Gutschein-Idee der Grünen: Besser als Steuersenkungen

Die Grünen wollen kleine Betriebe fördern. Am besten wäre, das Geld direkt an die Mini-Firmen zu verteilen.

auf einer Holzplatte steht "Covid kills business too!"

Einkaufsgutscheine für alle Bundesbürger sollen Kleinstgeschäfte vor dem Aufgeben retten Foto: Rick Bowmer/ap

Die Idee der Grünen klingt charmant: Alle Bundesbürger sollen einen staatlichen Einkaufsgutschein von 250 Euro erhalten, mit dem sie dann ihre Lieblingsläden und -kneipen aufsuchen können. Gedacht ist also an eine Art öffentliche Nachbarschaftshilfe. Die Grünen wollen die kleinen Betriebe vor Ort stützen, die durch die Corona-Krise am meisten gelitten haben. Supermärkte und Online-Handel sind ausdrücklich ausgenommen.

20 Milliarden Euro soll das Projekt kosten. Doch so bodenständig die Gutschein-Idee klingt – diese staatlichen Milliarden würden weitgehend verschwendet. Ein gutes Beispiel sind die Kneipen: Sie dürften kein Problem haben, ihr Stammpublikum anzulocken, sobald die Corona-Krise vorbei ist. Auf nichts warten die Deutschen sehnlicher, als endlich ihre Freunde auf ein Bier zu treffen.

Normalerweise würden sie dafür ihr eigenes Geld ausgeben, aber wenn es einen staatlichen Gutschein gibt, dann zahlen sie natürlich damit. Im Ergebnis würden die Kneipen also gar nicht mehr Umsatz machen. Stattdessen würde das staatliche Geld letztlich auf den Sparbüchern der Bürger landen. Natürlich gibt es arme Familien, die sich ohne den Gutschein einen Gang ins Restaurant nicht leisten könnten.

Und natürlich ist vorstellbar, dass es zu indirekten Effekten kommt – dass also die Kneipengänger das Geld, das sie durch den Gutschein sparen, hinterher in einem Kleiderladen oder im örtlichen Buchhandel ausgeben. Aber diese indirekten Geld-Kaskaden sind unkalkulierbar und erinnern stark an den Spruch „Hätte, hätte, Fahrradkette“. Die Idee der Grünen krankt daran, dass sie sich auf einem Umweg ans Ziel pirschen wollen.

Der schlauste aller dummen Vorschläge

Ihr Anliegen ist, völlig richtig, die kleinen Betriebe zu unterstützen, die durch die Corona-Krise an den Rand des Bankrotts geraten. Aber der effektivste Weg wäre, die 20 Milliarden Euro direkt an diese Mini-Firmen zu verteilen. Dann wäre den Kneipen und Läden tatsächlich geholfen: Sie hätten das staatliche Geld und zusätzlich den Umsatz, der sowieso anfällt. Auch den Grünen dürfte klar sein, dass ihr Plan suboptimal ist. Aber sie befinden sich gerade in einer politischen Abwehrschlacht.

Mit ihrer Gutschein-Idee wollen sie nämlich einen noch dümmeren Plan verhindern: Viele Politiker aus CDU und CSU trommeln inzwischen für Steuersenkungen, die sehr teuer wären, von denen nur die Reichen profitieren würden, die den Kleinstbetrieben gar nicht helfen würden – und die in alle Ewigkeit gelten würden. Insofern ist der grüne Plan doch ganz pfiffig. Er ist gerecht, billig, zeitlich begrenzt, hilft auch den Armen und sicher auch ein paar Kleinstbetrieben. Im Wettstreit der dummen Vorschläge ist die Gutschein-Idee die schlauste.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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