RTL schneidet Wendler raus: Endlich Cancel Culture
RTL hat den Verschwörungsideologen aus seiner Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ rausgeschnitten. Alle finden’s prima.
Schlagerstar Michael Wendler hat einen Schlag. Am Dienstag schrieb er auf seinem Telegram-Kanal Folgendes: „KZ Deutschland? Es ist einfach nur noch dreist, was sich diese Regierung erlaubt! Das Einsperren von freien und unschuldigen Menschen ist gegen jegliche Menschenwürde.“ Sechs Stunden später sitzt dann derselbe Verschwörungserzähler vor einem Millionenpublikum bei RTL. Mit Dieter Bohlen, Maite Kelly und Mike Singer teilt er sich einen Tisch bei „Deutschland sucht den Superstar“. Dort bewertet Wendler die Gesangseinlagen der Castingteilnehmer:innen – ganz so als hätte er nicht kurz zuvor den Holocaust verharmlost. Kommt nicht so gut für RTL. Trotzdem ließ sich der Sender mal wieder Zeit, zu reagieren.
Offiziell ist „der Wendler“ schon im Oktober aus der Jury ausgestiegen, nachdem er Verschwörungsstorys über die Pandemie verbreitet und dem Sender vorgeworfen hatte „gleichgeschaltet“ zu sein. RTL distanzierte sich, die 13 abgedrehten „DSDS“-Folgen mit ihm wollte der Sender zunächst aber ausstrahlen – aus „Fairness den Kandidaten gegenüber“. Die Fairness scheint bei RTL wichtiger zu sein als eine klare Haltung gegenüber Verschwörungserzählungen, Antisemitismus und Rassismus. So schmiss der Sender auch erst im vergangenen Jahr Hardcore-Verschwörer Xavier Naidoo aus der Sendung, der war zu diesem Zeitpunkt schon mehrfach durch antisemitische und rassistische Aussagen aufgefallen.
Nach vermehrter Kritik verkündete RTL dann überraschend doch noch: Wendler wird rausgeschnitten. Ab Folge 2 sowie in der Wiederholung der ersten Folge nachträglich. Nachdem also monatelang über die sogenannte Cancel Culture diskutiert und gestritten wurde, wird sie nun endlich gelebt. Und alle sind mit an Bord. Selbst die Bild-Zeitung freut sich über die Entscheidung des Senders.
Zeit also, diese Kulturpraxis aus der Schmuddelecke zu holen. Geht es doch nicht, wie häufig behauptet, um Meinungskorridore, die immer enger werden. Sondern darum, dass, wer mit Verschwörungen und menschenverachtenden Aussagen um sich schmeißt, nicht mit ordentlich Kohle und einem Millionenpublikum belohnt werden sollte. Vielleicht erlöst uns diese späte Erkenntnis vor weiterem Elend.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen