piwik no script img

Die TheseSchadenfreude ist okay

Antje Lang-Lendorff
Kommentar von Antje Lang-Lendorff

Die Briten wollten den Brexit – und ärgern sich nun über das Versorgungschaos. Darf man deshalb eine gewisse Genugtuung empfinden? Unbedingt.

Gähnende Leere: Regale in der Fleischabteilung eines britischen Supermarktes Foto: Peter Cziborra/reuters

U m es gleich vorwegzunehmen: Ich habe nichts gegen die Briten. Im Gegenteil, ich mag ihren Humor, ihre Sprache, ihre Landschaft, ihre Musik, ihren Tee und überlege, nächsten Sommer mal wieder hinzufahren.

Und doch ist da, wenn ich die Berichte über das Versorgungschaos in Großbritannien lese, diese Schadenfreude. Leere Regale in den Supermärkten; Fisch, der in den Lagerhallen verrottet, weil niemand ihn abholt; Soldaten, die Benzin ausliefern müssen, weil es sonst keiner tut. Die Erklärung der britischen Regierung, das seien nur Startschwierigkeiten auf dem Weg in eine tolle eigenständige Zukunft, klingt wenig überzeugend angesichts der Probleme. Und ich denke: Selbst schuld, das habt ihr nun von eurem Brexit! Ihr wolltet ihn ja unbedingt.

Es ist ziemlich schäbig, sich über die Sorgen anderer zu freuen, ja geradezu Genugtuung zu empfinden. Oder nicht?

Ironischerweise ist Schadenfreude ein Wort, das – wie „kindergarden“ oder „gemutlichkeit“ – auch im Englischen verwendet wird, weil es dafür offenbar keine eigene treffende Bezeichnung gibt. Daraus könnte man ableiten, dass es sich um ein spezifisch deutsches Gefühl handelt. Aber das wäre dann doch etwas platt, Schadenfreude empfinden Menschen auf der ganzen Welt. Sie ist schlicht die fiese Schwester des Mitleids und wird von bestimmten Faktoren ausgelöst.

Zum Beispiel von „Verdientheit“, wie Lea Boecker von der Leuphana Universität Lüneburg erklärt. Die Sozialpsychologin forscht zum Thema Schadenfreude. Wenn ein Unglück nicht einfach so über jemandem hereinbreche, sondern die Folge einer selbst gefällten Entscheidung sei, dann begünstige das Schadenfreude.

Beim Brexit gilt das zumindest für die Regierung und die Hälfte der Bevölkerung, die für den Austritt stimmte. Die Idee eines vereinten Europas ist etwas sehr Wertvolles, Boris Johnson und Co haben sich von ihr verabschiedet. Insofern fühlt es sich irgendwie gerecht an, dass sie jetzt den Schaden davontragen. „Take Back Control“ lautete der Brexit-Slogan, das Gegenteil ist nun der Fall.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Die Brexiteers bedienten bekanntlich auch Ängste vor Überfremdung. „We want our country back!“, rief Nigel Farage 2015, damals noch Ukip-Chef, auf einem Parteitag und forderte die Unabhängigkeit von der EU. Man konnte das genauso als Botschaft an Zugewanderte verstehen. Viele Briten stimmten für den Austritt, weil sie nicht mehr so viele OsteuropäerInnen aus der EU ins Land lassen wollten, geschweige denn Flüchtlinge.

Nun ist ein Teil der Menschen tatsächlich weg, ihre Arbeitskraft fehlt und lässt sich nicht so leicht ersetzen, die Lieferketten funktionieren nicht mehr. Dass der Zusammenhang zwischen den Gründen für den Brexit und den Konsequenzen daraus so unmittelbar sei, befördere ebenfalls die Schadenfreude, sagt die Sozialpsychologin Boecker, „das hat einen noch abstrafenderen Charakter“. Und: „Manche Autoren sagen, Schadenfreude ist eine moralische Emotion.“

Menschen neigen vor allem dann zur Schadenfreude, wenn sie sich dem Geschädigten gegenüber vorher unterlegen gefühlt haben, zeigen Studien. Die Emotion kann Hierarchien verschieben, sie reguliert unseren Selbstwert. Boecker erklärt: „Das ist eine psychologische Funktion von Schadenfreude: Man fühlt sich besser.“

Schadenfreude sagt viel über denjenigen aus, der sie empfindet. Man könnte die Genugtuung über das Nach-Brexit-Chaos daher auch so lesen: Großbritannien hat sich gegen die EU und damit gegen uns entschieden, die Briten haben uns verlassen, obwohl wir gern mit ihnen zusammengeblieben wären. Der Brexit war eine Kränkung. Jetzt, da der Weg ohne uns doch recht holprig wird, sind wir wieder in der stärkeren Position.

Das Chaos auf der Insel kann den Rest der EU stärken

Das Bätschgefühl angesichts der Versorgungsengpässe lässt sich also ziemlich gut erklären. Es hat nicht nur eine psychologische, sondern auch eine politische Funktion. So traurig es ist: Dem Projekt Europa hilft es, wenn die Briten jetzt in Schwierigkeiten geraten. Das Chaos auf der Insel schreckt all jene ab, die vielleicht selbst mal mit einem Austritt geliebäugelt haben, es kann die Bindungen zwischen den übrig gebliebenen EU-Ländern stärken.

Vor diesem Hintergrund ist ein bisschen Schadenfreude schon okay. Vorausgesetzt, den Briten geht es nicht wirklich schlecht. Wenn nicht mehr nur das Benzin knapp ist und Gemüse fehlt, sondern Menschen echte Not leiden, wenn es gar zu Aufständen kommen sollte, dann kippt – allem Brexit-Ärger zum Trotz – auch meine Schadenfreude sicherlich schnell in Mitleid und Sorge.

Wie nahe diese Gefühle beieinanderliegen, konnte man übrigens in den vergangenen Wochen mit Blick auf die CDU erleben. Angesichts des schlechten Wahlergebnisses der Union war die Schadenfreude zunächst groß. Wenn man nun Armin Laschet sieht, wie er den Absprung nicht findet, gedemütigt von den eigenen Leuten – er kann einem inzwischen leidtun.

Auch wenn man meint, dass die Briten mit dem Brexit die falsche Entscheidung getroffen haben und das nun zu spüren bekommen: Allzu überlegen sollte man sich nicht fühlen. Wie anfällig die Versorgungsketten auch bei uns sind, EU hin oder her, hat zuletzt die Klopapierkrise während der Pandemie gezeigt. Weil der Preis für Hartweizen so stark gestiegen ist, wird derzeit vor einem Nudelengpass gewarnt. Die hohen Gaspreise könnten in den kalten Monaten auch hierzulande zu einem echten Problem werden. Schließlich haben nur noch wenige einen alten Kachelofen in der Wohnung, den sie notfalls mit Kohle anheizen könnten.

Es mag naiv klingen, aber toll wäre es schon, wenn die Briten sich das mit dem Brexit noch mal überlegen würden. Ein neues Referendum irgendwann, warum nicht? Zusammen wären wir stärker. Und netter zueinander: Dann gäbe es statt Schadenfreude wieder Empathie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Antje Lang-Lendorff
wochentaz
Teamleiterin Gesellschaft in der wochentaz. Seit 2007 fest bei der taz, zunächst im Berlin-Teil, dann in der Wochenend-Redaktion. Schwerpunkte: Soziales und Reportage.
Mehr zum Thema

25 Kommentare

 / 
  • > Vor diesem Hintergrund ist ein bisschen Schadenfreude schon okay. Vorausgesetzt, den Briten geht es nicht wirklich schlecht.

    Vielen geht es sehr schlecht. Schauen sie mal bei Reddit nach dem Kürzel für "Department for Work and Pensions" (das ist die Sozialbehörde):

    old.reddit.com/r/u...trict_sr=on&t=year

    "Distressed mum killed herself after benefit payment struggle became 'last straw'"

    "DWP conspired with Tory media to build a "hostile environment" against benefit claimants"

    "Family of man who starved to death after benefits cut lose case against DWP"

    "Death of mum-of-four found in 'freezing home' in her 'coat and scarf' reviewed by DWP"

    "Benefits claimants suffering under end-of-life DWP rule"

    "Philippa Day: Disabled woman left note implicating DWP and its PIP failings in her death"

    "Disabled people denied benefit uplift during pandemic because it would be ‘too complicated’ for DWP IT system"

    "Call for action over ‘scandal’ of benefit claimant suicides ignored by DWP"

    "DWP spent nearly £200,000 fighting single mothers over Universal Credit change"

    "Kids bringing 'empty lunchboxes' and taking school dinner scraps home"

    "BBC News - Errol Graham: Starved man's family take benefits case to court"

    Sehen Sie da ein Muster?

    Natürlich hat der Brexit negative Folgen - aber genau wie bei Corona treffen diese am härtesten diejenigen, die schon ganz unten in der Hackordnung sind.

    Es gibt Tory-Abgeordnete, die offen Eugenik unterstützen, und ich denke diese neorechte britische Politik hat einige klar sozialdarwinistische Züge.

    Mir erscheint das auch nicht mehr konservativ, marktradikal, oder ultraliberal - das ist meiner Meinung nach klar rechte Politik und der spaßige Boris Hohnson mit seiner funny Frisur ist mMn weit gefährlicher als es aussieht.

    Meine persönliche Hufeisentheorie ist ja, dass der Sprung vom extremen Neoliberalismus zu offen rechten und auch regelrecht faschistischen Positionen kleiner ist als gedacht.

    • @jox:

      Dazu muss man noch anmerken, dass Rechte wie Steve Bannon oder Robert Mercer, die sowohl bei Trump als auch beim Brexit unter den treibenden Kräften waren, sowieso keine Liberalen oder Demokraten sind. Die haben mit Demokratie rein gar nichts am Hut. Insofern auch nicht erstaunlich, dass da eher zu Goebbels-Methoden gegriffen wurde.

      Und die "Querdenker" sind, so alternativ sie sich kleiden, da nicht weit von weg. Das sind Anti-Deomokratisierungsprojekte, da sollte man mal gaaanz genau hin schauen anstatt sich oberflächlich über die Briten zu amüsieren.

  • Soso, „die Briten“ also. Die es so gar nicht gibt. Für den Brexit haben England und Wales gestimmt. Selbst in England gab es eine überschaubare Mehrheit von 53,4 %. Die Nordiren und die Schotten voteten dagegen. Es wird zwar kurz erwähnt, dass es auch die Remainers mit ihren knapp 50% gibt, aber dann wird wieder verallgemeinert. Das auch die Wahlbeteiligung bei knapp über 50% lag, also quasi am Ende ca. ein Viertel der Bevölkerung den Rest in einem im übrigen nicht bindenden Pebiszit aus der EU gezerrt hat, findet auch nicht so recht Erwähnung. Ich kann keine Schadenfreunde empfinden, es gibt so viele Dinge selbst im persönlichen Bereich mit einer angeheirateten schottischen Familie, die mir jegliche Schadenfreude in Richtung BJ und seinen Cronies vermiest. Und für das Projekt EU ist das eine gute Sache, weil nun Angst vor Chaos das Bindemittel ist? Das ist aber eine steile These. Eine EU die durch Angst zusammengehalten wird ist nicht wirklich erstrebenswert. Die UK waren wichtig für die EU. Kulturell, Ideell, Wirtschaftlich. Die Phantomschmerzen der Trennung wird man auch in der EU auf Jahre spüren.

    • @JanRockatansky:

      Achja, kann man natürlich versuchen schön zu rechnen. Am Ende hat wohl gar keiner wirklich dafür gestimmt. Tatsache ist, dass die Briten, auch die dagegen gestimmt haben (Remainer) komplett unfähig sind, für Irland oder ein anderes Land der EU Solidarität zu empfinden und zu reflektieren, was man auch anderen angetan hat. Es geht ausschließlich darum, was man selber jetzt eingebüßt hat. Generell wird erwartet, dass die EU sich fair verhält und im größen Maß auf die Wünsche von GB eingeht. Selber treibt man dann aber unverhohlen Schmierkampagnen, wettert mit martialischen Aufrufen gegen die EU wie einen Unterdrücker.

      Ich sag mal so: Pech für die Briten dass sie ihren Sülz auf Englisch ablassen und das auf dem Festland jeder mitlesen kann.

  • Eine ziemlich naive Betrachtensweises der Thematik "Schadenfreude". Denn dazu gehört, daß man zunächst einmal die zwei unterschiedlichen Gründe für Schaden analysiert. Erstens der unverschuldete Schaden, der von anderen zugefügt wurde. Es wäre schäbig, darüber Freude zu empfinden.

    Der Schaden jedoch, den man sich selbst aus Gründen wie Überheblichkeit, Nationalismus etc. eingebrockt hat, bei ist es nicht unangebracht, sich darüber zu mokieren. Und um einen solchen Schaden handelt es sich beim Brexit.

    Nur nur nebenbei: Die Engländer sind keine Briten sondern nur (Angel-)Sachsen, die Schotten und die Nordiren keltische Gälen. Nur die Walliser haben in ihrer britisch-keltisch-kymrischen Tradition die Bezeichung "Briten" verdient.

  • "Gähnende Leere: Regale in der Fleischabteilung eines britischen Supermarktes Foto: Peter Cziborra/reuters"

    Das war nur der Veggie-Day.

  • all beer that's left in the keg: for remainers only.



    the rest singing outside in the rain: we-got-no-beer-but-we-took-back-control. didn't we ?

  • wenn n basejumper innem baum hängenbleibt: selberschuld schadenfreude. wenn sie/er aber stirbt: dann doch traurig. so ähnlich gehts uns wohl mir den exiteeren. mal sehen wie schlimms noch wird.

  • "Wenn ein Unglück nicht einfach so über jemandem hereinbreche, sondern die Folge einer selbst gefällten Entscheidung sei, dann begünstige das Schadenfreude."



    Schadenfreude ist die schönste Freude, -



    wenn die o.a. Gründe zutreffen.

  • Ich mach mir eher Gedanken darüber ob das nicht offenbart wie stark die EU ein Ausbeutersystem ist bei dem ein Heer von Geringverdiener wie Lastwagenfahrer und Schlachter zu unwürdigen Löhnen ausgebeutet werden.

    • @Algernoon:

      und zack, da haben Sie den Nagel exakt auf den Kopf getroffen.



      Der Probleme die nun in UK auftreten, sagen mindestens genausoviel über die EU aus, über den Mangel an Billiglohnkräften aus Osteuropa Schadenfreude zu empfinden, ist schon merkwürdig...

      • @nutzer:

        B. Johnson hatte ja versprochen bzw. beabsichtigt, dass wenn die Billiglohnkräfte erst mal weg sind, massenhaft gut bezahlte Jobs für die Briten bereit stehen.



        Jetzt wo sie weg sind, scheint es aber doch keine 100.000 Briten geben, die um die gut bezahlten Jobs buhlen.



        Es scheint so gut wie keinen zu geben, es scheint auch die gut bezahlten Jobs nicht zu geben.

        Irgend etwas läuft da wohl gewaltig schief ...

        Nebenbei: Man hätte immer schon ohne weiteres die Wahl gehabt, die ausländischen Billig-Kräfte besser zu bezahlen (auch die einheimischen Billigkräfte). Ganz ohne Brexit.



        Auch jetzt kann man sie besser bezahlen, zumal sie dringend gebraucht werden.

        Wie gesagt, irgend etwas an diesem "Konzept" scheint nicht zu stimmen ...

        • @jlMG:

          Erst durch die Knappheit können sie wieder besser bezahlt werden. Ist n altes Ding: Angebot und ...äh ...

  • Est stimmt schon, das in Supermärkten so einige Regale leer sind. Aber Schadenfreude weil hier jetzt nur noch 5 Pizzasorten zur Auswahl gibt anstelle 50, wirklich?

    • @Christian Schmidt:

      Ja, wirklich. Es geht ja nicht nur darum, irgendwie den Magen zu füllen.

  • Denken Sie möglichst immer wieder an



    Leon Festinger 1978 Theorie der kognitiven Dissonanz, (viele Neuauflagen):



    How prophecy fails:



    Die Sekte kündigte in den 50er Jahren den Weltuntergang an - der trat aber zu dem geplanten Sendetermin nicht ein. Was tun? Die äußere Welt den inneren Vorstellungen anpassen. Gut: also keine kognitive Dissonanz mehr. Fertig.



    Sicher: die EU ist auch durch eine Vielzahl von transparenten Unten-zu-Unten-Kontakten möglich. Nicht nur als Hierarchie der intransparenten Kommissionen und Lobbyisten.



    Das war aber nicht die Motivation für den Austritt aus der EU. Das Motiv war eine irrationale Gefühlsballung.

  • Ja ja, "die Briten". Gilt das auch für die Leute, die nicht für den Brexit gestimmt haben? Oder die, die (noch) nicht abstimmen konnten/durften?

    Wenns nur die Brexit-Befürworter treffen würde oder die, denen das Referendum egal war, könnte ich den Ansatz ja noch nachvollziehen. Ansonsten ist Schadenfreude gegenüber Millionen Menschen, die nix dafür können im allerbesten Falle kurzsichtig und unüberlegt.

    Man könnt so auch sagen, "die Polen" wollten die PIS. Also geschieht ihnen das Abtreibungsverbot ganz Recht. Mir ist das viel zu einfach.

  • Europa eine Empathieprojekt? Die Verklärung der EU nimmt schon merkwürdige Züge an... Ganz nüchtern betrachtet ist die EU ein Machtapparat, das hat nichts mit Sympathie oder Abneigung zu tun, es ist schlicht ein Fakt. Das wir Deutschen so selig auf die EU blicken, ist allein der Tatsache geschuldet, dass wir unseren Nationalstolz auf eine andere Ebene, eine nicht.-deutsche projizieren können. Das es nicht einmal eine demokratische Legitimation für die EU gibt ist schon bemerkenswert, manch arabischer Staat hält sich auch ein Pseudoparlament... Das unser Blick auf die EU so positiv ist, ist auch der Tatsache geschuldet, dass D in der EU sehr gut wegkommt, man könnte auch sagen die vorherrschende Stimme in der EU ist. Andere Länder können da ein ganz anderes Lied von der EU singen, allen voran Griechenland.



    Das linke Kreise aus der eigenen nationalen Negation heraus so sehr von der EU blenden lassen ist schon erstaunlich und naiv. Die EU hat positive Seiten und die EU gehört nicht abgeschafft, aber diese Verklärung der EU als Hort des Guten, die Institution die uns von unserem deutschsein befreit ist absolut verkehrt, gerade für Linke.



    Die EU gehört dringend demokratisiert und uns Deutschen würde einmal ein Blick aus einer nichtdeutschen Perspektive auf die EU gut tun, einfach mal realistisch sein. Das die Griechen ihre Wirtschaft kaputtsparen mussten und ihr Tafelsilber an die reichen Nordländer verscherbeln mussten, das ist auch die EU und es ist zum maßgeblichen Teil das deutsche moralische Überlegenheitsgefühl, das sich da ein nichtdeutsches Antlitz gibt und das andere ausbaden müssen. Und wir reden von der Empathieunion...

    • @nutzer:

      Jupp. Ich finde die europäische Idee super, aber der EU-Apparat hat ziemlich viele Macken und tiefe Schlaglöcher. Mitunter scheint es, als sei er ein übergeordneter Lobbyismus- und Korruptionsmoloch.Sonneborn zeigt das ja immer wieder detailliert auf.

    • @nutzer:

      Merci!

    • @nutzer:

      Zustimung, außer vielleicht:

      "Das wir Deutschen so selig auf die EU blicken, ist allein der Tatsache geschuldet, dass wir unseren Nationalstolz auf eine andere Ebene, eine nicht.-deutsche projizieren können."

      Oder ganz einfach materialistisch: Sehr viele Menschen in Deutschland profitieren von der EU, auch ich. Das ist Egoismus, nicht Empathie.

      • @Toto Barig:

        beides trifft zu, würde ich denken.

  • Guter Artikel.

    Eine Frage mit etwas makaberem, aber für unser Land ja nicht ganz irrelavantem Hintergrund: Darf man Schadenfreude empfinden, wenn Impfleugner und Querdenker an Corona sterben?

  • "Darf man deshalb eine gewisse Genugtuung empfinden?" Nein, darf man nicht. Dies wäre ein Herrschaft, Exklusion und Marginalisierung legitimierender Zynismus. Immerhin leiden nun auch viele, die den Brexit nicht wollten. Diese einfach, zusammen mit den anderen, als "die Briten" zu gruppieren, halte ich für methodologisch fahrlässig, ihr Leid zugunsten der Schadenfreude gegenüber der Mehrheit in Kauf zu nehmen, für auf dem autoritären Auge blind. Man darf nicht jede Neigung in sich, um sich besser zu fühlen, rationalisieren, denn manchmal liegt man auch einfach falsch.

    • @BazaarOvBirds:

      Wow - Ein Rationalisierer von Gnaden.



      Da kann ich sogleich in der reinsten Freude baden: Da kriegt einer bei Schadenfreude gleich die Räude - 🥳 -



      Leider aber nicht so fein:



      Kommt selten allein - 🤬 -