Lieber Freundschaft als Beziehung: Ich will keine „Bekannten“

Un­se­r*e Au­to­r*in hat Sorge, dass die Freun­d*in­nen alle in Zweier-Beziehungen verschwinden. Schöner wäre: ewig Freundschaft.

Zwei Personen halten sich an den Händen

„Wir sagen uns oft, dass wir uns lieben.“ Foto: Maskot/imago

Freundschaft bedeutet mir viel. Sehr viel sogar. Wenn ich an meine Freun­d*in­nen denke, denke ich an Menschen, die mir immer mehr bedeuten, als ein*e Part­ne­r*in es je tat. Ich erinnere mich an unzählige Abende auf der Couch, an das gemeinsame Einschlafen, an kleine und große Urlaube. Ich denke an Menschen, die sich für mich wie Familie anfühlen.

Aber letztens bekam ich Schiss. Ein Freund nahm mich mit, um einen Ring auszusuchen, ich sollte ihn beraten. Er ist verliebt, erzählte von der erträumten Zweisamkeit mit der Ehefrau in spe – und ich dachte nur: Stopp. Ist das jetzt der Punkt, an dem ich meine Freun­d*in­nen verliere? Stehen wir bald auf Gartenpartys, grillen Würstchen und reden über Hypotheken, Bausparverträge und Kinderwägen? Ich denke an meine Eltern, an die Eltern meiner Freund*innen. Auch sie hatten mal tiefe, enge Freundschaften. Aber heute ist davon vieles verblasst. Ob meine Eltern das bereuen? Ist halt so, sagen sie dann. Da war der Partner, da das Haus, der Job und dann die Kinder. Aber sie klingen, als würden sie es ein bisschen bedauern.

Meine Freun­d*in­nen und ich sagen uns oft, dass wir uns lieben. Und dass wir uns nicht einfach so aus den Augen verlieren werden. Aber kaum schaue ich in die richtige Erwachsenenwelt, scheint zwischen Familienleben und Arbeitsstress nicht viel davon übrigzubleiben. Das macht mir Angst. Ich will nicht, dass wir nicht mehr füreinander da sind, dass die gegenseitige Unterstützung aufhört. Ich will unsere freundschaftliche Liebe nicht eintauschen gegen die vermeintliche Idylle einer bürgerlichen Existenz.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

In dieser Welt sind die meisten Menschen nur noch Bekannte. Ich hasse dieses Wort. Was soll das sein? Menschen, die man kennt, aber zu denen man bloß keine tiefere Bindung aufbauen möchte? Mit denen man sich zum Kaffee und Kuchen trifft, aber mit denen man keine Sorgen anvertrauen will? Ich will keine Bekannten in meinem Garten empfangen. Ich will Menschen empfangen, mit denen ich zusammen weinen und Händchen halten kann, von denen ich weiß, dass ich für sie da bin und sie es für mich sind.

Aber was, wenn ich am Ende so werden wie meine Eltern und zwischen Partner*in, Kind und Job am Ende die freundschaftlichen Bindungen vernachlässige? Was werden die Versprechen und unsere platonischen Liebeserklärungen wert sein, wenn sie auf kurz oder lang mit der heteronormativen Ordnung der Kleinfamilie konkurrieren müssen? Ich will das nicht.

Der Druck der Paarbeziehung nimmt ab

Ich glaube aber, dass wir es als Generation Z schaffen, unsere Freun­d*in­nen nicht zu verlieren, nur weil einige von uns heiraten. Der gesellschaftliche Druck, sein Leben zu zweit zu organisieren, ist nicht mehr so hoch wie früher. Es gibt heute mehr Menschen, die Verantwortung füreinander übernehmen wollen, und das enge Korsett der heteronormativen Paarbeziehung dafür nicht brauchen. Auch die Politik plant endlich einen Rechtsrahmen für Verantwortungsgemeinschaften zu schaffen. Und soziale Medien machen es uns einfach, in Kontakt zu bleiben oder aus der Ferne am Alltag teilzuhaben, wenigstens ein bisschen.

Auch wenn wir nicht mehr spontan 650 Kilometer nach Berlin fahren, um auf ein Konzert zu gehen, tanzen wir hoffentlich weiter auf Christopher Street Days. Auch falls wir in 20 Jahren langweilig sind, können wir immer noch zusammen auf dem Sofa liegen und Trash-TV schauen. In unseren Wohnungen wird immer Platz für mehr als zwei sein.

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