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Politologe zu Putins Kriegszielen„Er will den russischen Volksstaat“

Putins Kriegsziel ist ein ethnisch einheitliches Russland. Das ist die These des Politologen Ivan Krastev, der den russischen Präsidenten kennt.

Russische Zerstörungswut, hier in der Region Donezk, Juni 2022 Foto: Gleb Garanich/reuters
Ralf Leonhard
Interview von Ralf Leonhard

taz: Herr Krastev, Putin hat den Krieg anfangs als Strafaktion gegen Nazis und Völkermörder verkauft. Jetzt bringt er die Eroberungsfeldzüge von Peter dem Großen ins Spiel. Ist das ein neues Narrativ, geht es um Territo­rial­gewinn?

Ivan Krastev: Ich denke, wenn die russischen Truppen volle Kontrolle über Luhansk und Donezk gewonnen haben, sollen diese Gebiete von der Russischen Föderation annektiert werden. Darauf bereitet Putin die Welt vor. Gleichzeitig wird sich wohl auch Südossetien der Föderation anschließen. Dann kann Putin einen Sieg reklamieren.

Was ist ein Sieg?

Der Krieg begann mit einem Angriff auf Kiew und Charkiw. Jetzt geht es um den Donbass und im Süden einen Korridor zur Krim. Es war viel davon die Rede, dass Putin die Sowjet­union wiederherstellen will. Das glaube ich nicht. Wenn man sich Putins Rede vom 22. Februar über die Anerkennung der „unabhängigen Republiken“ anhört, dann klingt er wie ein General der Weißen Garden aus dem Bürgerkrieg.

Im Interview: Ivan Krastev

geboren 1965 im bulgarischen Lukovit, ist Politologe und Vorsitzender des Centre for Liberal Strategies in Sofia und Permanent Fellow am Institutfür die Wissenschaften vom Menschen in Wien. Seit 2015 schreibt er Analysen für die internationale Ausgabe der „New York Times“. Er ist Co-Autor des 2019 erschie­nenen Buchs „Das Licht, das erlosch“, in dem untersucht wird, warum die liberale Demokratie westlichen Zuschnitts in vielen osteuro­päischen Staaten nicht angekommen ist.

Es ging um einen ethnisch russischen Staat. Er sprach von Russen als den zahlreichsten Opfern des Sowjet­regimes und dass die Ukrai­ne von Lenin besetzt wurde. Hier geht es nicht um die Restauration eines Imperiums, sondern um die Umwandlung der Russischen Föderation in einen klassischen Nationalstaat.

Was bedeutet das für die asia­tischen Völker?

Die Ironie dabei ist, dass diese Völker, Tschetschenen und andere, in Donezk und Luhansk für Russland gegen die Ukrai­ner kämpfen, die sich laut Putin als Russen bekennen sollten. Das ist kein sowjetischer Diskurs. Wenn Putin über die russische Welt spricht, dann meint er auch Russischsprachige außerhalb der Föderation.

Dieses Denken wird sich auf den Stellenwert der russischen Sprache in der Zukunft auswirken. In der Ukrai­ne gab es viele Menschen, die Russisch sprechen. Vor ein paar Jahren habe ich in Buchgeschäften in Kiew mehr russische als ukrainische Literatur gefunden. Das wird sich dramatisch ändern, denn der Gebrauch der russischen Sprache ist heute ein politisches Statement.

Die Auswirkungen werden aber weit größer sein. Nach der bolschewistischen Revolution hat die Linke in aller Welt Russisch als die Sprache der Revolution gesehen. Das war ein Motiv für viele, Russisch zu lernen. Wer jetzt sieht, was Putin der Ukrai­ne antut, wird diese Motivation nicht haben.

Was wird sich noch ändern?

Die sowjetische Identität basierte nicht auf der kommunistischen Ideologie, sondern auf der gemeinsamen Erfahrung des Zweiten Weltkriegs. Deswegen hat Putin als Kriegsgrund die Entnazifizierung bemüht. Wenn er aber gleichzeitig ukrai­ni­sche Städte zerstört, wie sie im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden, wird kein russischer Anführer mehr so wie bisher den sowjetischen Sieg über Nazideutschland in Erinnerung rufen können.

Kann die Russifizierung der eroberten Gebiete dann überhaupt erfolgreich sein?

Im letzten Monat haben wir in den besetzten Gebieten einen beginnenden Guerillakrieg gesehen. Am 13. Juni berichteten russische Medien über einen Bombenanschlag im russisch kontrollierten Melitopol. Noch interessanter ist aber, dass große Teile der russischsprachigen Bevölkerung aus der Ukraine ins Innere Russlands verschleppt werden. Es gibt Berichte über Transporte von 150.000 Kindern, mehrheitlich Waisen. Die russische Regierung hat es für russische Paare einfacher gemacht, Kinder aus der Ukraine zu adoptieren.

Was ist die Strategie dahinter?

Putin war immer empfindlich, was demografische Entwicklungen betrifft. Russlands Bevölkerung schrumpft. Das begann in den 1990er Jahren, als die Lebenserwartung – vor allem der Männer mit 64 Jahren – afrikanisches Niveau erreichte. Verschärft wird das durch Alkoholismus und Probleme im Gesundheitssystem. Covid hat für 1 Million zusätzliche Sterbefälle gesorgt, und die Geburtenrate sinkt. Es ist die Rede von 1 Million Menschen, die zum Teil tief in den russischen Osten, selbst nach Sibirien verschleppt wurden.

Es geht also auch um demografische Fragen.

Putin machte sich Sorgen über die abnehmende slawische Bevölkerung. Das ist auch der Grund für die De-facto-Annexion von Belarus. Es geht also nicht nur um Territorium. Nicht vergessen sollte man auch, dass der Wiederaufbau im Donbass unter einem von Sanktionen betroffenen Russland extrem mühsam sein wird.

Am 12. Juni hat der stellvertretende Chef der Präsidialverwaltung Sergei Kirijenko gesagt, dass der Wiederaufbau des Donbass notwendig ist, auch wenn dadurch der Lebensstandard in Russland sinken sollte. Diese Aussage wurde dann sehr schnell aus allen Medien entfernt. Ich glaube also, dass die demografische Frage von entscheidender Bedeutung ist.

Sprechen wir von einem russischen Projekt oder von Putins Projekt?

Präsident Putin hat kein Vertrauen in seine möglichen Nachfolger, ohne dass ich jetzt sagen könnte, wer das ist. Das verwundert nicht, wenn man die russische und sowjetische Geschichte der letzten 100 Jahre betrachtet.

Warum nicht?

Das Vermächtnis der großen Zaren und Sowjet-Generalsekretäre wurde jeweils von den Nachfolgern konterkariert. Nach Stalin war das besonders extrem – und natürlich mit Gorbatschow nach Breschnew. Auch Putin hat mit Jelzins Erbe radikal aufgeräumt. Die Angst, dass ihm das auch passieren kann, ist meiner Meinung nach einer der Gründe, warum er in seiner Lebenszeit alles erledigen will. Die Neupositionierung gegenüber dem Westen ist etwas, was sehr, sehr schwer rückgängig zu machen sein wird. Kürzlich habe ich einen sehr hohen russischen Funktionär gefragt, wer die Berater sind, auf die Putin hört. Er hat gesagt: Iwan der Schreckliche, Katharina die Große und Peter der Große.

Was müssen wir mehr fürchten: einen Sieg oder eine Niederlage Putins?

Russland ist eine Atommacht. Deswegen wissen wir nicht so genau, was Niederlage heißt. Eine Siegesparade im eroberten Moskau sicher nicht.

Ein kompletter Rückzug aus den besetzten Gebieten.

Für die Ukrainer ist das eine wichtige Frage, denn Putin war immer ein Experte für Demütigungen. Dabei hat er etwas übersehen. Der heftige Widerstand der Ukraine gegen die Invasion ist gewissermaßen eine Reaktion auf die Demütigung, die die Ukraine erfahren hat, weil sie sich 2014 gegen die Invasion der Krim nicht gewehrt hat. Es waren rund 20.000 ukrai­ni­sche Soldaten dort stationiert, aber die Armee war total demoralisiert. Russland konnte also die Krim annektieren, ohne einen einzigen Soldaten zu verlieren.

Deswegen ist es heute so wichtig für die Ukraine, die Rückeroberung aller verlorenen Gebiete als Ziel zu definieren. Für den Westen bedeutet eine Niederlage Russlands, dass Putin oder das autoritäre Russland keinen weiteren Krieg auf europäischem Boden mehr führen kann. Wir sprechen von einem konventionellen Krieg, keinem Atomkrieg.

Für Putin ist es schwieriger, einen Sieg zu definieren. Die Annexion des Donbass um den Preis von mehr als 30.000 russischen Leben und Wirtschaftssanktionen, die das Land weiter isolieren?

Wie wird Russland nach dem Krieg aussehen?

Schwierig zu sagen, weil Post-War-Russland noch immer von Putin regiert werden wird. Die Hinwendung zum asiatischen Raum wird stärker werden. In den letzten 20 Jahren hat sich Russland von einem prowestlichen Staat in einen antiwestlichen verwandelt, aber die russische Gesellschaft ist stark verwestlicht. 10 Millionen Russen reisen jedes Jahr nach Europa. Das sind nicht nur die Oligarchen, sondern das ist der Mittelstand. Deren Leben ist jetzt aus den Fugen.

Es gibt da diesen russischen Rockstar, der in einem seiner neuesten Lieder singt: „Wir beginnen gerade zu verstehen, wie gut wir doch gelebt haben, als wir vor dem Krieg dachten, wir leben schlecht.“

Die russische Armee besteht dagegen zu einem guten Teil aus Soldaten aus dem Inneren des Landes, aus ethnischen Minderheiten, die höhere Geburtenraten haben. Viele sind verschuldet und wollen die Schulden mit dem Kriegsdienst tilgen. Diese Leute beginnen jetzt plötzlich, ihre eigene Identität zu entdecken, Tataren, Menschen aus dem Altai und andere.

Dann ist da noch der generationelle Aspekt. Die Leute, die jetzt an der Macht sind, gehören zur letzten sowjetischen Generation. Sie haben den Zusammenbruch der Sowjetunion noch bewusst miterlebt und akzeptieren ihn nicht. Aber für die Generation der 25- bis 30-Jährigen war die Ukrai­ne immer schon Ausland. Sie reisen eher nach Istanbul als nach Kiew.

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34 Kommentare

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  • Ich bin mit meiner Ansicht sicher in der Minderheit, doch die Absicht über GasGerd Russland einzulullen und Putin mit Medwedjew auszuspielen ist kräftig schief gegangen. Jetzt verdienen die Rüstungskonzerne, und das Ganze wird nachhaltigst Europa zerstören, zum Nutzen von China und Indien.

    • @Hans Meier:

      ...und den USA.

  • +++„Er will den russischen Volksstaat“+++

    Noch viel schlimmer ist, das Putin die Grenzen anderer Länder nicht achtet und sich in einer Linie mit Zar Peter dem Großen sieht, dabei ist Putin eher mit Ivan dem Schrecklichen zu vergleichen.

    Ein Völkerrechtswiedergier brutaler Angriffskrieg auch gegen Nato Staaten würde ich bei Putin nie ausschließen, die Ukraine ist erst das vorspiele, eines kommenden Jahrzehnts der Kriege.

    Das wird leider immer wieder zu Kriegen führen, denn Putin will eine Sowjetunion 2.0, noch größer als vor dessen zerfall, .

    • @udo123:

      Ich zitiere aus dem 2007er Brandrede Putins von der Münchener Sicherheitskonferenz: "Ich bin überzeugt, dass der einzige Mechanismus zur Entscheidung über die Anwendung von Gewalt als letzte Maßnahme nur die UN-Charta sein darf. In diesem Zusammenhang habe ich auch nicht verstanden, was kürzlich der Verteidigungsminister Italiens gesagt hat, oder er hat sich unklar ausgedrückt. Ich habe jedenfalls verstanden, dass die Anwendung von Gewalt nur dann als legitim gilt, wenn sie auf der Grundlage einer Entscheidung der NATO, der EU oder der UNO basiert. Wenn er das tatsächlich meint, dann haben wir verschiedene Standpunkte. Oder ich habe mich verhört. Legitim ist eine Anwendung von Gewalt nur dann zu nennen, wenn ihr ein UNO-Beschluss zu Grunde liegt. Und man darf die UNO nicht durch die NATO oder die EU ersetzen."

  • An die Redaktion:

    Bei Krastev lese ich, hundertausende von Ukrainern seien deportiert worden, vielleicht sogar schon 1 Million.

    In der Statistik auf dieser Seite lese ich, es handle sich um nach Russland Geflüchtete.

    Könnte es sein, dass diese Statistik irreführt und nur ein (kleinerer?) Teil der dort genannten 1,4 Millionen tatsächlich Flüchtlinge sind, der andere (größere?) Teil aber Deportierte?

    Ich bitte die taz-Redaktion, dieser Frage nachzugehen und uns darüber aufzuklären.

    • @Leo Brux:

      Wenn alle anderen Wege blockiert wurden und deine Stadt bombardiert wurde, bist du dann ein Flüchtling oder ein Deportierter, wenn du aus der Ukraine nach Russland gehst?

      • @Arne Babenhauserheide:

        Ein Flüchtling.

  • Der Schlächter von Moskau wird nicht eher aufhören zu schlachten, bis es nichts mehr zu schlachten gibt. Von daher wird es es zu einem endlosen Krieg zwischen Russland und der Ukraine kommen, solange der Schlächter nicht selbst geschlachtet wird. Römische Zeiten, im Osten nichts Neues.

    • @Kuno Ratte:

      Der Westen ist bereit bis zum letzten Ukrainer zu kämpfen. Oder wie es der Mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador formulierte, die Politik der Nato-Verbündeten sei gleichbedeutend mit der Aussage: "Ich liefere die Waffen, und ihr liefert die Toten. Das ist unmoralisch".

  • Ein ethnisch einheitliches Russland zu erschaffen, dürfte für Putin sehr schwer werden. Während die Länder Mittel- und Westeuropa früher ihre Kolonien in Übersee errichteten und größtenteils wieder verloren, dehnte Russland seine Grenzen nach Osten aus. Bis heute umfasst die Russische Föderation nicht nur traditionell russisch besiedelte Gebiete, sondern auch weite Teile Asiens, die ursprünglich und in weiten Teilen auch bis heute von anderen Völkern bewohnt werden.

    Auch in Südossetien wird traditionell weder Russisch noch eine andere slawische Sprache gesprochen. Das Ossetische ist enger mit dem Persischen verwandt.

    Wenn es Putins oberstes Ziel wäre, Russland ethnisch einheitlich zu machen, müsste er eher riesige Gebiete abtreten als neue zu anektieren.

    • @Ein alter Kauz:

      Ich vermute, dass Putins oberstes Ziel nach wie vor ist wie in 2008 von William Burns als US-Botschafter schriftlich festgehalten (Memo: Nein heisst Nein: Russlands Rote Linien zur NATO-Osterweiterung): "NATO enlargement, particularly to Ukraine, remains "an emotional and neuralgic"



      issue for Russia, but strategic policy considerations also underlie strong opposition to NATO membership for Ukraine and Georgia. In Ukraine, these include fears that the issue could potentially split the country in two, leading to violence or even, some claim, civil war, which would force Russia to decide whether to intervene." Das war 6 Jahre vor dem Maidan-Massaker und dem folgenden Regimewechsel = Staatstreich.

  • "Kürzlich habe ich einen sehr hohen russischen Funktionär gefragt, wer die Berater sind, auf die Putin hört. Er hat gesagt: Iwan der Schreckliche, Katharina die Große und Peter der Große."

    Katharina die Große ist seine Beraterin. Oh je. Zur Zeit dieser Zarin, gehörte das schöne Jever zu Russland. Wenn Putin früher oder später auf Idee kommt auch dieses Gebiet heim ins russische Reich zu holen, ist es aus und vorbei mit dem Jever-Pilsener.

    Werde mir vorsorglich mal ein paar Kästen einlagern. Man kann ja nie wissen, was noch passiert.

  • Das ist Kaffeesatzlesen und die Bestätigung, nur zu gerne geglaubter, Gerüchte und Meinungen.



    Niemand weiß, was P. glaubt, meint oder will, keiner kann genaue Angaben über Ziele, Aufgaben oder Verluste beider Seiten machen. Was wir sehen sind, gerade in den deutschen Medien, Angaben aus ukrainischen und US-Quellen. Die letzten Jahrzehnte sollten uns etwas über diese Art des Medieneinsatzes gelehrt haben.

    Russland war und ist ein multiethnisches Reich, in dem Russisch die Lingua Franca, mit Zugang zu Bildung und Anstellung bleibt. Die Bewahrung der eigenen kulturellen Identität und Zugehörigkeit zu einem größeren Gemeinwesen, dürfte in Russland einfacher sein, als in Frankreich.

    Russland ist ein Land mit sehr großen Problemen, die durch die Konfrontation mit dem Westen und dem Krieg, nicht einfacher geworden sind.



    Diese Probleme finden sich in allen Gesellschaften, die einen rapiden Umbruch, von einer Gesellschaftsform zu einer anderen erleben, deren Selbstgewissheit erschüttert wurde. Uns ist das mehr als einmal passiert und ganz verkraftet haben wir das auch nicht.

    • @Octarine:

      Die Ukrainer wollen keine Russen sein oder werden. Auch die Ukrainer, die als Muttersprache Russisch sprechen, wollen überwiegend keine Russen - keine Bürger Russlands - werden.

      Was halten Sie DAVON, Octarine?

      Sind diejenigen Ukrainer, die sich dagegen wehren, von Russland vereinnahmt zu werden, auch für Sie "Faschisten"?

      Haben die Ukrainer recht, wenn sie sich gegen die gewaltsame Russifizierung wehren?

      • @Leo Brux:

        Soweit ich mich erinnern kann, ist der Bürgerkrieg in der Ukraine losgegangen (dazu gehörte nicht nur die Donbas-Front, sondern auch z.B. der Brand im Gewerkschaftshaus in Odessa in dem knapp 50 Menschen umkamen), nachdem 2014 die neue Regierung die Sprachregeln bzgl. des Russischen eingeschränkt hatte.

    • @Octarine:

      > Kürzlich habe ich einen sehr hohen russischen Funktionär gefragt, wer die Berater sind, auf die Putin hört. Er hat gesagt: Iwan der Schreckliche, Katharina die Große und Peter der Große.

      ^ das ist nicht nur Kaffeesatzlesen.

    • @Octarine:

      Dann hören Sie sich doch auf YT z.B. mal das Interview von Hr. Lavrov mit der BBC vom 16.06.2022 an. Oder Putins Rede vom 21.02.2022 oder auch sein nationalistisches Pamphlet zur Einheit von Ukrainern und Russen vom letzten Jahr. Deutlicher geht es nicht mehr. Hören Sie auf so einen Unsinn zu verbreiten!

      • @Nachtsonne:

        Ich war einer von den 27 Millionen Zuhörern, die dem Fachvortrag "Why is Ukraine the West's Fault?" von John Mearsheimer, Politologe an der Uni Chicago, lauschten. Das klingt alles sehr schlüssig, wenn man dem Denkschema eines Realisten folgt. Die andere Denkschule ist der des Idealismus. Letzteres ist zwar anstrebenswert, aber die Welt braucht eher Realpolitiker, die mit gekonnter Diplomatie die Ziele umsetzen, die wesentlich sind.

  • Das zeichnete sich alles seit 2 dekaden ab. aber linke narrative verklärten russland und ignorierten die nationalistische walze in diesem land

  • Danke für das durch und durch spannende Interview.

  • Ein russischer Volksstaat? Die Südosseten ebenso wie die Abchasier sind keine Russen. Die wollen aber wohl lieber bei den Russen leben als bei den Georgiern. Warum? Weil die Russen schon ein Imperium sind mit fast 100 kleinen Völkern. Die sie relativ nett behandeln, so lange sie im Imperium bleiben wollen. 20% der Bevölkerung sind nicht ethnische Russen. Mit den Belarussen holt er sich ein weiteres kleines Volk dazu.



    Ja, den Donbas wird es wohl annektieren. Das ist traurig für die Ukraine. Das hat wenig mit einem "Volksstaat" zu tun als mit "Schwächung der Ukraine als westlichem Vorposten". Und mit einem Zugang zur Krim über Land und deren Wasserversorgung.



    Putin hat genügend Land, aber sicher Interesse an weiteren "unzufriedenen Minderheiten", die lieber in Russland leben wollen, wo auch der Lebensstandard und die Renten höher sind als im armen Moldawien bzw. der armen Ukraine.

    Es geht um Geostrategie, nicht um Identitäten. Die Identität der Russen ist imperial, d.h. die kleinen Völker gehören dazu, sie sind es, die Russland zum Imperium machen.

    • @Kartöfellchen:

      Prima Beitrag, der Widerspruch ist mir auch aufgefallen, als ich die Überschrift las. Rußland ist traditionell ein Vielvölkerstaat, das ist historisch und auch tief im Selbstverständnis. Ein "Volksstaat" ist das diametrale Gegenteil davon, da müßte Putin also die ganze Geschichte und Tradition über Bord werfen, an der ihm doch so viel zu liegen scheint.

      Und wie sollte er sowas überhaupt anfangen, ein "ethnisch reines" Rußland? Die ganzen nichtrussischen Republiken in die Unabhängigkeit entlassen? Wohl kaum. Oder die Nichtrussen dort vertreiben? Warum sollte er das tun, wo ihm doch so schon die Bevölkerung ausgeht, wie Herr Krastev meint.

      Und vor allem - WENN er sowas wollte, dann hätte er bei sich zuhause schon für ca. 2-3 Lebenszeiten zu tun und bräuchte sich nicht auch noch den Streß mit der Ukraine ans Bein zu binden. Das ergibt alles keinen Sinn.

    • @Kartöfellchen:

      Die angeblichen "unzufriedenen Minderheiten" sind doch nur ein Vorwand, um das Imperium auszudehnen. Wer will schon freiwillig zu Putins Russland gehören?

    • @Kartöfellchen:

      Die Ukrainer sind auch keine Russen. Stört Putin allerdings offenkundig nicht.

    • @Kartöfellchen:

      Nur hat Putin schon vor rund einem Jahr recht umfangreich dargelegt, dass er das anders sieht als sie und er Russen und Ukrainer eben als Russen betrachtet denen er deshalb kein Recht auf eine eigene Identität oder einene eigenen Staat zugesteht.



      de.wikipedia.org/w...ssen_und_Ukrainern

      • @Ingo Bernable:

        Nun, wenn man sich die Übersetzung anschaut, dann sagt er auch, dass er versteht, dass die Ukrainer nun einen eigenen Weg gehen.



        Sie sollten nur die von Russland gegebenen Gebiete zurückgeben.



        Von daher: Er will den Osten, damit die Ukraine massiv geschwächt ist.

      • @Ingo Bernable:

        Korrekt, aber was davon ist Propaganda und was ist sein wahres Ziel?



        Das Interview handelt von dem, was es eben nicht offen sagt.

        Übrigens behautet es das mit "Ukrainer sind Russen" schon eher seit einem Jahrzehnt.

        • @Sonntagssegler:

          Putins wahres Ziel hat er von Jelzin und auch von Gorbatschow geerbt, dem mündlich zugesagt wurde, dass sich die NATO keinen Zentimeter über die Grenze Ostdeutschlands Richtung SU bzw. Russland bewegt.



          nsarchive.gwu.edu/...budapest-blow-1994

  • "um die Umwandlung der Russischen Föderation in einen klassischen Nationalstaat"



    Und deshalb greift Putin in seinen Reden immer wieder die Formulierung vom "multinationalen Volk" der russländischen (!) Föderation auf? Und überhaupt: wie sollte das möglich sein? Dafür ist Russland ethnisch viel zu heterogen. Bei aller berechtigten Kritik an Russland: es wäre wünschenswert, wenn man sich nicht jeden Vorwurf zu eigen macht, solange er nur recht markig klingt.

    • @O.F.:

      Die russischen bzw. sowjetischen "Führer" haben schon immer versucht, die jeweiligen Kulturen in den eroberten Gebieten zu zerstören. Üblicherweise passierte das u.a. durch Umsiedlungen von Russen in diese Gebiete. Fragen Sie mal in den baltischen Staaten nach, die kennen das Vorgehen aus dem ff.

      • @Kaboom:

        Woher kamen noch mal die Russlanddeutschen?

      • @Kaboom:

        Erstens stimmt das in dieser Pauschalität nicht (Russland ist durch und durch multikulturell, wenngleich unter Vorzeichen, die sich vom westlichen Liberalismus signifikant unterscheiden) und zweitens war das auch nicht der Punkt, der in dem Artikel gemacht wurde und den ich kritisiert habe: dort ist nämlich nicht von kultureller, sondern von ethnischer Homogenisierung die Rede - was schlichtweg erfunden ist. Genau daran zeigt sich übrigens das Problem des gegenwärtigen Russland-Diskurses (ähnliches gilt auch für den Blick auf andere Länder wie China oder Iran): man interessiert sich eigentlich nicht für deren Innenleben, sondern berauscht sich an boulevardesken Feindbildern. Ich finde das intellektuell armselig, aber vielleicht setze ich einfach Bildungsstandards voraus, die dem Twitter-Zeitalter fremd geworden sind.

    • @O.F.:

      Ach was, Hauptsache irgendwas gegen Putin, dann wird das schon veröffentlicht, egal wie absurd das ist. Erkennt man schon daran, dass er manchmal der durchgenknallte Irre ist und dann wieder der kühle rationale Killer.

      • @Frank Fischer:

        Ich halte ihn für einen knallharten strategisch-denkenden Machtpolitiker, der wie jedermann auch Fehler macht. Das ist mir lieber als ein durchgeknallter Irrer mit einem "much bigger button". In seinem Kalkül handelt er rational - man muss halt seine Zielfunktion erkennen.