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FDP-Pläne zur EinwanderungspolitkBald bilinguale Behörden?

Die FDP will Englisch als offizielle Sprache in Ämtern einführen. Es ist nicht die einzige Maßnahme, mit der die Liberalen Fachkräfte anlocken wollen.

Hat sicher nichts gegen die Sprich-Englisch-Kampagne der FDP: Prinz Charles, unterwegs in Kanada Foto: Carlos Osorio/reuters

Berlin taz | Be­am­t:in­nen sollen Englisch sprechen. Das fordert die FDP. In einem Positionspapier, das am Montag vom Parteipräsidium beschlossen wurde, haben die Liberalen ihre Ideen zur Reformation der Einwanderungspolitik veröffentlicht. Zentrale Motivation für die Reformationsvorschläge ist die Sorge um den zunehmenden Arbeitskräftemangel in Deutschland.

Die Liberalen fordern, dass bürokratische Hürden abgebaut werden, um eine „gesteuerte Einwanderung in den Arbeitsmarkt nach deutschen Interessen“ zu ermöglichen. So heißt es in dem Positionspapier, das der taz vorliegt. Die Freien Demokraten rechnen mit einem Zuwanderungsbedarf von über 400.000 Arbeitskräften im Jahr, was eine Vereinfachung der Einwanderung unverzichtbar mache.

Johannes Vogel, stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP, sagte gegenüber der taz: „Wir müssen neben attraktiven Arbeitsbedingungen auch die Regeln zur Einwanderung attraktiver machen und uns ein Beispiel an erfolgreichen Einwanderungsländern, wie zum Beispiel Kanada, nehmen.“

Außerdem seien ausländische Arbeitskräfte eine Entlastung für den Haushalt. Durch Steuerabgaben sollen die zugewanderten Arbeitskräfte mithelfen, die grundgesetzlich vorgeschriebene Schuldenbremse einzuhalten.

Punktesystem und „Blaue Karten“

Ein Vorschlag zur Anwerbung von Arbeitskräften ist die Einführung von Englisch als zweite offizielle Sprache in Ämtern. So sollen Behördengänge erleichtert werden.

Neben bilingualen Ämtern fordert die FDP ein „Punkte-System“ bei der Einwanderung. Dabei sollen Punkte anhand verschiedener Kriterien vergeben werden. Ab einer bestimmten Summe kann dann ein Visum ausgestellt werden. Relevante Kriterien sind dabei neben Berufsausbildung und Sprachkenntnissen auch Alter und Anpassungsfähigkeit.

Außerdem schlägt die FDP vor, die „Blaue Karte“ auch auf nichtakademische Berufe auszuweiten. Die „Blaue Karte“ ist ein Aufenthaltstitel, für hochqualifizierten nicht-EU-Bürger:innen. Voraussetzung für den Erhalt einer „Blauen Karte“ ist momentan ein abgeschlossenes Hochschulstudium und ein jährliches Mindestgehalt von 56.400 Euro.

Diese Einschränkungen sollten schnellstmöglich aufgehoben werden, um dem Arbeitskräftemangel in Ausbildungsberufen und unter unqualifizierten Hilfskräften etwas entgegenzusetzen, so die FDP. (mit afp)

Korrektur: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, für die „Blaue Karte“ sei ein monatliches Mindesteinkommen von 56.400 Euro Voraussetzung. Tatsächlich ist es ein jährliches Mindesteinkommen. Wir bitten um Entschuldigung.

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21 Kommentare

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  • "Die öffentliche Verwaltung steht in den nächsten Jahren vor einer enormen Herausforderung: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aber auch sich abzeichnende Personalengpässe, fordern und erfordern eine möglichst zügige Digitalisierung der Bundesbehörden." [Bundesverwaltungsamt - bund.de]

    Die FDP weiß anscheinend nicht was sie möchte. Auf der einen Seite ist es dringend erforderlich die Behörden zu digitalisieren, was eine große Einsparung an Personal zur Folge hat, und auf der anderen Seite möchte man die Behördenmitarbeiter mit Englisch "ausrüsten". Da kann man nur noch sagen: "Willkommen in Deutschland, wo der Beamte immer noch ein preußischer Beamter ist, der oftmals zwar keine Ahnung von seinem 'Beamtentum' hat, aber jetzt sogar die Bürger in Englisch verwirren soll".

    Weshalb der riesige Beamtenapparat nicht zügig digitalisiert wird, das hat der Philosoph Richard David Precht doch schon gesagt: "Es würden sonst einige hunderttausend Menschen auf einen Schlag arbeitslos werden".

    • @Ricky-13:

      Herr Precht spricht über sehr viel und das sehr öffentlich - wirkliche Kenntnisse hat er aber leider nur von sehr wenigen Dingen.... Er wird immer als Philosoph angekündigt, ist aber eigentlich ein performativer Dummschwätzer.



      Nein - wenn man die Verwaltung digitalisiert werden nicht hunderttausende arbeitslos. Das lassen schon Beamten- und Arbeitsrecht nicht zu. Der Grund für die mangelnde Digitalisierung ist schlicht, dass ein durchschnittlicher ITler für das lächerliche Gehalt im öffentlichen Dienst morgens nicht aufstehen mag - es scheitert schlicht an den Kosten.

  • Wäre erfeulich wenn in deutschen Behörden nicht nur Deutsch gesprochen würde. Hier aber auf eine reine Bilingualität Deutsch -Englisch zu setzen ist falsch und diskriminierend.

    Klar für mich wäre Englisch die erste Wahl.



    BRD Kindheit, Elvis, Woodstock, Vietnam, Marlene Dietrich, Nina Simone, Jane Fonda, Andrea Dworkin, Anie Sprinkel, Judith Butler, Sopranos, Gilmore Girls, dinner for one, Lady Di, Anarchy in the UK, Downton Abbey ganz klarer Fall welche Sprache ich und vermutlich ein Großteil der übrigen Kartoffeln hier wählen würden.

    Aber schon ziemlich anglozentristisch, damit stoßen wir selbstverständlich unsere Nachbarn vor den Kopf. Sind doch die Franzosen gewohnt, angedenk der einstmaligen kolonialen Ausdehnung und kulturpolitischen Bedeutung in der Welt mit ihrer eigenen Sprache zu verkehren. Diese Verkehrssprachen Funktion hat das Französische natürlich auch für viele Sprecher*innen aus den einstigen französischen Kolonialgebieten. Im Gegensatz zu den weißen europäischen Franzosen sind diese Menschen meist vielsprachig. Ich hatte einen Kellner Kollegen in Berlin Mitte der aus Marokko stammte er sprach eine nordafrikanische Sprache, Arabisch, Französisch, Spanisch und Deutsch - sein Englisch war nicht so toll. Nur Englisch konnten ja alle anderen, er konnte helfen wo andere sprachlos waren und wurde oft gerufen.

    Ebenso wie viele Tourist*innen, kommen oft auch Behörden Besuchende Menschen nicht aus Regionen die so starken anglophonen Einflüssen ausgesetzt waren wie Westdeutsche Abstammungskartoffeln. Ein Sachbearbeiter wie dieser Kellner wäre für eine deutsche Behörde ein riesen Gewinn, auch ohne Englisch Kenntnisse.



    Auch viele andere Sprachen haben als Verkehrsprache über Nationengrenzen hinweg Bedeutung und sollten als Zweitsprache für Behörden Anerkennung finden. Russisch und Spanisch und in Berlin wäre zB. auch Vietnamesisch oft wichtig. Nur so wird sprachliche Diskrimminierung für Mitarbeitetende und Besuchende wirksam abgebaut.

    • @LuckyLulu :

      Sie haben nicht unrecht, für alle mit fünf und mehr Sprachen Überforderten wird es aber unpraktikabel. Bewährt hat sich daher eine weltweite Standardsprache für den Austausch. Im Laufe der Zeit waren das Akkadisch, Griechisch, Arabisch, Lateinisch und heute Englisch.



      Ich erwarte, so bequem es für mich sein mag, von niemandem Deutsch zu sprechen und zu verstehen, aber Englisch setze ich auf Reisen mindestens bei Behörden und Amtspersonen ganz einfach als selbstverständlich voraus.

  • Woanders, in vielen privatwirtschaftlichen Betrieben, wird von Mitarbeitern auch erwartet, mit Kunden, Geschäftspartnern oder Kollegen auf Englisch kommunizieren zu können. Warum sollte das in Behörden nicht genau so gut gehen? Nur weil die Idee von der FDP kommt, muss sie ja nicht grundsätzlich falsch sein.

    • @Ruediger:

      Die meisten Behördenmitarbeiter dürften durchaus in der Lage sein, sich in Englisch verständlich zu machen. Hier ist jedoch davon die Rede, Englisch zur Amtssprache zu machen. D. h. für jeden der 5 Mio Beschäftigten im öffentlichen Dienst juristisch Verhandlungssicher Englisch zu sprechen. Das kann selbst in Internationalen Großkonzenen maximal die Rechtsabteilung, und auch hier nur ein Bruchteil. Kurz: Die Idee ist Quatsch, wie so vieles von der FDP...

    • @Ruediger:

      Die Leute, von denen Sie sprechen, haben auch typischerweise einen besseren Bildungsabschluss und bekommen mehr Gehalt als beispielsweise die Tarifbeschäftigte beim Bürgeramt.

      • @rero:

        Ich glaube, sie haben falsche Vorstellungen davon, was beispielsweise in Start-Ups für Gehälter bezahlt werden. Dafür würden die meisten Beamten nicht mal eine Sprache sprechen

  • Das Sommerloch ist da und die FDP füllt es.



    Englisch als Zweitsprache, da hatten wir schon den Versuch von Herrn Öttinger. Also nichts neues unter der Sonne.

    Die deutschen Behörden haben aber schon damit zu ringen, sich in korrektem Deutsch, fachlich richtig, klar und eindeutig, in angemessenem Tonfall, untereinander und vor allem mit Bürgern und Bürgerinnen zu verständigen.



    Und nur zu oft verlieren sie diesen Kampf.

    Nun, sollen diese tapferen Kämpfer, Anweisungen, Vorschriften, Regularien und Gesetzte aus, gewissermaßen ad hoc aus dem Deutschen in das Englische übersetzen und auch noch erläutern. Denn es wird nicht sehr viele Migranten geben, deren Englischkenntnisse auch die entsprechenden Termini der Rechtssprache enthalten.

    Das ist nicht so einfach, gerade dann, wenn es nicht um die Frage nach der Bushaltestelle geht, sondern um eine verbindliche, rechtssichere Auskunft.

    Es soll übrigens auch Migranten aus Ländern geben, in denen Englisch weder Landessprache noch lingua franca ist.

    Wie wäre es die Kommunikation des deutschen Staates zu verbessern, es ist auch eines der Probleme in der Corona-Krise?

    Wenn die Kommunikation und die Art des Umganges mit Menschen, vielleicht sogar die Arbeitsbedingungen verbessern, wird sich wahrscheinlich auch die Situation am Arbeitsmarkt verbessern.

  • „Die FDP will Englisch als offizielle Sprache in Ämtern einführen.“

    Ich bin ja mal gespannt wie lange es dauert bis alle Beamten mit den Feinheiten des juristischen Fachsprechs in englisch vertraut sind. 2040?

    Und die Juristen erst, die streiten sich ja schon bei Texten auf Deutsch wochenlang über jedes Komma…

    Und wann die amtlichen Übersetzungen aller Gesetze, Vorschriften, Anweisungen, Formulare, etc… fertig ist. 2050?

    Oder doch nur ne Quasselstrippe im Eingangsbereich, die halt bisschen auf Englisch mit den Leuten plaudert? Man weiß es einfach nicht…

    • @Nafets Rehcsif:

      Ein guter Vorschlag. Es reicht ja, wenn zumindest 1 Beamter da ist, dr Englisch kann. Oder auf Termin. In Kanada sprechen auch nicht alle Beamten Französisch. Auch das Punktesystem ist sehr gut. Paar Punkte für Sprachen u.a. (Englisch, Deutsch). Deutsch kann man auf Duolingo lernen.

    • @Nafets Rehcsif:

      Zum Thema Komma:

      c) Absatz 5 wird wie folgt geändert: aa) Satz 2 wird wie folgt geändert: aaa) In Nummer 8 wird der Punkt am Ende durch ein Komma ersetzt.

      www.bundesanzeiger...22%20V1.pdf?inline

  • An und für sich keine dumme Idee, Englisch in der Bürokratie einzuführen. Doch es ist Wunschdenken. Abwärts dem gehobenen Dienst, sind Englischkenntnisse von Behörden grottenschlecht. Vorgelagert müsste erst einmal die Schulbildung besser werden.



    Und wenn ich mir die Blockadehaltung an Universitäten anschaue, wenn es darum geht Englischsprachige Studiengänge einzuführen, wird mir schlecht.

    So gesehen ist’s eine populistische Randnotiz im beginnenden Sommerloch.

    • @rakader:

      "Und wenn ich mir die Blockadehaltung an Universitäten anschaue, wenn es darum geht Englischsprachige Studiengänge einzuführen, wird mir schlecht."

      Die Unis haben schon in deutscher Sprache Probleme, die Wirtschaft mit genügend qualifizierten Absolventen zu versorgen.

  • Da will die FDP also über 5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, ein Großteil davon weit jenseits der 40, spontan verhandlungssicheres Englisch beibringen - eher hebt Herr Lindner die Gravitation auf...

    • @Samvim:

      Alle 5 Millionen natürlich nicht, da nicht jede Tätigkeit das verlangt. Ein Müllmann oder eine Landschaftsgärtnerin wird kein (verhandlungssicheres) Englisch für Ihre Tätigkeit benötigen.



      Und auch in der Verwaltung reichen ja pro Abteilung dann einige Personen mit den Kenntnissen aus, da die Mehrzahl der Schriftsachen vermutlich immer noch auf Deutsch passieren.



      Abgesehen davon kann man von einen Beamten schon die Weiterbildung in diese Richtung verlangen.

      In der Schweiz wird auch nicht jeder Beamte die vier Amtssprachen fliessend beherrschen, und trotzdem funktioniert die Verwaltung dort sehr gut.

      • @Phili:

        Das mit der Schweiz stimmt so nicht ganz: In der Schweiz gibt es zwar vier Amtssprachen, aber jedes Kanton (in einigen Kantonen sogar jede Gemeinde) bestimmt eine der vier Sprachen zur Amtssprache im eigenen Gebiet. Wenn man Englisch D zur zweiten (Bundesweiten) Amtssprache macht, müssen es alle können. Ein Polizist, Feuerwehrmann, Ordnungs- oder Bauamtler etc., der die Rechtsgrundlage seiner Maßnahmen nicht juristisch sicher in Englisch erklären kann, kann dann ja nicht mehr arbeiten. Und keiner im öffentlichen Dienst kann ausschließen, an jemanden zu geraten, der darauf besteht, alles in Englisch erklärt zu bekommen (selbst wenn er deutscher Muttersprachler ist) Die ganze Nummern zeigt, wie wenig Kenntnis in der FDP bzgl. einer funktionierenden Staatsführung vorhanden ist (oder wieviel Ignoranz diesbezüglich)

  • Ich verstehe den Titel nicht. Wo soll da die Forderung sein? Ein deutscher Beamter muß mindestens die Hauptschule erfolgreich abgeschlossen haben und Englisch ist dort Pflichtfach. So sehr ich mich in z.B. Frankreich bei Kellnerinnen und Verkäuferinnen um die Landessprache bemühe, erfolglos aber bemüht, gegenüber der Polizei, auf Postämtern oder bei Banken bestehe ich auf dem Englischen. Wir sind in Westeuropa, da ist das hoffentlich wirklich überall die elementarste Minimalforderung.



    Übrigens: "ein monatliches Mindestgehalt von 56.400 Euro" Zahlt das die Taz? Oder haben Sie es mit dem Stundensatz verwechselt?

  • Das ganze hat nur einen Haken: Bei den hochqualifizierten englischsprachigen Kandidaten ist ein Arbeitsplatz in Deutschland so attraktiv wie ein Fensterplatz im Kellerverlies.

    Wenn alle Stricke reissen nimmt man gerne einen - aber bis dahin macht man lieber einen großen Bogen.

    Und das liegt von allen Dingen an der sehr speziellen deutschen Unternehmenskultur und der Wertschätzung die man hierzulande den Werktätigen entgegenbringt.

  • „gesteuerte Einwanderung in den Arbeitsmarkt nach deutschen Interessen“

    Oder anders ausgedrückt. Wie locken wir Menschen nach D, die in ihren Heimatländer auch dringend gebraucht werden?

  • Zitat: "Voraussetzung für den Erhalt einer „Blauen Karte“ ist momentan ein abgeschlossenes Hochschulstudium und ein monatliches Mindestgehalt von 56.400 Euro."

    Monatlich? Jährlich! Brutto!

    Mir fehlt hier die Information, dass bei bestimmtem Berufsgruppen bereits eine niedrigeren Schwelle gilt (43.992) Und dass die allgemeine Untergrenze bereits ein wenig gesunken ist. 2021 = 56.800 / 44.304€.