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Hamburgs neokoloniales Buschholz-ProjektGeschäfte nach dem Völkermord

Hamburg will seine Klimabilanz mit Buschholz aus Namibia aufhübschen. Es wächst dort, wo Herero lebten – bis die Deutschen sie fast vernichtet haben.

Vernichtung: Denkmal für die Opfer des Völkermords in Windhuk Foto: Jürgen Bätz/dpa

Es ist nicht irgendwo in Afrika, wo Hamburg künftig Buschholz ernten lassen möchte, um seine Klimabilanz aufzuhübschen. Es ist ein Ort deutscher Schuld.

Es geht vor allem um das Stammland der Herero zwischen Namibias Hauptstadt Windhuk und Waterberg. Ein beklemmender Ort. Am Fuße des mächtigen Hochplateaus liegt ein deutscher Soldatenfriedhof. Für fast jeden der 1904 in der Schlacht am Waterberg gefallenen Soldaten steht dort ein wohl gepflegter Grabstein – sofern sie deutsch waren.

26 Mann der deutschen Kolonialarmee hatten in der entscheidenden Schlacht gegen die aufständischen Herero den Tod gefunden, den „Heldentod“, wie es auf einer verschnörkelten Erinnerungstafel mit Krone und Eichenlaub heißt.

An die Gegner der Deutschen erinnert eine schlichte Platte, 1984 von der „Kameradschaft Deutscher Soldaten“ angebracht. Darauf steht: „Dem Andenken der in der Schlacht am Waterberg gefallenen Hererokrieger.“ Wie viele es waren, ist nicht überliefert.

Erst Schießbefehl, dann Vernichtung durch Arbeit

Die Niederlage auf dem Schlachtfeld war nur der Auftakt zur Katastrophe für das Herero-Volk: Die deutsche „Schutztruppe“ jagte Männer, Frauen, Kinder, Alte und ihr Vieh, in die weitgehend wasserlose Omaheke-Wüste. Sie vertrieben Zivilisten von den wenigen Wasserlöchern. Tausende verdursteten.

Generalleutnant Lothar von Trotha als Oberbefehlshaber der Schutztruppe hatte verfügt: „Innerhalb der deutschen Grenzen wird jeder Herero mit und ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber oder Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auf sie schießen.“ Ein Völkermordbefehl.

Wer 1905 noch am Leben war, wurde in Konzentrationslager verfrachtet, gemeinsam mit Angehörigen des ebenfalls aufständischen Volks der Nama. Das Prinzip der „Vernichtung durch Arbeit“ haben deutsche Amtsträger dort erstmals angewendet. Tausende starben an Zwangsarbeit, Hunger und Kälte – bis Kaiser Wilhelm II. die Herero anlässlich seines Geburtstags 1908 „begnadigte“.

Vor dem Krieg lebten auf dem Gebiet des heutigen Namibia etwa 80.000 Herero. Vier Jahre später zählte die deutsche Kolonialverwaltung noch 16.363. Damit waren 80 Prozent der einstigen Herero-Bevölkerung getötet oder aus dem Kolonialgebiet vertrieben worden.

Heute leben rund 100.000 Herero in Namibia. „Herero und Nama sind heute total verarmt, häufig landlos“, sagte der Berliner Herero-Aktivist Israel Kaunatjike 2017 im taz Salon in Hamburg. „Viele sind ins Ausland vertrieben worden. Wir brauchen auch finanzielle Mittel, um sie zurückzuholen.“

Forderung nach Reparationen

Ein Weg dahin könnten Reparationen für die deutschen Kriegsverbrechen sein. Ein New Yorker Gericht wies 2019 eine Klage von Auslands-Herero gegen Deutschland ab, mit Verweis auf die „Staatenimmunität“. Die Klä­ge­r:in­nen wollen in Berufung gehen.

Deutschland steht mit der namibischen Regierung seit Jahren in Verhandlungen über eine förmliche Bitte um Entschuldigung – und über Kompensationszahlungen, die die deutsche Seite auf keinen Fall „Reparationen“ nennen will.

Viele Herero wären mit einer Einigung auf Regierungsebene nicht einverstanden: Sie verlangen, dass ihr Volk für das erlittene Unrecht entschädigt wird. Sie fürchten, dass bei ihnen wenig ankäme, wenn Deutschland an die Regierung in Windhuk zahlte. „Gespräche ohne uns sind gegen uns“, sagt Kaunatjike. „Die Regierung soll nur als Mediator auftreten.“

Die meisten Herero verdingen sich heute als Arbeiter auf den großen Farmen, die fast immer Weißen gehören, nicht selten deutschstämmigen. Gut möglich, dass Herero irgendwann auf Restitution des ihnen geraubten Lands klagen. Dann könnten sie bei der Verwendung des dort wachsenden Buschholzes ein gewichtiges Wort mitzureden haben.

Eine Lage, in der vom Land der Völkermörder höchste Sensibilität gefordert wäre. Was die deutsche Entwicklungsagentur Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) schreibt, klingt nicht danach, eher nach aggressiver Rohstoffpolitik entlang kolonialer Verbindungen: „300 Mio Tonnen sind derzeit verfügbar. Bei 9 Mio Tonnen jährlicher Nutzung entspräche dies einer Verfügbarkeit von 33 Jahren“, heißt es in einer Projektskizze der deutschen Entwicklungsagentur. Und weiter: „Da auch weitere, internationale Interessenten Zugriff auf die Namibianische Ressource anmelden werden, gilt es, das Momentum zu nutzen und über langfristige Verträge Liefersicherheiten zu erzielen.“

Vielleicht wäre es ein Anfang, mal das richtige Adjektiv zu lernen zu diesem Land da unten in Südwest.

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16 Kommentare

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  • Leider ist der Artikel oberflächlich recherchiert und berührt nur am Rande den Ursprung der Anfrage aus Namibia an Hamburg, nämlich die dortige Verbuschung der ursprünglichen Savannenlandschaft.



    Die konkrete Anfrage aus Namibia damit in den Bereich des Kolonialismus zu rücken ist irreführend.



    Im Gegenteil:



    Viele Namibische Umweltorganisationen und auch soziale Akteure unterstützen die Anfrage an Hamburg und weisen ausdrücklich auf die Bedrohung des Namibischen Ökosystems durch das sog. „bush-encroachment“ hin. Diese Namibischen NGO haben ausdrücklich den Dialog mit deutschen NGO angeboten, um das Verständnis für die Situation in Namibia zu schaffen. Siehe dazu: namibianaturefound...anaturefoundation/

    Ergänzend dazu ein Statement der PG Namibia des Netzwerks für weltweite Gerechtigkeit hamburg.global:



    hamburg.global/org...rgebnis-april-2021

  • Endlich mal wieder etwas zum Thema. Im Studium bei uns hat dazu in Ethnologie nur ein Dozent überhaupt etwas sagen können, dies aber engagiert. Seitdem hat mich dieser Komplex nie wieder losgelassen.

    Nur wird in dem Text dann doch nicht klar, wie mit dem Importholz nun die Klimabilanz aufgehübscht wird. Das fehlt leider am Ende.

  • Zur Geschichte ergänz ich mal soviel.

    Da ich beim PzGrenBtl 182 in Bad Segeberg - vereidigt mit “FlammeEmpor auf dem Winnetou-Gelände - in der Lettow-Vorbeck-Kaserne beim Bund war



    Sei dieser Völkermörder* & Freikorpsler - gerade zu Hamburg - nicht unerwähnt bleiben.



    “ In Hamburg begannen am 23. Juni 1919 Aufstände wegen verdorbener Lebensmittel (die sogenannten Sülzeunruhen). Vier Tage nach Ende der Unruhen marschierte Lettow-Vorbeck mit dem „Korps Lettow“ (Stärke ca. 10.000 Soldaten) am 1. Juli 1919 in die Stadt ein, obwohl sich die Lage bereits wieder deutlich beruhigt hatte. Der Einsatz der Reichswehr unter Lettow-Vorbeck konnte zwar letztlich die Ausschreitungen beenden und die sich bekämpfenden Hamburger Bürger entwaffnen; durch das rigorose Vorgehen des Korps stieg die Zahl der Toten von 15 auf 80.…“



    de.wikipedia.org/w...von_Lettow-Vorbeck



    & Däh - * - servíce -



    www.deutschlandfun...:article_id=282109

  • Wenn Namibia seinen Energiebedarf auch für die Zukunft zu 100% klimaneutral decken und darüber hinaus nachwachsendes Holz exportieren kann, dann herzlichen Glückwunsch! Die Wahrheit wird aber vermutlich ganz anders aussehen ...

    • @Christ:

      Namibia kann seinen kompletten Energiebedarf mehrfach über Buschholz decken, und das sogar nachhaltig. Da ist auch der Ansatz des Projekts.



      Dabei wird die Verbuschung bekämpft die zu Grundwasserabsenkungen führt sowie erhalten die Wildtiere (zugegeben auch die Farmen für die Fleischprduktion) ihre natürlichen Steppenlandschaften also den Jagdraum zurück.



      Die Wahrheit die Sie einfordern ist eher eine mehrfache win-win-Situation die leider untergeht in der Diskussion.

  • Die Nachfragen an potentielle Abnehmer kamen aus Namibia (siehe im Artikel verlinkten taz-Artikel).







    Was wollen die Kritiker? Kauft nicht von Namibia? Einen Boykott Namibias?



    Kopfschüttel!

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Der Skandal ist hier nicht die koloniale Vergangenheit, sondern die Vernichtung eines Lebensraumes damit sich Hamburg Grün waschen kann.



    Sorry, dann lieber Atomkraft. Wenn man seinen Luxus weiter leben möchte, dann muss man die Konsequenzen daraus selbst tragen. Oder holzt die Bäume in der Hamburger Stadt ab. Ihr seid doch echt bekloppt, so etwas in Erwägung zu ziehen.

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Es geht beim Projekt um das Erhalten und Renaturieren von Lebensräumen. Bevor Sie so was schreiben empfehle ich eine Recherche.



      www.giz.de/de/weltweit/28648.html

      • @Tom Farmer:

        Die verlinkte Seite spricht hauptsächlich über die Verbuschung von Weideland, also geht es selbst da überwiegend um die wirtschaftliche Seite.



        Es wird zwar auch erwähnt, die Verbuschung würde Gundwasserneubildung verhindern, mir ist aber nicht klar, wieso das Grundwasser neuerdings auf die Hilfe des Menschen angewisen sein sollte. Die Begründung scheint mir doch sehr dünn.



        Wieso wird hier die "Wiederherstellung von Weideflächen" als Renaturierung verkauft?

        Entweder die Büsche sind "unnatürlich". Was hat sie dann bisher in Schach gehalten?



        Oder nicht, dann sollte man sie besser lassen wie sie sind.



        Anderswo wird übrigens aufgeforstet, um Dürren zu vermeiden:



        www.vaticannews.va...n-klimawandel.html

        • @Stefand:

          In einer Steppenlandschaft, und das war Namibia in der betreffenden Region die letzten tausende Jahre, wurzeln die Gräser relativ flach.



          Durch den menschlichen Eingriff, wie Zäune bauen, Überweidung, aber auch eingeschleppte Akazienarten wurde diese Steppenlandschaft durch eine unnatürliche Buschlandschaft abgelöst. Die tiefwurzelnden Büsche senken das Grundwasser ab, und das Gras kann so tief nicht mehr wurzeln und Wasser ziehen.



          Ziel ist nun eine Renaturierung: Büsche weg, inkl. Wurzel, Graslandschaft wieder ausbreiten lassen, Viehbestände besser kontrollileren und nebenbei für Geparden und ander Wildtiere usw, wieder frei Sichte und Wanderungen.



          Ja, das braucht in der verfahrenen Situation menschliche Hilfe.

  • Wo ist denn nun die aggressive Rohstoffpolitik?

    Weil man die Verfügbarkeit kalkuliert und an langfristige Verträgen interessiert ist?

    Wie Hamburg das Holz nutzen will - ob man das nun gut findet, sei dahingestellt - , ist es nur mit der Sicherheit einer längerfristigen Vertragsbindung sinnvoll.

  • Vorübung für den Holocaust. Immer wieder schrecklich zu lesen. Wenigstens Reparationsleistungen wären angebracht. Erster Schritt für ein besseres Afrika, die Weißen gleichen mal ihre Verbrechen aus. Und wäre es nur ein Viertel des realen Schadens.

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    "Die meisten Herero verdingen sich heute als Arbeiter auf den großen Farmen, die fast immer Weißen gehören, nicht selten deutschstämmigen."

    Lt. der namibischen Regierung sind in Namibia ca. 50% der Farmen in Hände von Weißen. Das ist nicht "fast immer"!

    Interessante Infos hierzu z.B. bei der Deutschen Welle:

    www.deutschlandfun...m:article_id=97210

    • 9G
      96177 (Profil gelöscht)
      @02854 (Profil gelöscht):

      In Südafrika besitzen die Weißen zwei Drittel, in Namibia die Hälfte und in Simbabwe ein Drittel der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche. Sie machen aber nur zwischen 13 und 1 Prozent der Bevölkerung aus.



      www.deutschlandfun...m:article_id=97210

      • @96177 (Profil gelöscht):

        der Artikel ist 20 Jahre alt mitlerweile gibt es fast keine weißen Farmer mehr(Simbabwe) aber halt auch nicht mehr genug Lebensmittel so das die die damals Enteignet haben jetzt nach Südafrika flüchten....

      • 0G
        02854 (Profil gelöscht)
        @96177 (Profil gelöscht):

        Ja, das ist schon viel.

        Ich beziehe mich aber auf die unkorrekte journalistische Arbeit die mit "fast immer" wohl ehr 90% suggestieren möchte.

        Was einfach nicht stimmt. Nicht für den besprochenen Staat Namibia.