piwik no script img

Türkei-Blockade bei Nato-NorderweiterungDen Erpressern nicht nachgeben

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Der Widerstand der Türkei gegen die Nato-Erweiterung ist ein Test für das Bündnis. Es sollte nicht erneut Völkerrechtsverstöße dulden.

Präsident Erdogan fordert für seine Zustimmung zur Nato-Norderweiterung einen hohen Preis Foto: Turkish Presidency/ap

D ie Nato, derzeit engagiert in der Unterstützung der Ukraine gegen Russlands völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, bezeichnet sich selbst gerne als „Wertegemeinschaft“. Ihre Mitglieder sind laut der Gründungsakte von 1949 „der UNO-Charta verpflichtet“ und darüber hinaus, „den Prinzipien der Demokratie, individuellen Freiheiten und der Rechtsstaatlichkeit “.

Abgesehen von den vergangenen Völkerrechtsverstößen der Nato oder einzelner Mitgliedsstaaten in Ex-Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Libyen und anderwo, sah und sieht die Realität auch im Inneren der Allianz in den letzten 73 Jahren anders aus, als es die hehre Selbstbeschreibung vorgibt.

Das gilt – mehr noch als für den von der Nato bislang nicht kritisierten Abbau demokratischer Rechte und Freiheiten in Ungarn und Polen – vor allem mit Blick auf die beiden 1952 beigetretenen südosteuropäischen Mitgliedsstaaten Türkei und Griechenland. Die blutigen Militärputsche und nachfolgenden faschistischen Dikaturen in der Türkei 1960 und 1980 sowie in Griechenland 1967 wurden von den USA und anderen NATO-Mitgliedsstaaten nicht nur geduldet, sondern sogar unterstützt.

Dasselbe gilt für seit die 1976 anhaltende völkerechtswidrige Besatzung Nordzyperns durch die Türkei sowie für die anhaltenden kriegerischen Interventionen der Türkei im Irak und Syrien. Auch die Unterdrückung der Kurden in der Türkei sowie der Abbau von Demokratie und Rechtsstaat durch den zunehmend diktatorischen Präsidenten Erdogan waren bislang kein Anlass für die übrigen Nato-Mitglieder, diesen schwerwiegenden Verstößen gegen die „Prinzipien Demokratie, individuelle Freiheiten und Rechtsstaat“ entgegenzutreten.

Faustpfand Nato-Basis Incirlik

Im Nato-Vertrag seien „keine Sanktionsmöglichkeiten gegen Mitglieder vorgesehen“, wird diese Untätigkeit in der Brüsseler Zentrale der Allianz entschuldigt. Doch der eigentliche Grund ist, dass sich die Nato seit vielen Jahren von Ankara erpressen lässt durch die Drohung, die Nato-Basis Incirlik in der Südosttürkei zu schließen. Incirlik ist für die Nato und für die USA wichtigste Basis für sämtliche Luftoperationen im Nahen und Mittleren Osten. Zudem sind in Incirlik US-amerikanische Atomwaffen stationiert.

Mit dem Widerspruch Ankaras gegen einen Nato-Beitritt Finnlands und Schweden, die sämtliche zitierten Prinzipien der Nato-Gründungsakte besser erfüllen als irgendein anderes Land, ist eine noch nie dagewesene Kontroverse entstanden. Hätte Erdogan seinen Einspruch damit begründet, dass diese Erweiterung sicherheitspolitisch falsch und eine unnötige, gefährliche Provokation Russlands und seines Halbverbündeten Putin sei, hätte daraus eine politisch relevante, längst überfällige Nato-interne Debatte entstehen können.

Doch den Einspruch mit der Forderung zu begründen, dass die Regierungen in Helsinki und Stockholm ihre Schutz- und Asylverpflichtungen für verfolgte türkische KurdInnen aufgeben, die von Erdogan systematisch als „Terroristen“ diffamiert werden, ist schiere Erpressung.

Dasselbe gilt für Erdogans Forderung nach Wiederaufnahme von Waffenlieferungen, die die Regierungen in Oslo und Stockholm gestoppt hatten aus berechtigter Sorge, dass die Türkei diese Waffen bei ihren völkerrechtswidrigen Interventionen in Syrien und Irak einsetzt oder gegen die Kurden im eigenen Land. Erdogans Erpressungmanöver zielt ganz offensichtlich darauf ab, die USA zur Lieferung von Kampfflugzeugen an die Türkei zu nötigen, die Washington nach Ankaras Kauf russischer Boden-Luftraketen gestoppt hatte.

Eine ähnlich miese Erpressung versucht der irreführender Weise als „Sozialist“ firmierende nationalistische Präsident Kroatiens, Zoran Milanovic. Er fordert, dass das Wahlgesetz im benachbarten Bosnien-Herzegowina zugunsten der dort lebenden Kroaten geändert wird, bevor das kroatische Parlament den Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands ratifiziert. Dahinter steht das seit Anfang der 1990er Jahre von den Nationalisten in Zagreb wie in Belgrad unverändert verfolgte Ziel, den souveränen Staat Bosnien-Herzegowina zwischen Kroatien und Serbien aufzuteilen.

Dieses Ziel des Präsidenten eines Nato-Mitgliedsstaates ist von ähnlich völkerrechtswidriger Qualität, wie die Ansprüche von Putin auf Teile der Ukraine. Die USA und alle anderen NATO-Staaten ebenso wie Finnland und Schweden sollten den Erpressern in Ankara und Zagreb keinen Zentimeter entgegenkommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.

24 Kommentare

 / 
  • Die Türkei als NATO-Mitglied ist zwar ein Problem, aber eines, das sich im Moment nicht ohne weiteres lösen lässt.

    Man stelle sich vor, die Türkei würde aus der NATO ausgeschlossen werden: Würde sie nicht nach neuen Verbündeten suchen? Selbst, wenn es eine Menge kostet? Man stelle sich vor, in der Ukraine kämen von der jenseitigen Schwarzmeerküste noch mehr Invasoren an. Ich glaube, das wollen wir eher nicht. Eine Russland-Türkei-Allianz könnte auf lange Sicht auch ein Problem für den Balkan werden, wohin beide Länder historische Verbindungen geltend machen könnten. Das wäre eine enorme Destabilisierung des vielerorts in Europa noch intakten Friedens. Der Krieg könnte deutlich näher an uns heranrücken als bisher. Man darf nicht vergessen, dass die Türkei mit eine der größten Streitmächte in der NATO ist. Man will sie nicht auf Seiten des Gegners wissen.

    Das ist der unvermeidliche zynische Pragmatismus der Außenpolitik: Man muss mit miesen Diktaturen gegen noch miesere Diktaturen zusammenarbeiten. Auch eine "wertegeleitete Außenpolitik" kann oft nur so viel erreichen, dass man das kleinere Übel wählt.

    • @Ein alter Kauz:

      Leider haben Sie recht, was den zynischen Pragmatismus betrifft ... eine "wertegeleitete Aussenpolitik" lässt sich das jedoch nicht nennen (Sie haben es wahrscheinlich nicht ohne Grund selbst in Anführungszeichen gesetzt).



      Die NATO-Erweiterung um Schweden und Finnland kann so - eingedenk des Preises, den man an Erdogan wird zahlen müssen - schwerlich als "Sieg" von peace&democracy über Putin-Russland gefeiert werden.

      • @Abdurchdiemitte:

        Auch eine "wertegeleitete" Außenpolitk kann pragmatisch abwägen, wie sie besagten Werten am besten dient. Man sollte sie nicht mit ideologischer "Brett-vorm-Kopf"-Politik verwechseln.

        In dem Sinne KANN ein Sieg über Putin-Russland durchaus in Form etwaiger Zugeständnisse an Erdogan "teuer" werden. Aber er bleibt ein Sieg - und letztlich wahrscheinlich billiger, als wenn man Schweden und Finnland im Stich ließe.

        Erdogan wird es irgendwann zu weit treiben und auf die Nase fallen. Die Nato-Staaten - insbesondere die europäischen - müssen nur schauen, dass diese Nasenlandung nicht die Formen annimmt wie bei anderen Hasardeuren, die ihr Blatt überspielen - z. B. James Cameron oder eben Vladimir Putin.

  • Die NATO hat keine Werte. Die NATO ist zur Wahrung der Interessen ihrer Mitglieder da. Hätte sie Werte, dann wäre die Türkei schon längst nicht mehr Mitglied. Zumal: welcher Bündnispartner verhält sich denn so wie die Türkei, dass er sogar eigene Bündispartner in Syrien bombardiert hätte? Aber Folgen hatte auch das nicht.

    Erdogan sitzt hier am längeren Hebel, weil rein geostrategisch wird die NATO auf die Türkei nicht verzichten wollen, weil:

    1. die Meerenge von Istanbul der Punkt ist, wo das Schwarze Meer ins Mittelmeer mündet.



    2. man von der Türkei sehr schnell auf der Arabischen Halbinsel und im Iran ist.



    3. Im Vergleich zu den Arabern und Iranern die Türken noch immer deutlich gemäßigter in Sachen Islam sind.

    Und genau das weiß Erdogan auch. Was ist also wahrscheinlicher - dass Erdogan irgendwann verschwindet, oder man Erdogan gibt, was er will? Ich tippe auf letzteres.

    • @Herbert Eisenbeiß:

      Wenn man Glück hat, wird sich irgendein Kompromiss aushandeln lassen. Ich befürchte aber auch, dass es eher unschön wird.

  • Ein sehr treffender Kommentar mit einigen Anmerkungen, die ich in letzter Zeit auch in taz-Artikeln vermisst habe - und sowieso anderswo in den Medien, wo plötzlich Lobgesänge auf die NATO schon zum guten Ton, zu einer Art Staatsräson zu gehören scheinen.

    Es dominiert verstörend oft die nach meiner Einschätzung unbegründete Annahme, dass der Aggressionskrieg Russlands umgekehrt die NATO reinwasche oder gar bewiesen würde, dass wir uns nun alle militarisieren müssten.

    Da ist es wohltuend, diesen Kommentar zu lesen.

    Bezüglich der Türkei sollten wir uns aber keine Illusionen machen:

    Die Lösung wird wohl sein wie bisher, dass Menschenrechtsverletzungen und Angriffskriege de facto erlaubt bleiben, aber irgendwie man sich dennoch von ihnen gesichtswahrend distanzieren kann.

    Eben das, was die NATO seit Anbeginn praktiziert.

    Warum sollte sie durch Russlands Krieg besser werden?

    Leider bestimmen die Relativierer weiterhin das Feld:

    - Putin-Freund:innen rechtfertigen Kriegs-Unrecht mit Verweis auf Nato-Unrecht oder reden es klein.

    - Nato-Anhänger sehen nun jeden Dreck von ihr abgewaschen (und sind wohl auch bereit, noch mehr davon hinzunehmen); eben weil Putin Unrecht tut.

    Gleichzeitig werfen beide Seiten der jeweils anderen vor, zu relativieren, nur um selbst kräftig weiter relativieren zu können.

    • @PolitDiscussion:

      Politik heißt, nicht bloß anzuprangern sondern auch zu tun. Und um tatsächlich etwas zun zu können, hilft es, sich der realen Handlungsmöglichkeiten bewusst zu sein. Gegenwärtig ist die Nato sicherlich keine heile Welt, aber sie ist der effektivste Schutz für West- und eben auch Nordeuropäer vor Aggressoren wie Putins Russland. Man mag nicht einverstanden sein mit dem, was Erdogan so unter "demokratisch legitimierter Staatsräson" versteht. Aber als Teil von Putins neuem Zarenreich oder zumindest dessen erweiterter "Interessensphäre" wird man dagegen im Zweifel noch viel weniger unternehmen können.

      Von daher ist das allgemeine Meinungsbild im Moment vielleicht etwas deutlicher "pro Nato" als noch vor einigen Monaten. Aber das ist kein Augenverschließen vor ihren Fehlern, sondern schlicht die Erkenntnis, dass man sie jedenfalls braucht - und sie daher lieber nimmt, wie sie ist, als sie garnicht zu haben.

  • Die Eu ist vielleicht zu retten wenn dort das Prinzip der Mehrheitsentscheidungen eingeführt wird, kein Veto -> keine Erpressung



    Die Nato hingegen ist ein reines Militärbündnis zur Sicherung der Interessen der Bündnispartner. Da ist es schon sinnig das jeder gefragt wird ob er mit all seinen möglichen Mitteln dem neuen Mitglied helfen würde.



    Ist es nicht menschlich, dass diese Macht dann auch missbraucht wird, um eigenen Interessen Vorschub zu leisten.

    • @Ramaz:

      Menschlich ja, hilfreich nein. Ein Bündnis funktioniert nicht, wenn man seinen Verbündeten Zustimmungen, die auch zu ihrem Nutzen sind, erst einmal abkaufen muss. Einem Erdogan seine diesbezügliche "Menschlichkeit" anstandslos durchgehen ließe, hieße daher, nicht nur den eigenen - ebenfalls menschlichen - Egoismus sondern auch die politische Vernunft zu ignorieren.

      • @Normalo:

        §5 greift nur wenn ein Mitglied unvermittelt angegriffen wird



        Türkei hat nur zu befürchten das sich mal ein Anreiner vernünftig verteidigt. Da käme niemand zu Hilfe



        Daher lassen sie es sich von je her gut bezahlen das die USA dort stationiert sind, oder auch mal ein grichisches Schiff den Bosporus passieren darf.



        Geografisch sind die Türkei zu wichtig und es ist sinnig sie zumindest laut Papier als Partner zu haben. Sollte es wirklich mal knallen wird es fraglich sein auf welcher Seite sie zu finden sind

        • @Ramaz:

          Das Verhältnis von Nato, EU und Türkei ist hinreichend vielschichtig, dass man nicht für Alles gleich den groben Keil braucht. "Nicht anstandslos durchgehen lassen" heißt also nicht notwendigerweise, dass man die Türkei gleich aus dem Bündnis ekelt. Es gibt andere Ebenen (wirtschaftliche, symbolische...), auf denen man Erdogan und seine Wähler spüren lassen kann, dass er sich gerade den Ruf eines kleinen, autokratischen Parasiten verschafft und nicht wie den jenes majestätischen neuzeitlichen Pascha, der er gerne wäre.

  • Und dann der Türkei miese Punkte geben im NATO-Demokratie-Ranking - wie es Paul Mason im taz-Interview vorschlägt - und alle Verbündeten rufen laut: Pfui!



    Das wird den Erdogan schwer beeindrucken, glaubt's mir.

  • Nach dem obligatorischen NATO-Bashing, mit Verweisen auf deren Unterstützung von türkischen und griechischem Diktaturen von vor 40-50 Jahren, kommt dieses Zitat: "Dieses Ziel des Präsidenten eines Nato-Mitgliedsstaates ist von ähnlich völkerrechtswidriger Qualität, wie die Ansprüche von Putin auf Teile der Ukraine." Erdogans Erpressung völkerrechtlich mit Putins Vernichtungskrieg gegen die Ukraine zu vergleichen, ist doch etwas übertrieben und zeigt den Versuch Putins Überfall mit vergangenen Schandtaten der NATO zu relativieren.

    • Andreas Zumach , Autor des Artikels, Autor
      @Rinaldo:

      Sie sollten richtig lesen, bevor Sie kommentieren und Relativierungsvorwürfe erheben. Die Formulierung "Dieses Ziel des Präsidenten" bezieht sich eindeutig und nicht verwechselbar nicht auf Erdogan, sondern auf den in den Sätzen unmittelbar davor genannten Präsidenten Kroatiens sowie auf die Natioanalisten in Kroatien und Serbien. Und verglichen wird nicht,wie Sie unterstellen, eine "Erpressung" mit einem "Vernichtungskrieg", sondern die völkerrechtswidrige Leugnung der Souveränität Bosnien-Herzegowinas durch den kroatischen Präsidenten mit der völkerrechtswidrigen Leugnung der Souveränität der Ukraine durch den russischen Präsidenten,



      Andreas Zumach

    • @Rinaldo:

      Der Feine unterschied zwsichen Mitteln und Zweck...

      Das Zitat handelt ausdrücklich davon, was Erdogan für ein Ziel verfolgt, nicht was er für Kriege führt, um es zu erreichen. Insofern relativiert es sich selbst, denn bei Putin wird man wohl sagen müssen, dass sein Ziel an sich vielleicht völkerrechtlich hanebüchen, das eigentliche Fanal aber ist, wie er es verfolgt.

      Erdogan möchte dagegen auf ganz friedlichem Wege erreichen, dass die Nato seiner Vorstellung von Türkentum und dem rechtmäßigen Herrschaftsbereich desselben nicht mit irgendwelchem menschenrechtelndem Mimimi dazwischenfunkt. Bedenkt man, wohin er schon alles die Finger ausgestreckt hat, geht dieser Anspruch an sich wirklich kaum weniger weit als der von Putin bezüglich "Russentums" und wen DIESES beherrschen sollte.

      Der wesentliche Unterschied ist, dass Erdogan es bislang nicht auf einen offenen Eroberungsfeldzug hat ankommen lassen. Den muss man auch diesem auf den ersten Blick vielleicht etwas überziehenden Zitat zugute halten.

    • @Rinaldo:

      Natürlich kann man Putins Vernichtungskrieg in der Ukraine nicht mit Erdogans Erpressung vergleichen. Da sollte man schon Erdogans Vernichtungskrieg in der Nordsyrien und Nordirak heranziehen.

      Auch sonst hat der Irre vom Bosporus ja eine hübsche Blaupause geliefert:



      Drohe mit Flüchtligen, dann kannst du Terroristen unterstützen, Opposition einsperren, Wahlen fälschen, von der Wiederherstellung des osmanischen Reiches faselnd strafffrei in fremde Länder einmarschieren und dort Marionettenregimes ethnisch säubern lassen. Grad vor zwei Wochen hat die irakische Regierung protestiert als die türkische Armee mal wieder eine "begrenzte Anti-Nazi-Operation" im benachbarten Ausland durchgeführt hat. Reaktion der NATO: Keine.

      Putin hat einfach zu wenig Flüchtlinge in den polnischen Wald geschickt. Die da nach wie vor sterben. Wegen der Rechtsstaatlichkeit.

    • @Rinaldo:

      Es ist nicht frei von ungewollter Ironie - der Vorwurf "Relativierung" ist immer wieder in Beiträgen zu lesen, die - nun ja - relativieren; in diesem Fall sogar doppelt: ersten nämlich den NS, wenn man den Krieg in der Ukraine als "Vernichtungskrieg" bezeichnet (hier rate ich, einschläge Fachliteratur zum "Unternehmen Barbarossa zu Rate zu ziehen), zweitens, in dem man jeden Hinweis auf Verbrechen der Nato (die sich nicht auf die Unterstützung der gr. und türk. Diktaturen beschränkt) mit dem Hinweis vom Tisch wischt, was Putin macht wäre doch viel schlimmer. Die Opfer "unserer" Gewalt dürften das anders sehen... Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Moral, die nur dann entdeckt wird, wenn man sie gegen Russland oder andere Lieblingsfeinde des Westens instrumentalisieren kann, ist keine solche - sondern bestenfalls ein versteckter Nationalismus.

      • @O.F.:

        Das barbarische "Unternehmen Barbarossa" muss ja nun wirklich nicht als die einzige Blaupause für alle Vernichtungskriege dieser Welt herhalten. Dass Putin die Ukraine als souveränes Land vernichten will, steht in seinen eigenen Verlautbarungen und ist an den völlig zerstörten Städten wie Mariupol mit seinen 20.000 zivilen Toten zu sehen. Die Aufrechnung der Gewalt - Nato hier, Russland dort - hat schon etwas Makabres und ist völlig fehl am Platz angesichts des faschistischen Überfalls Russlands auf seinen Nachbarn.

        • @Rinaldo:

          Nun ist der Terminus "Vernichtungskrieg" einigermaßen eng mit dem "Unternehmen Barbarossa" verbunden, insofern ist es fraglich, ob man ihn verwenden kann, ohne einen Bezug zum NS zu evozieren, der hier völlig fehl am Platze ist. Aber selbst wenn man davon absieht, bedeutet er mehr als die Eroberung eines Landes und die Zerstärung seiner Souveränität; die russische Armee hat zweifellos Kriegsverbrechen begangen, aber nicht die Bevölkerung massenhaft und systematisch ermordet - auch im Falle von Kriegen und staatlicher Gewalt sollte man bei den Fakten bleiben, statt wild zu polemisieren.



          Im übrigen wurde weder in dem Artikel oben, noch in meinem Beitrag Gewalt "aufgerechnet", sondern lediglich darauf hingewiesen, dass alle involvierten Akteure eine erschreckende moralische Bilanz vorzuweisen haben - das nicht hören zu wollen, ist in der Tat eine Relativierung.



          P.S. Faschistisch können Staaten oder politische Bewegungen sein (auf Russland trifft das eher nicht zu, aber das nur am Rande) - ein Überfall aber nicht (das passende Wort hier wäre völkerrechtswidrig); auch hier gilt, was ich schon geschrieben habe: eine präzise Sprache ist eine Voraussetzung für eine präzise Beurteilung - und daher gerade in Kriegs- und Krisenzeiten unerlässlich.

  • Danke -- sehe ich genauso.

    Schwierig, so einem ausgewogenen Standpunkt beim momentan vorherrschenden Ersatz-Patriotismus Gehör zu verschaffen.

    Das mit der "Erpressung" sehe ich gemischt: bei Teilen der NATO rennen Erdoǧan oder Milanović bestimmt offene Türen ein.

    "Bei uns" Demokratie. "Da hinten" lieber autoritäre Regimes. Das ist ein klassisches, zutiefst rassistisches imperiales Muster. Leider.

    • @tomás zerolo:

      Können Sie das mit den offenen Türen auch irgendwie beegen?

      Immerhin ist die Türkei in der NATO sehr isoliert.

      • @rero:

        Das kann ja sein … aber Erdogan muss nicht super beliebt sein, um seine Ziele durchzusetzen. Es ist die geopolitische Lage der Türkei, die ihm die Macht gibt … oder zumindest die Möglichkeit der Erpressung.



        Wie sollte der “Rest” der NATO sich gegenüber der Türkei verhalten … was meinen Sie?

  • was macht man mit solchen Ländern, die immer wieder beweisen, dass sie im Zweifel eben nicht zur Nato stehen..."stört dieNähe zur PKK.." ist ein Vorwand , eine Legende um im Sinne Putins den Beitritt Schwedens und Finnlands zu verhindern... die Alleingänge -Angriffskriege ohne Anlass bzw. aus eben gleichem Grund wie in Syrien- hatten keine Folgen in der Nato. Türkei kauft russische Waffen, Türkei verbreitert Einfluss in D durch Imame , Wahlveranstaltungen etc... rausschmeißen aus der Nato? ( ich weiß, das geht nicht, leider)

  • Danke. Eine Stimme der Vernunft & der Aufklärung - in Zeiten von Pest&Cholera •



    Ja. Selbst in der taz - stirbt die Hoffnung zuletzt.