RTL Zwei sagt Wendler-Sendung ab: Es geht nicht um Gefühle!

Der öffentliche Druck hat gewirkt: RTL Zwei zieht eine geplante Sendung mit dem Schlagersänger und Verschwörungsideologen Michael Wendler zurück.

Portrait

Die Babyshow wäre Wendlers Fernsehcomeback nach zwei Jahren gewesen Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Bühne frei für den Verschwörungsinfluencer Michael Wendler!, hieß es am Dienstag. Keine 24 Stunden später ist alles anders. Nachdem RTL Zwei für viele überraschend angekündigt hatte, dass Wendler gemeinsam mit seiner Freundin Laura Müller eine Sendung bekommen werde, in der es um deren „Babyglück“ gehen soll, machte der Sender nun einen Rückzieher.

„RTL Zwei hat sich immer von Extremismus aller Art distanziert und steht für Weltoffenheit und Toleranz. Es ist uns wichtig, auch nur den Anschein zu vermeiden, dass der Sender hier zu Abstrichen bereit ist“, teilt der Sender am Mittwochmorgen mit. Einen Tag zuvor wusste RTL Zwei seine Entscheidung noch zu rechtfertigen. Ein Sendersprecher sagte der taz: „Er hat uns versichert, dass er mit seiner jungen Familie einen Neuanfang will und kein Extremist ist.“ Fakt sei: „RTL Zwei gibt Querdenker-Thesen oder anderen radikalen Positionen keine Plattform.“ Sinneswandel in so kurzer Zeit – wie ist das möglich?

Nur durch öffentlichen Druck. Zu Recht hatten Menschen in den sozialen Medien am Dienstag darauf hingewiesen, dass mit Wendler ein Schlagersänger rehabilitiert werde, der über zwei Jahre lang verschwörungsideologische, rechtsextreme und antisemitische Erzählungen verbreitet hatte. Bei RTL hatte man das Wissen wohl noch parat und machte Mittwochmorgen klar, dass die geplante Sendung nicht in das Streamingangebot von RTL+ aufgenommen werde.

Spiegel der Realität

Nachdem Wendler Anfang 2021 die Bundesregierung wegen ihrer Coronapolitik mit einem KZ gleichgesetzt hatte, entschied sich RTL dazu, ihn nicht mehr zu zeigen. Wendler war damals Juror bei DSDS. In der Praxis bedeutete dies, dass in bereits abgedrehten DSDS-Folgen ein Weichzeichner oder schwarzer Balken über Wendlers Person gelegt wurde. In seiner Abwesenheit blieb er doch irgendwie da. Die ästhetische Umsetzung von RTL wurde zum Spiegel der Realität. Wendler vollkommen auszuradieren war unmöglich. Außerhalb von DSDS waren er und seine Ansichten schließlich noch zugänglich.

Mit dem Einstampfen der neu angekündigten Wendler-Sendung spart sich RTL Zwei diesen Filterblasen-Arbeitsschritt. Ende gut, alles gut, könnte man nun meinen und den Fall zu den Akten legen. Aber so einfach sollte man den Privatsender nicht davonkommen lassen. Denn entlarvend ist vor allem folgender Teil der Begründung des Senders: „Wir haben die Vehemenz der Reaktionen wahrgenommen und nehmen die Stimmen unseres Publikums ernst. Wir bitten um Entschuldigung, sollten wir hier Gefühle verletzt haben“, schreibt RTL Zwei.

Geht es um menschenverachtende Ansichten und Aussagen, wird gerne mit verletzten Gefühlen argumentiert. Berechtigte Kritik wird subjektiviert und auf irgendetwas Gefühliges reduziert und Kri­ti­ke­r:in­nen werden als emotional abgetan. Denn wer emotional ist, kann schließlich nicht gleichzeitig rationale Argumente vorbringen oder gar recht haben mit seiner Kritik, so der Gedanke.

Die eigentliche Kritik wird in den Hintergrund gedrängt und ganz bewusst nicht zu einem legitimen Gegenstand erklärt, mit dem man sich als Kritisierter auseinandersetzen muss. Stattdessen heißt es: Ai, ai, hier ist ein überdimensionales Pflaster für all die verletzen Gefühle der aufgeregten Twitter-Kritiker:innen. Nun fahrt euch mal alle wieder runter, aber erkennt unsere große Geste bitte an. Selbstgefälliger geht es kaum.

Selbst den Geissens gelingt's

Michael Wendler hat seine rechtsextreme und antisemitische Haltung in der Vergangenheit nicht versteckt. Er hat sie unter anderem öffentlich in seinem Telegramkanal verbreitet. Dass ein Privatsender diese Vergangenheit nicht ernst genommen oder mindestens eine aufrichtige Aufarbeitung verlangt hat, ist ein Armutszeugnis. Stattdessen gab man sich mit Wendlers Aussage zufrieden, er distanziere sich „von einigen“ seiner Äußerungen. Welche dies sind und warum er an anderen Aussagen weiterhin festhält, interessierte RTL Zwei nicht.

Offen bleibt auch, ob nicht vielmehr wirtschaftliche Konsequenzen als eine zu Recht aufgeregte Öffentlichkeit für den Rückzieher von RTL Zwei und der Produktionsfirmen ausschlaggebend waren. Denn wie der Branchendienst DWDL skizzierte, wäre RTL Zwei durch die Entscheidung seiner Senderschwester RTL eine wichtige Einnahmequelle verloren gegangen. Für Inhalte von RTL Zwei, die über RTL+ abrufbar sind, wird der Sender nämlich vergütet. „Das ist ein wesentlicher Beitrag zu unserem Geschäftsergebnis“, sagte RTL-Zwei-Geschäftsführer Andreas Bartl Anfang März zu DWDL.

Sogar das Reality-TV-Paar Carmen und Robert Geiss bewies mehr Rückgrat als der Privatsender in der Causa. Bei Instagram schrieben sie am Mittwoch: „Wir distanzieren uns aufs Schärfste von Corona-Leugnern und Menschen, die Deutschland als ‚KZ‘ bezeichnen. Verschwörungsideologische Aussagen sind nicht unser Stil.“ Nun gut, mit schlechtem „Stil“ haben menschenverachtende Ideologien wenig zu tun, aber die Richtung stimmte. Bemerkenswert ist der zweite Teil des Geissen-Posts, in dem sie beteuern, auch Konsequenzen durch RTL Zwei in Kauf zu nehmen, die ihre Do­ku­soap „Die Geissens – Eine schrecklich glamouröse Familie“ ausstrahlen. Stabil. Diese Standfestigkeit hätte man sich von RTL Zwei auch gewünscht.

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Redakteurin für Gesellschaft im Ressort taz zwei. Schreibt über postsowjetische Migration, jüdisches Leben und Antisemitismus sowie Osteuropa. Axel-Springer-Preis für jungen Journalismus 2021, Kategorie Silber. Freie Podcasterin und Moderatorin.

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