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Kretschmer in MoskauEine naive Reise

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) fliegt nach Moskau – und sucht Dialog. Eine Verhöhnung russischer Oppositioneller.

Michael Kretschmer (CDU) legt am Grab des unbekannten Soldaten in Moskau einen Kranz nieder Foto: Pawel Sosnowski/Sächsische Staatskanzlei/dpa

Es klingt nach einem schlechten Film: Am Mittwochabend landete Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer in Moskau. Sein Besuch steht im Zeichen der Kultur: Kretschmer soll die gemeinsame Ausstellung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und der Tretjakow-Galerie, „Träume von Freiheit“, eröffnen.

Wüssten die russischen De­mons­tran­t:in­nen, die gleichzeitig in Moskau und anderen russischen Städten auf den Straßen waren, davon, sie würden sich wohl verhöhnt vorkommen. Von Freiheit träumen sie nämlich tatsächlich. Nicht nur für sich und ihr Land, sondern aktuell besonders für Alexei Nawalny, den inhaftierten Kremlkritiker, dem sie ihre Solidarität ausdrückten.

Nawalny schwebt seit Tagen in Lebensgefahr, ihm drohe Nierenversagen und Herzstillstand, heißt es, nachdem er vor über zwei Wochen in den Hungerstreik getreten war. Über Instagram lässt Nawalny Nachrichten an seine An­hän­ge­r:in­nen überbringen und bezeichnet sich dort selbst als „schwankendes Skelett in der Zelle“.

Am Tag von Kretschmers Ankunft hielt Präsident Putin dann auch noch seine alljährliche Rede zur Lage der Nation. Erwartungsgemäß kein Wort über Nawalny, kein Wort über den Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine.

Als würden Putin Worte beeindrucken

Dass ein Ministerpräsident einer Regierungspartei zu Pandemiezeiten unter diesen Bedingungen nach Russland aufbricht, grenzt an Lächerlichkeit. Für einen Besuch gebe es wohl keinen schlechteren Zeitpunkt als diesen. Besonders in schwierigen Zeiten müsse man im Dialog bleiben, sagt Kretschmer aber. Dabei wird wohl mit keinem anderen Land so viel Dialog geführt wie mit Russland.

Mit Putin will Kretschmer während seines Besuchs übrigens auch sprechen – am Telefon jedenfalls. Selbst wenn er die Lage an der ukrainischen Grenze und Nawalnys Gesundheitszustand ansprechen wird, wem ist damit geholfen? Ukrainischen Soldaten? Dem sterbenden Nawalny?

Man muss schon sehr naiv sein, um zu glauben, Putin würden Worte beeindrucken.

Aber Kretschmer legt noch einen drauf: Sollte die europäische Arzneimittelbehörde den Impfstoff Sputnik V zulassen, werde Deutschland 30 Millionen Impfdosen kaufen, kündigte er an. Cleverer Schachzug, Herr Ministerpräsident. In seiner ostdeutschen Heimat hört man das bestimmt gern.

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10 Kommentare

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  • Herr Kretschmer denkt vor allen an die Wirtschaft in Sachsen. Wenigstens einer mit Verstand.

  • Wie wäre es denn mal mit belegbaren Aussagen, anstatt Propaganda wie dieser:

    "Dabei wird wohl mit keinem anderen Land so viel Dialog geführt wie mit Russland."

    So ein Schwachsinn.

    • @Hans Schnakenhals:

      Und das hier ist dann wohl ihre "belegbare Aussage":

      "So ein Schwachsinn."

    • 9G
      97287 (Profil gelöscht)
      @Hans Schnakenhals:

      Boykott, ist doch auch eine Art von Dialog. Bitte um Lieferung von Tomaten- Nein,Nein,Nein oder Heizkörper- Nein- Nein- Nein. Ist doch Dialog.

  • Naiv?

    Nennen wir's "Pfeiffer".

  • Der letzte Satz ist entscheidend.



    Wahlkampf.



    Die Zuneigung der AfD für Putin mit allen Mitteln nach Möglichkeit umleiten.



    Herr Haseloff genau dasselbe.



    Wie war das .."Es geht nicht um persönliche Sympathie, Vertrauen oder Charaktereigenschaften. ..

    • @Ringelnatz1:

      der AfD Stimmen abzujagen ist kein Argument? Gerade wenn es ohne wirkliche Konsequenzen ist, wie ein Russlandbesuch? Ein Putin interessiert es nicht ob ein dt Provinzpolitiker kommt oder ob er nicht kommt...



      Nawalny hat auch weder vom einen noch vom anderen etwas...



      Wäre es Merkel gewesen, sähe es anders aus, aber Kretschmer...

      • @nutzer:

        Doch, es ist ein Argument!

        Nur, Kretschmer, Haseloff sind in meiner subjektiven Betrachtung(was immer das ist) öh, austauschbar bietet sich an!

        • @Ringelnatz1:

          In Ihrer Aufzählung der Putin-Sympathisanten (AfD, Kretschmer, Haseloff) fehlt die Linkspartei, die meines Wissens immer noch in „unverbrüchlicher Treue“ zu Russland und Putin hält (oder hat sich da was geändert?).



          In dem zweifellos linken Blatt „Neues Deutschland“ wird Rico Gebhardt, Fraktionschef der sächsischen Linken, „den sonst wenig mit Kretschmer verbindet“, mit den Worten zitiert: »Egal, was man von Putins Politik oder von der Person Nawalny hält: Man muss miteinander reden«, sagte er. Dialog garantiere keine Verständigung, »aber ohne Dialog scheitert sie auf jeden Fall« www.neues-deutschl...el.html?sstr=putin



          Mich verbindet wenig mit Rico Gebhardt, aber mit dieser Position hat er zweifellos recht!