Lieber Freundschaft als Beziehung: Ich will keine „Bekannten“
Unser*e Autor*in hat Sorge, dass die Freund*innen alle in Zweier-Beziehungen verschwinden. Schöner wäre: ewig Freundschaft.
Freundschaft bedeutet mir viel. Sehr viel sogar. Wenn ich an meine Freund*innen denke, denke ich an Menschen, die mir immer mehr bedeuten, als ein*e Partner*in es je tat. Ich erinnere mich an unzählige Abende auf der Couch, an das gemeinsame Einschlafen, an kleine und große Urlaube. Ich denke an Menschen, die sich für mich wie Familie anfühlen.
Aber letztens bekam ich Schiss. Ein Freund nahm mich mit, um einen Ring auszusuchen, ich sollte ihn beraten. Er ist verliebt, erzählte von der erträumten Zweisamkeit mit der Ehefrau in spe – und ich dachte nur: Stopp. Ist das jetzt der Punkt, an dem ich meine Freund*innen verliere? Stehen wir bald auf Gartenpartys, grillen Würstchen und reden über Hypotheken, Bausparverträge und Kinderwägen? Ich denke an meine Eltern, an die Eltern meiner Freund*innen. Auch sie hatten mal tiefe, enge Freundschaften. Aber heute ist davon vieles verblasst. Ob meine Eltern das bereuen? Ist halt so, sagen sie dann. Da war der Partner, da das Haus, der Job und dann die Kinder. Aber sie klingen, als würden sie es ein bisschen bedauern.
Meine Freund*innen und ich sagen uns oft, dass wir uns lieben. Und dass wir uns nicht einfach so aus den Augen verlieren werden. Aber kaum schaue ich in die richtige Erwachsenenwelt, scheint zwischen Familienleben und Arbeitsstress nicht viel davon übrigzubleiben. Das macht mir Angst. Ich will nicht, dass wir nicht mehr füreinander da sind, dass die gegenseitige Unterstützung aufhört. Ich will unsere freundschaftliche Liebe nicht eintauschen gegen die vermeintliche Idylle einer bürgerlichen Existenz.
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In dieser Welt sind die meisten Menschen nur noch Bekannte. Ich hasse dieses Wort. Was soll das sein? Menschen, die man kennt, aber zu denen man bloß keine tiefere Bindung aufbauen möchte? Mit denen man sich zum Kaffee und Kuchen trifft, aber mit denen man keine Sorgen anvertrauen will? Ich will keine Bekannten in meinem Garten empfangen. Ich will Menschen empfangen, mit denen ich zusammen weinen und Händchen halten kann, von denen ich weiß, dass ich für sie da bin und sie es für mich sind.
Aber was, wenn ich am Ende so werden wie meine Eltern und zwischen Partner*in, Kind und Job am Ende die freundschaftlichen Bindungen vernachlässige? Was werden die Versprechen und unsere platonischen Liebeserklärungen wert sein, wenn sie auf kurz oder lang mit der heteronormativen Ordnung der Kleinfamilie konkurrieren müssen? Ich will das nicht.
Der Druck der Paarbeziehung nimmt ab
Ich glaube aber, dass wir es als Generation Z schaffen, unsere Freund*innen nicht zu verlieren, nur weil einige von uns heiraten. Der gesellschaftliche Druck, sein Leben zu zweit zu organisieren, ist nicht mehr so hoch wie früher. Es gibt heute mehr Menschen, die Verantwortung füreinander übernehmen wollen, und das enge Korsett der heteronormativen Paarbeziehung dafür nicht brauchen. Auch die Politik plant endlich einen Rechtsrahmen für Verantwortungsgemeinschaften zu schaffen. Und soziale Medien machen es uns einfach, in Kontakt zu bleiben oder aus der Ferne am Alltag teilzuhaben, wenigstens ein bisschen.
Auch wenn wir nicht mehr spontan 650 Kilometer nach Berlin fahren, um auf ein Konzert zu gehen, tanzen wir hoffentlich weiter auf Christopher Street Days. Auch falls wir in 20 Jahren langweilig sind, können wir immer noch zusammen auf dem Sofa liegen und Trash-TV schauen. In unseren Wohnungen wird immer Platz für mehr als zwei sein.
Leser*innenkommentare
Paul Anther
Ist das die Zoomer-Variante von dem guten alten Männer-Meme, dass die Bros immer unweigerlich auseinandergehen, wenn Frauen ins Spiel kommen? Ein witziges Reel dazu war auch letztens wieder in meinem Insta-Feed. Nur in diesem Text natürlich mit den modernen platonischen Liebesschwüren, statt der Feststellung, dass Beziehungen kommen und gehen, Freunde jedoch bleiben und man habe ja bereits so viel gemeinsam durchlebt... Da zeigt sich, wer wahre Freunde sind und nicht nur Leute, die gerade nichts besseres, sprich Beziehung, haben, um sich Bestätigung zu holen. Gegen die Biochemie, die nichtplatonische Liebe quasi zur Sucht macht, kommt eben auch der moderne antimonogame Zeitgeist nicht an. Mal davon abgesehen, dass Kinder Zeitfresser sind und zwangsläufig die Zeit für nicht an der Erziehung beteiligte minimieren.
Ich habe letztens von einem "Trend" gehört, der Co-Parenting heißt. Funktioniert so: Mann und Frau, die keine fruchtvolle Langzeitbeziehung hingekriegt haben, aber dringend leiblichen Nachwuchs wollen, finden sich zwecks künstlicher Befruchtung und vertraglich geregelter anschließender Erziehung des Nachwuchses zusammen. Ganz ohne althergebrachte Normativität, die Konkurrenz für die platonischen Liebesbeziehungen darstellt. Gleichgeschlechtliche Paare kriegen das mit etwas mehr Technik und eventuell Leihmutter sicher auch hin. Könnte hier doch die Lösung sein.
Einige Leute sagen mir allerdings auch, dass Kinder ihnen erst die Möglichkeit gaben, sich selbst kennenzulernen und zu wachsen etc. Da Selbstoptimierung und der Versuch die beste Version des eigenen Selbsts zu werden in dieser Generation doch auch groß geschrieben werden, sollte der Autor das seinen Liebenden auch nicht verwehren, wenn sie das für sich beanspruchen.
Platonic Love hurts in Bumble times