Koalitionsstreit wegen Verbrennerverbot: Die FDP hält dagegen
Die Liberalen pochen auf Ausnahmen für Pkw, die nur mit synthetischen Kraftstoffen fahren. Damit könnte das EU-Aus für Verbrenner kippen.
Zu diesem Schluss kommt eine am Donnerstag veröffentlichte Studie der renommierten Denkfabrik Transport & Environment (T&E). E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe, die mit erneuerbarer Energie hergestellt werden können. Über ihren Einsatz ist in der Ampelregierung ein heftiger Streit entbrannt.
Bis diesen Freitag muss Lemke eine Einigung mit der FDP darüber erzielen, welche Position die Bundesregierung zum Aus von Autos mit Verbrennermotor auf EU-Ebene einnimmt. Der Hintergrund: Das EU-Parlament hat Anfang Juni beschlossen, dass ab 2035 keine Autos mit einem Benzin- oder Dieselantrieb in der EU mehr neu zugelassen werden dürfen.
In einem langwierigen Prozess haben sich die EU-Länder über diese Frage verständigt, denn sie müssen dem Aus zustimmen. Noch im März und im Mai hatte das Bundesumweltministerium nach einer Ressortabstimmung auch mit den zuständigen FDP-Ministerien auf EU-Ebene Zustimmung zum Ende des Verbrennerautos signalisiert, wie es das EU-Parlament beschlossen hat.
FDP will Ausnahmen
Nach der Abstimmung am 8. Juni preschten Verkehrsminister Volker Wissing und Finanzminister Christian Lindner aber mit der Forderung vor, dass es Ausnahmen von dem Verbot geben müsse für Fahrzeuge, die nur mit E-Fuels fahren. Ohne Änderungen in diesem Sinne sei eine Zustimmung Deutschlands nicht möglich, so Lindner.
Die FDP sieht sich auf einer Linie mit dem Koalitionsvertrag. Dort steht: „Außerhalb des bestehenden Systems der Flottengrenzwerte setzen wir uns dafür ein, dass nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden können.“ Der Flottengrenzwerte bezieht sich auf alle in der EU neu zugelassen Fahrzeuge.
Mit dem Koalitionsvertrag argumentiert allerdings auch die Bundesumweltministerin, die gegen Ausnahmen für Pkw ist. „E-Fuels können allenfalls außerhalb des bestehenden Systems der Flottengrenzwerte eine Rolle spielen, also bei Sonderfahrzeugen wie Baggern oder der Feuerwehr“, sagte sie. Die Ministerin setzt bei Pkw auf den Elektroantrieb, weil der energieeffizienter als synthetische Kraftstoffe ist.
Vorabstimmung am Freitag
Am 28. Juni muss Lemke die deutsche Position beim Treffen der EU-Umweltminister:innen präsentieren. Diesen Freitag bereits findet ein Treffen der EU-Botschafter statt, bei dem es eine Vorabstimmung geben soll. „Wir bereiten eine Weisung an den deutschen EU-Botschafter vor“, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums. Dazu muss allerdings unter den beteiligten Ministerien geklärt werden, welche Position die Bundesregierung denn nun vertritt. Die FDP-Bundestagsfraktion ließ eine taz-Anfrage zu ihrer Position unbeantwortet.
Sollte sich die FDP durchsetzen, könnte das Verbrenner-Aus auf EU-Ebene ganz scheitern. Eine Enthaltung der Bundesregierung hätte die gleiche Wirkung wie eine Nein-Stimme. Denn für die Annahme des Verbrenner-Aus ist eine so genannte qualifizierte Mehrheit erforderlich. Das sind 15 von 27 Mitgliedstaaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren.
Die FDP argumentiert, dass auch mit E-Fuels betankte Autos klimaneutral sind. Das stimmt so aber nicht, zeigt die Studie von T&E. „Synthetische Kraftstoffe sind keine Lösung für die Dekarbonisierung von Autos“, sagte Stef Cornelis, Direktor von T&E Deutschland.
E-Autos sind effizienter
Wird ein Auto mit synthetischen Kraftstoffen betankt, die ausschließlich mit erneuerbarem Strom hergestellt wurden, würde der Studie zufolge über den gesamten Lebenszyklus deutlich mehr CO2 emittiert als von einem Elektroauto. Ein Fahrzeug mit E-Antrieb ist demnach um 53 Prozent sauberer als ein Verbrennerauto, das mit E-Fuels fährt. Das ist vor allem mit massiven Energieverlusten bei der Herstellung der synthetischen Kraftstoffe und dem uneffizienten Verbrennermotor zu erklären.
Bei der Studie berücksichtigt wurden die Emissionen aus der Materialgewinnung, der Herstellung von Komponenten einschließlich Batterien, der Fahrzeugmontage und der Entsorgung. Labortests haben außerdem gezeigt, dass mit E-Fuels fahrende Autos genauso viele giftige Stickoxide ausscheiden wie mit Benzin betriebene.
Die Unterschiede beim Verbrauch sind zwischen E-Autos und mit synthetischen Kraftstoffen betriebenen Pkw gravierend. Der Analyse zufolge kommt ein elektrisch betriebenen Volkswagen ID.3 mit der selben Menge erneuerbarer Energie fünfmal weiter als ein VW Golf, der mit synthetischen Kraftstoffen fährt. „Ein BMW i4 könnte sechsmal weiter fahren als ein BMW 4er mit Verbrennungsmotor“, teilt T&E mit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Amnesty-Bericht zum Gazakrieg
Die deutsche Mitschuld
Hilfslieferungen für den Gazastreifen
Kriminelle Geschäfte mit dem Hunger
Wirbel um Schwangerschaftsabbruch
Abtreiben ist Menschenrecht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Nach Recherchen zum Klaasohm-Fest
Ab jetzt Party ohne Prügel
Batteriefabrik in Schleswig-Holstein
„Der Standort ist und bleibt gut“