ZDF-Doku über Zwangsprostitution: Legalisiert, aber nicht frei
Die ZDF-Doku „Billigware Sex – Ausgebeutet für 30 Euro“ verfolgt die Spur des Geldes aus der Zwangsprostitution. Sie offenbart eine düstere Parallelwelt.
In Schweden, Kanada, Frankreich oder Israel ist der Kauf von Sex gesetzlich verboten. Das häufigste Argument gegen das „Nordische Modell“: Wenn man Prostitution verbietet, sind Prostituierte schutzlos Kriminellen und Freiern ausgesetzt. Obwohl mit dem Sexkaufverbot zwar nur die Freier, nicht aber die Prostituierten bestraft werden, ginge ja wohl keine Prostituierte zur Polizei, um Kunden anzuzeigen, so die Vermutung.
Seit der EU-Osterweiterung wird in Deutschland politisch über den Umgang mit käuflichem Sex gestritten. Damals zeigte sich, dass die Liberalisierung des Sexgewerbes mit der Legalisierung 2002 mehr Leid für noch mehr Frauen bedeutete, die sich in Deutschland ein besseres Leben erhofften, aber nur Elend auf dem Strich fanden. 2016 wurde das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) verabschiedet, um die Situation von Prostituierten zu verbessern und sie vor Menschenhandel, Ausbeutung und Zwang zu schützen.
2022 hält die Regierung an ihrem liberalen Credo fest. Deutschland ist zu einem internationalen Sexkauf-Hotspot geworden, in dem laut Bundesfamilienministerium täglich eine Million Freier die Dienste von Prostituierten in Anspruch nehmen und mehr als 14 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr generieren.
Wie steht es um die Sicherheit von Prostituierten in Deutschland? Was hat die freierfreundliche Prostitutionsgesetzgebung in Deutschland erreicht?
„Billigware Sex“, am Mi., 21.9., 20.15 Uhr, ZDFinfo und ab jetzt in der ZDF-Mediathek
Ignoranz der Regierung
Nichts. Warum das so ist, lässt sich in der Dokumentation „Billigware Sex – Ausgebeutet für 30 Euro“ von Jan-Philipp Scholz und Johannes Meier anschauen. All das, was Gegner:innen des „Nordischen Modells“ in irgendeinem Untergrund sehen, in den Prostituierte gedrängt würden, wenn Sexkauf verboten wäre, passiert jetzt schon unter staatlicher Aufsicht und liberalen Gesetzen. Der Untergrund kennt keine Schatten mehr.
Klingt zynisch, aber das, was Scholz, der sich seit Jahren mit Menschenhandel, Migrationsbusiness und moderner Sklaverei beschäftigt, mit seinem Kollegen in der Dreiviertelstunde offenbart, ist Zeugnis der fatalen Ignoranz einer Regierung, die Progressivität mit Regression verwechselt. Jeden Tag lässt sie schwere Formen von Zwangsprostitution zu. Die ist theoretisch verboten, praktisch aber integraler Bestandteil des Systems Prostitution.
Scholz und Meier haben für ihre Doku da hingeschaut, wo viele Deutsche verruchte Rotlichtromantik und selbstbestimmte Huren sehen wollen. Sie zeigen den Abgrund eines Landes, das vorgibt, Prostituierte zu schützen, während sie auf modernen Sklavenmärkten in Deutschland missbraucht, entmenschlicht und ermordet werden.
Angefangen in Deutschlands Rotlichtvierteln, wo Prostituierte ihren Körper zum Preis eines Mittagessens verkaufen, tauchen Scholz und Meier ohne Effekthascherei und Affektberichterstattung ein in die grausame Parallelwelt der Zwangsprostitution. Sie verfolgen dabei die Spur des Geldes über die Schweiz bis zu Hintermännern und -frauen in Nigeria.
Schlupflöcher der Prostitutions-Gesetzgebung
Dabei ist die emotionale Verwahrlosung eines deutschen Freiers, der immer wieder zu Wort kommt und erzählt, es sei ihm egal zu wissen, dass eine Prostituierte unter Zwang mit ihm Sex habe, das kleinere Übel.
Bei ihren Recherchen stoßen die Filmemacher auf nigerianische Menschenhandel-Netzwerke, Hawala-Finanzsysteme, in denen Geld gewaschen und quer über den Globus transferiert wird und Psychoterror – ein real gewordener Fiebertraum, in dem Menschenhändler:innen und ominöse Geheimbünde das Sagen haben, die die Schlupflöcher der deutschen Prostitutions-Gesetzgebung so gut kennen wie Cum-Ex-Beteiligte das Netzwerk aus Banken, Investoren und Juristen.
Das System Prostitution ist keine moralische Frage. Es ist eine des politischen Willens.
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