Bürgerrat zu Deutschlands Außenpolitik: Klares Bekenntnis zur EU
Übers Wochenende kamen 160 Bürger:innen zusammen und erarbeiteten Leitlinien für deutsche Außenpolitik. Was schlagen sie vor?
Berlin taz | Eine wirksame Armee braucht das Land. Mit militärischen Einsätzen sollte man sich aber möglichst zurückhalten. Auf diesen Nenner lässt sich die Empfehlung des Bürgerrats beim Thema „Frieden und Sicherheit“ bringen.
Nach fünf Wochen endeten die Online-Sitzungen des Bürgerrats zu „Deutschlands Rolle in der Welt“ am vergangenen Samstag. Die rund 160 aus den Einwohnerregistern im ganzen Land ausgelosten Teilnehmer:innen stimmten über ihre Vorschläge ab, die Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble Mitte März offiziell in Empfang nehmen wird.
Der Bürgerrat ist ein innovatives, plebiszitäres Verfahren, das auf ausdrückliches Geheiß des Bundestages nun schon zum zweiten Mal stattfand. Die Bürgerrät:innen beschlossen vier Leitsätze sowie fünf konkrete Positionen zu den Themen „Frieden und Sicherheit“, „Europäische Union“, „Recht und Demokratie“, „Nachhaltige Entwicklung“ sowie „Wirtschaft und Handel“.
Der erste Leitsatz der Rät:innen lautet: „Deutschlands Rolle in der Welt sehen wir zukünftig als faire Partnerin und Vermittlerin, die gemeinschaftlich mit anderen, insbesondere mit der EU, eine Welt gestaltet, in der auch zukünftige Generationen selbstbestimmt und gut leben können.“
Auslandseinsätze nur mit Mandat
Die Rät:innen betonen außerdem: „Dazu setzen wir uns global für Nachhaltigkeit, Klimaschutz, die Wahrung der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Frieden und Sicherheit ein.“ Militärische Einsätze wollen sie an „die Verteidigung des eigenen Landes, den Schutz von Menschenrechten oder den Beistand für Bündnispartner“ binden.
Die Entsendung der Bundeswehr ins Ausland solle ausschließlich dann möglich sein, wenn ein „gültiges Mandat eines internationalen Bündnisses (zum Beispiel UNO, NATO, EU)“ vorliege. Die Rät:innen bekennen sich zur Europäischen Union: „Deutschland spielt mit der EU eine größere Rolle in der Welt als allein.“ Allerdings wollen sie die Außenpolitik der EU effizienter gestalten und schlagen vor, dass zu diesem Zweck künftig mehrheitliche, statt nur einstimmige Entscheidungen möglich sind. Des Weiteren sprechen sie sich für eine begrenzte, „geregelte“ Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik aus.
Mit „Autokratien“ wie Russland und China wolle man „differenziert“ umgehen. Ihre Forderung: „Deutschland soll sich aufgrund seiner historischen Verantwortung in der EU für ein partnerschaftliches Verhältnis zu Russland engagieren“ und „zwischen den USA und Russland vermitteln“.
Leser*innenkommentare
Budzylein
Soso, der "Bürgerrat" will also Auslandseinsätze der Bundeswehr erlauben, wenn die EU dafür ein "Mandat" erteilt. Und zugleich will der Rat Mehrheitsbeschlüsse der EU ermöglichen. Da kann sich Deutschland als Führungsmacht der EU das Mandat dann ja gleich selbst erteilen.
Wieso die EU irgendeine Berechtigung dazu haben sollte, darüber zu entscheiden, gegen welche Länder Krieg geführt werden soll, erschließt sich nicht. Ebenso wenig ist erkennbar, welche Legitimation irgendwelche zufällig ausgewählten Personen haben sollten, dem Bundestag dazu Vorschläge zu unterbreiten. Inhaltlich ist das sowieso nur ein Nachplappern der Positionen, die die Mitglieder des Bürgerrats aus den Verlautbarungen der Politik kennen: Die Bundeswehr darf überall eingesetzt werden, wenn es um „die Verteidigung des eigenen Landes, den Schutz von Menschenrechten oder den Beistand für Bündnispartner“. Und wo es angeblich um Menschenrechte geht, erfahren wir dann wie üblich aus dem Fernsehen, wo, wenn es der Regierung gerade passt, auf einmal "Diktatoren" entdeckt werden, die jahrelang nie so genannt wurden.
joaquim
Wieder so ein Alibi der Demokratie. Eine klare Meinung wie "keine Waffen mehr für wen oder was auch immer" sind nicht wirklich gefragt. Geldverschwendung!
J_CGN
Völkerrechtswidrige Interventionen von NATO und EU als mögliche Maßnahmen sind kein gutes Ergebnis und diskreditieren das Instrument.
Rolf B.
Mir scheint, dass der Bürgerrat hinsichtlich der Außenpolitik deutlich differenzierter und friedensorientierter denkt als die transatlantisch geprägte Politik des kalten Krieges, die sich ausschließlich auf Militarisierung und Drohungen konzentriert.
Das entscpricht auch offensichtlich der Mehrheitsmeinung in Deutschland.
Mein Fazit: Mehr direkte Demokratie wagen.
Jürgen Klute
Das ist ja nicht gerade ein berauschendes Ergebnis – im Unterschied zu den Kosten von über 1,8 Millionen Euro für diesen Bürgerrat. Diese Summe nannte Claudine Nierth von "Mehr Demokratie e.V." auf der Bundespressekonferenz vom 13. Januar 2021 zum Bürgerrat. Was soll das Parlament denn jetzt mit diesen nicht gerade neuen Einsichten machen? Im wesentlichen handelt es sich um eine Wiederholung geltenden Rechts. Und auf eine Änderung der Abstimmungsmodalitäten im Rat der EU hat das Parlament ja wenig Einfluss. Aber bei der Konzeption dieses Bürgerrates überrascht das Ergebnis auch wiederum nicht.