Petition von Wagenknecht und Schwarzer: Zwei wie Pech und Schwefel
Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer bilden eine überraschende Allianz. Sie fordern Verhandlungen im Ukraine-Krieg. Ihr Plan ist erwartbar schräg.
Unerwartet ist diese Allianz zwischen Links-Solistin Wagenknecht und Alt-Aktivistin Schwarzer schon. Doch auf den zweiten Blick ergibt sie Sinn. Beide gehörten in den letzten Monaten zu den prominentesten Stimmen in der deutschen Öffentlichkeit, die sich gegen Waffenlieferungen und für Verhandlungen mit Putin positioniert haben.
Für ihre Petition haben sie zudem eine wilde Mischung prominenter Erstunterzeichner hinter sich versammelt. Unter ihnen finden sich Satiriker und EU-Parlamentsmitglied Martin Sonneborn, Zeitungsverleger Holger Friedrich, Theologin Margot Käßmann und Publizist und Politiker Jürgen Todenhöfer.
In ihrem Petitionstext auf change.org weisen beide zwar – gerade für Wagenknecht'sche Verhältnisse – überraschend deutlich darauf hin, dass Russland die ukrainische Bevölkerung „brutal überfallen“ hat und dass die Menschen dort Solidarität brauchen. Auch warnen sie vor der Gefahr eines maximalen Gegenschlags Putins.
Was bedeutet Frieden?
Doch es bleibt weiterhin die suggerierte Ähnlichkeit Russlands und der Ukraine. Schon in der Maischberger-Sendung sagte Wagenknecht, es kämpfe „der russische Oligarchen-Kapitalismus gegen den ukrainischen Oligarchen-Kapitalismus.“ Im Petitionstext wird nun nebulös formuliert, es sei Selenskis Ziel, Russland „auf ganzer Linie zu besiegen“. Meinen sie damit lediglich eine komplette Zurückeroberung ukrainischer Gebiete? Es mutet eher so an, als wäre die Formulierung extra undeutlich gewählt, um auch die Interpretation zuzulassen, der ukrainische Präsident wolle Russland erobern, „auf ganzer Linie“ eben.
Das ist stellvertretend für das Grundproblem, das so vielen Friedensforderungen in der öffentlichen Debatte der letzten Monate innewohnt. Die explizite Forderung nach Verhandlungen kann niemals verwerflich sein. Doch sind es vor allem die Zwischentöne, die sich implizit in den Ausführungen Wagenknechts, Schwarzers und anderer Gleichgesinnter verstecken und Haltungen transportieren, die kontrafaktisch und ideologisch anmuten.
Sogar wenn man diese Zwischentöne nicht wahrnimmt und sich auf Sachebene mit den formulierten Zielen auseinandersetzt, bleiben altbewährte Widersprüche in Wagenknechts und Schwarzers Logik offen. Wie kann man sich in Verhandlungen auf Putin verlassen, nachdem er jahrelang immer wieder gelogen und Abmachungen gebrochen hat? Inwiefern kann man „Schaden vom Volke wenden“, wenn man Kriegstreiber Putin mit Appeasement-Politik stärkt?
Ein Frieden im Sinne eines Einfrierens der Frontlinien, wie es Wagenknecht so häufig gefordert hat, würde wohl lediglich Russland stärken und wie schon in Verhandlungen nach der Krim-Annexion 2014 weitere Konflikte in die Zukunft verlagern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Resolution gegen Antisemitismus
Nicht komplex genug
Nach Ausschluss von der ILGA World
Ein sicherer Raum weniger
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben