Demo gegen Ausgangssperren in Berlin: Alle nach Hause!
Ein linkes Bündnis demonstriert in Neukölln gegen nächtliche Ausgangssperren. Sinnvoller sei es, die Pandemie am Arbeitsplatz zu bekämpfen.
BERLIN taz | „Close Factory not Parks“, und „Streiken für den Gesundheitsschutz“ skandieren die etwa 400 Menschen, die sich am Mittwochabend gegen 20.30 Uhr am Herrfurthplatz in Neukölln getroffen haben. Aufgerufen hatten Gruppen der außerparlamentarischen Linken, darunter das kommunistische Umsganze-Bündnis und die Interventionistische Linke.
Dabei machten die OrganisatorInnen gleich zu Beginn klar, dass sie mit Querdenken und ähnlichen Gruppen nichts zu tun haben: „Wir nehmen das Virus ernst, achten deshalb auf Maske und Abstand. Aber wir wir lehnen die Ausgangsbeschränkungen ab, weil sie kein Beitrag zum Gesundheitsschutz sind,“ erklärte eine Sprecherin.
„Das Virus geht nicht nachts spazieren, sondern zirkuliert an unseren Arbeitsstellen und auf dem Weg dorthin in Zügen und Bussen“, formulierte ein anderer Redner eine Kritik, die sich wie ein roter Faden durch die Reden und Kurzbeiträge zog.
Stilllegung der Produktion
Wie die Initiative ZeroCovid forderten die DemonstrantInnen am Mittwochabend die temporäre Stilllegung der Produktion von nicht lebenswichtigen Gütern bei voller Lohnfortzahlung. In kurzen Redebeiträgen wurde zudem die Aufhebung der Patente für die Impfstoffe gegen das Corona-Virus gefordert. Damit solle verhindert werden, dass nur die geimpft würden, die es sich leisten können und die Armen leer ausgingen.
Die Arbeitsgemeinschaft Gesundheit der Interventionistischen Linken forderte in ihrem Redebeitrag eine bessere Ausstattung des Gesundheitswesens und rief zur Unterstützung der dort Beschäftigten. Auch eine gesundheitsbewusste Variante des Offenen Mikrophons wurde auf der Demonstration angeboten: RednerInnen konnten eine Handynummer wählen und dort in kurzen Beiträgen ihre Erfahrungen aus der Arbeitswelt unter Corona vermitteln – die dann über Lautsprecher zu hören waren. Viele nutzten die Chance allerdings nicht, die Beiträge blieben überschaubar.
Im Schillerkiez formierte sich schließlich ein lautstarker Demonstrationszug, der Parolen gegen den Kapitalismus und die Polizei artikulierte. Doch schon nach einem knappen Kilometer ging die Demonstration in einen nächtlichen Spaziergang im Park über. Die Route durch die dunkle Hasenheide stieß nicht bei allen TeilnehmerInnen auf Zustimmung. Als die Demo dann nach etwa 20 Minuten in Kreuzberg ankam, war sie bereits deutlich geschrumpft. Mit einem kleinen Feuerwerk verabschiedete man sich in die Nacht: Die Demonstration war der Auftakt zum auch unter Pandemiezeiten durchaus aktionsreichen Maiwochenende.
Leser*innenkommentare
Günter Witte
Wo ist jetzt da der Unterschied zu Querdenkern ???
02854 (Profil gelöscht)
Gast
Naja, es geht wohl bei der Ausgangssperre mehr um die Partymacher die sich dann in irgendeiner Wohnung für 10 Stunden anhusten.
Rudolf Fissner
In Hamburg rauschen die Inzidenzwerte seit der Ausgangssperren seit Ostern nach unten. Der Firlefanz, den die Linken da in Berlin betreiben ist zum Fremdschämen.
Jossi Blum
Tatsache scheint wohl zu sein, dass es öfter in Unternehmen zu Infektionen kommt als des Nachts in einem Park... Also mir erschließt sich die Ausgangssperre noch immer nicht, zumal Frauen ab 22 Uhr alleine spazieren müssen, wenn sie raus wollen. Da scheint wohl jemand den Sicherheitsapekt nicht bedacht zu haben.
panda
Gut, dann treffen sich die ganzen Menschen eben nicht auf Arbeit, sondern beim illegalen Gillen im Park ohne eine Aufsicht durch den Arbeitgeber ob die Schutzmaßnahmen eingehalten werden.
Dann bilden sich unkontrollierbare Gruppendynamiken und wir wissen alle wer dies als erstes ausnutzt… Eher müsste alles geschlossen sein und man sich eben alleine daheim am PC und TV vergnügen müssen… das wäre ein kleineres Übel als wieder falsche Hoffnungen zu machen die von Id*oten wieder zerstören wird. Nerven tuts uns alle, aber solange man Auf Demos Menschen ohne Maske sieht (schaut aufs Bild), solange werden wir weiter in diesem Trott leben.
Jossi Blum
@panda Laut den Aerosol-Fachleuten ist die Wahrscheinlichkeit, sich draußen ohne Maske zu infizieren, gering. Guckst Du hier:
www.dw.com/de/fakt...-freien/a-56770832
panda
@Jossi Blum Ja das stimmt, aber wenn sich all die Personen aus Büros, Produktion und Versand auf einmal in den Parks treffen, dann sind wir an dem selben Punkt wie zuvor...
Michael Kanellos
Der Kommentar wurde entfernt.
Die Moderation
Uranus
@Michael Kanellos Leute, die Nazis auf Demos tolerieren, demonstrieren also zusammen mit ihnen und haben sich aus antifaschistischer Sicht damit selbst ins politische Aus gestellt. Wer nicht Rechts ist und gegen Covid19-Politik demonstrieren will, sollte sich eine andere Plattform als die der "Querdenker*innen" suchen ggf. eigene Denkweisen reflektieren.
Zu "Querdenker*innen" und Nazis:
taz.de/Neonazis-in...bewegung/!5758371/
taz.de/Antisemitis...leugnern/!5734818/
Suryo
Wer morgens früh in die Fabrik muss, wird wohl kaum noch nach 22 Uhr unterwegs sein. Just sayin’z
Michael Kanellos
@Suryo Ganz im Gegenteil: Leuten, die tagsüber arbeiten, ohne wirklich extrem triftigen Grund den abendlichen Spaziergang verbieten zu wollen, ist vollkommen daneben. Und dieser Grund ist nicht ansatzweise vorhanden. Im Gegenteil, die Mutanten rennen nicht nachts durch leere Straßen! Just saying..
Suryo
@Michael Kanellos Es geht auch nicht um die Übertragung draußen. Das wissen Sie natürlich auch.
Aber wer zB um zwei Uhr morgens bei zwei Grad Celsius zu dritt betrunken durch die Straßen gröhlt, war vermutlich vorher in Innenräumen.
J_CGN
Wenn man anfängt systematisch zu denken, ist ein großer Teil der Produktion weiterhin erforderlich.
Wir brauchen Essen, Wasser, Strom, Telekommunikation, medizinsche Versorgung. Dafür brauchen wir Logistik, öffentlichen Transport, Landwirtschaft, Ersatzteilversorgung ...
D.h. wir brauchen schon eine Menge Menschen, die auf Arbeit sind.
Wichtig sind jedoch eine umfassende Testung, Masken und Pausen.
Nikolai Nikitin
@J_CGN Na, na, seien Sie mal nicht so realistisch. Das könnte unsere Ideologie gefährden.
Mathias Kneissl
@Nikolai Nikitin Technokratie ist auch eine Ideologie.
panda
@Mathias Kneissl Verzichte bitte auf folgendes um nicht einer Ideologie zu stützen.
Essen, Trinken, Bewegungsfreiheit, Obhut und Multimedia.
Frank Roger
Stilllegung der Produktion... bei voller Lohnfortzahlung... ich lach mich schief
Trango
@Frank Roger Gehen Sie davon aus, dass die Bezieher von Leistungseinkommen unter den Teilnehmern marginal sein dürfte. Eher Umverteilungseinkommen oder Mama und Papa.
jox
Was ich auch so sehe ist, dass das Risiko von Infektionen im ÖPNV wohl systematisch ausgeblendet wird zugunsten des Weiterlaufens von Betrieben. Ohne gezielte Untersuchungen sind solche Übertragungen auch sehr schwer zu entdecken, geschweige denn zahlenmäßig zu erfassen. Und von gezielten Untersuchungen habe ich noch nichts gehört. Das erinnert etwas sehr an die Aussage, dass "Schulen kein Treiber der Pandemie" seien.