1. Mai-Proteste in Berlin: Alles neu macht der Mai

Die Revolutionäre 1.-Mai-Demo will dieses Jahr internationaler und anschlussfähiger sein. In den Grunewald geht es zuvor per Rad.

Vermummte mit Pyrotechnik

Ein bunter erster Block Foto: dpa

BERLIN taz | Ein Bündnis aus 19 migrantischen linken Organisationen wird die diesjährige Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration anführen. Dazu gehören mehrere türkische und kurdische, palästinensische und jüdische Gruppen, ebenso wie ein polnisch-feministisches Kollektiv, eine Gruppe philippinischer Ak­ti­vis­t*in­nen und Migrantifa Berlin. Wie es im Demoaufruf heißt, stehe der Tag „nicht nur im Zeichen der Arbeiter*innen“, sondern ebenso für alle „ohne Arbeit, Papiere oder Wohnung“.

Nachdem die traditionelle 18-Uhr-Demo im vergangenen ersten Cornajahr durch ein Katz-und-Maus-Spiel in Kreuzberg ersetzt wurde, wird es dieses Jahr einen – sogar angemeldeten – Demozug vom Hermann- zum Oranienplatz geben. Dadurch solle die Anschlussfähigkeit für Menschen außerhalb der Szene gesteigert werden, sagte die Bündnissprecherin und Migrantifa-Aktivistin Aicha Jamal der taz. „Die linke Szene hat sich in der Vergangenheit zu sehr selbst isoliert und muss mehr ihren offenen Charakter betonen“, so Jamal.

Ausgeschlossen gefühlt hätten sich dabei auch viele internationalistische Gruppen. Jamal sagt: „Wir wollen als Mi­gran­t*in­nen nicht nur über Rassismus sprechen, sondern über gesamtgesellschaftliche Probleme.“ Dem Charakter als womöglich größte und offensivste antikapitalistische Veranstaltung des Landes versuchen die Veranstalter*innen, zu denen auch wieder die Radikale Linke Berlin und die Interventionistische Linke gehören, in ihrem Aufruftext gerecht zu werden, in dem sie die migrantische Perspektive mit allgemeiner Systemkritik verbinden: „Das kapitalistische System kann ohne den Rassismus als Logik der Legitimation für Überausbeutung sowie die Ausgrenzung vom Arbeitsmarkt, die dazu dient, den Preis der Arbeitskraft niedrig zu halten, nicht existieren.“

Jamal spricht von einer „kämpferischen Demo“, gleichwohl sendet das Bündnis Zeichen, keine Eskalation zu wollen. Im Aufruf heißt es, der Charakter der Demo müsse sich „verändern“; an „Provokationen der Berliner Polizei“ habe man kein Interesse. Jamal betont auch, dass ihr Hygienekonzept nur umsetzbar sei, wenn die Polizei sie nicht angreife.

Back to Gruni

Auch ein weiterer – nach dreijähriger Tradition bereits – Klassiker des Berliner Tages der Arbeit kehrt zurück, ebenfalls in veränderter Form. Die Gruppe MyGruni will erneut in den Grunewald, diesmal mit einer Fahrradsternfahrt. Den He­do­nis­t*in­nen bietet die Coronakrise noch einmal neuen Stoff für ihre satirisch zugespitzte Kritik an den Ungleichverhältnissen: „Seit Beginn der Krise hat sich die Situation im Problemkiez noch einmal verschärft. Die Reichen sitzen abgeschottet hinter geschlossenen Toranlagen, hamstern Dividenden und sind dabei für ein gesellschaftliches Miteinander kaum mehr zu erreichen“, so die Sprecherin des selbsternannten Quartiersmanagements Grunewalds, Frauke Geldherr.

Es gehe darum, die Gru­ne­wal­de­r*in­nen „abzuholen, coronasicher und zukunftszugewandt mit dem Rad, und ihnen solidarische Perspektiven jenseits der Grundstücksmauern aufzeigen.“ Wer sich mitreißen lässt, kann auf dem Rückweg zur Revolutionären Demo in Neukölln mit dem Rad auch über die Stadtautobahn fahren.

Bei der Forderung nach Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums dabei ist auch das bundesweite Krisenbündnis „Wer hat, der gibt“. Die Pandemie habe „bestehende Ungleichheiten verstärkt und deutlich gemacht, welche Interessen zählen und wessen Bedürfnisse ernst genommen werden.“ Während die Stimmen aus der Wirtschaft bei den politisch Verantwortlichen gehört würden, blieben die Bedürfnisse von Ärz­t*in­nen, Pfleger*innen, Ver­käu­fe­r*in­nen und Kulturschaffenden ungehört“, heißt es im Aufruf.

Klassenkampf ohne DGB

Walpurgisnacht 17 Uhr, Leopoldplatz: “Von der Krise zur Enteignung!“, Hände weg vom Wedding.

20 Uhr, Spreewaldplatz: “Take back the night“, FLINTA*-Demo.

Tag der Arbeit 11 Uhr, Neukölln, Wedding, Lichtenberg / 13 Uhr Breitscheidplatz. “Große Fahrradschlangendemo“ in den Grunewald, MyGruni.

11 Uhr, Hackescher Markt: „Nicht auf unserem Rücken – Gewerkschaften und Lohnabhängige in die Offensive!“, Klassenkämpferischer Block, FAU u. a.

17 Uhr: Hermannplatz: Revolutionäre 1.-Mai-Demo (taz)

Den Fokus auf Beschäftigte hat auch ein Bündnis, das sich bislang als klassenkämpferischer Block am Aufzug des Deutschen Gewerkschaftsbundes beteiligte, dieses Jahr aber eine eigene Demo durchführen wird, weil der DGB nur zu einer stationären Kundgebung aufruft. „Nicht auf unserem Rücken – Gewerkschaften und Lohnabhängige in die Offensive“ so das Motto, dem sich unter anderem die Gewerkschaft FAU und Hände weg vom Wedding anschließen.

Letztere werden bereits am Vorabend in ihrem Kiez demonstrieren. Ohne Männer warm laufen will sich in der Walpurgisnacht auch eine feministische Demo. Unter dem Titel „Take back the night“ geht es dabei gegen „Sexismus und partriarchale Gewalt“.

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