Globaler Klimastreik am Freitag: „Deutschland ist ein Klima-Schurke“

Hunderttausende weltweit fordern mehr Klimagerechtigkeit. Greta Thunberg kritisiert Deutschland deutlich.

Greta Thunberg spricht in ein Mikrofon

Greta Thunberg spricht beim Globalen Klimastreik in Berlin am Freitag Foto: Emmanuele Contini/imago

BERLIN dpa/taz | Zwei Tage vor der Bundestagswahl haben hunderttausende Menschen weltweit zusammen mit Fridays for Future (FFF) für mehr Klimaschutz demonstriert. In Berlin versammelten sie sich vor dem Reichstagsgebäude und zogen anschließend durchs Regierungsviertel, unter ihnen auch FFF-Initiatorin Greta Thunberg und die deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer. Greta Thunberg sprach zum Schluss und machte Deutschland schwere Vorwürfe. Demonstrationen gab es auch in weiteren Ländern, etwa in Südafrika, Indien und Nigeria.

In Berlin waren 20.000 Teilnehmende angemeldet, FFF Berlin sprach auf Twitter von „Zehntausenden“. „Diese vielen Menschen sind ein klares Signal, wir werden uns nicht länger mit leeren Versprechungen zufriedengeben“, sagte FFF-Aktivistin Carla Reemtsma dem Sender NBC.

Thunberg betonte bei ihrer Rede, dass die politischen Parteien nicht genug für den Klimaschutz täten. Sie warf Deutschland vor, weltweit der viertgrößte CO2-Emittent zu sein. „Mit 80 Millionen Menschen ist das schon eine Leistung“. Deutschland sei somit einer der größten „Klima-Schurken“. Sie schloss mit den Worten: „Wir wollen Veränderung, wir verlangen Veränderung, und wir sind die Veränderung!“ In ganz Deutschland waren laut FFF mehr als 470 Aktionen angekündigt, darunter große Kundgebungen in Hamburg, München, Köln und Freiburg.

Bereits eine Stunde vor offiziellem Beginn füllte sich die Wiese vor dem Reichstag mit vielen Demonstrierenden von NGOs wie Greenpeace und NABU. Vor allem viele Schü­le­r:in­nen waren natürlich da, viele waren gleich mit der ganzen Klasse gekommen. Der zehnjährige Sasha sagte: „Wir wollen nicht, dass die Welt kaputt geht und mit Plastik voll ist.“ Auf Plakaten standen Slogans wie: „Oma, was ist ein Schneemann?“ oder „Die Natur verhandelt nicht“.

Hamburg soll keine Insel werden

Auch in Hamburg haben neben Fridays for Future zahlreiche weitere Umweltorganisationen zum globalen Klimastreik aufgerufen. Dabei unterstützten die Mu­si­ke­r:in­nen Jan Delay sowie die Band AnnenMayKantereit die Proteste. „Wir sind wütend“, rief FFF-Hamburg-Sprecherin Maia Stimming bei der Auftaktkundgebung. „Wütend auf das Nichthandeln, das nun schon so lange anhält.“ Auf der Willy-Brandt-Straße versammelten sich die zahlreichen Demonstrierenden, nach Angaben von Fridays for Future mindestens 50.000, die Polizei sprach von 21.000.

Neben der Bundestagswahl war für die Demonstrierenden auch die Lage der Hafenstadt ein wichtiges Thema. „Ich bin hier, damit Hamburg keine Insel wird und kein Hochwasser kommt“, sagte der 12-Jährige Mikkel Flegel. „Hamburg ist so eine schöne Stadt, hier gibt es so viel zu machen. Es wäre schade, wenn die einfach kaputt geht.“

Weltweit engagierten sich Menschen an diesem Freitag für mehr Klimagerechtigkeit. In der Hafenstadt Port Harcourt im Süden Nigerias hat 24-jährige Aktivist Joseph Anyanwu kurzerhand den Klimastreik auf die nächste Woche verschoben. Wie überall in der Region ist es schwierig, Menschen zur Demo-Teilnahme zu motivieren. Die Coronapandemie bremst zusätzlich. Anyanwu hat deshalb entschieden, in einer Schule darüber zu sprechen, um so gezielt Teenager und junge Erwachsene zu erreichen. „Ich verteile auch gerne Informationsmaterial, wofür ich aber Sponsoren brauche.“

In Nigeria häuft sich Extremwetter

Zu zeigen gibt es eine ganze Menge, sagte er. Im Süden Nigerias wird Öl gefördert. Auf viele Flüssen sind Ölschlieren zu sehen. Das wirke sich fatal auf Umwelt und Mensch aus. „Viele Menschen sind an Krebs erkrankt.“ Seit einiger Zeit beobachte Joseph Anyanwu außerdem, dass Überschwemmungen zunehmen. „Ganze Straßen können nicht mehr passiert werden. Es ist höchste Zeit, darüber aufzuklären und etwas dagegen zu unternehmen.“

Nach einer Pause kehrte FFF diesen Freitag auch in Indien zurück. In der Hauptstadt wie im südindischen Hyderabad versammelten sich vor allem junge Menschen. Sie erinnerten die Regierenden daran, dass trotz der kurzzeitigen Entspannung während der Pandemie die Klimakrise weiterhin problematisch ist. Die Studierenden Sameeksha und Laksh Sharma waren in Delhi mit hundert weiteren dabei. Von der Metro in der Innenstadt ging es weiter bis vor das Regierungsgebäude Delhis.

„Ich habe das mit meinen Freunden mitbegründet, weil wir glauben, dass eine andere Welt möglich ist“, sagte der angehende Ingenieur Laksh. „Das Mindeste ist, dass die Regierung mit uns spricht, also sind wir hineingegangen und haben sie dazu aufgefordert“, so der 21-Jährige. Den letzten Protest hatten sie in Delhi im März initiiert. Die Liste mit ihren Forderungen ist lang. Sie wollen mehr Aufforstung in der Hauptstadt, ökologische Räume zurückgewinnen, Abfall besser trennen und neue Kläranlagen für den stark verschmutzen Fluss Yamuna.

In Hyderabad gab es eine Performance von dunklen Gestalten mit mahnenden Bildern von schwarzen Lungen. „Unsere Demonstration richtet sich nicht nur an die Abgeordneten, sondern auch an die Menschen in Hyderabad, die sich der Realität des Klimawandels bewusst werden müssen“, sagt der 22-jährige Student Abdus Sami, der Teil der Aktion war. Er hofft, dass bald mehr Menschen erkennen, dass sie als Ver­brau­che­r:in­nen die Macht haben, „Ökologie vor Ökonomie“ einzufordern.

Mitarbeit: Tjade Brinkmann, Katrin Gänsler, Sara Guglielmino Natalie Mayroth, Maryam Preusser

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