderte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba den Ausschluss Russlands aus den Vereinten Nationen. Nun werde man das Enthaupten von Gefangenen nicht mehr mit der islamistischen Terrormiliz IS, sondern mit der russischen Besatzungsarmee assoziieren, sagte Ilja Baravanow vom russischen Dienst der BBC. Und für Petr Andrjuschenko, Berater des Bürgermeisters von Mariupol, ist klar, dass es nun gelte, „die russische Pseudokultur vollständig zu vernichten“.

Auch Russland äußerte sich: „Das ist in der Tat ein schreckliches Filmmaterial“, erklärte Dmitri Peskow, Sprecher von Kremlchef Wladimir Putin. Aber man müsse zunächst prüfen, ob das Material echt sei. Am Donnerstag kündigte die russische Staatsanwaltschaft denn auch eine Untersuchung an. Das Video sei an Untersuchungsbehörden weitergeleitet worden, um die „Echtheit des Inhalts“ zu prüfen und eine „angemessene“ Schlussfolgerung“ ziehen zu können, teilte die Generalstaatsanwaltschaft via Telegram mit. Die vorläufige Untersuchung kann in ein formelles Ermittlungsverfahren münden, zwangsläufig ist dies aber nicht.

Russlands Ankündigung ist ungewöhnlich

Die Ankündigung Russlands ist ungewöhnlich. Üblicherweise weist die Regierung alle Anschuldigungen zu Kriegsverbrechen in der Ukraine zurück. Ein kleines Hoffnungszeichen sieht auch Tamila Bespala. „Wir arbeiten mit Menschenrechtlern in Russland eng zusammen. Und von diesen haben wir gehört, dass in Russland Militärs wegen Menschenrechtsverletzungen an Ukrainern verurteilt worden sind“, sagt sie. „Ich glaube, die haben begriffen, dass sie sich früher oder später für derartige Verbrechen verantworten müssen. Und da sicherten sie sich im Vorfeld schon mit derartigen Urteilen ab.“

Doch derartige Verbrechen, so Bespala, geschehen in einem gewissen Kontext. Ohne Befehl oder zumindest stillschweigende Einwilligung wären diese Hinrichtung und andere Verbrechen nicht möglich gewesen. „Bestraft werden müssen die Auftraggeber und die, die derartige Verbrechen erlaubt haben“, fordert Bespala, die im Auftrag der Menschenrechtsgruppe Charkiw Kriegsverbrechen dokumentiert und diese dem internationalen Gerichtshof in Den Haag übermittelt.

Dabei ist das jüngst bekannt gewordene Video nicht die einzige Aufnahme von Misshandlungen und Hinrichtungen ukrainischer Militärs. Ende Juli vergangenen Jahres, so die Novaya Gazeta, kursierte im Internet ein Video von der brutalen Misshandlung eines Soldaten, dessen Uniform der ukrainischen ähnelte. Es zeigt einen Mann mit einem „Z“, dem Symbol der russischen Besatzungstruppen, der dem Gefangenen mit einem Teppichmesser die Genitalien abschneidet. In einem anderen Video, so das Blatt, wird einem Gefangenen in den Kopf geschossen.

Erst Ende März hatte die UN-Kommission zur Überwachung der Menschenrechte sowohl der russischen als auch der ukrainischen Seite die Exekution von Kriegsgefangenen vorgeworfen.

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26 Kommentare

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  • "Ich denke, dass diese Tat nur nochmal deutlich macht wie wichtig es mittelfristig wäre einen Verhandlungsfrieden zu erreichen"



    Echt? Die, wie sie es richtig beschreiben, grausame und demonstrative Ermordung eines ukrainischen Soldaten verstehen Sie als ein Signal Russlands, dass es an einer Verhandlunglösung interessiert ist?



    Natürlich hat der Vorgang eine Bedeutung, aber sicher nicht diese. Es geht darum, ukrainischen und vor allem russischen (!) Soldaten Angst vor der Gefangennahme einzujagen. Damit die zunehmend desolaten russischen Truppen tun, was der an Verhandlungen Nullkommnull interessierte Putin will: Weiterkämpfen.

    • @Barbara Falk:

      Antwort an @Alexander Schulz

  • @ Suryo und _Tester:

    Ich finde Kommentare wie die von Ihnen sehr verstörend. Das ist doch kein Spiel! Hier wurde ein Mensch grausam von russischen Söldnern getötet! Und sie fragen ernsthaft warum kein User diese Tat verteidigen möchte?

    Ich denke, dass diese Tat nur nochmal deutlich macht wie wichtig es mittelfristig wäre einen Verhandlungsfrieden zu erreichen, anstatt von irgendwelchen unrealistischen Zielen zu träumen.

    • @Alexander Schulz:

      Ich kann nur jedem empfehlen, dieses Video *nicht* anzusehen.



      Um des Andenken des Verstorbenen willen.



      Und für die eigene geistige Gesundheit.

      Ich komme aber nicht umhin, das Wording "Hinrichtung" zu hinterfragen.



      Im Allgemeinen Sprachgebrauch spricht man von einer Hinrichtung meist nur in Verbindung mit einem Todesurteil, bevorzugt aus einem fairen Verfahren. Das mag es hier geben, oder auch nicht, es ist jedenfalls mir nicht bekannt.



      Auch wird mit einer Hinrichtung gerne ein gewisser ethischer Standard verbunden. Die hinzurichtende Person sollte dabei möglichst nicht leiden.

      • @metalhead86:

        Entschuldigung, da habe ich an der Kommentarbox wieder nicht aufgepasst. Das sollte ein eigenständiger Kommentar sein.

    • @Alexander Schulz:

      "Ich denke, dass diese Tat nur nochmal deutlich macht wie wichtig es mittelfristig wäre einen Verhandlungsfrieden zu erreichen, anstatt von irgendwelchen unrealistischen Zielen zu träumen."

      Das ist ein Oxymoron.



      Ein Verhandlungsfrieden ist unrealistisch, solange Russland glaubt, irgendwelche Gebiete der Ukraine erlangen zu können.

      • @metalhead86:

        Die harte Realität ist nun einmal, dass Russland das sehr wohl kann.

        Jetzt können wir natürlich einfach so weiter machen wie seit Beginn des Krieges und irgendwelche unrealistischen Ziele ausrufen, wobei das bisher nicht besonders gut geklappt hat. Um so länger der Krieg um so ungünstiger werden wohl leider die Konditionen für die Ukraine.

        Meiner Meinung sollte es vorrangig um realistische Ziele gehen, die vor allen Dingen den betroffenen Menschen helfen!

        Und ja, wenn es bedeutet, dass ein Hauptteil der Menschen im Donbass, Krim usw nicht zur Ukraine gehören möchte oder mehr Autonomie haben möchte, dann sollten wir das vielleicht akzeptieren. Daran finde ich sollte ein Frieden nicht scheitern. Sezessionen hat es immer schon gegeben und würden auch nicht gegen das Völkerrecht verstoßen.

        Wir müssen mittelfristig rauskommen aus dem Schwarz-weiß Denken oder wir machen weiter wie bisher mit bekannten Ergebnissen.

        • @Alexander Schulz:

          Wie kommen Sie darauf, dass ein Hauptteil der Menschen im Donbass im Faschismus leben will? Und wenn: ist es nicht moralisch richtig, sie zu ihrer Freiheit zu zwingen?

          • @Suryo:

            "Und wenn: ist es nicht moralisch richtig, sie zu ihrer Freiheit zu zwingen?" - NEIN! ..."zur Freiheit zwingen" da muss man auch erst mal drauf kommen - aber wo kommt man da hin?

            • @paul meder:

              Was Suryo etwas verkürzt formuliert: Die Menschen in den 2014 besetzten Gebieten sind aktuell keine zu Selbstbestimmung fähigen Subjekte, die über Fragen wie Autonomie, Sprachpolitik, oder gar einen Sezessionswunsch informiert und bewusst entscheiden könnten. (Sezession war sowieso immer nur Thema einer radikalen Minderheit). Die politischen Institutionen und Vorbedingungen, die für notwendig wären – Rede- und Versammlungsfreiheit, freie Wahlen, , freie Presse etc. sind komplett zerstört. An ihre Stelle sind Repression und Propaganda getreten. Und so wird es bleiben, solange Putinrussland dort das Sagen hat. Erst müssen die politischen Freiheiten wieder her, dann können die Menschen wieder Subjekt werden, herausfinden, was sie wollen, und diese Freiheiten gebrauchen. (Das gilt übrigens genauso für die Bevölkerung in Russland).



              Und wer ist überhaupt gemeint, wenn @Alexander Schulz über die „Bevölkerung“ spricht? Aus den 2014 besetzten Gebieten sind große Teile der Bevölkerung abgewandert, im Donbas wurde das, anders also auf der Krim, noch nicht mal durch Ansiedlung von Russen aus dem Mutterland kompensiert. Karl Schlögel hat das, was nach 2014 mit Donezk und Lughansk geschehen ist, sehr treffend „Urbizid“ genannt. Zu dieser Zerstörung der kulturellen und sozialen Lebenswelt des Donbas kommt nun die physische Zerstörung hinzu. Orte werden dem Erdboden gleichgemacht, die Männer seit dem ersten Kriegstag zwangsrekrutiert. So „bedankt“ sich Putin bei dem Teil der Bevölkerung, der geblieben ist.



              Die „russische Welt“ des Donbas, wie sie bis 2013 existierte, gibt es bereits nicht mehr, Putin hat sie unwiderruflich zerstört. Kein Referendum wird sie wieder herbeischaffen.

        • @Alexander Schulz:

          Ein Frieden, bei dem Russland Gebiete der Ukraine erhält ist aber kein Verhandlungsfrieden, sondern ein Diktatfrieden.

          Und solange es noch einen Rest unabhängige Ukraine gibt, ist dieser Frieden nur eine Atempause bis zum nächsten Krieg.

          Und da haben wir die Grausamkeiten abseits der Kampfhandlungen, um die es in dem Artikel eigenltich geht noch gar nicht bedacht.

          • @metalhead86:

            Ich verstehe natürlich ihre Meinung. Natürlich kann man auch weitermachen wie bisher. Es gab ja "erst" 10 Mobilisierungwellen...aber was ist ihr Vorschlag wenn es nichts mehr zu mobilisieren gibt? Ist es das wert?

            • @Alexander Schulz:

              Fragen Sie das ernsthaft mich?

              Fragen Sie die Ukrainer, ob ein Leben in Freiheit das wert ist!



              Fragen Sie die Russen, ob das russische Großreich das wert ist!

    • @Alexander Schulz:

      Nein, das frage ich nicht.

      Ich frage, warum Kommentatoren, deren Namen ich nennen könnte, aber wahrscheinlich nicht darf („Netikette!”), sich unter solchen Meldungen niemals melden. Ginge es hier darum, dass ein ukrainischer Soldat einen russischen getreten hätte, wären sie nämlich sofort zur Stelle. Und erst recht, wenn mal wieder irgendwer in einem Manifest “Verhandlungsbereitschaft” vom Opfer des russischen Angriffskrieges fordert.

      • @Suryo:

        Okay, ich verstehe was Sie meinen.

        Es gibt hier aber schon genügend User, die hier ihr Entsetzen zum Ausdruck gebracht haben. Einige von denen Usern, die sie vermutlich meinen, schalten sich vor allen in Diskussionen einen, die zu Unrecht sehr einseitig sind. Hier gibt es aber dafür nun wirklich keinen Anlass.

    • @Alexander Schulz:

      Russland will keinen Verhandlungsfrieden, in dem Moment wo Russland ernsthaft mit der Ukraine verhandelt ist Russland keine Weltmacht mehr. Darüber hinaus würde die Formel "land für Frieden" heißen Ukrainer genau jenen Kopfabschneidern zu überlassen.

      • @Machiavelli:

        Als Information am Rande: Die Formel "Land für Frieden" kommt aus dem Nahen Osten und hat zu dauerhaften Frieden zwischen Ägypten und Israel geführt.

        Ich kann natürlich ihre Argumentation sehr gut nachvollziehen. Das Problem ist leider, dass die Realität dazu nicht passt. Wollen Sie wirklich auf ein "Weiter so" setzen und auf ein Wunder hoffen? Was ist ihr Plan B, wenn das Wunder aus ausbleibt? Der "Heldentot"?

  • Böse Zungen würden sagen: die russische Generalstaatsanwaltschaft ermittelt, damit man weiß, wem Putin den Orden verleihen soll.

  • Wo sind hier die üblichen Verdächtigen, die sonst immer anmahnen, in punkto Russland "nicht in Schwarz-Weiß-Denken zu verfallen" und "zu differenzieren" oder darauf verweisen, dass die Ukraine ja nun auch nicht so ganz unschuldig sei?

    You know who I mean.

    • @Suryo:

      Ich verstehe und teile den Punkt, aber korrekterweise muss man aber auch auf den letzten Satz des Artikels verweisen: "Erst Ende März hatte die UN-Kommission zur Überwachung der Menschenrechte sowohl der russischen als auch der ukrainischen Seite die Exekution von Kriegsgefangenen vorgeworfen."

      Das ist natürlich nicht das Gleiche wie die Enthauptung etc., aber es zeigt auch, dass - obwohl man sich nach wie vor klar auf die Seite der Ukraine stellen kann - es eben auch dort wichtig ist, dass darauf geachtet wird, dass Menschrechtsverletzungen unterbleiben. Dies stärkt die Position der Ukraine, vor dem Hintergrund solcher Verbrechen, ungemein.

    • @Suryo:

      Genau dasselbe frage ich mich auch :).



      Aber die werden schon wieder kommen.

  • Die russische Generalstaatsanwaltschaft postet auf Telegram. Die neue Weltordnung wird eifrig vorgelebt. Damit auch alle „Querdenker“ und Putinunterstützer gut informiert sind. Es ist alles so furchtbar.

  • "Russland verspricht eine Untersuchung des Falls"



    Lustig. Putin greift ein Nachbarland an, bombardiert massiv zivile Ziele, engagiert eine Söldnertruppe, lässt die Kriminelle rekrutieren und untersucht dann, was die tun. Das scheint mir vollkommen logisch. Through the looking-glass..

    • @moonwatcher:

      [...] Beitrag entfernt. Bitte beachten Sie die Netiquette. Vielen Dank! Die Moderation

  • So lange ist es nicht her, dass Killer der Wagner-Gruppe ein Video posteten, das die Hinrichtung eines Deserteurs mit einem Vorschlaghammer zeigte.

    Als das EU-Parlament darüber diskutierte, diesen Haufen als Terrorgruppe zu listen, ließ Prigoschin einen blutigen Vorschlaghammer an das Parlament schicken.

    Was sollte man solchen Leuten nicht zutrauen?

    • @Jim Hawkins:

      Korrekt. 👍