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Verlässliche InformationenDas schwer umkämpfte Gut

Die Pressefreiheit ist fast überall durch illiberale Tendenzen bedroht. Doch gibt es inmitten der größten Krise auch einen Hoffnungsschimmer.

Irpin, Ukraine am 6. März: Journalisten fliehen vor heftigem Beschuss Foto: Carlos Barria/reuters

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine macht es deutlich: Unabhängige Medien sind im Jahr 2022 so wichtig und so bedroht wie kaum jemals zuvor. Im Krieg selbst können verlässliche Informationen das Überleben sichern. Jour­na­lis­t*in­nen ordnen die Kriegshandlungen ein, leisten Aufklärungsarbeit auch mit Blick auf Kriegsverbrechen, wollen verstehen und verständlich machen.

Auch deshalb will die Mehrheit der ukrainischen Jour­na­lis­t*in­nen im Land bleiben und weiter berichten. In Russland ist die Situation eine andere: Als unabhängiger Journalist oder kritische Reporterin ist es im Land nicht mehr auszuhalten. Seit das drakonische Mediengesetz vom 4. März „falsche“ Berichterstattung mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bedroht, verlassen Medienschaffende in Scharen das Land.

Tödlichstes Land für Journalisten

Am 15. März wurde Armando Linares ermordet – als schon achter Journalist in Mexiko im Jahr 2022. Im ganzen Jahr 2021 waren dort sieben Jour­na­lis­t*in­nen ermordet worden. Das dritte Jahr in Folge waren es dort so viele wie in keinem anderen Land der Welt. Quasi alle im Land getöteten Medienschaffenden sind indirekt Opfer im Drogenkrieg. Recherchen über Kartelle und ihren Einfluss auf Politik und Behörden sind lebensgefährlich. In bis zu 99 Prozent der Morde an Jour­na­lis­t*in­nen kommen die Drahtziehenden ungestraft davon, was als Einladung zur Nachahmung betrachtet werden kann. Mit der mexikanischen Organisation Propuesta Cívica unterstützt Reporter ohne Grenzen Hinterbliebene beim juristischen Kampf für Gerechtigkeit. Auch deshalb konnten inzwischen Mittäter an den 2017 verübten Morden an zwei prominenten Journalisten zu langen Haftstrafen verurteilt werden. Diese Urteile machen ein wenig Hoffnung, dass sich doch etwas bewegt.

Reporter ohne Grenzen hat die Einschränkungen der freien Berichterstattung in Russland seit Langem kritisiert. Schon in den Monaten vor dem Überfall auf die Ukraine war die Repression massiv, die Liste angeblicher „ausländischer Agent*innen“ wuchs rasant an.

Heute droht Russland zu einem medialen schwarzen Loch zu werden – um die Pressefreiheit ist es so schlecht bestellt wie seit dem Ende der Sowjetunion nicht mehr.

Tag der Pressefreiheit

Der 3. Mai wurde 1993 von der UN-Vollversammlung zum Welttag der Pressefreiheit erklärt. Die taz panter stiftung hat aus diesem Anlass gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen eine Beilage für die taz erstellt. Wir blicken auf die Lage der Presse in Russland und Kuba, in Frankreich und Myanmar, in Afghanistan, im Irak und in der Türkei. Aber wir schauen auch auf den Journalismus in Deutschland in Zeiten von Crowdfunding und Fake News. Und wir fragen Günter Wallraff, warum er sich für den Wikileaks-Gründer Julian Assange einsetzt.

Alle Texte erscheinen online unter taz.de/pressefreiheit

Gefährliche Recherchen zu Korruption, Politik und Kriminalität

Weltweit nehmen illiberale Tendenzen mit Blick auf die Medien zu. Abseits von Kriegen und Krisen leben Jour­na­lis­t*in­nen vor allem dann gefährlich, wenn sie über die Verstrickungen korrupter Po­li­ti­ke­r*in­nen mit der organisierten Kriminalität berichten.

Nicht umsonst ist Mexiko das Land mit den meisten getöteten Journalist*innen. In China wirft das Regime im weltweiten Vergleich die meisten Medienschaffenden ins Gefängnis. In Hongkong, einst ein Vorbild der Pressefreiheit, mussten mit Apple Daily und Stand News die letzten unabhängigen Medien schließen.

In Afghanistan wiederum radieren die Taliban die vergangenen 20 Jahre, in denen eine sehr vielfältige Medienlandschaft entstanden ist, vollständig aus. In vielen Ländern haben die Regierungen die Covid-19-Pandemie genutzt, um mit Gesetzen gegen Fake News ihr eigenes Narrativ zu unterstützen.

Auch in Europa steht die Pressefreiheit unter Druck. In Ungarn hat Viktor Orbán über 80 Prozent der Medien unter mehr oder weniger direkte Kontrolle gebracht. In diesen Medien kam der Wahlkampf seines Widersachers Peter Marki-Zay quasi nicht vor – Orbáns erneuter Wiederwahl zum Ministerpräsidenten Anfang April hat das sicher nicht geschadet.

Verachtung für kritische Jour­na­lis­t*in­nen

Das ungarische Vorbild verfängt: Auch der gerade abgewählte slowenische Ministerpräsident Janez Janša machte aus seiner Verachtung für kritische Jour­na­lis­t*in­nen keinen Hehl. Die in Polen regierende PiS ihrerseits hat den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wie ihr Pendant Fidesz in Ungarn, zu einem staatlichen Propagandainstrument gemacht.

In Deutschland ist in den vergangenen zwei Jahren kaum ein Wochenende vergangen, an dem es keine Beleidigungen von Journalist*innen, keine Schläge oder Schubsereien, keine veröffentlichten Klarnamen und Adressen von Me­di­en­ver­tre­te­r*in­nen gegeben hätte.

Im Jahr 2020 hatte Reporter ohne Grenzen 65 gewaltsame Angriffe auf Jour­na­lis­t*in­nen gezählt. Schon diese Zahl bedeutete einen starken Anstieg (2019: 13). 2021 nahm die Gewalt gegenüber Medienschaffenden hierzulande weiter zu auf mindestens 80 verifizierte Fälle.

Es gibt aber auch positive Entwicklungen. Das Schicksal der ukrainischen und russischen Medien löste europaweit eine enorme Welle der Hilfsbereitschaft aus: Redaktionen machen unbürokratisch Arbeitsplätze für bedrohte Kol­le­g*in­nen frei, zivilgesellschaftliche Organisationen legen zügig Hilfsprogramme und Projekte auf, Stiftungen und einzelne Menschen spenden viel Geld.

Um dieses zu kanalisieren und zügig dorthin zu lenken, wo es am dringendsten gebraucht wird, hat RSF gemeinsam mit der Rudolf-Augstein-Stiftung und der Schöpflin Stiftung den JX Fund aufgelegt, einen europäischen Fonds für Exiljournalismus. Denn das ist fast allen Jour­na­lis­t*in­nen gemein, die ihre Heimat verlassen müssen: Sie wollen arbeiten, wollen weiter berichten, sei es über die Ukraine, über Russland, über Belarus oder Afghanistan.

Dieser Text ist Teil einer Beilage der taz Panter Stiftung und von Reporter ohne Grenzen in der taz vom 3. Mai 2022, dem Internationalen Tag der Pressefreiheit.

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2 Kommentare

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  • Neben den drei Gewalten, die unsere lebendigen und auch streitbaren westlichen Demokratien in der Balance halten, gibt es als argusäugige Wächterin die "Vierte Macht". Die gewaltfreien JournalistInnen, die Ihre Freiheit, ihre Gesundheit und sogar ihr Leben für die Berichterstattung - insbesondere auch in Krisengebieten und an Kriegsschauplätzen - riskieren, brechen eine Lanze für die Resilienz der Zivilgesellschaft auf dem langen Weg zur Weltgemeinschaft, die sich für ihre Werte zur Wehr setzt. Vielen Dank an alle mutigen JournalistInnen. Aus dem Motto von Rudolf Augstein 'Sagen, was ist', wurde in Zeiten von Fake News auch: 'Schreiben, was nicht sein kann'. Denn nach Epiktet kann auch gelten: "Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben."

  • Ich bewundere den Mut, die Berufsethik und die offene Kleverness im Informationsbedarf und Interresse der Menschheit.

    Ihr seid die modernen Helden unserer Zeit. Danke !