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Indikatoren für CoronapolitikZeit für neue Werte?

Lange wurde auf die Inzidenz geschaut, jetzt soll der Blick geweitet werden. Taugen R-Wert, Krankenhauszahl und Impfquote als Frühindikatoren?

Tut nicht weh und hilft allen: Impfung to-go in Berlin Foto: Alex Schmidt/Reuters

Es klingt nach einem heftigen Streit: „Mit steigender Impfrate verliert die Inzidenz an Aussagekraft“, sagt Gesundheitsminster Jens Spahn in dieser Woche in der Bild. Es brauche „zwingend weitere Kennzahlen, um die Lage zu bewerten“. Damit reagierte der CDU-Mann auf einen Bericht der Zeitung über ein angebliches „geheimes Panik-Papier“, in dem der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, für ein Festhalten an der Inzidenz als „Leitindikator“ plädiert hatte.

Doch das Papier, eine zehnseitige ­Power-Point-Präsentation, ist weder geheim, noch wird darin Panik geschürt. Für ein Festhalten an der Inzidenz als wichtigstem Indikator, der weiterhin möglichst niedrig gehalten werden sollte, plädiert das RKI darin aber tatsächlich, und dafür gibt es auch gute Gründe. Die Forderung steht auch keinesfalls im Gegensatz zur von Spahn geforderten zusätzlichen Betrachtung weiterer Indikatoren – soweit diese überhaupt verfügbar sind. Ein kurzer Überblick:

Der Inzidenzwert

Zur Erinnerung: Die Inzidenz gibt an, wie viele Neuinfektionen es innerhalb von sieben Tagen bezogen auf 100.000 Ein­woh­ne­r*in­nen gibt. Durch diese festen Bezugsgrößen ist der Wert theoretisch über verschiedene Zeiträume und Regionen gut vergleichbar. In der Praxis gab es schon immer ein paar Einschränkungen. So wird die Inzidenz davon beeinflusst, wie viele Menschen unter welchen Voraussetzungen getestet werden. Außerdem werden Fälle, die mit mehr als einer Woche Verzögerung gemeldet werden, für die Inzidenz nicht berücksichtigt.

Doch solange die Bedingungen einigermaßen vergleichbar bleiben, vermittelt der Inzidenzwert ein recht gutes und vor allem aktuelles Bild vom Infektionsgeschehen. In Deutschland liegt er aktuell bei 17 – weitaus niedriger als im Dezember, als der bisherige Spitzenwert von knapp 200 gemessen wurde, aber schon wieder mehr als dreimal so hoch wie vor gut drei Wochen.

Diese Entwicklung zeigt bereits: Mindestens ebenso wichtig wie die Infektionszahl ist ihre Veränderung. Denn weil der Anstieg zumindest zeitweise exponentiell verläuft, können aus kleinen Zahlen ziemlich schnell große werden. Zuletzt lag die Wachstumsrate in Deutschland bei gut 30 Prozent pro Woche. Wenn es dabei bliebe, entspräche das einer Verdopplung innerhalb von zweieinhalb Wochen.

Alternativ kann man das Wachstum auch am sogenannten R-Wert erkennen. Der gibt an, wie viele weitere Menschen ein Infizierter im Schnitt ansteckt. Weil sich dies auf einen Zeitraum von vier Tagen bezieht, ist er schwerer interpretierbar; eine wöchentliche Wachstumsrate von 30 Prozent entspricht ungefähr einem R-Wert von 1,17. Dieser Wert wird bei politischen Entscheidungen schon jetzt regelmäßig berücksichtigt, etwa in Berlin, wo er Teil der Corona-Ampel ist.

Krankenhauszahlen

Im Mittelpunkt der aktuellen Debatte um neue Corona-Indikatoren steht die Zahl der Patient*innen, die aufgrund einer Coviderkrankung im Krankenhaus behandelt werden müssen. Denn sie könnte zuverlässig anzeigen, wie viele schwere Verläufe es gibt – zumindest theoretisch. In der Praxis konnte die sogenannte Hospitalisierungsrate in Deutschland bisher nicht wirklich genutzt werden, weil es Zahlen dazu nur unvollständig, einmal pro Woche und mit großer Zeitverzögerung gab. Tagesaktuell gemeldet wurden bisher nur Zahlen von den Intensivstationen. Erst seit Mitte Juli sind Krankenhäuser durch eine neue Verordnung verpflichtet, die Zahl aller aufgenommenen Co­ro­na­pa­ti­en­t*in­nen kurzfristig und vollständig zu melden.

Wie gut das gelingt, ist offen. Bisher sind sich die zuständigen Stellen noch nicht mal einig, wer unter die Verordnung fällt: nur Patient*innen, die aufgrund einer Coviderkrankung aufgenommen werden – so stellt es das Bundesgesundheitsministerium auf taz-Anfrage dar. Oder alle Krankenhauspatient*innen, die unabhängig vom Aufnahmegrund positiv auf Corona getestet wurden – davon gehen die Deutsche Krankenhausgesellschaft und das RKI aus.

Seit gut einer Woche veröffentlicht das RKI auf Grundlage der erfassten Zahlen eine neue Hospitalisierungsinzidenz; sie zeigt, angelehnt an die 7-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen, wie viele Co­ro­na­pa­ti­en­t*in­nen innerhalb der letzten sieben Tage pro 100.000 Ein­woh­ne­r*in­nen ins Krankenhaus aufgenommen wurden. Die wenigen Werte, die es dafür bisher gibt, zeigen auch für diesen Indikator einen deutlichen Anstieg um 35 Prozent innerhalb einer Woche.

Eine ähnliche Entwicklung ist in Großbritannien zu beobachten, wo der Anstieg der Infektionszahlen schon früher begonnen hatte: Auch dort folgt die Zahl der Kran­ken­haus­pa­tien­t*in­nen mit etwa einer Woche Verzögerung der Inzidenz, sodass diese weiterhin als Frühindikator gut geeignet ist. Was sich dort dagegen stark verändert hat, ist das Verhältnis der Werte zueinander: Die Zahl der Krankenhausfälle pro Infektionsfall ist im Vergleich zum Januar um etwa 80 Prozent gesunken.

Die Impfquote

Grund dafür, dass es pro Infektionsfall weniger Kran­ken­haus­pa­ti­en­t*in­nen und Tote gibt, sind natürlich die Impfungen. Wie gut sie gegen eine Infektion mit der Deltavariante schützen, ist nach unterschiedlichen Studienergebnissen zwar nicht mehr ganz klar. Doch gesichert ist, dass vollständig Geimpfte im Fall einer Infektion sehr viel seltener schwer erkranken oder sterben. Zudem ist in den Risikogruppen ein überdurchschnittlicher Anteil der Menschen geimpft; auch das führt dazu, dass die gleiche Zahl an Infektionen zu weniger schweren Verläufen führt.

Wenn es darum geht, die Überlastung der Krankenhäuser zu verhindern, kann sich eine Gesellschaft also um so mehr Infektionen „leisten“, je mehr Menschen geimpft sind. In Nordrhein-Westfalen hat die vom CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet geführte Regierung deshalb härtere Auflagen bei einer Inzidenz ab 50 bereits ausgesetzt. Und Gesundheitsminister Spahn erklärte kürzlich, bei einer Impfquote von 75 Prozent gelte in Bezug auf die Inzidenz: „200 ist das neue 50.“

Diese Rechnung ist jedoch aus mehreren Gründen fraglich. Erstens kann sie in falscher Sicherheit wiegen – denn eine Vervierfachung der Inzidenz kann bei hohen Wachstumsraten innerhalb von einer Woche geschehen, wie kürzlich in den Niederlanden zu sehen war.

Zweitens ist unklar, ob die Entwicklung in Deutschland genauso läuft wie in Großbritannien, denn dort ist die Impfquote unter den älteren Menschen deutlich höher als in Deutschland.

Und zum Dritten kann man die Frage stellen, ob man die Maßnahmen wirklich darauf ausrichten will, dass die Krankenhäuser wie bei der letzten Welle kurz vor der Überlastung stehen, nur um wenige Wochen auf einige Maßnahmen verzichten zu können.

Langzeitschäden

Ein weiterer Grund, der gegen die Akzeptanz hoher Infektionszahlen sprechen könnte, sind die Langzeitschäden, die durch die Erkrankung entstehen können. So fordert etwa Gérard Krause, Leiter der Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, auch die durch Corona verursachte Arbeitsunfähigkeit als Indikator zu berücksichtigen.

Tatsächlich fließt in die derzeit genutzten Werte nicht ein, dass ein Teil der Covid-19-Patient*innen, und zwar nicht nur solche mit schweren Verläufen, nach der akuten Infektionsphase Wochen oder gar Monate braucht, um wieder gesund zu werden. Gibt es viele Long-Covid-Patient*innen, ist das nicht nur individuell dramatisch, sondern könnte auch eine Belastung für die Wirtschaft und die Sozialsysteme darstellen.

Das bislang diffuse Krankheitsbild Long Covid ist allerdings noch zu wenig erforscht, um medizinisch genaue Angaben zu Ursachen und Verbreitung zu machen. Auswertungen der Krankenversicherungen AOK und Barmer haben ergeben, dass im Frühjahr 5 bis 6 Prozent der registrierten Infizierten mit der Diagnose „Post-Covid-19-Zustand“ länger krankgeschrieben waren.

Das Problem bei diesen Zahlen: Sie ergeben sich aus den Abrechnungen der Hausärzt*innen. Weil diese Daten aber gewöhnlich erst Monate nach der Diagnose zur Verfügung stehen, eignet sich der Indikator „Arbeitsunfähigkeit“ wohl kaum zur Steuerung kurzfristiger politischer Maßnahmen.

Womöglich aber als Argument für die Forderung des Robert Koch-Instituts, Schutzmaßnahmen nicht vorschnell aufzugeben. Und die wären übrigens gar nicht so umfangreich. Anders als Bild schreibt, fordert in dem Papier das RKI nämlich nicht „Lockdown statt Freiheit“, sondern plädiert vor allem dafür, die Basisschutzmaßnahmen wie Maskenpflicht und Abstand in Innenräumen beizubehalten, Schulen mit Lüftungen und besseren Tests auszustatten und die Impfkampagne durch leichter zugängige Impfungen für bestimmte Gruppen zu verbessern. Von einem Lockdown ist in der Präsentation dagegen keine Rede.

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19 Kommentare

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  • Es ist ein Trauerspiel - die Problematik kommt ja wirklich nicht überraschend. Politik und RKI hatten mindestens 6 Monate Zeit, ein geeignetes Indikatorenset zu entwickeln. Und so schwer ist es ja nicht: Die wichtigste Zahl dürften die Todesfälle durch Corona sein. Ihre Höhe steht aber erst 3-6 Wochen nach der Infektion fest und dann ist es für ein Gegensteuern schon zu spät. Sie lässt sich jedoch mit Hilfe der Fallsterblichkeit ausreichend gut abschätzen. Dazu ist jedoch - und dieser Aspekt fehlt in dem Artikel leider ¬– eine differenzierte Betrachtung nach Altersgruppen erforderlich. Dass die Todesfälle weit weniger schnell steigen als die Neu-Infektionen (siehe auch Großbritannien), hat im doppelten Sinne mit dem Impf-Fortschritt zu tun: einerseits ist der Anteil der (weitgehend durchgeimpften) Risikogruppen an den Fallzahlen deutlich gesunken, andererseits sinkt auch die Krankheitsschwere und das Sterbe-Risiko bei denen, die trotz Impfung erkranken. So hat sich die Fallsterblichkeit der über 80jährigen seit dem Jahreswechsel von etwa 20% auf rund 10% halbiert. Gleichzeitig ist ihr Anteil an den Neu-Erkrankungen von 12% auf unter 2% zurückgegangen.



    Was bedeutet das nun für die Praxis? Wir brauchen einen hinsichtlich des Anteils an den neuen Infektionen und dem Mortalitätsrisiko nach Altersgruppen gewichteten Inzidenzwert. Das entspricht dann in etwa den in einigen Wochen zu erwartenden Todesfällen. Mit grob gerundeten Werten der Fallsterblichkeit (unter 0,3 Promille für die unter 40jährigen, rund 0,3% für die 40-60jährigen, 4% für die 60-80jährigen und 10% für die über 80jährigen) kommt man auf eine aktuelle gewichtete 7-Tages-Inzidenz von knapp 50 je 100.000, gleichbedeutend mit etwa 410 zu erwartenden Corona-Toten pro Woche. Das ist etwa ein Drittel des Wertes bei der letzten vergleichbaren Inzidenz im letzten Herbst. Oder anders gesagt: „150 ist das neue 50“. Mit etwas eingerechnetem Impffortschritt landet man also bei der Aussage von Herrn Spahn. Mit weit

    • @Dedo v. Krosigk:

      Der wichtigste Wert muss jetzt eigentlich die Krankenhaus- bzw. Intensivbelegung sein.

      Und diese hinkt der Inzidenzentwicklung nur um 1-2 Wochen hinterher.

      Jeder, der jetzt noch erkrankt, soll eine gute Behandlung bekommen.

      Und um Himmels Willen, ermöglicht normalen Schulunterricht. Da haben wir so viel kaputtgemacht im letzten Jahr.

      • @Co-Bold:

        Wieder sind wir einer Meinung. Ob jemand an dem Virus stirbt, kann die Politik kaum verhindern. Sie kann nur noch dafür sorgen, dass die Krankenhäuser nicht mehr in die Nähe einer Überlastung kommen. Aber auch dafür könnte man einen gewichteten Inzidenzwert heranziehen, denn auch das Risiko eines Krankenhausaufenthaltes steigt mit dem Alter und sinkt mit der Impfung. Daher kann am Alter der neu infizierten recht gut prognostizieren, wie viele davon in Krankenhaus bzw. die ITS müssen einige Zeit später..

  • "Im März 2020 wurde überall nur die Verdoppelungszeit genannt und schon bald hatte jeder gelernt, sie zu verstehen und die Konsequenzen ziehen zu können. Es scheint, als sei genau das unerwünscht gewesen."

    @Axel Berger

    Das Problem bei der Verdopplungszeit im Frühjahr 2020 war, dass sie auf die absoluten Zahlen aufbaute.

    Es gab medial noch wochenlang eine Verdopplungszeit als die Inzidenz schon rückläufig war, eine grobe Irreführung, die mit schuld daran war, dass für Kinder und Familien einschneidende Maßnahmen viel länger als nötig aufrecht erhalten wurden.

    Dass der ÖR an der Stelle auch noch die Chuzpe besessen hat, sich für diese Missinformation selbst den deutschen Fernsehpreis zu verleihen, hat dem ganzen noch die Krone aufgesetzt.

    Meines Erachtens war diese Berichterstattung auch der Hauptgrund dafür, dass die Querdenker-Bewegung im letzten Sommer anschlussfähig bis mitten in die Gesellschaft war. Wer ein wenig Ahnung von Mathematik/Statistik hatte, wurde da sehr hart vor den Kopf gestoßen.

    • @Co-Bold:

      Auch hier bin ich ganz Ihrer Meinung, im letzten Frühjahr hat mein Vertrauen in den örR stark gelitten, weil immer nur das negative berichtet wurde. Offenbar mit dem Gefühl, man müsse die Menschen ermahnen. Bei mir wurde das Gegenteil erreicht und ich informiere mich kaum noch dort. Doppelt geimpft bin ich trotzdem, aber nicht, weil man mir Angst gemacht hat oder dies meine gesellschaftliche Pflicht gewesen wäre, sondern nach einer Abwägung von Chancen und Risiken für mich und mein Umfeld. Dies sprach für die Impfung, ich kann aber gut nachvollziehen, wenn ein gesunder 25-jähriger die gegenteilige Entscheidung trifft, weil er lieber die Krankheit wählt als die Impfung.

      • @Dr. McSchreck:

        Ja, sehe ich genauso, bin Mitte 30 und auch doppelt geimpft. Den leichten Verlauf haben wir nunmal alle nicht gepachtet.

        Ich schaue schon länger kein lineares TV mehr, hatte mich hauptsächlich aus Printmedien und den bis dato vorhandenen Studien und Statistiken informiert. Ich bin dann in Diskussionen mit Bekannten drauf aufmerksam gemacht worden, mir mal die Tagesschau anzusehen und ich war schon etwas schockiert über die stark übertriebene bis (siehe Verdopplungszeit) komplett irreführende Darstellung.

        Viele (auch durchaus intelligente Leute) glauben heute noch, dass 3% derer, die sich mit dem Virus infizieren, sterben...

  • Bild sollte über Boris Becker oder den englischen Adel berichten.



    Bei Corona produzieren sie, leider, „Tod durch Falschinformation“

  • Welche neuen Werte? Die Werte gibt es doch längst. Sie werden auch ganz selbstverständlich bei Entscheidungsfindungen einbezogen, soweit sie dafür taugen. Ohnehin würde aber auch jeder andere Leitindikator von denen angegriffen, die jetzt die Inzidenz als Maßstab angreifen. Es geht nämlich nicht um bessere oder aussagekräftigere Zahlen, sondern nur um die Schwächung der Zahlen, also um die Schwächung der Grundlage für mögliche neue Beschränkungen. Das ist natürlich nicht nur völlig substanzlos sondern auch ebenso verantwortungslos.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Es geht nicht um die Schwächung von Zahlen, sondern um deren angepasste Einordnung.

      Die Inzidenz ist der frühstmögliche Indiator, dessen Tendenz, also der R-Wert, ist eine sinnvolle Kenngröße.

      Da die Impfungen nur zu einem gewissen Prozentsatz gegen Infektion schützen, aber sehr gut gegen schwere Erkrankungen, hat der Absolutwert der Inzidenz dagegen nicht mehr dieselbe Bedeutung wie noch im Winter.

      Es ist also nur logisch, dass zuvor gesetzte feste Inzidenzgrenzen angepasst werden müssen.

      Wenn das nicht geschieht gibt es keine Chance, den Pandemiemodus irgendwann beenden zu können.

      • @Co-Bold:

        Sehr gut erklärt.

  • Gut, auch die Experimentierkäfige UK und Niederlande im Artikel einzubeziehen. Interessant auch die Entwicklung in Frankreich. Daraus ergibt sich viel Datenmaterial welches man einfließen lassen kann.

  • Wer außerstande ist Zahlen ins Verhältnis zu setzen, schafft in Deutschland normalerweise keinen



    realen Abschluß. Diese bescheidene mathematische Fertigkeit konnte schon vor ca 4000 Jahren bei babylonischen Schafhirten nachgewiesen werden. Seither kann sich die Menschheit qualifiziert in Zahlen ausdrücken. Von dem her ist das nachvollziehbar, wenn sich das RKI langsam von dem Konstrukt der 7-Tage-Inzidenz distanziert.

  • Was solche Kommentare immer wieder außer acht lassen, auch die Beschränkungen haben Folgen, für manche Personen sehr harte. Es gibt Menschen, die seit Anfang 2020 fast nicht mehr arbeiten durften, von wenigen Wochen abgesehen. Bei der Gastronomie geht es nicht nur um Leute, die ins Restaurant wollen, sondern auch um Wirte, Köche und Kellner…von Beleuchtern, eventmanagern usw ganz zu schweigen.

    Diese sollten langsam auch mal in den Fokus genommen werden, wo heute wirklich jeder Zugang zur Impfung hat, der will. Es kann nicht sein, dass wegen Leuten, die sich nicht impfen lassen, andere ihren Beruf nicht ausüben dürfen.

    • @Dr. McSchreck:

      Wobei niemand, der für seinen Beruf nicht viel mehr braucht als einen Schreibtisch und einen Netzanschluß, meinen sollte, ihn beträfe das nicht und sei an ihm vorbeigegangen. In einer offiziellen Pressemitteilung aus dem Mai 2020(!)bezifferte die Stadt Köln die Kosten der bisherigen Schließungen auf 1200 Euro für jeden einzelnen Bürger, für jeden Steuerzahler also ein Vielfaches. Seitdem habe ich nirgends eine einzige neuere Zahl gesehen. Es gibt genug historische Beispiele, an denen der Bürger abschätzen kann, was demnächst zwangsläufig auf ihn zukommen wird.

    • @Dr. McSchreck:

      Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

      Man ändert nicht die Kennwerte! nicht im Nachhinein. Man kann die Bewertung ändern. OK. Aber ändert man die Kennwerte hat zerstört man die Datenlage und dann Vergleiche zw. früher und heute sind dann echt kompliziert.

      PS: Ich halten jeden für Schwachsinnig der heute in ein Stadion, Kino oder Restaurant geht. Ja tut mir leid für die Leute die sowas betreiben, aber wir haben werder old noch new Normal. Wir sind noch immer in der schwersten - diesmal globalen - Pandemie seit Jahrhunderten.

      • @danny schneider:

        Zweimal klipp und klares Nein!

        Wir haben dadurch, dass sich jeder impfen lassen kann, der möchte, das für uns erreichbare Ziel erreicht, nämlich für so viele Menschen wie möglich das Immunsystem durch Impfung und nicht durch die viel gefährlichere Infektion gegen das Virus fit zu machen.

        Es gibt kein weiteres erreichbares Ziel. Wir sind hier am Ende unserer Möglichkeiten, Negatives in der Pandemie zu verhindern. Eine Impfpflicht gäbe es mittlerweile bereits, wenn diese als Mittel auf dem Tisch wäre, ist sie aber offensichtlich nicht.

        Wir zögern derzeit nur noch die Öffnung hinaus, ohne dadurch noch irgendwas verhindern zu können, was ohnehin passieren wird.

        Die schwerste Pandemie der letzten Jahrhunderte war ganz klar die spanische Grippe, nicht Sars-CoV2. Wie die Hongkong-Grippe im Vergleich zu Sars-CoV2 einzuschätzen ist, ist zumindest diskutabel. In jedem Fall waren die Auswirkungen der Hongkong-Grippe geringer, aufgrund der weniger starken weltweiten Vernetzung, sowohl was persönliche Kontakte als auch nachrichtentechnische Vernetzung angeht.

        Achja, eine Pandemie ist immer global, sonst ist es keine Pandemie.

      • @danny schneider:

        Seit Jahrhunderten? Sehr mutig. Die spanische Grippe war weit tödlicher und zwar auch für junge Menschen, wodurch sie bei der damaligen Bevölkerungsstruktur immens viele Todesopfer forderte.

        Der Zusammenhang ist, dass es weniger staatlichen Schutz braucht, wenn weniger Menschen (durch Impfung der Risikogruppen) gefährdet sind und diese nur einen leichten Verlauf befürchten müssen. Man will auch nicht die kennwerte ändern, sondern weitere hinzufügen. Also zum Beispiel die Auslastung der Kliniken. Letztlich geht es darum, dem einzelnen wieder mehr Verantwortung für seinen Schutz zu übertragen, vor allem durch Impfung.

  • Die "Bild". Mal wieder vorbildlich bei der Vermittlung komplexer Zusammenhänge.

    Und dann wundern wir uns, dass so viele Coronaschwurbler unterwegs sind.

  • Richtig, 17 % in vier Tagen, 32 % in einer Woche und eine Verdoppelung in 18 Tagen sind alles ein und dieselbe Angabe des gleichen Anstiegs. Wenn also von den Verantwortlichen nie zweimal dieselbe Form gewählt sondern ständig zwischen Werten, die niemand im Kopf umrechnen kann, gewechselt wird, dann führt das nur zu heilloser Verwirrung. Möglicherweise ist genau das die Absicht, anders ist es auch bei größtem Wohlwollen langsam nicht erklärbar. Im März 2020 wurde überall nur die Verdoppelungszeit genannt und schon bald hatte jeder gelernt, sie zu verstehen und die Konsequenzen ziehen zu können. Es scheint, als sei genau das unerwünscht gewesen.



    Um einen R-Wert handelt es sich bei den 1,17 übrigens nicht. In die Zahl der im Mittel von einem Infizierten Angesteckten geht nicht nur der zeitliche Verlauf der Infektionen ein sondern gleich stark die Generationsdauer des Virus. Diese muß bestimmt und nicht geraten werden und sie kann sich je nach Randbedingungen spürbar ändern (science, DOI:10.1126/science.abc9004). Eine prozentuale Änderung (oder auch Verhältnis) alle vier Tage ist genau das und hat mit R wenig zu tun.