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Relativierung des Ukraine-KriegsOstermarsch sucht Schuld bei Nato

Das Forum für Völkerverständigung organisiert die Hamburger Ostermärsche. Im Aufruf für 2022 wird vor allem „der Westen“ angegriffen.

Bescheidenes Friedenszeichen: Ein Mann hält beim Hamburger Ostermarsch 2016 eine Osterglocke Foto: Axel Heimken/dpa

Hamburg taz | „Krieg ist ein Verbrechen“, schreibt das Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung in seinem aktuellen Rundbrief von Anfang April, und: „Krieg ist durch nichts zu rechtfertigen.“ Was dann folgt, ist im Großen und Ganzen eine Rechtfertigung Russlands.

Das Forum organisiert alljährlich die Ostermärsche in Hamburg. Der Flyer mit der Einladung für die Märsche am Karsamstag und Ostermontag beinhaltet auf den ersten Blick vor allem pazifistische, antimilitaristische Positionen: Abrüstung, Verhandlungen, Aufnahme von Flüchtenden und keine Waffenlieferungen. Ähnliche Forderungen liest man auch für andere Friedensdemos, so auch für die Ostermärsche in Oldenburg, Bremen oder Osnabrück.

Der Hamburger Aufruf unterscheidet sich aber durch eine Analyse, die die Schuld in erster Linie bei der Nato sucht. „Die Bundesregierung hat sich als Vasall an die Seite der USA gestellt, die im Kampf um die Erhaltung ihrer weltweiten Hegemonie mit der Nato-Ost­erweiterung Russland in die Knie zwingen will“, schreibt Markus Gunkel vom Hamburger Forum im Rundbrief.

Und im Ostermarsch-Flyer selbst heißt es: „Die Kündigung vieler wichtiger Rüstungskontrollverträge durch die USA, die kontinuierliche Nato-Osterweiterung und die forcierte Nato-Aufrüstung, mediale Hetze gegen Russland und China haben zur Eskalation beigetragen und die Sicherheitsinteressen Russlands bedroht.“

Russlands Rolle wird relativiert

Aufgegriffen hatte das Schreiben die Hamburger Morgenpost in ihrer Ausgabe vom Dienstag. „Zoff um den Ostermarsch“ schreibt die Mopo dort und wirft dem Hamburger Forum vor, auf Kreml-Linie zu sein. Die Kritik hält Rundbrief-Autor Gunkel für verleumderisch. „Dort wird behauptet, dass ich für Putin bin“, bemängelt Gunkel. „Wir schreiben aber klar, dass wir den Rückzug der russischen Truppen fordern.“ Tatsächlich kommt Putin in den Texten Gunkels mit keinem Wort vor. Die Forderung nach einem Rückzug Russlands steht prominent am oberen Rand des Aufrufs.

Doch es lohnt der Blick ins Detail: Aus Russlands Angriff auf die Ukraine wird bei Gunkel „Russlands Eintritt in den Ukrainekrieg, der innerhalb des Landes schon seit 2014 ausgetragen wird.“ Die Rede ist damit nur noch von einer „Ausweitung der Kampfhandlungen“ durch Russland.

USA und Nato „wollen die Entwicklung hin zu einer multipolaren Welt nicht akzeptieren und gehen dafür über Leichen“, schreibt Gunkel, bevor er zugibt, dass „jetzt auch Russland im Ukrainekonflikt auf militärische Machtpolitik“ setze. Dies wird weiter relativiert: Schließlich gebe der Westen weit mehr Geld für Rüstung aus.

Gewerkschaften werben für Teilnahme

Die Mopo hatte in ihrem Artikel vermutet, dass nun der Ostermarsch geschwächt werde: Ver­tre­te­r*in­nen der Linken, darunter die ehemaligen Bürgerschaftsabgeordneten Christiane Schneider und Kersten Artus gaben an, an der Friedensdemo nicht teilnehmen zu wollen. Schneider möchte sich nicht ein weiteres Mal öffentlich zu dem Thema äußern.

Doch ob die Aussagen tatsächlich viele Be­su­che­r*in­nen abhalten werden, ist schwer zu ermessen. Der öffentlichen Äußerung von Schneider und Artus zum Trotz ruft etwa die Linke weiter zum Ostermarsch auf. Das kann kaum verwundern: Beim Parteitag der Hamburger Linken Ende März hatte sich ohnehin keine Mehrheit für eine als „Minimalkonsens“ angekündigte schlichte Verurteilung des russischen Angriffs gefunden; große Zustimmung fand dagegen eine alte friedenspolitische Forderung, die vor Kriegsvorbereitungen der Nato warnte.

Auch bei der Diakonie wird weiter für die Teilnahme am Ostermarsch geworben. Und anders, als in der Mopo impliziert, distanzieren sich auch die Gewerkschaften nicht von den Ver­an­stal­te­r*in­nen des Friedensmarsches.

„Gerade jetzt ist es wichtig, gemeinsam zu zeigen, dass sich viele Menschen in Deutschland für Frieden in Europa und weltweit einsetzen“, sagt Hamburgs DGB-Pressesprecherin Savannah Guttmann. Die Ostermärsche spiegelten traditionell die ganze Bandbreite der in der Friedensbewegung vertretenen Positionen. Das zeige sich eben auch an der Vielzahl unterschiedlicher Aufrufe.

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27 Kommentare

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  • Geht's bitte noch ein bisschen pauschaler? "Der Ostermarsch" sucht Schuld bei NATO? Einzelne Gruppierungen tun das vielleicht, aber bei weitem nicht alle. Auf dem Marsch waren nicht nur die DKP und ähnliche, da waren auch die Gewerkschaften, PAX Christi und andere Gruppierungen, die das so pauschal niemals gesagt haben.

    Jetzt geht also tatsächlich in der geliebten TAZ die Verunglimpfung des Pazifismus auch noch los?

  • Ich bin in Berlin auf dem Weg zur Pro-Ukrainischen Friedensdemo bei der Anti-NATO-Demo in Kreuzberg vorbegefahren. Bei der Pro-Ukrainischen Demo habe ich mehr Menschen gesehen, allerdings verteilten sich diese auf einem breiteren Platz (Bebelplatz) und dann breiten Straßen (Unter den Linden).

  • Ich sehe ja die Kritik an der NATO seitens der Protestler auf den Ostermärschen eher mit der hochgradigen Militarisierung unserer Welt, vor der wir alle uns entledigen sollen und der Unfähigkeit, andere Länder zur Abkehr von Waffen zu bewegen.

  • Das bedeutet: nicht zum Ostermarsch nach Hamburg gehen, sondern anderswohin ... dorthin, wo die Solidarität mit der Ukraine nicht infrage gestellt wird, der Vernichtungskrieg Putins nicht relativiert oder verharmlost wird, sondern als das, was er ist ... das ist jetzt die Hauptaufgabe der Ostermarschbewegung. Und sie ist jetzt wichtiger als jemals zuvor in den letzten 80 Jahren.



    Und, liebe Hamburger, nicht mehr die Linkspartei wählen, niemals ... bitte merken bis zur nächsten Landtagswahl, die ist ja noch ein bisschen hin.

  • Wer sich nicht beschäftigt mit: publizierten (!) Zielen russischer Politik, Verstößen gegen Rüstungskontrollverträge, Stationierung von Iskanderraketen in Kaliningrad, NATO-Russland-Grundakte, Russlands Massaker und Politik in Syrien... der sollte vielleicht auch nicht den Aufruf zu einem Ostermarsch verfassen.

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Ja, so ändern sich Zeiten und Leser.



    Jetzt zieht die TAZ Seit an Seit mit der Springer-Presse gegen Ostermarschierer und Pazifisten.



    Viele von denen dürften zu den Gründungsmitgliedern dieser einstmals kritischen, linken Tageszeitung gehören.

    • @05867 (Profil gelöscht):

      Wer einen brutalen Angriffskrieg inklusive angekündigtem Völkermord (wie sonst ist der Begriff "Deukrainisierung" zu verstehen?) befürwortet, sollte sich nicht unter dem Deckmäntelchen des Pazifismus verstecken.

      • @Steffen Voss:

        Das ist ja wohl völlig haltloser Unsinn! Niemand dort befürwortet Putins Krieg. Das tun nichtmal die abseitigsten Gruppierungen. Ich war auf dem Marsch in Frankfurt und den Menschen geht es darum, eine friedliche Lösung zu finden. Die es erwiesenermaßen mit immer mehr Waffen nicht gibt. Das haben die letzten 8 Wochen zunehmender Waffenlieferungen bewiesen.

        • @Jalella:

          Es geht darum eine Lösung zu finden. Ob diese friedlich sein kann liegt ausschließlich in der Hand des Aggressors.



          Nur wenn der Angreifer,a us welchem Grund auch immer, sich zurückzieht gibt es eine Lösung.

  • Ich denke es gibt viele die zu Ostermärschen aufrufen. Wird nicht nur die Orga sein die den Mist erzählt hat. Bisschen differenzieren wäre nice!

  • 6G
    6120 (Profil gelöscht)

    Zum Glück handelt es sich bei dieser unappetitlichen Persiflage von "Friedensbewegung" um eine gesellschaftliche Randerscheinung.

    To be ignored.

    • 0G
      05867 (Profil gelöscht)
      @6120 (Profil gelöscht):

      Während die „echte“ Friedensbewegung zur Eskalation durch immer mehr Waffen, Ablehnung von Verhandlungen und Eintritt der Nato in den Krieg Dritter aufruft…



      Wird sich leider nicht ignorieren lassen, wenn Europa am Ende in Schutt und Asche liegt.



      Nur weil Menschen wie sie aus zwei Weltkriegen immer noch nichts gelernt haben.

      • 6G
        6120 (Profil gelöscht)
        @05867 (Profil gelöscht):

        Sie haben nichts aus Srebrenica gelernt. (Srebrenica - sagt Ihnen das überhaupt irgend etwas?) Die NATO brachte in Jugoslawien in den 90er Jahren den Frieden.

        Und es ist auch der Waffenunterstützung an die Ukraine durch NATO-Staaten zu verdanken, dass der Genozid durch den russischen Hitler an den Ukrainerinnen und Ukrainern vorerst abgebremst wurde.

        Und die zentrale Lektion aus WWII ist wohl, dass man Aggressoren wie Hitler nicht mit Appeasement-Bettelei umstimmen kann.

  • Werden die Ostermärsche diesmal durch Autokorsos von den Friends of Putin ergänzt, die im festen Glauben an dessen zettigen Kampf gegen den NaZismus wie blöde auf die Hupe hämmern.

  • das forum für völkerverständigung ...

    hat völlig recht !



    in allem !

    die gemeine katze fühlt sich im frühling auf ihrem freilaufaussenspaziergang auch von dem jungen singvogel bedroht.

  • Das "Hamburger Forum" verbreitete vor dem Krieg ungefiltert Putin-Propaganda und verlinkt seither des Öfteren auf die verschwörerischen "Nachdenkseiten" - u.a. am 28. Februar zu einem Artikel mit der Überschrift "Russland handelt auch aus Notwehr". Alles nachlesbar auf deren Website.

    Mit solchen Leuten geht mensch nicht auf Demos!

    Das "Hamburger Forum" hat übrigens eifrige Mitstreiter:innen bei der "Volksinitiative gegen Rüstungsexporte" und dem "Arbeitskreis Frieden" von Ver.di, die inhaltlich auf einer Linie sind und zusammen Kundgebungen veranstalten.

    Auch die RLS hatte nichts Besseres zu tun, als einen Alt-Professor zum Thema "Alleintäter Russland?" einzuladen.

  • An der Aussage ist wohl nix falsch, aber im Kontext dieses verbrecherischen Angriffakrieges wirkt sie für mich schon wie eine Rechtfertigung oder zumindest Relativierung eben dieses Krieges.



    -Und das halte ich für unerträglich widerlich !

  • Ein würdeloses Ende einer einer 60 jährigen Tradition. Was ursprünglich eine Positionierung gegen Gewalt und für Frieden war dient nun zur Plakatierung sonderbarer bis abstruser Thesen. Noch mehr „Querdenker“.

    • @alterego:

      genau. Und jetzt schicken selbsterklärte Pazifisten schwere Waffen in die Ukraine.

      • @Herr Lich:

        Putin hat sich meines Wissens nie als Pazifist bezeichnet. Und Antiimperialismus und Antifaschismus waren jemals unbewaffnet erfolgreich?

      • @Herr Lich:

        Die meisten schweren Waffen in der Ukraine dürften russische sein.

  • Das ist eine imperialistische Denkweise: Moskau hat das Recht zu herrschen, andere sind selbst schuld, wenn sie Moskau zu nahe kommen oder sich zu sehr entfernen. Genau das ist das Programm der moskautreuen "Friedensbewegung" seit Jahrzehnten.



    Es sind Propagandaphrasen mit der Friedensmasche.

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    "„Die Kündigung vieler wichtiger Rüstungskontrollverträge durch die USA, die kontinuierliche Nato-Osterweiterung und die forcierte Nato-Aufrüstung, mediale Hetze gegen Russland und China haben zur Eskalation beigetragen und die Sicherheitsinteressen Russlands bedroht.“

    Und was bitte sollte an dieser Aussage falsch oder skandalös sein?

    • @05867 (Profil gelöscht):

      Dass Russland keine Sicherheits-, sondern Herrschaftsinteressen hat.

    • @05867 (Profil gelöscht):

      "Die Kündigung vieler wichtiger Rüstungskontrollverträge durch die USA"



      Putin erklärte zu diesen Verträgen schon 2007 auf der MSC, dass diese Verträge nicht länger in russischem Interesse lägen. Nun war zwar das Interesse der USA an der Aufrechterhaltung dieser Verträge wohl auch nicht allzu groß, allerdings sollte man sich davon nicht darüber hinweg täuschen lassen, dass der wesentliche Unterschied darin bestand, dass Russland diese Verträge schlicht ignoriert und gebrochen hat, während die USA sie teils als Konsequenz aus diesen jahrelangen Vertragsbrüchen kündigten.



      "die kontinuierliche Nato-Osterweiterung" fand auf Grundlage enger Konsultationen und im Einvernehmen mit Russland statt (NATO-Russland-Grundakte, NATO-Russland-Rat).



      "mediale Hetze gegen Russland und China haben zur Eskalation beigetragen und die Sicherheitsinteressen Russlands bedroht"



      Dann ist die BILD Schuld am Krieg? Wie kann denn Berichterstattung russische Sicherheitsinteressen bedrohen? Und um einen Eindruck von medialer Hetzte zu bekommen empfiehlt es sich mal einen Blick in Kreml-nahe Publikationen zu werfen. Wer annähernd Ahnliches in deutscher oder englischer Sprache sucht muss sich schon in sehr extreme Nischen begeben.

    • @05867 (Profil gelöscht):

      Das hier unter anderem: "mediale Hetze gegen Russland und China". Das ist nämlich nicht weniger als ein indirekter Angriff auf die Pressefreiheit. Was die Medien seit Jahren machen, ist sachlich die Verletzung von Menschenrechten, die Aushöhlung der Demokratie, die Diskriminierung von queeren Menschen etc. zu kritisieren und jetzt eben den Angriff des Putin-Regimes auf die Ukraine. Wer das als "mediale Hetze" bezeichnet, der steht eben nicht auf Seiten von Demokratie und Menschenrechten.

    • @05867 (Profil gelöscht):

      An der Aussage ist wohl nix falsch, aber im Kontext dieses verbrecherischen Angriffakrieges wirkt sie für mich schon wie eine Rechtfertigung oder zumindest Relativierung eben dieses Krieges.



      -Und das halte ich für unerträglich widerlich !