Gedanken zum Klimaaktivismus: Empowerment ist kein Schulfach

#LütziBleibt – nicht. Protest bringt eh nichts, könnte man da sagen. Dabei lehrt einen der Aktivismus mehr fürs Leben als Uni oder Schule.

Vermumte Personen vor einem Schaufelradbagger

Hat es was gebracht? Klimaaktivisten am Tagebau Garzweiler Foto: Christian Mang/reuters

Lützerath wurde geräumt, RWE hat gewonnen und die Politik macht faule Kompromisse. Da könnte man fragen: Hat der ganze Klimaaktivismus überhaupt etwas gebracht?

Ich finde: ja. Denn nichts ist sinnstiftender als Aktivismus und nichts empowert junge Menschen mehr, als gemeinsam die Welt zu verändern. Ohne Klimaaktivismus wäre ich heute weder Kom­mu­nal­po­li­ti­ke­r*in noch Autor*in. Ohne all die Aktio­nen würde ich in zwei Wochen auch nicht mein erstes Musikprojekt veröffentlichen.

Kann ich wirklich Kommunalpolitik machen? Wie schreibt man ein Buch? Wie gründe ich ein Unternehmen? Das sind Fragen und Fähigkeiten, die Selbstbewusstsein erfordern. Studium oder Schule haben mich darauf nicht vorbereitet. Erst der Klimaaktivismus hat mir das Gefühl gegeben, dass ich das Recht habe, politische Teilhabe einzufordern – und dass ich das kann.

Bei Fridays for Future habe ich Dutzende junge Menschen in ganz Deutschland kennengelernt. Die meisten waren damals, so wie ich, gerade mal 18 und steckten zwischen Schule und Ausbildung. Die wenigsten wussten, wie man Pressearbeit macht oder einen Bus von Mainz nach Lützerath organisiert. Heute haben wir eins gemeinsam: Die Dinge, die wir tun, würden wir nicht machen, wenn wir keine Kli­mak­ti­vis­t*in­nen wären. Warum? Weil das Engagement bei Fridays for Future etwas schafft, woran unser Schulsystem scheitert – echtes Empowerment.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

2020 haben wir in Mainz eine Demo angemeldet, zu der nur 700 Menschen zugelassen wurden. Das war unfair, also wollten wir klagen. Das Gespräch mit dem Ordnungsamt hat sich angefühlt, als säßen wir als Fünft­kläss­le­r*in­nen beim Rektor. Der Leiter der Versammlungsbehörde gab uns zu verstehen, dass er persönlich gekränkt sei. Fragte, was wir uns erlauben würden, seine Entscheidung anzuzweifeln, und überhaupt, Fridays for Future, die wären doch immer so kooperativ gewesen.

Ich habe mich erniedrigt gefühlt, er hat uns klein gemacht. Aus unserer Euphorie, zu klagen, wurde Unsicherheit und Angst. Was, wenn wir verlieren? Als Gruppe waren wir mutig genug und haben trotzdem geklagt. Im Rückblick wirkt das fast lächerlich – vor allem, weil das Verwaltungsgericht noch am selben Abend unserem Eilantrag recht gab. Das war ein ermutigender Moment, den ich so in keiner Schulstunde und in keiner Vorlesung erlebt habe.

Mutige Persönlichkeiten

Oft heißt es, dass junge Menschen Politik uninteressant finden oder dass die Jugend immer unselbstständiger wird. Aber wer mit 18 fast das ganze Land in Bewegung gesetzt, Demonstrationen organisiert und Busse gechartert hat, der lernt nicht nur viel in diesen konkreten Momenten, sondern wird auch im späteren Leben eher sagen: Ich mache das jetzt.

Im besten Fall kann man mit Klimaaktivismus die Welt verbessern. Im zweitbesten Fall entwickeln sich junge Menschen zu Persönlichkeiten, die mutiger durchs Leben gehen und die Dinge umsetzen, auf die sie Lust haben. Auf Youtube erzählt der Neoliberalismus jungen Menschen, „Macher*innen“ wären diejenigen, die im Ralph-Lauren-Hemd Sportwagen fahren und ihr Geld mit Krypto verdienen. Natürlich wissen viele, dass das Quatsch ist und der Begriff „Macher*in“ mindestens ein bisschen cringe. Aber sind Ma­che­r*in­nen nicht eigentlich diejenigen, die in ihrer Jugend Klimakongresse organisieren, Proteste planen und dabei versuchen, einen Großkonzern daran zu hindern, die Kohle aus dem Boden zu holen?

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