piwik no script img

Schützenpanzer für die UkraineDer Weg zu Verhandlungen

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Berlins Lieferung von Panzern ist richtig und mit Washington und Paris abgesprochen. Kiew kann nur auf Augenhöhe mit Moskau über Frieden verhandeln.

Soll an die ukrainischen Truppen geliefert werden: Marder-Schützenpanzer der Bundeswehr Foto: Philipp Schulze/dpa

D ie angekündigte Lieferung von Schützenpanzern westlicher Bauart aus Deutschland und den USA ist eine gute Nachricht. Ja, auch für Pazifisten und im Hinblick auf eine diplomatische Lösung und baldigen Waffenstillstand. Das klingt zunächst paradox. Betonen doch die hiesigen Kri­ti­ke­r:in­nen der Waffenlieferungen – vor allem aus Linkspartei und AfD – dass die militärische Logik durchbrochen und ein Frieden nicht auf dem Schlachtfeld, sondern diplomatisch errungen werden muss.

Damit haben sie sogar recht. Eine Friedenslösung gibt es nur am Verhandlungstisch. Doch zu Verhandlungen müssen beide Seiten bereit sein – Russland und die Ukraine. Das ist derzeit nicht der Fall. Wladimir Putin führt einen offenen Krieg gegen die ukrainische Zivilbevölkerung, lässt Elektrizitäts- und Wasserwerke und sogar Kinderkliniken bombardieren und begeht damit offensichtliche Kriegsverbrechen.

Noch vor Weihnachten gab er sich in einer Rede vor hochrangigen Militärs weiterhin siegessicher und versprach ungebremste Aufrüstung. Auch wenn man einen Teil davon als Propaganda zum Zweck der inneren Ermutigung verbucht, ist davon auszugehen, dass Putin nur zu Verhandlungen bereit sein wird, wenn er Teile der Ukraine halten kann.

Derzeit besetzen die russischen Truppen etwa ein Sechstel des ukrainischen Territoriums. Dass sich die ukrainische Seite unter diesen Bedingungen auf Verhandlungen einlässt, ist abwegig. Denn das würde die Moral in der Bevölkerung untergraben. Präsident Wolodomir Selenski hat den völligen Abzug der russischen Truppen zur Voraussetzung von Verhandlungen gemacht und im Sommer die Rückeroberung der Krim als Kriegsziel definiert.

Beachtliche Steigerung der Rüstungshilfe

Das sind berechtigte und gleichzeitig unrealistische Maximalforderungen. Dennoch bringen nur weitere Geländegewinne der ukrainischen Armee die Ukraine weiter auf Augenhöhe mit Russland und damit beide Seiten an den Verhandlungstisch. Die neuen westlichen Waffen können hier einen Unterschied machen. Die deutschen Schützenpanzer sind etwa in der Lage Truppentransporte und damit eine Offensive abzusichern.

Dass Deutschland solche nun liefert, ist jedoch keine Kehrtwende in der deutschen Politik, wie manche meinen, sondern eine weitere beachtliche Steigerung der militärischen Unterstützung für die Ukraine. Die nicht ganz überraschend kommt. Denn mit dem Flugabwehrpanzer Gepard hat Deutschland bereits 30 hochmoderne Panzer an die Ukraine geliefert und zuvor ukrainische Soldaten daran ausgebildet.

Panzerhaubitzen stehen im Kampf gegen russische Truppen, und das hochmoderne Abwehrsystem Iris T schützt Kiew mit. Bundeskanzler Olaf Scholz ist zudem seinem Credo treu geblieben, alles penibel mit den westlichen Verbündeten, vor allem den USA, vorzubereiten und abzusprechen. Man wolle immer im Geleitzug handeln, hatte Scholz im vergangenen Jahr verkündet, und genau so hat er es auch diesmal gemacht.

Macron inszeniert sich

Die Entscheidung für die Lieferung von Kampfpanzern war lange vorbereitet. Seit dem 10. Dezember sollen bereits Gespräche laufen, an deren Abschluss nun eine gemeinsam mit Joe Biden abgegebene Presseerklärung steht. In der kündigen auch die USA an, Schützenpanzer vom Typ Bradley zu liefern und die Ausbildung daran zu übernehmen.

Dass Emmanuel Macron schon einen Tag vor der deutsch-amerikanischen Erklärung die Lieferung französischer Radpanzer verkündete, zeugt eher von der Geltungssucht des Franzosen als von der Zögerlichkeit des Deutschen. Denn die kann man in diesem Fall nicht erkennen. Deutschland wird die Ukraine weiterhin unterstützen, finanziell, humanitär, diplomatisch und auch militärisch. So steht es ebenfalls in dem gemeinsamen Statement von Scholz und Biden.

Möglich also, dass Deutschland und die USA in den nächsten Monaten auch „richtige“ Kampfpanzer an die Ukraine liefern. Zunächst aber müssen die Schützenpanzer flott gemacht und die Ukrai­ne­r:in­nen daran ausgebildet werden. Hier kommt es auf jede Woche, jeden Tag an. Kommt die Hilfe zu spät, geraten die ukrainischen Truppen unter Druck, dann kann auch ein mögliches Zeitfenster für einen Waffenstillstand schon wieder geschlossen sein.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Es wird immer mehr die Geschichte vom Fischer und seiner Frau. "Was will sie denn" fragt der Butt?



    Sie will noch mehr Waffen. Geh nach Hause, sie hat sie schon.



    Die damit verbundene Illusion, der Krieg würde dadurch verkürzt, verdrängt, das Moskau bis dato immer ein Gegenmittel hatte.



    Es könnte sogar sein, das Putin zur Notwehr greift. Atomwaffen.



    Liefern wir auch, sagt der Butt.



    Geh nach Hause, wir haben sie schon.

  • Ja, die Zyklen im Rüstungsgeschäft sind andere als bei Telefonen PCs Waschmaschinen. Aber "30 hochmoderne Panzer" ? - die Geparden wurden ab 73 produziert und beschafft und vor 20 Jahren sämtlich aussortiert, in D B NL. Also ungefähr so hochmodern wie der Opel Manta ;-) .



    de.wikipedia.org/w...nonenpanzer_Gepard



    de.wikipedia.org/wiki/Opel_Manta

  • Abgesprochen und von langer Hand vorbereitet? Wohl kaum. Oder warum kann der Regierungssprecher auf Nachfrage nicht mal erklären, ob die Waffen aus Industrie- oder aus Armeebeständen kommen?



    www.lvz.de/politik...LDXPK63BITRT4.html

    Scholz hat die französische Regierung düpiert, das kommt ihn jetzt teuer zu stehen.

  • 2G
    21327 (Profil gelöscht)

    "Die Lieferung von Schützenpanzern ist eine gute Nachricht für Pazifisten." - So gut wie es die Einnahme von Alkohol, Nikotin und anderen Giftstoffen für Schwangere ist.

  • Gute Analyse..., nur fehlt, warum Leopard Panzer, als wirksamstes Mittel zum Rauswurf des Aggressors und damit zur Verteidigung der Ukraine als Staat, samt Bevölkerung, nicht geliefert werden.

  • 3G
    32051 (Profil gelöscht)

    Guter Artikel. Dem ist nichts hinzuzufügen.

  • Süß. Hier mal der Oberkommandierende der Ukraine:



    "I know that I can beat this enemy. But I need resources. I need 300 tanks, 600-700 ifvs, 500 Howitzers. Then, I think it is completely realistic to get to the lines of February 23rd. But I can’t do it with two brigades. I get what I get, but it is less than what I need. It is not yet time to appeal to Ukrainian soldiers in the way that Mannerheim appealed to Finnish soldiers. We can and should take a lot more territory."



    (Ifvs= Infantry fighting vehicles, also sowas wie Marder).



    www.economist.com/zaluzhny-transcript

  • Und wenn Deutschland alle seine schweren Waffen in die Ukraine geschafft hat, haben es die Russen ein Stück leichter. Um Deutschland zu überrennen brauchen sie dann nur noch einen Tag anstatt drei Tage.

  • Ich frage mich immer, worüber denn eigentlich verhandelt werden soll. Jede Grenzverschiebung als Ergebnis des russischen Angriffs (2014/2022), höhlt gültiges Völkerrecht und die Grundlage der europäischen Friedensordnung aus. Der Signalcharakter solcherart belohnter Invasionen wäre verheerend. Und ich sage das in voller Anerkenntnis der Tatsache, dass die Zeit der UN-mandatslosen Militärinterventionen westlicher Akteure das ihre zur Erosion des Völkerrechts beigetragen haben. Eine Legitimation für den russischen Imperialismus sehe ich dadurch nicht gegeben. Wenn es schließlich dazu kommt, wird zu reden sein über eine funktionierende Föderalisierung der Ukraine, denn tatsächlich gibt es ja eine schwer zu bemessende Anzahl von Menschen in Luhansk und Donezk, die entweder schon länger pro-russisch empfinden oder es als Resultat ideologischer Indoktrination seit 2004/2013 tun. Im Umgang mit dieser Gruppe wird sich der Charakter der hoffentlich siegreichen und Europa zugewandten Ukraine formen.

  • Auf Augenhöhe? Müssten dann nicht auch Atomwaffen an die Ukraine geliefert werden? Na, wird wohl nicht mehr lange dauern bis das gefordert wird!

  • Träume sind Schäume. Glaubt wirklich jemand, die Ukraine könnte mittels dieser "Unterstützung" diesen Konflikt für sich entscheiden? Dagegen wird auf diese Weise eine Eskalation über die Grenzen hinaus immer wahrscheinlicher. Aber die Hofreiters und Stracks-Zimmermanns der Bunten Republik scheinen dieses Risiko einzupreisen.