Bürgerräte in Deutschland: Retten sie die Demokratie?
160 ausgeloste Bürger:innen diskutieren über Deutschlands Rolle in der Welt. Ein Experiment zwischen hitzigen Debatten und Einigungsversuchen.
D er Briefumschlag sieht aus wie Werbung, die Postkarte darin erweckt den Eindruck einer Unterschriftensammlung. Die Freiburger Politikstudentin Charlotte Felthöfer ist unsicher. Von der Organisation, die das Schreiben verschickt hat, hat sie noch nie etwas gehört.
Doch im Umschlag findet sie auch eine Einladung mit der Unterschrift von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Felthöfer recherchiert, ist begeistert und meldet sich bereits am nächsten Tag zu der in der Einladung genannten Bürgerversammlung an. Denn „die Demokratie braucht eine Ergänzung“, davon ist sie überzeugt.
Der Schülerin Maya Loewe, 17 Jahre alt, geht es ähnlich. Nach einigem Überlegen nimmt auch sie die Einladung zu der Versammlung an. „Die Politik hört teilweise nicht auf die Leute“, sagt sie, und hofft, dass eine solche Zusammenkunft stärker auf die Ansichten der Bevölkerung aufmerksam macht.
Felthöfer und Loewe gehören zu den rund 160 Bürger:innen, die Ende 2020 aus den Einwohnermelderegistern der Bundesrepublik ausgelost wurden, um in mehreren Sitzungen vom 13. Januar bis zum 20. Februar über „Deutschlands Rolle in der Welt“ zu debattieren – und um am Ende eine Empfehlung dazu an den Bundestag zu formulieren.
An diesem Wochenende kommt der Bürgerrat zu seinem Abschlusstreffen zusammen und beendet damit ein erstaunliches Experiment zur Renovierung der parlamentarischen Demokratie. Ein Experiment, das an die Wurzeln der Demokratie in der griechischen Antike erinnert. Vor über 2.000 Jahren kamen die freien, männlichen Bürger Athens regelmäßig auf einem großen Platz – der Agora – zusammen, um über anstehende politische Entscheidungen zu debattieren und abzustimmen.
Jetzt hat auch der Bundestag zu einer kleinen Volksversammlung zusammengerufen. Denn viele Abgeordnete merken gerade, wie stark der Boden unter ihren Füßen in Bewegung geraten ist: durch den Aufstieg des Rechtspopulismus, den Sturm auf das Kapitol in Washington und andere Krisensymptome, die die parlamentarische Demokratie nicht mehr so gefestigt aussehen lassen, wie sie noch vor einigen Jahren wirkte.
Vielleicht kann so ein Bürgerrat ja dazu beitragen, das wacklige Fundament wieder zu stabilisieren?
Die Teilnehmer:innen des Bürgerrats begegnen sich während der zahlreichen Sitzungen nicht persönlich, sondern in riesigen Onlinekonferenzen mit über 200 Menschen, darunter etliche Techniker:innen und drei Moderator:innen. Bürgerrät:innen sitzen zu Hause, der Computerbildschirm ist in viele Fensterchen unterteilt, in denen man die Diskutierenden im Kleinstformat sieht. Dennoch transportieren die Ausschnitte individuelle Eindrücke.
Mit großer Nerdbrille, fetten Kopfhörern und Kinnbart sitzt da ein Youngster vor seinem zerwühlten Bett. Eine andere Bürgerrätin präsentiert sich vor einer Wand mit Fahrradersatzteilen. Alpenkulissen, Ölgemälde und Bücherregale liefern weiter Hinweise darauf, wie die Menschen leben – oder wahrgenommen werden möchten.
Gesteuert werden die Sitzungen vom Alexanderplatz in Berlin aus. Hier, am Tresen des Clubs ASeven, holten sich die Gäste vor Corona ihr Bier. Nun sind die Barhocker zusammengeschoben, die Tische in den Ecken gestapelt, um Platz zu machen für ein Studio mit Kameras, Beleuchtung und Übertragungstechnik. Die drei Moderator:innen begrüßen die Teilnehmer:innen, leiten die Diskussionen und holen Expert:innen von außen dazu, die den Bürgerrat mit Fachinformationen versorgen sollen.
Um die Studiobühne herum sitzt ein Dutzend Techniker:innen vor Bildschirmen und Mischpulten, um die aufwendige Konferenzsoftware am Laufen zu halten.
Ein Megathema ist das, Deutschlands Rolle in der Welt. Es in den Griff zu bekommen setzt Kenntnisse der Geschichte seit dem Mittelalter und der politischen Weltordnung nach dem Zweiten Weltkrieg voraus. Der britische Historiker Timothy Garton Ash ist an einem Samstag Mitte Januar dazu eingeladen, die Basis zu legen. Ein entscheidender Punkt seiner Analyse: Deutschland sei die „Zentralmacht Europas“, was bei den Nachbarn eine „Furcht vor Dominanz“ auslöse.
„Deutschland ist stärker als alle anderen, aber nicht stark genug“, um Hegemonie auszuüben, sagt Garton Ash. Er empfiehlt der Bundesrepublik eine Rolle als „Mittelfeldspieler Europas“. Das Land solle Regisseur, Koordinator, aber nicht Stürmer sein. Es solle sich verhalten wie Bastian Schweinsteiger auf dem Fußballplatz. Dieser Rat ist auch deshalb wertvoll, weil er Binnen- und Außensicht kombiniert.
Doch er passt nicht so recht zu den Vorstellungen, mit denen manche Bürgerrät:innen in die Diskussion gehen. Anfangs wünscht sich Maya Loewe, dass Deutschland als Vorbild handele, etwa in der Klima-, Umwelt- und Flüchtlingspolitik. Auch Charlotte Felthöfer plädiert für eine Vorbildfunktion: „Indem wir außenpolitisch mehr Verantwortung für die Klimagerechtigkeit übernehmen.“
Von allen geteilt wird so ein moralischer Optimismus aber nicht. Als die Teilnehmer:innen die Rolle Deutschlands skizzieren sollen, stellt ein Bürgerrat aus Hessen das Land als Verkäufer dar, der alle möglichen Produkte feilbietet, ein Gesetzbuch unterm Arm trägt und mit erhobenem Zeigefinger droht.
Mehrheitlich allerdings gehen die Mitmachenden in die Richtung, die Garton Ash vorgeschlagen hat. Und am Ende des zweiten Tages sind Rollenzuschreibungen wie „Vermittler“, „Mittelfeldspieler“ und „Partner“ die häufigsten Begriffe – wobei auch die Rolle des Vorreiters einige Unterstützung findet.
Der zeitliche Aufwand des Verfahrens ist enorm. Etwa 50 Stunden nehmen die ehrenamtlichen Berater:innen an den Onlinesitzungen teil – umgerechnet mehr als sechs normale Arbeitstage. In Charlotte Felthöfers Zeitplan passt das eigentlich nicht. Sie steht vor ihrer Masterprüfung, schreibt gerade eine Klausur nach der nächsten.
Auch Maya Loewe hat ohne den Bürgerrat mehr als genug zu tun. Bei ihr kommt bald das Abitur. Trotzdem nehmen sich die beiden Frauen wochenlang mittwochs und samstags Zeit, um an den Plenumsveranstaltungen teilzunehmen.
Zudem machen sie in einem von fünf als „Reisegruppen“ bezeichneten Fachausschüssen mit, die sich noch näher mit „Nachhaltiger Entwicklung“, „Wirtschaft und Handel“, „Europa“, „Frieden und Sicherheit“ sowie „Demokratie und Rechtsstaat“ befassen.
Ausgewählt wurden die Teilnehmer:innen durch eine computergesteuerte „Zufallsstichprobe“ aus Gemeinden in ganz Deutschland. Die Organisator:innen schrieben knapp 4.400 Bürger:innen an, die durch Wohnort, Alter, Geschlecht, Herkunft und Bildungsstand einen einigermaßen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung bilden. Einige Hundert sagten zu – gut 160 nehmen schließlich teil.
Die Rolle Deutschlands in der Welt scheint der Großen Koalition besonders am Herzen zu liegen, weshalb der Ältestenrat den zweiten, bundesweiten Bürgerrat zu diesem Thema beschlossen hat. Die erste Ausgabe, die im Sommer 2019 stattfand, hatte sich noch mit der Frage beschäftigt: Wie kann Demokratie gestärkt werden?
Einige Nachbarländer sind, was die Einbeziehung ihrer Bevölkerung betrifft, schon um einiges weiter. In Irland etwa führte ein solches Verfahren in Kombination mit einem Referendum dazu, dass die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt wurde. In Frankreich gab es vergangenes Jahr einen Bürgerrat zu Klimapolitik.
Die Politaktivistin Claudine Nierth kann zu Recht behaupten, dass es ohne sie vermutlich nicht zu einem Bürgerrat in Deutschland gekommen wäre. Seit über 20 Jahren leitet sie den Verein Mehr Demokratie, der für bundesweite Volksentscheide eintritt und den zweiten Bürgerrat mitorganisiert hat.
Claudine Nierth, Mitorganisatorin des Bürgerrats
Es ist der 13. Januar, der Auftakt. Den ganzen Tag hat Nierth kaum etwas gegessen, im Studio hielt sie gerade die Eröffnungsrede, jetzt sinkt sie mit einer Schale Salat in der Hand auf ein schwarzes Sofa im provisorischen Backstagebereich.
„Die Ergebnisse von Bürgerräten haben keine politische Farbe“, sagt Nierth. „Sie stammen nicht aus einem Lager.“ Wenn per Los ausgewählte Menschen zu einer gemeinsamen Empfehlung kommen, so ihre These, genieße diese Positionierung große Legitimität und komme einer allgemein akzeptablen, vernünftigen Haltung sehr nahe.
Rechtspopulismus, Brexit, autoritäre Regierungen – die parlamentarische Demokratie steht von innen und außen unter Druck. Indem er die Schirmherrschaft über den Bürgerrat übernommen hat, zeigt Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, dass er dem Format für die Erneuerung des parlamentarischen Systems einiges an Bedeutung beimisst.
Nur wenn die Demokratie offen sei für neue Verfahren, „bleibt sie stabil“, sagte Schäuble in einer Pressekonferenz. Bürgerräte seien „das Gegenteil von Populismus“.
Ob sich die Annahme bestätigen lässt?
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Per Laptopkamera kann man zuschauen, wie ein Bürgerrat, ein älterer Herr, mit sich ringt. Erst hängt er auf der linken Lehne seines imposanten Schreibtischstuhls, dann wirft er sich auf die rechte. Man bekommt einen Eindruck davon, welche Arbeit es ihm macht, in der Diskussion seine Position zu verteidigen. „Nein!“, sagt er, „Waffen sind nichts für den Frieden.“ Und zu Deutschlands Rolle in der Welt würden Waffenexporte schon gar nicht passen.
„Aber“, kontert eine resolute Dame aus Remscheid, wenn Deutschland ein Partner sein wolle, müsse es befreundete Länder auch mit Maschinengewehren, Panzern und Raketen versorgen. „Waffen sichern den Frieden.“
Ein klassischer Konflikt, der hierzulande auch unter Politiker:innen schon oft ausgetragen wurde – und eine echte Herausforderung für die Moderatorin der Gruppe. Ihr Job ist es, einen Konsens zu organisieren, damit aus den Debatten der fünf Kleingruppen schließlich eine kohärente Empfehlung entsteht.
Sie schraubt an den Formulierungen: „Könnten wir vielleicht sagen, dass …?“ – „Nein!“ Der ältere Herr will einfach nicht. Er ist gegen Waffenexporte. Und auch die Remscheiderin räumt ihre Position nicht. Die Kontroverse ist unlösbar. Die Moderatorin gibt nach, für dieses Mal.
Mitunter, sagt Charlotte Felthöfer, sei die Debatte anstrengend, weil der ein oder andere ins Schwafeln gerate, und manchmal auch unbefriedigend, denn angesichts der komplizierten außenpolitischen Zusammenhänge fehlten vielen die Basiskenntnisse. Dann diskutiere man länger über Fragen, die Fachleute schneller klären könnten. „Beim nächsten Bürgerrat wäre es besser, in jede Gruppe Expert:innen zu setzen, die bei Bedarf inhaltliche Unklarheiten aufklären“, schlägt sie vor.
Kleine Streite gibt es immer wieder. Es wird viel über Nachhaltigkeit geredet, das finden alle toll. Das ist das gute Deutschland, das anderen Ländern erklärt, wie man es machen muss. Bis jemand die „T-Shirts für 3,50 Euro“ aus Bangladesch und Pakistan anspricht. „Können wir überhaupt von globaler Nachhaltigkeit reden, solange wir solche Produkte hier verkaufen?“
Da ist er wieder, der Widerspruch zwischen unserem Wohlstand und seinen hässlichen Bedingungen. Und er ist auch im Rahmen eines Bürgerrats kaum zu lösen. Denn ein ernsthafter Lösungsansatz würde bedeuten, dass irgendwer bereit sein müsste, Einbußen hinzunehmen. Schwierig. Und doch knallt es nirgendwo richtig.
„Unsere Gruppe ist sich ziemlich einig“, berichtet Maya Loewe aus dem Fachausschuss „Nachhaltige Entwicklung“. „Konflikte haben wir nur in Detailfragen – eigentlich schade.“ Eine harte Gegenposition nach dem Motto „Rutsch mir mit deinem Ökoscheiß den Buckel runter, ich fahr meinen Diesel bis 2060“ fehlt.
Ähnlich sieht es Charlotte Felthöfer. „Ich finde es überraschend, wie nah beieinander die Leute meist sind.“ In ihrer Europagruppe sei man sich weitgehend einig darin, dass die gemeinsame Politik gestärkt werden müsse und die einzelnen Staaten dafür teilweise auf Souveränität verzichten müssten. „Die EU verlassen will niemand“, sagt sie.
Soweit von den Teilnehmer:innen zu hören ist, werden konservativere Haltungen oder nationale Positionen kaum bis gar nicht geäußert. Im Verlauf der Veranstaltung zeichnet sich ab, dass die Empfehlungen des Bürgerrats am Ende tendenziell liberal, sozial, ökologisch und mittig ausfallen.
So plädiert die Gruppe „Frieden und Sicherheit“ etwa für eine kleine Bundeswehr, die eher defensiv und friedenssichernd ist und sich an den Menschenrechten orientiert. „Deutschland sollte sich nicht aus wirtschaftlichen Gründen militärisch engagieren“, heißt es.
Ein gepflegter Umgangston herrscht bei allen Debatten. Man lässt andere ausreden, ist freundlich und kooperativ. Laut und übellaunig wird niemand. Die meisten sind so gebildet, dass sie komplexe Zusammenhänge problemlos erfassen können. Organisatorin Claudine Nierth räumt ein, dass Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen im Bürgerrat überrepräsentiert sind. Je niedriger der Bildungsstand, desto schwerer waren die Ausgelosten zur Teilnahme zu bewegen.
Trotzdem: Wo sind die Nervensägen, die Rechten, die Querdenker:innen?
Ein Grund ihrer Abwesenheit könnte sein, dass sie bei so einem Format gar nicht erst mitmachen. Wer eingeladenen wurde, konnte auch absagen. Teilweise hätte man die Kandidat:innen sogar angerufen, um sie zur Teilnahme zu bewegen, sagt Nierth. Manchen wurde überdies bezahlte Kinderbetreuung in Aussicht gestellt.
Doch vor allem in Ostdeutschland sei es schwierig gewesen, teilnahmewillige Menschen zu finden. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass das Misstrauen gegen den Staat und Formate wie den Bürgerrat im Osten größer ist als im Westen. Susan Riedel aus der Gruppe „Frieden und Sicherheit“ bestätigt das. Sie weiß, wovon sie redet: Die E-Commerce-Beraterin lebt in München, stammt aber aus Görlitz. „Radikale sind beim Bürgerrat nicht dabei, weil sie keinen Bock auf Auseinandersetzung haben“, vermutet sie.
Ein weiterer Grund für den weitgehend harmonischen Verlauf der Debatte könnte die Angst der Teilnehmer:innen sein, auch mal Einschätzungen zu äußern, die rechts klingen könnten, obwohl sie gar nicht so gemeint sind. Dann schweigen einige vermutlich lieber oder schwimmen mit dem Hauptstrom.
Und drittens haben Debatten wie im Bürgerrat ja grundsätzlich eher eine moderierende Wirkung Die sachliche Diskussion unter professioneller Betreuung erzwingt rationale Pro-und-Kontra-Argumente. Man hört einander zu, muss sich mit den Sichtweisen der Gesprächspartner:innen beschäftigen und sieht die Welt wenigstens mal kurz aus einer anderen Perspektive.
Ein Bürgerrat stärkt die politische Mitte, indem er die Ränder aufweicht. Das funktioniert auch deshalb, weil die Gemäßigten in solchen Gruppen in der Mehrheit sind und der einzelne Extremdenker nur wenig Einfluss auf die Positionsbestimmung hat.
Wegen ihrer integrierenden Wirkung kommen Bürgerräte nun, da die Demokratie unter dem Druck der Radikalen steht, als Ergänzung zur konventionellen Entscheidungsfindung ins Spiel. Regelmäßig eingesetzt, könnten sie tatsächlich nicht nur gesellschaftliche Konflikte moderieren helfen, sondern dem parlamentarischen System zusätzliche Legitimität verschaffen.
Im Vergleich zu einer Volksabstimmung besteht bei einem Bürgerrat weniger die Gefahr, dass sich das politische Spektrum noch weiter polarisiert. Aber wohlgemerkt, auch Bürgerräte als neue Form der Partizipation können nur die Leute erreichen, die sich auch einbinden lassen wollen.
Als „Sechser im Lotto“ sieht Charlotte Felthöfer ihre Mitwirkung. Auch wegen Begegnungen wie dieser: Ein älterer Herr erzählte ihr, dass er nach dem Zweiten Weltkrieg aus Danzig vertrieben wurde und in Bayern neu anfangen musste. Diese Erfahrung habe bei ihm offenbar dazu beigetragen, dass er Verständnis für die heutigen Geflüchteten habe.
Maya Loewe, Abiturientin
Auch Maya Loewe berichtet über einen Lerneffekt. Während sie sich anfangs noch ein international vorbildliches Deutschland gewünscht hatte, hätten ihr die vielen Gespräche gezeigt: „Die Rolle als Vermittler passt besser.“ Schließlich sei auch hier nicht alles perfekt – nicht mal in der Nachhaltigkeitspolitik.
Ihre positive Haltung zum Bürgerrat hat sich durch die Teilnahme noch verstärkt. „Wenn die Menschen mehr Mitsprache haben, verstehen sie besser, wie die Politik entscheidet“, sagt Loewe. Wer sich mit anderen Positionen auseinandersetzen müsse, verlasse den Schwarz-Weiß-Modus und dringe in Grauzonen vor, die den politischen Alltag ausmachten.
Nach der Bundestagswahl im September wird aus dem Experiment „Bürgerrat“ womöglich eine permanente Institution. Wolfgang Schäuble, der noch einmal als Abgeordneter kandidiert, könnte seinen Einfluss in diese Richtung geltend machen.
„Ich hoffe, dass sich das Verfahren bewährt“, sagt auch Grünen-Geschäftsführerin Britta Haßelmann. „In der nächsten Legislaturperiode sollten wir Regeln festlegen, wie mit den Empfehlungen von Bürgerräten umzugehen ist.“
Eine interessante Frage: Wie verbindlich sollen die Voten der ausgelosten Volksversammlung sein?
Vielleicht legt der nächste Bundestag ja sogar in seiner Geschäftsordnung fest, dass er sich mit den Positionen der Rät:innen auseinandersetzen und begründen muss, warum er sie akzeptiert oder verwirft. Dass das Parlament sein Entscheidungsrecht wirklich mit den Laienpolitiker:innen teilt, ist hingegen kaum vorstellbar.
Charlotte Felthöfer hält das auch nicht für richtig: Dafür, sagt sie, seien die Stellungnahmen der Bürgerrät:innen zu manchen Fragen mangels Fachwissen doch zu unausgegoren.
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