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Sozialismus und ReligionWeniger Befremden – mehr Respekt

Lange herrschte unter Linken der Irrglaube, die Religion werde bald überholt sein. Tatsächlich gewinnt sie an gesellschaftlicher Bedeutung.

Religion – auch die von Minderheiten – rückt stärker vom privaten in den öffentlichen Raum Illustration: Jeon Hwa Min

D ie Linke hat es nicht leicht mit dem lieben Gott. Sie fremdelt mit ihm, oder mit ihr, oder sagen wir: mit „Religiosität“. Das zeigt sich auch bei der taz. Bei wohl keinem Thema unterschreitet sie so häufig ihr Durchschnittsniveau wie bei den Themen Religion und Kirche. So sind ironisierende Berichte und übellaunige Kommentare erwartbar, wenn beispielsweise im Land wieder das Himmelfahrtsfest naht oder Kirchen­tags­be­sucher_in­nen in den ­U-Bahnen der Großstädte lauthals gesungen haben.

Das liegt, so vermute ich, zum einen daran, dass die Gegnerschaft zu Religion und Kirche zurzeit eine der wenigen letzten Frontstellungen ist, auf die sich politisch links denkende Menschen hierzulande milieu- und fraktionsübergreifend in großer Leichtigkeit verständigen können. Nach dem Ende so vieler anderer linker Gewissheiten kann man wenigstens dann mal wieder locker und ironisch klare Kante zeigen, wenn Religiosität im öffentlichen Raum auffällt.

Aber da ist noch mehr. Diese Befremdung hat schließlich eine lange Geschichte. Von Beginn an ist Religion der Linken verdächtig gewesen. Karl Marx sah in ihr bekanntlich ein verkehrtes Weltbewusstsein, das die verkehrte Welt widerspiegeln würde, den Seufzer der bedrängten Kreatur und zugleich ihr schmerzlinderndes Opiat. August Bebel formulierte 50 Jahre später, Christentum und Sozialismus stünden sich gegenüber wie Feuer und Wasser.

Damit schien die Sachlage weitgehend geklärt und eine kritische Abgrenzung gegenüber Religion gehörte fortan zum theoretischen und habituellen Bestandteil linksorientierter Parteien und Gruppen sowie kritischer Theoretiker_innen, bis heute. Zwar gab es immer auch ein „Crossover“-Milieu, das sich als „religiöse Linke“ zeigte.

Religionsdistanz war linker Mainstream

Ich denke zum Beispiel an Dorothee Sölle und diverse Befreiungstheologien, an deren frühe europäische Version in der Form des „religiösen Sozialismus“ sowie an die bedeutenden Formulierungen im Godesberger Programm der SPD, insbesondere aber an das gemeinsame politische Engagement in den Bewegungen für Frieden, Gerechtigkeit, Umweltschutz und Klima.

Auf der anderen Seite hatte die religionskritische Linke in ihren Evolutions- und Revolutionsvorstellungen mit der Figur des „neuen Menschen“ selbst immer höchst religiöse Vorstellungen in säkularer Form konserviert, beginnend in der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zu den utopischen Entwürfen der neuen sozialen Bewegungen in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts.

Und doch: Religionsdistanz blieb linker Mainstream und mit der soziologischen Säkularisierungsthese setzte sich dann auch übergreifend die Vorstellung durch, Religion sei ein bald überwundenes Relikt in unseren westlichen Gesellschaften. Man ging davon aus, dass die Existenz von Religion soziales Elend, wissenschaftliche Unkenntnis oder staatlichen Zwang zur Voraussetzung habe.

Und doch scheint es anders zu laufen. Religiosität ist noch da, auch dort, wo sich Wohlstand, Bildung und Demokratie durchsetzten. Nach Jahrzehnten religiöser Individualisierung, Pluralisierung und Privatisierung und der esoterischen Ausdifferenzierung religiöser Überzeugungen gibt es Hinweise darauf, dass sie gesellschaftlich sogar an Bedeutung gewinnt (freilich ohne dass dadurch in diesem Land voller werdende Gotteshäuser zu erwarten wären).

Religiöse Vorstellungen in säkularer Form

Da ist beispielsweise zu beobachten, dass Religion neu politisiert zu werden scheint. Sie wandert „vom Raum des Persönlichen und Privaten in den Raum des Öffentlichen und Kollektiven“, wie der Soziologe Heinz Bude feststellt, und zeigt sich als eine der Quellen, aus der sich individuelle und kollektive Selbstermächtigungen speisen. Auch religiöse Minderheiten fordern zunehmend Anerkennung und damit eine differenzfreundliche Gesellschaft, in der jede und jeder Platz hat.

Und als Statthalterin einer solchen Idee von Gesellschaft, in der man ohne Angst nicht nur leistungsschwach, sondern auch verschieden und verschieden gläubig sein darf, hat es einer Linken jetzt weniger um Religionskritik zu gehen, sondern vielmehr um Anwaltschaft für solche (religiösen) Anerkennungsforderungen.

Zu entdecken ist Religion zudem in den öffentlichen Wertedebatten. Spektakulär und für die Linke bedeutsam war in diesem Zusammenhang die Begründungsarbeit des Philosophen Jürgen Habermas in den letzten zwei Jahrzehnten und sein Verweis auf die Fähigkeit religiöser Traditionen, Einsichten zu liefern, die in säkularer Form nicht zur Verfügung stünden, was in Zeiten einer „entgleisenden Modernisierung“ zum Problem werde.

Damit formulierte er etwas aus, das schon bei Walter Benjamin und Theodor W. Adorno in Ansätzen gefunden werden kann und dreißig Jahre zuvor bei Max Horkheimer auch formuliert worden war: Religion, so Horkheimer, enthalte eine kritische Utopie. Sie sei der Aufbewahrungsort einer „Sehnsucht danach, dass der Mörder nicht über das unschuldige Opfer triumphieren möge“, ein Reservoir der Begründung menschlicher Humanität.

Sehnsucht nach Gewissheit und Horizont

Ganz praktisch zeigt sich sodann mit dem Bedürfnis nach Entschleunigung und Achtsamkeit ein bis tief in die kirchenferne Mittelschicht wahrnehmbares neues Interesse an religiösen Traditionen, an Ritualen und Formen von Spiritualität. „Man merkt es am Aufleben alter Sehnsüchte: nach Gewissheit und Horizont, Heil und vielleicht sogar Erlösung“, wie Evelyn Finger in der Zeit schreibt.

Und in der Resilienzforschung zeigen sich, Fingers Beobachtung stützend, Hinweise auf gesundheitsfördernde Effekte von individuell gelebter Religiosität. All das ist für traditionell linke Religionskritik irritierend, sowohl theoretisch wie auch praktisch und habituell. Und in diesem Licht wirkt die gegenwärtig in vielen Kreisen der Linken weiterhin noch gepflegte, affektiv ablehnende Haltung gegenüber Religiosität und Spiritualität fast ein bisschen konservativ.

Nun muss hier eingeräumt werden, dass die traditionell große Distanz zwischen der politischen Linken und der organisierten Religion in diesem Land über sehr lange Zeit auch vonseiten der christlichen Kirchen emsig betrieben wurde. Und es soll in keinem Fall in Abrede gestellt werden, dass präzise Religionskritik in der Vergangenheit nötig war und bis heute geblieben ist.

Es geht mir also nicht um eine Zurückweisung kritischer Religionsanalyse, die wir in Zeiten von Gewaltskandalen, verschiedensten Fundamentalismen und ideologischen Verrücktheiten sehr dringend nötig haben. Es geht mir ebenfalls nicht um eine Verunglimpfung atheistischer Überzeugungen. Vielmehr geht es mir um Ernsthaftigkeit im Umgang mit Differenz – und um Respekt!

Hierfür erscheint es mir hilfreich, die Aufmerksamkeit von der Frage nach dem Wahrheitsgehalt religiöser Bekenntnisse abzuwenden und stattdessen den Blick auf den Kern religiöser Praxis zu wenden: auf existenzielle menschliche Erfahrungen der Selbstüberschreitung, des Ergriffenseins und des Sinns. Es sind Resonanzerlebnisse in der Begegnung mit etwas Unverfügbarem, wie der Soziologe Hartmut Rosa sie beschreibt.

Solche Erfahrungen machen alle Menschen und sie haben oftmals das Bedürfnis, hierfür eine Artikulationsform zu finden, also Symbole, Zeichen, Sprache. Und diese finden sie durchaus auch in religiösen Traditionen, die von den vorherigen Generationen hervorgebracht und bewahrt worden sind. Religionen sind, so betrachtet, nicht nur Wertesysteme und Lehrgebäude, sondern, so der Sozial­philosoph Hans Joas, Versuche zur Auslegung menschlicher Erfahrungen der Selbsttranszendenz.

Sie sind zu verstehen als Deutungsangebote, die in einem Kulturraum zur Verfügung stehen und sich vielen Menschen als Wahrheit zeigen. Und weil Religiosität in existenziellen Erfahrungen der Selbsttranszendenz und dem Wunsch nach deren sprachlicher Reflexion ihre Quelle hat, ist sie auch nicht still zu stellen. Im Gegenteil.

Viele Menschen bemühen sich aktiv um solche Erfahrungen, beispielsweise in der Begegnung mit Natur, Kunst, Tradition und Religion – und sie schöpfen hieraus Kraft und Orientierung für ihr Handeln und ihr Engagement. Das verbindet sie. Es unterscheidet sie aber die Art, wie sie diese Erfahrungen deuten, und somit auch, inwiefern sie diese Erfahrungen als Begegnung mit einer transzendenten Realität verstehen, oder aber profane Ursachen vermuten. Das bleiben Glaubensfragen.

Aber wenn wir uns in diesem Sinne grundsätzlich selbst wahrnehmen könnten, dann vergrößert sich vielleicht die Basis für eine wechselseitige Anerkennung der Erfahrungen und Deutungsmuster, die uns jeweils prägen. Und womöglich fördert es auch unsere Fähigkeit, uns weniger befremdet und zunehmend respektvoll über diese eigenen Deutungsmuster und deren Gründe auszutauschen, also über das, was wir jeweils glauben und hoffen, worauf wir vertrauen und was uns im Leben trägt.

Ich danke Michaela Grön und Udo Fleige für wichtige Hinweise und Kommentare bei der Ausarbeitung dieses Textes.

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41 Kommentare

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  • unkitteobar = unmittelbar

  • V:



    Im Übrigen sehe ich Habermas These anhand der Querdenkerbewegung bestätigt, dass ein Fehlen von religiösen Bindungen zu gesellschaftlichen Pathologien führen kann.



    Da sind nicht wenige sinnsuchende dabei, die ein metaphysisches Obdach suchen und leider meinen im Glauben an die Echsenmenschen eines gefunden zu haben.

    Auch sagt selbst der überzeugte Atheist Gregor Gysi, dass religiöse Bindungen für.die Stabilität einer Gesellschaft wichtig sind

    Diesem Querdenker vulgär-Anti-Szientismus mit seinen ochlokratischen Tendenzen hänge ich übrigens nicht an.



    .

  • IV:



    Ja, ich weiss, im Namen der Religion passierte und passiert so etwas auch – und das MUSS auch schonungslos benannt werden. Und ich will auch nicht alles wegwischen was aus der religionskritischen Ecke kommt.

    Aber der "neue" Humanismus ist einfach auch nicht die Lösung – er überzeugt mich nicht.

    Was soll ich sagen? Wenn ich den zynischen Biologisten wie Kutschera mit Leuten wie Norbert Blüm vergleiche, brauche ich einfach nicht lange überlegen, wem ich da vertraue.

    Und wenn ein Ulf Poschardt sich über die Kirchen aufregt, scheinen die ja auch nicht alles falsch gemacht haben.

    Und Gott? Heute bin ich mir sicher es gibt ihn, nicht nur abstrakt, sondern auch in der Begegnung zum Nächsten – eine der tiefsten Transzendenzerfahrungen. Temporäre Ich-Auflösung inklusive 😉

    Ironischerweise muss ich dem militanten "neuen" Humanismus heute sogar dankbar sein.



    Fraglich, ob ich mich ohne deren Übertreibungen auf die Suche gemacht hätte.

    Danke für den Artikel.

  • III.



    Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet heute eher die Kirchen die Schutzräume sind, die dem durch verdinglichenden, knallhart operationalisierenden und sinnentleeerten Kapitalismus gebeutelten Individuums Unterschlupf gewähren.

    Klar, gibt es noch die kapitalismus-affinen kirchennahe Leute wie Laschet, der eher Menschen opfert als die Wirtschaft in die Verantwortung zu nehmen und den Papst sogar rügt, dieser sei zu antikapitalistisch. Oder der kalte Technokrat Jens Spahn, für den Barmherzigkeit keinen Platz in der Politik haben soll. (diese Leute waren auch immer der Grund für mich gegen Religion und Kirche gewesen zu sein)

    Aber es gibt bzw. gab eben auch Leute wie Norbert Blüm, welche wirklich aus ihrem Glauben heraus Kraft schöpften für Gerechtigkeit einzustehen (übrigens einer der wenigen CDU Politiker dem die Titanic nach seinem Tod einen doch respektvollen Startcartoon gewidmet hat)

    Und um nochmal auf die Gefahren des "neuen" Humanismus hinzuweisen:



    im Heise-Forum äusserte tatsächlich ein Forist in sehr negativer Weise, dass man schon sehr dämlich-kreationistisch drauf sein müsste um die Gleichheitwertigkeit aller Menschen und Rassen (seine Worte) anzuerkennen.

    Mich überrascht so etwas nicht. Das ist die folge dieser technizistischen Ideologie.



    Ich denke, da gibt es auch Individuen die ohne mit der Wimper zu zucken in einem anderen System, Menschen um die Ecke bringen würden. Eben weil ein Algorithmus das ausspuckt und weil es ggf. eine das Gewissen entlastende vermeintliche Evidenz dafür gibt.

  • II.



    Leider fielen nicht wenige Linke auf diesen erzkapitalistischen Effiziengedanken grandios herein.



    Das simple binäre Reiz-Reaktions Modell? Wissenschaft ist Aufklärung,,Aufklärung ist das Gegenteil von Religion: Scheiss Kirche, da bin ich dabei!!!

    Nun, im Rahmen dieser quantitativen Wende, gesellte sich als Überbau dann dieser tumbe vulgär-szientistische "neue" Humanismus Dawkinscher Prägung hinzu.



    Krakelend, ohne Graustufen und mit einer unglaublichen apodiktischen Arroganz und missionarischem Eifer ausgestattet.



    Nicht ansatzweise an Dialog interessiert.



    Je nach Rezeption harmloserweise ein etwas pubertärer Party-Atheismus "Sphaghettimonster, hihihi" oder eben nicht mehr so harmlos eine nicht ungefährliche Geisteshaltung mit einer ihr innewohnenden Tendenz zum Technofaschismus.

    Der Humanismus mit Tiefgang meiner Jugend und auch der meiner Studentenzeit scheint entweder passé oder wurde jetzt eine zeitlang in Opposition geschickt. Es übernahmen die Hooligans.

    Es fällt mir schwer weite Teile dieses "neuen" Humanismus als tiefgehende Philosophie anerkennen, eher als eine freiwillige Selbstverzwergung von Philosophie (eine Art Nachtwächter-Philosophie), deren Aufgabe sie wohl darin sieht stumpf die Methodik der MINT-Fächer auf alle, aber wirklich alle Fragen des Lebens und des Seins anzuwenden und apodiktisch zu verteidigen.

    Vernünftig? Nein, ideologischer Verstandeskult

  • II.



    Leider fielen nicht wenige Linke auf diesen erzkapitalistischen Effiziengedanken grandios herein.



    Das simple binäre Reiz-Reaktions Modell? Wissenschaft ist Aufklärung,,Aufklärung ist das Gegenteil von Religion: Scheiss Kirche, da bin ich dabei!!!

    Nun, im Rahmen dieser quantitativen Wende, gesellte sich als Überbau dann dieser tumbe vulgär-szientistische "neue" Humanismus Dawkinscher Prägung hinzu.



    Krakelend, ohne Graustufen und mit einer unglaublichen apodiktischen Arroganz und missionarischem Eifer ausgestattet.



    Nicht ansatzweise an Dialog interessiert.



    Je nach Rezeption harmloserweise ein etwas pubertärer Party-Atheismus "Sphaghettimonster, hihihi" oder eben nicht mehr so harmlos eine nicht ungefährliche Geisteshaltung mit einer ihr innewohnenden Tendenz zum Technofaschismus.

    Der Humanismus mit Tiefgang meiner Jugend und auch der meiner Studentenzeit scheint entweder passé oder wurde jetzt eine zeitlang in Opposition geschickt. Es übernahmen die Hooligans.

    Es fällt mir schwer weite Teile dieses "neuen" Humanismus als tiefgehende Philosophie anerkennen, eher als eine freiwillige Selbstverzwergung von Philosophie (eine Art Nachtwächter-Philosophie), deren Aufgabe sie wohl darin sieht stumpf die Methodik der MINT-Fächer auf alle, aber wirklich alle Fragen des Lebens und des Seins anzuwenden und apodiktisch zu verteidigen.

    Vernünftig? Nein, ideologischer Verstandeskult

  • Ich fühlte mich früher schon sehr dem Humanismus verbunden.



    Der war damals noch breit aufgestellt.



    Links-Humanistisch geprägte Lehrer lasen mit uns Schülern Homo Faber oder Brave New World – kritische Reflexionen über Menschsein und dem Verhältniss zur Technik.

    Während meiner Unizeit kam ich dann mit der Frankfurter Schule in Kontakt (gerade so eben noch: 1998-2010). Links und gewiss auch antiklerikal, aber eben nicht stumpf in der Reflexion. Ich und Religion damals? Nein, danke.



    Einem Hurra-Rationalismus der unseren Zeitgeist heute leider so prägt hing die Frankfurter Schule aber niemals an.



    Im Gegenteil. Es gab einen Spirit, der über technischen Machbarkeitswahn, Reduktionismus, Positivismus und Biologismus, Szientismus reflektierte und übrigens trotzdem in einer aufklärerischen Traditionslinie eingebettet war.



    Es kam aber - ich denke auch durch die politischen Veränderungen, die mit dem vorläufigen Sieg des Kapitalismus über den Sozialismus einhergingen und spätestens mit der Agenda 2010 in Gesetze gegossen wurden - zu immer mehr oberflächlichen Effizienzdenken. In der Gesellschaft, aber auch gerade in den Unis.



    Alles musste jetzt operationalisierbar und unkitteobar nutzbar sein.



    Die Geisteswissenschaften wurden entweder immer weiter marginalisiert oder einer MINT-Methodik unterworfen (dies übrigens bewusst so von der Agenda 2010 so gewollt, es gab nicht nur Hartz IV, sondern wollte aus die Unis für die Wirtschaft verwertbarer machen)



    Alles musste lösungsorientiert sein. Sinnzusammenhänge in der der Mensch auch lebt sollten nicht mehr interessierten und wurden als überflüssige Schöngeisterei abqualifiziert.



    Das psychologisch-soziologische Feld wurde zunehmend von Verhaltens- bzw. Gesellschaftsingenieuren beackert. Quantitative Analysen, Neuroglamour, Kognitivismus und Verhaltenstherapie. Lebenswelt, tiefenpsychologie oder gar anekdotisch-qualitative Analysen wurden als unwissenschaftliche Literaturexegese belächelt...

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @Oliver Tiegel:

      Also mit der Frankfurter Schule habe ich so meine Schwierigkeiten. Habermas mit seinem "schwachen metaphysischen Zwang", der uns zum Glauben an das "gerechte Gesetz" bringen soll, den wir notwendig haben müssten, um an der Demokratie teilzunehmen. Mit Ja müssten wir auch immer Ja meinen.



      Wie sagte Werner so schön: "Ja ja Meister"



      Und der Meister: "Was heißt hier ja ja? Ja ja heißt Leck mich am Arsch."



      Den Übergang von der Kritischen Theorie zur Frankfurter Schule markiert wohl der Satz "Es gibt kein richtiges Leben im Falschen". Das lädt zur Affirmation des Falschen ein.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Lange herrschte unter Religiösen der Irrglaube, der Sozialismus werde bald überholt sein. Tatsächlich gewinnt er an gesellschaftlicher Bedeutung.



    Mit religiösen Sozialist:innen - wie z.B. Peter Bürger, einem Katholiken, dessen Texte auf telepolis ich sehr schätze, oder linken kurdischen Muslim:innen in Rojava - sollten atheistische Linke schon gut können.



    Trotzdem sollte es m.E. nicht der Anspruch einer herrschaftskritischen Linken sein, religiöse Erfahrungen im Kontext von Traditionen zu formulieren und den Mythos zur Begründung des Logos zurate zu ziehen.



    Methodisch hat es Jacques Derrida in "Über das Wort" formuliert: Er schlägt vor, im interreligiösen Diskurs die in verschiedenen religiösen Praxen auftretenden religiösen Erfahrungen als Erfahrungen des Substrates der Wahrnehmung auszulegen. Als religiöser Atheist kann ich mich da anschließen.



    Selbsttranszendierung gibt es demnach nicht primär in diesen Erfahrungen (der "Umkehr", des "heiligen Geistes", der "Erleuchtung"; des "Kensho", der "Anwesenheit aller Götter", des "Satori" ...), weil darin nur das Substrat der eigenen Wahrnehmung auf verschiedene Weise erfahren wird, sondern in der Erfahrung/Erkenntnis, dass andere Menschen in anderen Kulturen gleiche Erfahrungen machen, obgleich sie anders darüber reden.



    Als ich das erste Mal die "Zehn Ochsenbilder" aus dem Zen sah und mich verstanden fühlte, machte ich das erste Mal eine Erfahrung, die nach meiner eigenen Einschätzung als Erfahrung der Selbsttranszendierung durchgehen lasse.



    Religion kann, davon bin überzeugt, erst dann emanzipatorische Tendenzen entfalten, wenn sie sich in den interreligiösen Diskurs (auch mit religiösen Atheist:innen) begibt und Dogmas Dogmas sein lässt.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Respekt muss man sich erarbeiten, Toleranz (das Ertragen) gibts für Umme.

    Haben sich die Religionen Respekt erarbeitet?

    Meinen jedenfalls nicht.

    Das Religion an Bedeutung gewint, liegt daran, dass die Linken und die Konservativen, die Dazwischen auch ebenso, keine Hoffnung für die Hoffnungslosen bereitstellen.

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Auf den Punkt gebracht

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - wirft ein:

    “ "[....]..taz. Bei wohl keinem Thema unterschreitet sie so häufig ihr Durchschnittsniveau wie bei den Themen Religion.[....] "



    Das ist doch mal ein Einstieg... Den ich nicht teile. Toleranz und Akzeptanz für religiöse Menschen ist bei taz angemessen groß. Schließlich ist für viele die Religionszugehörigkeit fast wie ein angeborenes Merkmal. Merkmale, die sie kaum loswerden. Da sollen wir nicht spotten.



    Die Religionen selbst jedoch und besonders deren Institutionen verstehen es "wunderbar", Kritik auf sich zu ziehen.“

    kurz - Genau. Genau.



    “Haltet den Dieb!



    Rawau Rawau!



    Hab dich doch lieb!“ - 🥴 -



    & Liggers!



    Manchesmal is der Name:



    Auch Mielke mit Soutane •

  • OK, jemand stellt sich hin und sagt, er hätte einen besonders engen Draht zu einem Gott und könne deshalb die Welt erklären und Regeln aufstellen.

    Da kann gerne mitmachen, wer möchte. Kein Problem, sofern dieses Mitmachen freiwillig ist. Verlangt aber nicht, dafür ernst genommen zu werden.

    Einigen mag sowas helfen, in dieser schrecklichen Realität klar zu kommen. Gemeinsam singen ist ja auch was schönes. Aber erstens tun das diese Leute für sich selbst (im Gegensatz zu denen, die für eine bessere Welt kämpfen) und zweitens gibt's dafür auch jede Menge andere Möglichkeiten - ohne religiösen Überbau.

    Und um diesen geht es. Die Kritik richtet sich ja nicht gegen die Funktion als Wellnessangebot, sondern den Anspruch, die Welt zu erklären und Regeln aufzustellen, zu definieren, was gut und richtig ist.

    • @Karin Möller:

      "OK, jemand stellt sich hin und sagt, er hätte einen besonders engen Draht zu einem Gott und könne deshalb die Welt erklären und Regeln aufstellen."

      Wer hat ihnen den den Wurm ins Ohr gelegt? Religiöse gehen lassen wie jeder andere auch den Elektriker kommen und nicht den Gott des Blitzes. Komplizierte Rechnungen werde ach von denen mit dem Taschenrechner durchgeführt und nicht mit Gebeten.

    • RS
      Ria Sauter
      @Karin Möller:

      Sie haben es genau auf den Punkt gebracht!

    • @Karin Möller:

      Wenn Sie religiös überzeugt sind, haben Sie meist das Bedürfnis, sich für eine bessere Welt einzusetzen.

      Man kann Religion auch als Sozialkodex lesen, Gott oder nicht Gott ist dann nur eine Frage der Legitimation.

      Deshalb enthalten so ziemlich alle Religionen das Gebot, sich um seine Mitmenschen zu kümmern und für eine bessere Welt zu kümmern.

      • 4G
        4813 (Profil gelöscht)
        @rero:

        Bessere Welt meist nicht für Frauen und andere Exoten

  • Nachtrag zu Liminski:



    "Liminski äußerte sich 2007 in einem Gespräch mit dem Spiegel auch zu gesellschaftlichen Themen. So gab er an, dass er viele Homosexuelle kenne, einige täten ihm leid. Er sprach sich dafür aus, dass der Staat die „natürliche Form der Ehe und Familie“ fördern müsse. Abtreibungen hielt er in den meisten Fällen für ethisch nicht vertretbar."



    Also, nix mit Toleranz i.S. von Lessings "Nathan der Weise" ... wir dürfen die Militanz dieser Religioten nicht unterschätzen!

    • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

      anschließe mich. Ein ganz schlimmer Finger - als Schlagobers zu Laschies katholischen Kadergymnasium in Aken!



      Nich to glöben - un rein tonn katolsch warrn •

  • Yes, sie wollen lauter und einflussreicher werden ...



    wikipedia über LASCHET:



    "Laschet ist praktizierender Katholik und gehörte seit seiner Taufe 1961 der Pfarrei St. Michael in Aachen-Burtscheid an, wo er bis 1977 Ministrant war ... Nach seinem Schulwechsel wurde er wie zahlreiche andere Schüler des Pius-Gymnasiums, darunter auch sein Bruder Remo, vom Religionslehrer der Schule, dem damaligen Aachener Domvikar Hans-Günther Vienken, als Dommessdiener gewonnen und leistete Altardienst im Aachener Dom in der direkten Umgebung von Bischof Klaus Hemmerle.



    Über seinen katholischen Glauben stellte L. fest, die Familie sei „rheinisch-katholisch“. Laschet hat seit seiner Jugend enge Kontakte und Beziehungen innerhalb der katholischen Kirche im Rheinland und darüber hinaus. Laschets engster Berater und Chef der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei, Nathanael Liminski, ist eng mit einem konservativen katholischen Umfeld verbunden."



    wikipedia über Liminski:



    "Aufmerksamkeit erlangte er als Stimme der im Gefolge des Weltjugendtags 2005 von ihm mitgegründeten kirchlichen Pressuregruppe Generation Benedikt, die eine an den Positionen von Papst Benedikt XVI. orientierte, papsttreu-konservative Kirchlichkeit für junge Katholiken propagiert und sich nach dem Amtsantritt von Papst Franziskus 2013 in Initiative Pontifex umbenannte ... ." und "

    • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

      Und Spahn gehört auch in dieses Grüppchen.



      Wikipedia: Abitur 1999 an der Bischöflichen Canisiusschule in Ahaus.



      Da heißt es aufpassen.

  • Wenn die Kirchen nicht voller werden, Religionen in der Bedeutung aber scheinbar zunehmen, deutet das dann nicht darauf hin, dass die Religionen einfach nur lauter werden?

    Religion als Quelle der "individuelle und kollektive Selbstermächtigungen"? Mir scheint eher, dass Religion zunehmend ein Mittel von gewissen Gruppen ist, sich in der Globalisierten und einer zunehmend vermischten Welt von seiner Umgebung abzugrenzen und in Konkurrenz zu anderen (oft auch religiösen) Gruppen zu treten.



    Darüber hinaus ist Religion ein Mittel Einzelner auf Gruppen Einfluss auszuüben, den sie sonst nicht hätten.

    Anstatt den Diskurs durch Religion, religiöse Vorschriften Einzelner (die ohnehin nie der Kern einer Religion sein können) und all das was uns trennt, dominieren zu lassen, sollten wir nicht vielmehr das betonen was uns verbindet? Unter anderem der Wunsch von seiner Arbeit leben zu können. Selbstbestimmt sein Leben zu gestalten.

  • Ich denke, da muss man unterscheiden zwischen Religiösität, Esotherik etc auf der einen Seite und kirchlichen Verfestigungen von Religion auf der anderen. Solange Religiöse gleich welcher Ausprägung bereit sind, sich auf Augenhöhe mit anderen Ausprägungen auseinander zu setzen, können diese Sichtweisen durchaus bereichernd sein. Schlimm wird es, wenn sich Religiöse zu Kirchen zusammenrotten und davon ausgehen, die alleinige Wahrheit zu besitzen.



    Lange Zeit habe ich das Militär mit seinen starren Hierarchien als Teufelszeug gesehen. Heute sehe ich, dass die Kirchen das sogar noch toppen: Beim Militär gilt Gehorsam in den Taten als unabänderlich; was der kleine Soldat dazu denkt, ist ziemlich egal. In den Kirchen ist es umgekehrt. Falsche Taten werden gnädigst verziehen. Aber nur, wenn man bereit ist, das eigene Denken und Fühlen der von oben vorgegebenen Moral anzupassen.

  • Den Ansatz der wechselseitigen Anerkennung kann ich nur begrüßen. Er könnte für alle Seiten eine Bereicherung sein.



    Schwierig finde ich allerdings, wie im Artikel Religion und Kirche in eins gesetzt werden. Es gibt kein einziges Beispiel, wo Klerus nicht autoritäre, doktrinäre, antidemokratische Machtstrukturen hervorgebracht hat. Deshalb würde ich sagen Religion ja klar, wenn es für jemand produktiv ist, aber Kirche sehr vorsichtig, besser offenere Formen von Gemeinschaft suchen.

    • @Birdman:

      Keine der evangelischen Landeskirchen in Deutschland hat "autoritäre, doktrinäre, antidemokratische Machtstrukturen".

      Ich sehe nicht, welche "offeneren Formen" mehr Organisation, Struktur und Zugehörigkeitsgefühl für ihre Mitglieder bedeuten würden, mehr Sicherheit für ihre Mitarbeiter, mehr politischen Einfluss, wenn es zum Beispiel um den Schutz von Flüchtlingen geht, um Umweltschutz, um Kinder und Familien.

      Viele Menschen in der Kirche engagieren sich zum Beispiel für einen Dialog mit Juden und Muslimen. Diese Art von Respekt und Interesse an anderen Weltanschauungen findet man meiber Erfahrung nach bei weltanschaulich nicht organisierten Menschen seltener, egal ob sie gläubig sind oder Atheisten.

  • Ich bin religiös und deswegen bin ich links.



    Der Christliche Glaube war und ist ein zutiefst sozialistisches Konstrukt. Schon alleine der Anspruch "Alle Menschen sind vor Gott gleich" hat in der Antike die Oberschicht der Roemer erschrocken zusammenzucken lassen und dann auch noch die Weigerung den Kaiser als Gottgleich anzuerkennen, ja das war gelebte Revolution, da hätte Marx seine Freude daran gehabt. Im 4 Jahrhundert, als das Christentum dann von Kaiser Konstantin zur Staatsreligion erklärt wurde, der Bischof von Rom sich selbst zum Oberhirten erklärte und Augustinus anfing aufzuschreiben was da so den Glauben ausmachte, ja da trennten sich die Wege, die Religion lernte die Prinzipien des 'share holder value' kennen. Es entstand die Kirche wie wir sie Heute kennen. Und die trieb ihr Unwesen bis in die Renaissance und in unserer Neuzeit. Kirche und Kaiser gingen Allianzen ein um das Volk zu knechten, sich zu bereichern und um Macht zu erringen. Dabei versuchte in schöner Regelmäßigkeit, Einer den Anderen zu bescheissen, siehe Canossa und noch einige mehr. Und wenn es passte, dann gingen sie auch auch Hand in Hand zusammen auf Raubzügen, wie z.B. die Kreuzzüge.



    Das ist was die Linken ablehnen und wo sie fremdeln. Nicht die Religion. Die erlaubt nach meinem Verständnis durchaus kritisches Denken und vermittelt darüber hinaus Werte wie Mitgefühl, Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit.



    Ach ja, fast vergessen, da sind ja auch noch diese CDU/CSU Parteien, die das Christlich für sich gekapert haben, so wie die Bischöfe von Rom im 4'ten Jahrhundert es gemacht haben. Alles nur Etikettenschwindel, da die alles mögliche sind, aber bestimmt nicht Christlich. Ja, das irritiert viele Linke die glauben dass CDU/CSU wirklich für Christlich steht und die denken, "Was sind das nur für Deppen."

    • @chinamen:

      Bei Sozialismus sieht es dann so aus, dass alle Menschen gleich sind, manche dann aber doch gleicher sind als die anderen.

    • @chinamen:

      Wie ist das bspw. mit den Freikirchen? Von denen stellen sich viele ja anhand "traditioneller Geschlechterrollen" gegen sexuelle Selbstbestimmung und Geschlechtergleichheit. Was ist mit der Angstmacherei durch die Vorstellung einer Hölle? Was ist mit anti-aufklärerischen Kreationismus? Was ist mit der Machtposition von Religionslehrenden/Religionsvorsteher*innen wie Priester, Imame, Glaubensauslegungen, die Autorität hieraus abgeleiteter Handlungsanweisungen/-empfehlungen? Was ist mit dem antiemanzipatorischen Charakter der Vorstellung, dass so es einer Person aktuell einer Person schlecht geht/sie "Pech" hätte, dies ein Abtragen von Sünden von Vorfahren wäre? Im schlimmsten Fall die antisemitische Vorstellung, dass Jüd*innen an der Shoa selbst schuld wären. Was ist mit der Vorstellung von Schicksal, das Knüpfen von Handeln an überirdische Vorgänge anstatt der Herleitung von Handlungsspielräumen an Verhältnisse und eigenen Willen? ...

      • @Uranus:

        Und was ist bspw. mit unserer Gesetzgebung die so ausgelegt ist, dass sie umso mehr Recht bekommen, umso mehr Geld sie haben haben? Mathematisch korrekt, Recht=f(Geld + Lobbyismus). Und was ist mit den gewählten Regierungen von Ländern wie Polen, Ungarn und vorher auch USA mit Trump, die faschistoide Züge tragen? Und was ist mit den Grosskonzernen die sich an der Steuerlast eines Landes nicht beteiligen sondern nur davon Profitieren und diesen Profit auch gleich an einige wenige Großaktionäre verteilen? Was ist mit der EZB, die durch ihre 0% Zinsen Politik den mittelständischen Sparern das Geld aus der Tasche zieht und es über Umwege, damit es nicht so offensichtlich ist, eben wieder bereits erwähnten Großaktionären zukommen lässt? Was ist mit den ganzen Kriegen des Westens die im Namen der Freiheit und Demokratie geführt werden, aber im Grunde genommen nur schlecht getarnte Raubzüge sind? Usw., usw., usw, ....



        Sie sehen diese Fragestellungen "Was ist mit ..." können ad infinitum geführt werden. Suchen sie sich ein Fachgebiet heraus welches sie missionieren wollen und viel Glück damit. Wir haben ja in der Geschichte erfahren wofür die Missionare, egal ob kirchlich oder weltlich, gut waren.



        Mir selber würde es nicht einfallen einen z.B. Zeugen Jehovas auf den Weg der Tugend zu bringen, meiner Tugend. Wozu? Wenn er oder sie da glücklich sind dann lasst sie doch. Und wenn sie nicht glücklich sind, dann haben sie die Freiheit auszutreten. Sich in den Lebensformen und den Lebensentwürfen Anderer einzumischen ist leider auch eine sehr menschliche Eigenschaft die wahrscheinlich mehr Leid über uns gebracht hat wie alle Kirchen zusammen genommen.

        • @chinamen:

          Worauf ich mit den Fragen/meinem Kommentar hinaus wollte, ist, dass Religionen viele verschiedene problematische Aspekte haben und diese auch dafür zu kritisieren sind. Die Kritik sollte meiner Ansicht nach nicht an den Kirchen enden sondern richtet sich auch an die Religionen selbst.



          "Mir selber würde es nicht einfallen einen z.B. Zeugen Jehovas auf den Weg der Tugend zu bringen, meiner Tugend. Wozu? Wenn er oder sie da glücklich sind dann lasst sie doch. Und wenn sie nicht glücklich sind, dann haben sie die Freiheit auszutreten."



          Gerade Zeugen Jehovas haben repressive Strukturen, mit denen sie ihre Mitglieder "bei Stange halten". Bspw. werden Kinder da hinein gezogen. So einfach ist das nicht, würde ich meinen.

          • @Uranus:

            Ihr Beispiel mit den Kindern ist heftig, aber leider haben sie da Recht. Wie sollen wir mit Schutzbefohlenen umgehen? Wo ist die Grenze bei der die individuelle Gestaltungfreiheit aufhört? Als relativ normaler Vater, meine Selbsteinschätzung, habe ich einen Pool von Maßnahmen gehabt für die Erziehung meiner Kinder. Waren nicht alle so toll, aber es waren auch viele gute dabei und so wurden aus meinen Kindern Erwachsene die ganz ok sind, die ich liebe und auf die ich stolz bin. Wenn ich aber zu viel Mist in der Erziehung gebaut hätte, dann wäre das Jugendamt eingeschritten und hätte was unternommen. Aber auch die sind mehr darauf konditioniert auf physischer Gewalt und Vernachlässigung zu achten. Psychische Gewalt, wie sie in so einer Sekte praktiziert wird, ist sehr schwer zu erkennen und quantitativ zu erfassen. Ja, da würde ich jetzt gerne etwas Gescheites schreiben wie sich solche Szenarien im guten lösen ließen, doch mir fällt nichts ein.

            • @chinamen:

              An sich sind Zeug*innen Jehovas ein krasses Beispiel, da sie sehr über Gemeinschaftsdruck, Auserwählt*innengedanken und Hölle als Drohkulisse arbeiten. Auch für Erwachsene kann es problematisch werden. Die TAZ berichtete darüber auch, bspw. hier:



              taz.de/Ehemaliges-...nmitglied/!5729297



              und hier bezüglich Homofeindlichkeit bei Evangelikalen:



              taz.de/Seminare-zu...Umpolung/!5164518/



              Aber auch in anderen Religion/sgruppen kann es schwierig werden, wenn Frauen sich für selbstbestimmtes Leben einsetzen wie bspw. hier berichtet:



              taz.de/Bedrohte-Au...derlanden/!5765575



              Eine wirkliche Lösung fällt mir da spontan auch nicht ein, finde es allerdings wichtig Religionen und ihren Institutionen kritisch entgegenzutreten und würde mir wünschen, wenn mehr Menschen u.a. aus oben genannten gründen dies auch tun würden und Religionen keine dominante Stellung zugestehen. Die Gesellschaft sollte sekulärer werden.

    • @chinamen:

      "Das ist was die Linken ablehnen und wo sie fremdeln. Nicht die Religion. Die erlaubt nach meinem Verständnis durchaus kritisches Denken und vermittelt darüber hinaus Werte wie Mitgefühl, Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit."

      Ja, das ist ein Teil der seit Jahrhunderten erzählten Mär: Werte wie "Mitgefühl, Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit" sind keine spez. Werte oder Errungenschaften des Christentums ... es handelt sich um "humanistische" Werte, lange etabliert VOR dem Christentum. Die Behauptung, dass es sich um "christliche" Werte handeln würde, ist eine der großen Lebenslügen unserer Gesellschaft.

      • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

        Meine Güte, wenn ich hier so lese was sie in ihren verschiedenen Kommentaren loslassen, dann kommen sie mir wie so ein Inquisitor vor. Also sie hätten das Zeug und die Leidenschaft dazu.



        Und natürlich weiß ich, dass humanistische Werte schon vor dem Christentum existierten und von vielen anderen Religionen und Philosophien vertreten werden. Aber das ist ja auch nebensächlich von wo aus sie diese erfahren. Hauptsache sie erfahren sie überhaupt. Wenn es durch die Religion ist, ok. Wenn es durch das Studium von Aristoteles ist, auch ok. Oder von den Eltern, der Lehrerin, den Freunden ...



        Und es gibt keinen Grund einer dieser möglichen Quellen für Ethik die Daseinsberichtigung abzusprechen.

  • Ach du heiliger Strohsack. - 🥳 -



    Booey un - Tonn hillich Sündach - 😈 -

    Ist’s für‘s Sommerloch nich doch a weng befremdlich früh¿! - 😱 -



    Oder wie befand es schon mein Urgroßvater in freigeistiger Tradition:



    “Wenn sich ein Pfaffe in Rom ein paar Quadratkilometer Land unter den Nagel gerissen hat - das Vatikanstaat & sich Papst nennt! So what! Aber.



    Was geht uns das an?!“



    & Ratze fummel - hinoder her:



    Der Glaube is für die Kirche reserviert!



    Und gut is & Is doch echt nicht schwer •

    kurz - Gedanken sind zollfrei, aber man hat doch Scherereien.

    Karl Kraus



    (1874 - 1936), österreichischer Schriftsteller, Publizist, Satiriker, Lyriker, Aphoristiker und Dramatiker



    Quelle: Kraus, Sprüche und Widersprüche, 1909 - Danke -

    • @Lowandorder:

      Wohl gesprochen.

      Und: Wo ein Kraus geht, gehen zwei noch besser:

      "Schreiet Mordio, so ist ein Mord begangen, murmelt Abracadabra, so ist es Religion, schreibet Auspuffleitungen von Dynamos, und es ist Wissenschaft."

      Ist man links, so arbeitet man doch mit Aufklärung, Untersuchung, Analyse.

      Also dem genauen Gegenteil von dem, was Religion tut.

      Wie kann man da links sein?

  • Der Artikel ist gut geschrieben!

    Ich bin selbst in einem atheistischen Umfeld von Elternhaus und Schule aufgewachsen und habe später immer wieder versucht Zugang zum Glauben und zur Religiosität zu finden.



    In der historischen Betrachtung wurde mir klar, wie Religionen entstanden sind und wie sie zu einem Ort der Seelsorge des Einzelnen und zu einem Herrschaftsinstrument zur Machtstabilisierung und Unterdrückung wurden. Religionen haben einen unverzichtbaren Wert in der Menschheitsgeschichte.

    In den letzten 600 Jahren haben die Menschen die Narrative der Kirche wissenschaftlich hinterfragt. Heute erleben wir in einigen Teilen der Welt, auch in Deutschland, eine Abwesenheit von Religion. Was mir heute fehlt ist die Seelsorge. Über die Rituale der Religion fehlt vielen Menschen der Zugang zur Seelsorge, das gemeinsame Singen, Beten, Beichten, Trost und Segen spenden. Die Kneipe, die Fussballarena und Streaming können das nicht ersetzen. Viele Menschen sind allein auf sich zurückgeworfen, ausgesetzt den Zumutungen der Moderne. Nur für die schwersten Fälle gibt es einen freien Psychologen oder Psychiater.



    Viele Menschen suchen individuell Trost in aus Versatzstücken zusammengebastelten Weltanschauungen und viele verstricken sich ohne Anleitung darin und bleiben "verwirrt" zurück.



    Viele "Angebote" der Kirche sind nicht sehr einladend und zeitgemäß, ich frage mich was sich ändern müßte, damit ich mich freiwillig und mit Freude immer sonntags mit meinem Mitmenschen in einem Kirchenraum zusammen finde?

  • Gegenrede (aufgrund des Format = Leserbrief holzschnittartig):



    Dank der taz, dass sie nicht wie viele andere Medien sich ankuschelt und den Strippenziehern aus Kirche & Religion Raum gibt. Links-liberales Denken steht in der Tradition der Aufklärung (Kant: "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit"). Aufklärung verfolgt im Grunde das Ziel, Ungleichheiten der Lebens- und Entwicklungschancen der Menschen (zumindest telweise) auszugleichen. Deswegen sind "der Linken" auch keineswegs zentrale "Gewissheiten" verloren gegangen, "Links" sein heisst letztlich immer, die Forderung zu erheben, dass der Teil der Bevölkerung, der nicht in königlichen Betten oder in den Kinderstuben des gehobenen Bürgertums qua Lotterie des Leben das Licht der Welt erblickt hat, Teilhabe und Lebenchancen zuerkannt bekommt. Und zwar als Rechtsanspruch, nicht als Akt der (kirchlichen) Barmherzigkeit.



    Religion steht in diametralem Gegensatz zu den Werten der Aufklärung. Religion fodert im Grunde, das "Denken", die "Vernunft" etc. auszuschalten: Bitte nicht denken und hinterfragen, sondern glauben und unterwerfen lautet der Leitsatz. Richtig ist, dass es inzw ein buntes Angebot an Formen säkularisierter Religiosität gibt. Macht diese "Triebe" nicht weniger auti-aufklärerisch und anti-szientistisch. Ad Resilienzforschung: Religiosität ode Spiritualität hat keinen gesundheitsfördernden Effekt, das wird gerne geschrieben, ist aber Quatsch. Richtig ist, dass gerade in der Pychoszene mit dem Bedürfnis nach Spiritualität /Religion nen Haufen Geld gemacht wird und quasi postmoderne Geistliche / Gurus entstehen (sogar von den Kassen mitfinanziert). Angesichts des Gesamtschadens, den Religion in den letzten Jahrhunderten angerichtet hat und weiterhin tagtäglich anrichtet, kann dem Autor nur entgegenhalten: Kein Respekt gegenüber den Vertretern der Religionen oder mit Schmidt-Salomon: "Keine Macht den Doofen!" (mehr Aufklärung unter www.giordano-bruno-stiftung.de)

    • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

      Ich leiste mir mal eine Gegenrede zur Ihrer Gegenrede (Nehmen Sie das bitte als Ausdruck meines Respektes gegenüber Ihrer Position!):

      Auch die monotheistischen Religionen verfolgen im Grunde das Ziel, Ungleichheiten der Lebens- und Entwicklungschancen der Menschen zumindest teilweise auszugleichen.



      Natürlich gibt es Phasen und Personen, wo dieses Ziel etwas aus dem Blick kam – moderat formuliert.

      Das gleiche Problem haben aber beispielsweise Linke auch. (Stichwort „Väterchen Stalin“)

      Christsein heißt letztlich immer, das Ziel zu verfolgen, dass der Teil der Bevölkerung, der nicht in königlichen Betten oder in großbürgerlichen Kinderstuben geboren ist, Teilhabe und Lebenschancen zuerkannt bekommt.

      Das ist keine kirchliche Barmherzigkeit, sondern entspringt der Vorstellung, dass der Mensch nach Gottes Ebenbild geschaffen ist. Muslime haben die Vorstellung des göttlichen Ebenbildes in dieser Form nicht, aber die Gleichheit des Menschen vor Gott trotzdem mit drin.

      Gerade das Christentum ist eigentlich eine sozialrevolutionäre Religion. Reiche im Himmelreich und Kamele durch Nadelöhre, Sie wissen schon.



      Die Aufklärung ist ohne christlich-jüdischen Hintergrund nicht denkbar. Deshalb ist sie ja eine singulare Entwicklung gewesen.

      Im Christentum müssen Sie sich nicht unterwerfen. Glauben ist nicht als hundertprozentige Überzeugung gemeint.



      Juden haben nach dem Selbstverständnis einen Bund mit Gott. Wenn Sie Lust haben, mal nachzulesen, wie wenig Unterwerfung im Judentum so drin ist, lesen Sie mal die Stelle nach, wo Abraham mit Gott über die Zerstörung von Sodom und Gomorrha diskutiert.

      Sie schreiben selbst von einem Bedürfnis nach Spiritualität/ Religion.



      Rationalismus/ Vernunft kann also auch nach Ihrem Verständnis nicht alle menschlichen Bedürfnisse abdecken.

      Angesichts des Gesamtschadens, den der Säkularismus allein im 20. Jahrhundert angerichtet hat, - denken Sie nur an Mao, Stalin oder Hitler – ist die Bilanz des Säkularismus nicht rosig.

    • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

      Danke für Ihre allumfassende Gegenrede, habe nichts hinzuzufügen! Zur Komplettierung noch der Arbeitgeber des Autoren, der einen Rest-BIAS vermuten lässt, die Gehaltsklasse hängt ja nicht unwesentlich von der Anzahl der Schäfchen ab, die sich rasend verabsentieren (andererseits, wer ist bei dem Thema schon nicht "gebiased?" Und die esoterischen oder fetischartigen Alternativen sind ja auch nicht wirklich toller als die old school Vereine):

      "Matthias Nauerth lehrt und forscht an der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie in Hamburg".

      • @rosengrob:

        anschließe mich & “Wess Brot ich ess -



        Dess Lied ich sing!“

        unterm——- erheiternd —- 🐈‍⬛ —



        Liggers. Hei kann Kattenshiit in Düstern rüüken!;))

        Na Mahlzeit